hortus | An der Falkenvoliere - nicht mehr lang bis Dura Europos

  • Cassim war am Morgen frohgemutes zu seiner Arbeit an der Falkenvoliere gegangen. Wie jeden Morgen reinigte er zuerst die Voliere, holte dann den Vogel heraus und arbeitete mit ihm den ganzen Vormittag. Es war eine Freude, ihn so frei fliegen zu sehen! Der Falke hatte schon große Fortschritte gemacht. Nicht mehr lange und man konnte ihn mit auf die Jagd nehmen. Der Parther war in seinem Element, wenn er mit dem Falken zusammen war. Das erinnerte ihn an die Zeit seiner Jugend, zu Hause in Dura Europos. Dann konnte er für kurze Zeit vergessen, dass man ihn zu einem Sklaven gemacht hatte und er nun hier leben musste.
    Als die Sonne hoch am Himmel stand, verbesserte sich seine Laune zusehends. Er brachte den Falken zurück in seinen Käfig, gab ihm zu fressen und setzte sich dann ins Gras, um zu warten.
    Blinzelnd schaute er gen Himmel. Die Sonne blendete ihn. Die Vorstellung, dass genau diese Sonne auch Dura Europos Wärme spendete, machte ihn einerseits traurig. Die Hoffnung aber überwog, bald wieder die Heimat zu sehen. Mit der Hilfe der beiden anderen Sklaven hatte er die Chance dazu. In wenigen Monaten schon konnte es möglich sein, diese Sonne in Dura Europos auf der Haut zu spüren.
    Nicht mehr lange und sie waren da. Die beiden, die mit ihm gehen wollten, nach Dura Europos.

  • Chimerion hatte sich nach den morgendlichen Aufgaben und Pflichten in den Garten gestohlen und machte sich auf den Weg zur Falkenvoliere. Nahe des Hauses fand er den großen Bau, in dem Cassim auch schon mit einem wunderschönen Tier arbeitete. Er trat nahe an den Käfig heran und schaute eine ganze Zeit lang zu, wie Mensch und Tier miteinander kommunizierten.
    Der Parther hatte ein gutes Händchen mit dem Tier, das musste man neidlos anerkennen. Als Cassim herauskam und sich ins Gras setzte, trat Chimerion ungesehen von hinten neben ihn und setzte sich ebenfalls ins satte Grün.


    "Du hast wirklich ein Händchen für Tiere, Cassim. Dieser Vogel frisst dir aus der Hand...." begann er. Dann begann er, mit seinen Fingern Gras auszurupfen und wieder wegzuwerfen. Er wollte eigentlich damit warten, bis Hannibal bei ihnen war, aber er musste es loswerden.
    "Cassim, wir haben ein Problem: Meine Herrin wird demnächst heiraten und zwar diesen Aurelius Ursus. Der Haken dabei ist, dass sie mit ihrem ganzen Hausstand zu ihm ziehen wird. Die Villa Aurelia ist zwar nicht weit weg, aber ich wüsste nicht, wie wir dann eine Flucht planen sollten. Ich schätze, uns bleiben vielleicht noch vier oder sechs Wochen...."Endlich war es draußen, was Chimerion schon die ganze Nacht durch seinen Kopf gewälzt hatte. Sie wollten sich Zeit lassen, doch genau diese Zeit rann schneller dahin als Wasser in einem Fluss.

  • Der Parther hatte Chimerion nicht kommen hören. Auch war ihm entgangen, dass dieser ihn schon eine Weile beobachtet hatte. Das musste an der inneren Vorfreude liegen, die ihn seit dem Abend zuvor ergriffen hatte. Überrascht und erfreut zugleich, sah er zu dem Sklaven hinüber, der sich neben ihn ins Gras gesetzt hatte.
    "Man muss nur wissen, wie man mit solchen Tieren umzugehen hat. Ich habe es von meinem Vater gelernt als ich noch fast ein Junge war. Er hat mir alles beigebracht und auch, wie man mit ihnen jagt. Du musst ihnen immer das Gefühl geben, sie seinen noch frei. Diese edlen Tiere verkümmern, wenn man sie nur eingesperrt lässt." Ähnlich verhielt es sich auch mit Cassim. Die Arbeit mit dem Falken ließ ihn so manches vergessen. Jedoch die Aussicht, auf ewig als Sklave leben zu müssen, würde auch ihn verkümmern lassen.


