Charis - Am Ende der Reise

  • Charis hatte schon immer irgendjemandem gehört. Als ein Abkömmling von Sklaven, war auch sie seit ihrer Geburt Sklavin gewesen. Im Laufe der Jahre hatte sie einige Herren erlebt, gute wie schlechte. Die, die es gut mit ihr meinten, hatten sie lernen lassen. Charis konnte daher schreiben und lesen. Sie war eine ruhige und sanftmütige junge Frau, die immer versuchte aus allem das Beste zu machen.
    Ihren Namen hatte sie einst von ihrem ersten Besitzer bekommen, damals in Thessalien. Er nannte sie nachdem, was er in ihr sah - Anmut und Liebreiz. Das war lange her.
    Nun saß sie in einem der Käfige, des griechischen Sklavenhändlers, der sie vor einigen Monaten in Delos von seinem Kompagnon gekauft hatte und sie nach Rom mitgenommen, um sie dort gewinnbringend wieder zu verkaufen. Ihre Hände umfaßten die hölzernen Gitterstäbe und sie sah hinaus. Ihre lange Reise, die in Athen begonnen hatte und die sie zu der Kykladeninsel gebracht hatte, auf der sich einr der größten Sklavenmärkte Griechenlands befand, sollte nun hier in Rom ihr Ende finden. Charis würde auch dies wieder ohne zu Murren über sich ergehen lassen.
    Der Tag hatte erst angefangen. Der Platz vor dem Stand des Sklavenhändlers war fast noch leer. Nur einige wenige hatten sich schon eingefunden, um sich über das Angebot zu informieren oder um das eine oder andere Schnäppchen zu machen. Zu Beginn der Verkaufskampagne, versuchte der Händler erst die weniger attraktiven Sklaven los zu werden. Alte und schwache Sklaven, oder unansehnliche, Sklaven mit Gebrechen, solche die nicht viel einbrachten, die er einfach nicht los werden wollte und sie deshalb günstiger verkaufte, da sie dem Händler auf Dauer hohe Kosten verursachte, weil er sie ja nicht verhungern lassen konnte. Später, wenn ganz Rom auf den Märkten unterwegs war, dann würde er seinem Publikum seine Glanzstücke präsentieren. Anmutige Knaben aus Griechenland, starke Nubier, ganz frisch gefangen, Ägyptische Schönheiten, die kein Mann freiwillig von seiner Bettkante stieß.
    Charis´aufmerksame Augen beobachteten eine ganze Weile die Menschen, die vor den hölzernen Gitterstäben an ihr vorbei liefen. Dabei fiel ihr unweigerlich ein gut gekleideter Mann ins Auge. Wahrscheinlich hätte er nicht ihr Interesse geweckt, hätten seine Augen nicht so traurig gewirkt. Sie beobachtete ihn eine ganze Weile und fragte sich, was wohl geschehen war, daß seine Augen so mit Trauer und Bitterkeit gefüllt waren. Offensichtlich hatte er es nicht so eilig, wie manch anderer, der an ihrem Käfig vorbei hastete.


    Sim-Off:

    Für den Käufer reserviert, Zuschauer sind aber willkommen ;)

  • Die Saturnalien standen an. Problematisch war, dass ich bisher kaum Ideen hatte. Für eine Hand voll Sklaven hatte ich kleine Einheitsgeschenke besorgen lassen. Die wichtigeren unter ihnen und natürlich die Familie erforderten allerdings, dass ich mich selbst umsah, um mir Anreize zu holen. Deswegen hatte ich bereits den halben Vormittag auf dem Markt verbracht, Brix, Trautwini und Siv im Schlepptau. Die beiden Sklaven hielten sie ein wenig zurück, trugen die Einkäufe und beobachteten die Umgebung. Siv trug nichts, darauf hatte ich bestanden. Für Avianus und Prisca war ich bereits fündig geworden, Ursus bereitete mir Kopfzerbrechen. Gerade suchte ich nach passenden Dingen für die Mädchen.


