Charis hatte schon immer irgendjemandem gehört. Als ein Abkömmling von Sklaven, war auch sie seit ihrer Geburt Sklavin gewesen. Im Laufe der Jahre hatte sie einige Herren erlebt, gute wie schlechte. Die, die es gut mit ihr meinten, hatten sie lernen lassen. Charis konnte daher schreiben und lesen. Sie war eine ruhige und sanftmütige junge Frau, die immer versuchte aus allem das Beste zu machen.
Ihren Namen hatte sie einst von ihrem ersten Besitzer bekommen, damals in Thessalien. Er nannte sie nachdem, was er in ihr sah - Anmut und Liebreiz. Das war lange her.
Nun saß sie in einem der Käfige, des griechischen Sklavenhändlers, der sie vor einigen Monaten in Delos von seinem Kompagnon gekauft hatte und sie nach Rom mitgenommen, um sie dort gewinnbringend wieder zu verkaufen. Ihre Hände umfaßten die hölzernen Gitterstäbe und sie sah hinaus. Ihre lange Reise, die in Athen begonnen hatte und die sie zu der Kykladeninsel gebracht hatte, auf der sich einr der größten Sklavenmärkte Griechenlands befand, sollte nun hier in Rom ihr Ende finden. Charis würde auch dies wieder ohne zu Murren über sich ergehen lassen.
Der Tag hatte erst angefangen. Der Platz vor dem Stand des Sklavenhändlers war fast noch leer. Nur einige wenige hatten sich schon eingefunden, um sich über das Angebot zu informieren oder um das eine oder andere Schnäppchen zu machen. Zu Beginn der Verkaufskampagne, versuchte der Händler erst die weniger attraktiven Sklaven los zu werden. Alte und schwache Sklaven, oder unansehnliche, Sklaven mit Gebrechen, solche die nicht viel einbrachten, die er einfach nicht los werden wollte und sie deshalb günstiger verkaufte, da sie dem Händler auf Dauer hohe Kosten verursachte, weil er sie ja nicht verhungern lassen konnte. Später, wenn ganz Rom auf den Märkten unterwegs war, dann würde er seinem Publikum seine Glanzstücke präsentieren. Anmutige Knaben aus Griechenland, starke Nubier, ganz frisch gefangen, Ägyptische Schönheiten, die kein Mann freiwillig von seiner Bettkante stieß.
Charis´aufmerksame Augen beobachteten eine ganze Weile die Menschen, die vor den hölzernen Gitterstäben an ihr vorbei liefen. Dabei fiel ihr unweigerlich ein gut gekleideter Mann ins Auge. Wahrscheinlich hätte er nicht ihr Interesse geweckt, hätten seine Augen nicht so traurig gewirkt. Sie beobachtete ihn eine ganze Weile und fragte sich, was wohl geschehen war, daß seine Augen so mit Trauer und Bitterkeit gefüllt waren. Offensichtlich hatte er es nicht so eilig, wie manch anderer, der an ihrem Käfig vorbei hastete.
Für den Käufer reserviert, Zuschauer sind aber willkommen