    Zufrieden die wärmenden Sonnenstrahlen genießend, rupfte er einen Grashalm ab und nahm ihn zwischen seine Zähne, um darauf herum zu kauen. Sobald auch Hannibal auftauchte, konnten sie mit ihrer Besprechung beginnen. Cassim konnte es kaum noch erwarten. Endlich würde er von hier fort kommen. Was Chimerion allerdings zu berichten hatte, klang alles andere, als gut.
    "Sie wird heiraten?" Entsetzen klang in seiner Stimme mit. Im Grunde war es ihm gleich, was diese Römer untereinander veranstalteten. Doch wenn dadurch das Gelingen seiner Flucht abhing, ließ es ihn doch nicht kalt. "Du wirst umziehen? Wann? Vier bis sechs Wochen? Weiß Hannibal schon davon?"
    Auf den Schreck hin hielt Cassim nichts mehr am Boden. Besorgt begann er hin und her zu laufen. "Die Flucht, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren und müssen so schnell, wie irgend nur möglich damit anfangen, zu planen. Was denkst du, wann wäre ein geeigneter Zeitpunkt, um zu fliehen?" Er sah zu dem sitzenden Sklaven herab. Es musste einen Weg geben. Ungern wollte er ihn alleine beschreiten.

  • Chimerion blieb sitzen, als Cassim aufsprang und wie von Hummeln gejagt hin und herlief. So war Chimerion am Abend zuvor gewesen, doch dann hatte er wieder angefangen nachzudenken. An der Situation konnte er nichts ändern, höchstens seine Herrin in einen Skandal verwickeln, der sie unattraktiv für Corvinus machen würde. Er hatte sich deshalb zu etwas anderem entschlossen.
    "Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit Hannibal zu reden und es ihm zu sagen. Das werde ich hoffentlich gleich können. Damit hat sich alles geändert und wir müssen so bald als möglich loslegen, nicht erst, wenn die Familie kurz vor dem Umzug ist." Er bedeutete Cassim, sich wieder zu setzen, aber vielleicht konnte der Parther während des Gehens besser denken.
    Chimerion blickte ihn an. "Wir haben nur eine einzige Möglichkeit: Und zwar am ersten oder zweiten Tag der Saturnalien!!! Die ganze Stadt wird in Aufruhr und Feierlaune sein und vielleicht nehmen es die Torwachen nicht so genau mit den Schließzeiten. Bis dahin müssen wir Kontakt mit einem Händler aufgenommen haben, der in Misenum liegt und uns mitnimmt.... Und vor allem müssen wir bis dahin das Geld beisammen haben"
    Geld zu stehlen würde Chimerion nicht schwer fallen, nur es so zu tun, dass der Verdacht nicht sofort auf ihn oder Cassim fiel, das war die Schwierigkeit. Er sah den Wolken am Himmel nach und versuchte, seine Gedanken wieder zu ordnen. Eine gewisse Vorfreude machte sich bei ihm breit, ein gutes Gefühl.