    "Herr! Schau hier, mein Herr, diese wunderschönen Schminkspiegel, damit wirst du das Herz jeder Frau entzücken können!" Ich wandte mich zwar nach dem begeisterten kleinen Mann um, der die Hände mit runden Spiegeln emporreckte, doch seine Anpreisung stieß mich eher ab, also ging ich weiter des Weges. Aus allen Ecken erklangen Angebote und Werbung, hier wollte jemand handgesponnene Strümpfe verkaufen, dort jemand Schutzamulette, anderenorts versuchte eine Frau, leise klingende Gürtel aus goldenen Plättchen zu verkaufen. Letzteres klang interessant. "Lasst uns mal dort schauen", wies ich die anderen an und strebte in die Richtung der Gürtelverkäuferin. Sie hatte ihren Stand nahe des Übergangs zum Sklavenmarkt aufgebaut. Vor der Auslage stehend, drangen Wortfetzen herüber. Titus Tranquillus verkaufte ebenfalls wieder und lieferte sich ein lautstarkes Duell mit einem Händler, dessen griechischer Akzent deutlich herauszuhören war.


    "Mein Herr?" Ich blickte irritiert auf und in das Gesicht der pausbäckigen Marktfrau, die mir einen der Gürtel entgegen hielt. Offensichtlich hatte sie mich bereits mehrere Male angesprochen und blinzelte mich nun fragend an. "Ah. Ja, den nehme ich", erwiderte ich, nachdem ich die Finger über die filigrane Schmuckarbeit hatte gleiten lassen. "Gern. Darf ich dir vielleicht noch diese Armreifen empfehlen? Sie werden aus jeder Frau eine grazile Tänzerin machen!" Fragte sie, als sie den Gürtel einpackte. "Meine Base soll nicht wirken, als sei sie dem zwielichtigen Milieu entsprungen", gab ich trocken zurück, woraufhin die Verkäuferin schwieg. Ich überließ Siv das Zahlen und Brix das Tragen, hatte mich bereits wieder abgewandt und ging nun auf die Ecke der Märkte zu, in der die Sklaven veräußert wurden. Siv, Trautwini und Brix fielen ein wenig zurück.


    "Ich weiß echt nicht, warum ich Zeug tragen soll. Ich bin Leibwächter, kein Träger! Siv, wieso trägst du nicht auch mal was?" maulte Trautwini auf Germanisch, als die Frau ihm das Päckchen zu den anderen auf die Arme legte. "Wenn der Herr jetzt angegriffen wird, dann muss ich erst die ganzen Pakete wegwerfen, ehe ich den Dolch ziehen kann. Er sollte es wirklich besser wissen... Gerade auf die Senatoren sieht man es doch heutzutage ab. Ich mein, wenn nicht die, wen sollte man denn sonst überfallen wegen des Geldes?" "Ich frag mich eher, ob er schon wieder eine neue kaufen will", bemerkte Brix und deutete mit dem Kinn nach vorn, wo ich vor einem Käfig stehen geblieben war und eine Sklavin musterte, die ein wenig an Siv erinnerte.

  • Gemeinsam mit den beiden anderen Germanen folgte Siv Corvinus über die Märkte. Seit dem Morgen waren sie nun schon unterwegs – das allein machte ihr nicht viel aus, wenn da nur nicht diese vermaledeite Übelkeit wäre. Bisher war es ihr gelungen, sämtliche wie auch immer gearteten Unfälle zu vermeiden, aber die Gerüche, die ihr hier um die Nase wehten, waren zu stark, zu vielfältig. Während sie versuchte, unauffällig durch den Mund zu atmen, bezahlte sie die Händlerin, von der Corvinus gerade eben einen Gürtel erstanden hatte, und sah zu, wie Trautwini das nächste Päckchen aufgetürmt bekam. "Ich würde ja was tragen." Siv schnitt eine Grimasse. Das würde sie wirklich. Genauso wie sie im Haus mehr machen würde. Wenn es nach ihr ginge. Sie war schwanger, nicht krank, aber irgendwie schienen das weder Corvinus noch Brix zu verstehen. Es war ja auch nicht so, dass sie vorhatte, schwere Weinkrüge in den Keller zu hieven oder im Garten ein komplettes Beet umzugraben, das nicht, aber sie wollte wenigstens etwas tun, was sie körperlich ein bisschen anstrengte. Sie fühlte sich unausgelastet, und kombiniert mit der Übelkeit ließ sie das manchmal etwas unleidlich werden. Die Germanin weigerte sich strikt zuzugeben, dass ihre gelegentlichen Launen möglicherweise auch an der Schwangerschaft selbst liegen könnten. Sie brauchte mehr zu tun und weniger von dieser Übelkeit, das war alles.