  • Chimerions Neuigkeiten hatten ihn so aufgewühlt. Er konnte gar nicht still stehen bleiben. Wenn daran ihre Flucht scheitern sollte, was dann? Blieb abzuwarten, was Hannibal dazu sagen würde. Aber der Thraker hatte sich schon seine Gedanken gemacht, wie man die Flucht doch noch durchführen konnte. So schnell, als nur möglich! Zu den Saturnalien? Der Parther stutzte. "Saturnalien, was ist das denn?" Er hatte sich einiges durch seinen römischen Sklaven über das römische Alltagsleben angeeignet, aber über Festlichkeiten, seien es religiöse oder familiäre, wusste er so gut wie gar nichts. Der Sklave sprach in Rätseln. Wieso sollten an diesen Saturnalien die Torwachen andere Schließzeiten haben?
    Er setze sich wieder neben Chimerion "Das verstehe ich nicht! Was ist den an den Saturnalien anders und wiesop sollte das unsere einzige Chance sein. Du glaubst doch nicht, dass wir dann einfach so aus der Villa spazieren können!" Aber offensichtlich schien es doch etwas besonders mit diesen Saturnalien auf sich zu haben, was bei Chimerion alleine schon der Gedanke daran große Freude auslöste.

  • Chimerion lächelte ein wenig gequält, als er Cassims Fragen hörte. So konnte nur jemand fragen, der nicht sein halbes Leben bei den Römern zugebracht hatte. Sein früherer Herr hatte es nicht so streng genommen bei den Saturnalien und ihn an diesen Tagen nicht arbeiten lassen.
    "Die Römer ehren mit den Saturnalien ihren Gott Saturn. Sie feiern mehrere Tage lang ein Fest, beten vor seinem Tempel, es gibt sogar öffentliche Festessen, die der Kaiser bezahlt....
    Aber das beste daran ist, dass damit an das Goldene Zeitalter gedacht wird, dass es früher einmal gegeben haben soll. Damals waren alle Menschen gleich, es gab keine Sklaven. Aus dieser Tradition heraus müssen viele Sklaven an den Saturnalien nicht arbeiten und speisen mit ihren Herren in einem Raum. Manchmal werden sie sogar von ihren Herren bedient."
    Er blickte Cassim an, ob er ihm überhaupt glaubte. Es war eines der merkwürdigsten Feste, die Chimerion kannte. Diese Römer waren echte Spinner.


    "Warum ich die Flucht für die Saturnalien angesetzt habe, ist ganz einfach: Die Römer werden sich gnadenlos besaufen, fünf Tage lang und gröhlend durch die Staßen ziehen. Vielleicht haben wir Glück und können im Tumult untertauchen. In wieweit wir allerdings durch die Tore kommen weiß ich nicht, aber wenn wir erst mal draußen sind... Die Saturnalien werden meines Wissens nach überall gefeiert, wo Römer sind. Das wäre zumindest eine Gelegenheit, ich wüsste keine bessere."
    Er blickte sich um, ob Hannibal nicht endlich kam. Langsam schien es ihm merkwürdig, ob er sie vielleicht verraten hatte oder keine Lust auf eine Flucht hatte?
    "Müsste Hannibal nicht längst da sein?" fragte er.

  • Verkartert, müde und erschöpft. Das war Hannibal an jenem Tag, der in greller Helligkeit auf ihn zugerast war. Mit quälender Arbeit ihn beschäftigt hatte und in einer ständigen Übelkeit und Mißlaune umfangen hielt. Nein. Heute war kein guter Tag. Und vage erinnerte er sich daran, in der letzten Nacht mit Cassim und dessen Freund etwas ausgemacht zu haben. Doch gerade, als er einer der Morgenarbeiten erledigen wollte, fuhr es wieder in seinen Geist. An der Falkenvoliere waren sie noch verabredet. In einem unbemerkten Augenblick und als Hannibal wieder etwas ruhigere Arbeiten hatte ließ er diese liegen und machte sich auf zu dem Ort der Verschwörung. Die Laute der Tiere vernahm Hannibal schon vom Weiten und kam zum Käfig. Der Geruch des Federvieh drang ihm an die Nase und er rümpfte selbige. Als dann noch etwas flatterte, machte Hannibal schnell einen Sprung zurück. Ganz als ob ihn das Vieh gleich anfallen könnte. Da vernahm er schon die Stimmen, drängend wie es sich bei einer waschechten Verschwörung zur Flucht auch gehörte. Hannibal schlenderte um den Käfig, immer einen Sicherheitsabstand haltend. Denn er mochte Tiere nicht, weder auf zwei, vier oder mehr Beinen. "Salve! ", grüßte er die Männer mitten in ihrem Gespräch hinein. Irgendetwas von den Saturnalien hatte er noch aufgeschnappt. "Da bin ich. ", erwiderte er auf die letzte Frage hin.

  • Der Parther staunte nicht schlecht. Das war ja wirklich unglaublich, was er da hörte. Seine Stimmung besserte sich zusehends. Leichter konnten es die Römer ihnen für ihre Flucht nicht machen.
    "Mhm, dann werden wir an Abend zuvor noch mit ihnen speisen und am nächsten Tag nehmen wir reis aus." Cassim lachte. Eine bessere Gelegenheit würde es auf lange Sicht nicht geben. "Dann bemerken sie vielleicht erst Tage später unser Verschwinden, wenn wir bereits über alle Berge sind!" Das war zu schön, um wahr zu sein!
    Er war gespannt darauf, was Hannibal dazu sagen würde. Gegenüber Chimermerion sah es Cassim weitaus gelassener, warum der Sklave noch nicht da war. "Vielleicht wurde er aufgehalten. Er wird sicher gleich kommen!"Kaum hatte er zu Ende gesprochen, sah der Parther ihn auch schon kommen. Hannibal hatte mächtigen Respekt vor dem Falken, den er vermied es, zu dicht an der Voliere vorbei zu laufen.
    "Hannibal! Setz dich zu uns!" Cassim hatte ein breites Grinsen auf dem Gesicht.
    "Chimerion hat einige Neuigkeiten, von denen der Erfolg unserer Flucht abhängen könnte. Aber das kann er dir auch selbst erzählen!" Er sah zu dem Thraker.
    "Wie schätzt du unsere Erfolgschancen bei einer Flucht an den Saturnalientagen ein?" fragte er, wieder zu Hannibal gewandt.

  • In einigem Abstand zu dem garstigen Biest ließ sich Hannibal auf das grüne Gras nieder fallen. Seine braunen Augen bäugten den Vogel noch mal misstrauisch, aber da der Käfig verschlossen schien, ging von dem Greifvogel wohl erst mal keine Gefahr aus. Hannibal wandte seinen Kopf Cassim zu. Neuigkeiten? Fragend sah auch Hannibal zu Chimerion. Von einem anderen Sklaven hatte Hannibal mittlerweile erfahren können, wem der Sklave gehörte. Flavia Celerina, deren Launen genauso berüchtigt war, wie ihre Schönheit gerühmt wurde. "An den Saturnalientagen?" Hannibal blinzelte erstaunt. Und dachte darüber nach. Doch, ganz dumm war der Gedanke wirklich nicht. Im Gegenteil. Stumm runzelte Hannibal die Stirn und sann darüber. Dann nickte er. "Das ist ein guter Einfall. Während der Saturnalientage sind alle abgelenkt, die Sklaven teilweise aus dem Haus und es würde nicht auffallen, wenn wir fehlen. Es würde uns ein paar Tage an Vorsprung geben, die entscheidend sein könnten."

  • Chimerion freute sich, als sein Vorschlag Zuspruch erhielt, doch dann beschloss er, die Katze aus dem Sack zu lassen.
    "Wir werden nämlich nicht mehr viele Gelegenheiten zur Flucht haben," meinte er an Hannibal gewandt, "meine Herrin heiratet in Kürze und wird danach mit ihrem gesamten Hausstand in die Villa Aurelia umziehen... Wie schnell könnten wir eine Flucht bewerkstelligen, Hannibal?"
    Sie hatten demnach noch eine Woche, um ihre Flucht vorzubereiten, dann waren die Saturnalien. Im Kopf überschlug er schon die nötigen Vorbereitungen.

  • Zitat

    Original von Hannibal
    "Das ist ein guter Einfall. Während der Saturnalientage sind alle abgelenkt, die Sklaven teilweise aus dem Haus und es würde nicht auffallen, wenn wir fehlen. Es würde uns ein paar Tage an Vorsprung geben, die entscheidend sein könnten."