    "Wenn ihn jemand angreift, kannst du den Kerl ja erst mal mit Päckchen bewerfen. Beeindruckt sicher jeden Angreifer", spottete sie, während sie alle drei Corvinus hinterhergingen, der nun den Sklavenmarkt ansteuerte. Mit gemischten Gefühlen betrachtete Siv die Händler und Stände. Sie konnte diesen Teil der Märkte noch viel weniger leiden als den Rest. Inzwischen war sie weitestgehend in der Lage, sich unbeeindruckt durch Menschenmengen zu schlängeln, ohne Luftnot zu bekommen oder die Orientierung zu verlieren – trotzdem mochte sie zu viele Menschen um sich herum nicht. Was sie allerdings mochte, war, über die Märkte zu schlendern. Sie fragte sich, ob sie sich jemals an diese Vielfalt würde gewöhnen können, die hier geboten war, all die Dinge, die zu sehen waren… und zu riechen. Leider, hieß das, jedenfalls im Moment. Sie näherten sich Corvinus, der ihnen ein wenig voraus gewesen war, und als Siv sah, wo er stehen geblieben war, wurden ihre Gefühle gleich noch etwas gemischter. Sie zog ihre Nase kraus und verschränkte die Arme, während sie die Sklavin kritisch musterte. "Meinst du?" Vielleicht als Ersatz für Fhionn, überlegte sie, aber das sagte sie nicht laut. Fhionn und vor allem der Grund, aus dem sie gehen musste, war kein Thema, über die Sklaven gern sprachen. Und die Römer vermutlich ebenso. Sie musterte weiter Corvinus und die Sklavin. Er mochte blonde, helle Frauen, das war kein Geheimnis. Und sie wusste nicht, ob ihr gefiel, dass er eine neue kaufen wollte. Wenn er sie denn kaufte. "Mmh. Ich hab Hunger", murmelte sie plötzlich – weil sie tatsächlich hungrig wurde oder weil sie ablenken wollte, war ihr selbst nicht ganz klar.

  • "Ja, klar. Da du böser Feind. Ich bewerf dich mit Geschenken, du bist ja sooo gemein..." knurrte Trautwini vor sich hin und schnappte schnell nach einem Paket, das herunterzurutschen drohte. Brix kümmerte sich nicht weiter darum. Er betrachtete die blonde Sklavin und seinen Herrn, der vor ihrem Verschlag stand und hineinsah. Ein wenig zeitverzögert reagierte er dann doch auf Trautwinis Gejammer. "Jetzt klag nicht, wie ein Waschweib. Vielleicht haben wir gleich noch ein zusätzliches Paar Arme zum Tragen. Zumindest sieht es ganz danach aus." Brix deutete erneut mit dem Kinn nach vorn und Trautwini schwieg eingeschnappt. Wenn es nach Brix gegangen wäre, hätte Siv zumindest etwas Leichtes tragen können, aber die Anweisungen waren klar gewesen, ebenso wie ihm der Grund dafür natürlich klar war, auch wenn er keinem der anderen etwas davon erzählt hatte bisher. Das war Sivs Aufgabe, fand er, nicht die seine. Ein Seitenblick zu ihr hin ließ ihn erkennen, wie wenig angetan sie von der Aussicht war, dass Corvinus die Sklavin vielleicht kaufen würde. Und der knerbelige Unterton in ihrer Stimme ließ ihn schließlich seufzen. Er trat neben sie, gerade als Trautwini zu allem Überfluss auch noch bemerkte, dass "die Kleine gar nicht so schlecht aussah". Mit einer kleinen Seitwärtsbewegung schubste er Siv mit den Päckchen auf seinen Armen. "Bist du etwa eifersüchtig?" neckte er sie und grinste breit.



    Derweil war der Händler auf mich aufmerksam geworden. Es störte mich nicht, dass die anderen Germanisch redeten. Zwar verstand ich nur einige wenige Bruchstücke, aber ich wusste, dass es ihnen gut tat, wenn sie ohne die Tücken des Lateins sprechen konnten, und so ließ ich sie gewähren. Der Händler, ein hochgewachsener Mann mit grauen Barstoppeln im Gesicht, trat seitlich heran. "Edler Herr, darf ich auf dein Interesse an diesem Exemplar hoffen?" sprach er mich an, und ich wandte ihm den Kopf zu. "Vielleicht", antwortete ich ausweichend. Allzu offen bekundetes Interesse trieb nur den Preis in die Höhe. "Woher kommt sie, Germanien? Was kann sie? - Und wie ist dein Name?" fragte ich zunächst den Händler, dann die Sklavin selbst.