    Genau das wollte der Parther hören! Bis dahin musste noch viel getan und geplant werden. Sie brauchten Geld, genug Proviant, vielleicht einige Waffen, Kartenmaterial und Pferde! Cassim waren die geographischen Gegebenheiten in Italia noch nicht ganz klar. Er nahm sich vor, in den nächsten Tagen in die Bibliothek zu gehen, um sich damit vertraut zu machen. Bei dieser Gelegenheit konnte er vielleicht auch die eine oder andere Karte mitgehen lassen. Wegen des Proviants machte er sich auch keine Sorgen. Er hatte gute Verbindungen in die Küche. Die Pferde konnten sie sich einfach aus dem Stall holen. die größte Herausforderung stellte das Geld da!
    "Für unsere Flucht brauchen wir Geld. Viel Geld! Woher bekommen wir das?" Dabei sah er den Thraker an. Er war der einzige von ihnen, der bei seinem Herrn gut angesehen war, ja sogar eine vertrauensvolle Stellung genoss, im Gegensatz zu Hannibal, der in Ungnade gefallen war oder er selbst, der nicht diese enge Beziehung zu dem Römer inne hatte, wie ein Leibsklave

  • Chimerion sah Cassim bei seiner Frage ein wenig überrascht an. Er hatte sich die gleiche Frage auch schon gestellt. Zwar wusste er immer noch nicht so recht, was man mit einer Sesterze kaufen konnte, aber es müssten schon ein paar mehr sein für eine Passage und für andere Zwischenfälle.
    "Ich könnte natürlich welches bei meiner Herrin stehlen... Aber dann würde sie es sofort merken und mich verdächtigen, weil ich als einziger Zugang zu allen Bereichen ihres Cubiculums habe. Wenn sie auch nur die kleinste Sesterze vermissen würde, würde sich mich garantiert auspeitschen lassen. Wir könnten höchstens versuchen, etwas auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, was keiner erfährt. Nur was und wo? Wir dürfen so wenig Aufsehen wie möglich erregen."
    Dann runzelte er seine Stirn und dachte nach. Sämtliche Szenarien spielte er durch, jedoch ohne brauchbare Ergebnisse.


    "Hat keiner etwas das wir teuer verkaufen könnten oder weiß, wie wir an Ware kommen, die wir verhökern können?" fragte er in die Runde.

  • Für einen Moment versank Hannibal in brütendes Schweigen, von der Frage von Chimerion dazu verleitet. Wie lange würden sie brauchen? Das war in der Tat eine entscheidende Frage, sie hatten nur die wenigen Tage. In dem Augenblick sann er zudem darüber nach, ob er seine Tochter nicht mit nehmen sollte. Nein, nicht sollte, musste. Doch ihm war klar, dass er das Mädchen nur in Fesseln mit schleifen könnte. Und bei der nächsten Gelegenheit würde sie alle verraten, um wieder zurück zu kommen. Als er in ihrem Alter war, hätte er wohl ähnlich gehandelt. Aber da waren die Zeiten noch anders.


    Geld? Verwirrt blinzelte Hannibal und bekam gerade noch mit, dass die Überlegung zum Schwarzmarkt ging. Fast schon belustigt sah Hannibal von einem Sklaven zum Anderen. Er bezweifelte doch sehr, dass einer von Beiden jemals nur von Weiten so etwas in Rom gesehen hätten. "Auf dem Schwarzmarkt etwas zu verkaufen ist mitunter nicht so einfach, wie man sich das vorstellt. Ich hätte ein oder zwei Freunde, bei denen könnte ich jedoch etwas absetzen." Wobei er in erster Linie an seinen früheren Kumpan Decius in der Subura dachte, der ihm sicherlich den Gefallen tun würde und nicht ganz so unverschämt wäre.


    "Aber gute Frage, was? Eine Vase aus der Villa? Das Silberbesteck?" Etwas skeptisch runzelte Hannibal die Stirn und sah in Richtung der flavischen Villa. Gut, sie hatten einige Kunstschätze, aber irgendwie sträubte es sich doch etwas in Hannibal die Flavier zu bestehlen. Seinen Herrn? Ja, das war eine andere Sache, warum er auch nachdenklicher Stimme meinte: "Ich könnte versuchen, noch etwas von unserem Herrn zu holen. Er ist ein Gewohnheitstier und ich weiß genau, wo er sein Geld hortet, also das, was er im Haus verwahrt. Und zur Not können wir auch noch die Ulpius Sparbüchse seines Sohnes zerschlagen. Das wird ihn zwar gehörig fuchsig machen, aber er kann es verschmerzen. Spätestens, wenn seine Grossmutter wieder ordentlich was hinein steckt." Wobei es Hannibal auch nicht sehr angenehm sein würde, von dem Jungen was zu nehmen. Lieber von dessem Vater.


    "Und wir sollten uns sputen, deswegen könnte das mit dem Schwarzmarkt schwierig werden, da man dafür durchaus Zeit braucht. Aber wir sollten uns am Besten nach dem großen Essen hier aufmachen, vielleicht sogar zu dem Zeitpunkt, wo sich alle betrinken. Noch in der selben Nacht.", überlegte Hannibal. "Und dann müssen wir unsere Route überlegen. Wollen wir ein Schiff nehmen oder es lieber über Land versuchen. In Italia kenne ich mich auch einigermassen aus, sogar noch in Griechenland bin ich schon gewesen. Aber von da an sind wir in Deinen Händen.", fügte er an Cassim gerichtet an.

  • Chimerions Einwände waren begründet. Cassim hatte seine Herrin selbst erlebt. Sie sollte nicht der Anlaß für das Scheitern ihres Unternehmens sein. Mit Schwarzmarktgeschäften kannte er sich allerdings auch nicht aus. Hannibals Aussage bestätigte nur, was er sich insgeheim schon gedacht hatte.
    "In dieser Villa gibt es so vieles an wertvollen Dingen. Da wird das Verschwinden einer kostbaren Vase, eines silbernen Pokals oder auch einem Schmuckstück kaum auffallen. Aber dennoch wäre es besser, auch an Münzen heranzukommen. Wenn du das bewerkstelligen könntest, Hannibal, wäre das sehr gut!" Geld alleine würde ihnen nur bedingt helfen. Was sie brauchten, waren auch Waffen. Die zu beschaffen, war einfach. Er erinnerte sich noch an die Worte Hannibals, als er meinte, in der Villa leicht an eine Waffe kommen zu können. Man musste nur in die Küche gehen!
    "Ich werde uns noch einige Waffen besorgen, ihr wisst doch, ich pflege regen Kontakt mit der Küche." Um seine Mundwinkel zuckte ein frivoles Lächeln, was allerdings schnell wieder verschwand.
    Hannibals Vorschlag, gleich nach dem Essen zu verschwinden, fand seine Zustimmung. Je eher desto besser! "Da stimme ich dir zu! Wir sollten uns auch einige der Pferde nehmen, damit wir schnell voran kommen! Ich werde später in der Bibliothek nach einer Karte suchen, die uns bei der Entscheidung hilft, welchen Weg wir nehmen sollen." Der Gedanke, von Italia nach Griechenland überzusetzen, und dann von Land aus den Heimweg anzutreten, war womöglich der sicherste Weg, allerdings auch der längste. Auf einem Schiff, das direkt nach Syrien ging, konnte während der Überfahrt viel geschehen. Zu viel!