  • Siv konnte nicht anders als grinsen, als sie Trautwini hörte, aber bevor sie noch einen Kommentar hinterher schieben konnte, tat Brix das schon – wenn auch etwas anders formuliert, als sie es getan hätte. Am doch recht beleidigten Gesichtsausdrucks des Leibwächters konnte sie allerdings erkennen, dass es gut war, dass Brix ihr zuvor gekommen war. Wenn er da schon eingeschnappt war, dann hätte er ihr vermutlich die Leviten gelesen, wäre sie dazu gekommen das loszuwerden, was ihr auf den Lippen gelegen hatte. Zu viele Jahre mit zu vielen großen Brüdern hatten ihre Zunge scharf werden lassen, und gerade in Momenten wie diesen konnte ihr das leicht zum Verhängnis werden. Wiederum hätte sie allerdings vehement abgestritten, dass sie auch nur ansatzweise auf Krawall gebürstet war und eine kleine Streiterei mit Trautwini ihr eigentlich gerade recht gekommen wäre. Sie wippte leicht mit den Zehen, zog sie an, stellte sich im nächsten Moment auf die Ballen und sank gleich darauf wieder runter.


    Gleich darauf traf Brix ein strafender Blick, und das Grinsen, das sie sah, machte es nicht besser. "Eifersüchtig?" Gerechte Empörung färbte den Klang ihrer Stimme. "Ich? Wie kommst du darauf?" Siv brummte etwas in ihren nicht vorhandenen Bart, das verdächtig nach Sooo gut sieht sie nun auch wieder nicht aus klang, und wandte ihren Blick wieder der Sklavin und Corvinus zu, der gerade begann, sich mit dem Händler zu unterhalten. Gleich darauf streifte Brix jedoch ein erneuter Seitenblick. "Ich bin nicht eifersüchtig", murmelte sie noch einmal, während ihr in genau dem Moment, in dem sie die erneute Bekräftigung aussprach, klar wurde, dass es wohl doch so war. Und dass Brix das nun auch klar sein musste. Siv rollte die Augen und seufzte. Sie hatten nicht mehr wirklich darüber gesprochen, das hieß, eigentlich hatten sie noch nie wirklich darüber gesprochen, dennoch war spätestens seit dem Zwischenfall in der Küche vor einiger Zeit, als die Flavia das erste Mal zu Besuch da gewesen war, klar, dass Brix wusste, was zwischen ihr und Corvinus vorging. Oder eher, er wusste, was in ihr vorging. Inwiefern der Maiordomus Corvinus’ Seite kannte oder etwas davon ahnte, wusste Siv nicht. "Ich bin… vielleicht… nein. Was will er denn mit ihr?" Sie hatte keinen Grund eifersüchtig zu sein, das wusste sie auch, und das nervte sie fast noch mehr – dass sie es dennoch war, nicht dass sie keinen Grund hatte, verstand sich. "Und Hunger hab ich trotzdem", fügte sie noch hinzu. Und hätte sich am liebsten verflucht für den mauligen Unterton, der in ihrer Stimme lag, anstatt des kühlen, etwas hochnäsigen, der deutlich klar machen sollte, wie sehr sie über solchen Kindereien wie Eifersucht stand, den sie eigentlich hatte hinein legen wollen.

  • Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus


    Derweil war der Händler auf mich aufmerksam geworden. Es störte mich nicht, dass die anderen Germanisch redeten. Zwar verstand ich nur einige wenige Bruchstücke, aber ich wusste, dass es ihnen gut tat, wenn sie ohne die Tücken des Lateins sprechen konnten, und so ließ ich sie gewähren. Der Händler, ein hochgewachsener Mann mit grauen Barstoppeln im Gesicht, trat seitlich heran. "Edler Herr, darf ich auf dein Interesse an diesem Exemplar hoffen?" sprach er mich an, und ich wandte ihm den Kopf zu. "Vielleicht", antwortete ich ausweichend. Allzu offen bekundetes Interesse trieb nur den Preis in die Höhe. "Woher kommt sie, Germanien? Was kann sie? - Und wie ist dein Name?" fragte ich zunächst den Händler, dann die Sklavin selbst.