  • Mit jedem Wort, das die drei Männer austauschten, wurde der Plan konkreter und schon zum Greifen nahe. Noch vor wenigen Monaten hätte Hannibal gelacht, wenn ihm einer prophezeit hätte, er würde fliehen wollen. In ein fremdes Land und weg von den Flaviern. Doch die Zeiten hatten sich verändert und Hannibals Loyalität war mit einem einzigen Schlag zerstört worden. Oder eher die Bande, die ihn bisher gehalten hatten. Er war dennoch froh, dass er nicht die flavischen Kunstschätze stehlen musste. Somit nickte er leicht. Irgendwann am Tag würde er sich schon unauffällig in Aristides Zimmer bewegen können. Denn dieser schien jetzt bereits schon eifrig in der Küche beschäftigt zu sein. Der Gedanke daran entlockte Hannibal kurz ein hämisches Grinsen, was sich verflüchtigte als Cassim die Waffen ansprach. "Ich brauche keine Waffen aus der Küche. Ich bin im Besitz von einer Sica und einen Caestus." Seine beliebten Waffen, die, mit denen er auch recht gut umgehen konnte. Ein Gladius war ihm zu schwer und zu ungewohnt. Und jene beiden Waffen, den ledernen Panzerhandschuh und den gebogenen Dolch besaß er schon viele Jahre. Sie hatten ihm in der Subura bereits gut gedient.


    Das mit den Karten war eine gute Idee. Erneut nickte Hannibal. "Wenn Du in der Küche bist, versuche doch auch etwas an Proviant mitzunehmen. Vielleicht kommen wir damit dann auch die ersten Tage aus und müssen nirgendwo uns etwas besorgen. Was unsere Spuren noch mehr verwischen würde." Und je weniger Spuren, desto eher könnten sie erfolgreich sein. "Chimerion, könntest Du vielleicht noch ein wenig vom Schmuck Deiner Herrin an Dich bringen. Den werden wir auch unterwegs noch verkaufen können, wenn uns das Geld ausgehen sollte. Und handlich ist er obendrein."


    Der Vogel machte sich wieder in der Voliere bemerkbar. Misstrauisch beäugte Hannibal den Vogel und wurde gleichermaßen von diesem taxiert. Hannibal mochte Tiere nicht. Weder Vögel, Hunde, Katzen, noch Pferde oder sonstige Vierbeiner. Ihm grauste es bereits vor der Art ihrer Reise. Er war ein schlechter Reiter und auf Schiffen ständig seekrank. Das würde sicherlich keine Freude werden. "Dann kümmere ich mich um das Geld und ich würde sagen, wir treffen uns heute Nacht zur Media Nox bei den Ställen im Hof." Fragend sah Hannibal in die Runde.

  • Chimerion hörte sich die Ausführungen der beiden Männer an und nickte hin und wieder. Das Unternehmen musste einfach gelingen, ansonsten würden sie wieder warten müssen und hätten wohl kaum Zeit, sich so oft zu treffen wie in diesen Tagen. Er hoffte auf den Segen der Götter, dass ihnen die Flucht gelang. Das Stehlen von Schmuck ließ ihn auf einen Gedanken kommen.
    "Ein wenig Schmuck könnte ich schon besorgen, aber ich weiß nicht, in wie weit wir das Gold auch zu Geld machen können. Es müssten ein paar kleine und sehr wertvolle Dinge sein, die man unter der Kleidung tragen kann. Meine Herrin besitzt zwar eine Menge Schmuck, aber sie kontrolliert ihn nicht immer... Das heißt nur dann, wenn sie sich festlich anzieht. Ich würde sagen, uns bleiben höchstens zwei Tage, bis sie etwas bemerkt und dann müssen wir weit weg sein."
    Er musste schon fast lächeln, als er sich das Gesicht von Celerina vorstellte. Wahrscheinlich würde sie es sogar verstehen, dass er sich selber um seine Freiheit kümmerte und die paar Schmuckstücke würde sie verschmerzen können.
    Vorfreude machte sich in seinem Bauch breit und er konnte die Freiheit schon riechen. Nun musste als nächster Schritt nur noch die Flucht aus der Stadt gelingen.
    Er nickte bei Hannibals Vorschlag. "Gut, dann würde ich sagen, halten wir uns heute Abend mit dem Wein zurück, damit wir nüchtern genug sind. Einverstanden?"

  • Ähnlich einem Tongefäß, welches durch das Drehen und Formen auf der Töpferscheibe allmählich Gestalt annahm, so war es auch mit ihrem Fluchtplan. Die Idee, die in Cassim seit dem Tage, an dem er einem Stück Vieh gleich, meistbietend an den Römer verkauft worden war, herangereift war, hatte konkrete Formen angenommen. Und noch mehr, seine Idee stand nun kurz vor der Umsetzung. Nichts würde sie aufhalten, wenn sie ihrer ersehnten Freiheit entgegeneilten. Die Saturnalien gaben ihnen einen gewissen Vorsprung von mindestens einigen Stunden, im Idealfall sogar von mehreren Tagen. Niemand würde an diesen Tagen nach ihnen fragen oder sie vermissen, geschweige denn auch nur auf die Idee einer Flucht kommen.


    "So sei es! Ich besorge also die Karten und den Proviant."
    Er nickte den beiden Sklaven zu und begann zu grinsen, als ihm Hannibals misstrauischer Blick auffiel. Der Falke hatte sich wieder bemerkbar gemacht. Genau wie sein Herr, sehnte auch er sich nach der Freiheit, die er beim Flug in den Lüften fand. Für Cassim ein Zeichen, bald mit dem Training seines Vogels fortzufahren.
    "Hab keine Angst, Hannibal. Er tut dir nichts. Er will nur das gleiche, was auch wir wollen- seine Freiheit! Übrigens, ich hatte vor, den Falken mitzunehmen. Er kann uns noch nützlich sein, wenn unsere Vorräte zu Ende gehen und wir unser Essen erjagen müssen." Besonders von Hannibal erwartete er nicht, dass dieser seinen Vorschlag, den Falken mitzunehmen, besonders gutheißen würde. Den Falken aber zurück zu lassen, bedeutete auf lange Sicht nur den sicheren Tod für das Tier.
    "Gut, dann treffen wir uns heute Nacht bei den Ställen im Hof, möglichst nüchtern." Damit war nun ihre Flucht endgültig besiegelt. Der Parther sah seinen Begleitern noch einmal fest in die Augen und nickte dann. Noch gab es für jeden Einzelnen die Möglichkeit, aus ihrem Plan auszusteigen. Die beiden Sklaven, wie auch er waren aber fest entschlossen, ihrer Gefangenschaft ein Ende zu bereiten. Die langersehnte Heimreise konnte beginnen!

  • Der Vogel sollte mit? Entsetzt starrte Hannibal auf das Vieh. Er presste die Lippen fest aufeinander. Also gut, sollte der Parther ihn mitnehmen. Hauptsache der Vogel kam nicht in Reichweite von ihm. Oder besser gesagt, hoffentlich kam Hannibal nicht in Reichweite des gefährlichen Schnabels. Hannibal nickte. "Einverstanden." Wenn mit dem Tier eine Jagd möglich war, dann sollte es ihm Recht sein. "Dann sehen wir uns heute Nacht zur Media Nox. " Hannibal erhob sich und klopfte sich einige Grashalme von seiner Tunika. Er sah sich im Garten um, suchend, ob jemand auf ihre kleine Versammlung aufmerksam geworden war. Doch im Moment sah er niemanden. Auch keinen Gärtner. Hannibal nickte den beiden Männern zu. "Dann bis später und viel Erfolg für euren Teil. ", sprach er und drehte sich um. Er musste ja noch einen günstigen Zeitpunkt für einen nicht unerheblichen Diebstahl finden. Auffällig unauffällig schlenderte Hannibal davon.

  • Chimerion wartete noch einen Augenblick, ehe er sich verabschiedete.
    "Dann bis heute Nacht... Freunde."
    Dann schlug er sich in die Büsche, um nicht zeitgleich mit den anderen zurückzukommen. Er hatte noch etwas zu tun, bevor sie flohen, nämlich den Schmuck entwenden und er musste sich etwas einfallen lassen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!