    Sie hätte nicht genau erklären, warum sie den Mann mit ihren Augen verfolgte. Gut gekleidete Passanten gab es genug in dieser Gegend. Manche von ihnen hielten auch inne, um sich nach dem Angebot des Händlers zu erkundigen. Aber etwas war an ihm, was sie faszinierte. Auch dem Mann mußte aufgefallen sein, daß er beobachtet wurde. Charis´ neugierige Blicke waren nicht ohne Folgen geblieben. Er kam auf ihren Verschlag zu und blieb davor stehen, so als hätte sie ihn mit ihren Blicken zu sich her gelotst. Mit ihren großen Augen musterte sie ihn nun von Kopf bis Fuß. Kurze Zeit später trat auch der Sklavenhändler hinzu, der auf den potentiellen Kunden aufmerksam geworden war und sprach ihn an. Ein Gespräch bahnte sich an und Charis, die immer noch am Boden ihres Käfigs saß und sich an die Stäbe klammerte, lauschte dem, was gesprochen wurde.
    "Philonides, mein Herr. Philonides von Naxos, stets zu Diensten. Nein, keine Germanin, Herr! Ich habe mich auf Ware aus dem Orient, Aegytus und Archaia spezialisiert. Das gute Stück hat zuletzt in Athen bei einem reichen Kaufmann gedient. Meines Wissens stammt sie aus Makedonien. Sie kann lesen und schreiben, Herr und ist flink im Haushalt und kann dir jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Herr, möchtest du sie einmal aus der Nähe betrachten?" Philonides gab seinem Gehilfen, einem kahlköpfigen Nubier ein Zeichen, worauf er an ihn herantrat. "Criton, hol die da heraus, der Herr hier möchte sich die Sklavin genauer betrachten." Criton nickte untertänig und machte sich an der Tür des Verschlags zu schaffen. Schließlich öffnete er die Tür mit einem quietschenden Geräusch und trat auf Charis zu. Die Sklavin wußte, was dies zu bedeuten hatte. Sie erhob sich und ließ sich von Criton heraus führen. Der Sklavenhändler griff nach ihrem Arm und zog sie zu sich.
    Trotz des recht unsanften Zugriffs Philonides´ konnte Charis nicht anders. Ihre Augen, die eigentlich unterwürfig zu Boden blicken sollten, starrten gefangen den Mann an, dem sie nun so nah gegenüberstand.
    "So, da haben wir ja das gute Stück.", rief Philonides und witterte bereits ein gutes Geschäft. "Sieh nur Herr, wie wohlgestaltet sie ist! Gerade mal zwanzig, höchstens zweiundzwanzig Sommer ist sie alt." Der Sklavenhändler war bester Laune. Erwartungsvoll blickte er zu dem Römer, dann zu seiner Ware, die irgendwie abwesend zu sein schien. "Na los Mädchen, verrate dem edlen Herrn deinen Namen!" Etwas ruppig rüttelte er sie, damit sie endlich aufhörte, seinen Kunden so anzustarren.
    Die Sklavin reagierte erst nicht, bis sie sich endlich losreißen konnte. Als sei sie gereade ertappt worden, senkte sie ihren Blick "Charis, Herr," antwortete sie schließlich zaghaft.
    Philonides lächelte über das ganze Gesicht, so daß man seine weißen Zähne sehen konnte. Er hatte in letzter Zeit ein gutes Händchen für seine Sklaven, gehabt. Nur die beste Ware nahm er mit auf seine Reise nach Roma. Er wußte, wie anspruchsvoll die Leute hierzulande waren. Das hatte sich letztlich bezahlt gemacht. Die Leute bezahlten für seine Ware Höchstpreise.

  • "Och. Nur so", erwiderte Brix, und sein Schmunzeln machte trotz des Vollbartes deutlich, dass ihn die ganze Sache ziemlich belustigte. Inzwischen hatte auch Trautwini das Spiel der beleidigten Leberwurst aufgegeben und betrachtete die Sklavin über die Päckchen auf seinen Armen hinweg. "Vielleicht will er sich in Zukunft von dir UND ihr massieren lassen?!" vermutete der nicht gerade feinfühlige Germane hintergründig grinsend auf Sivs mehr rhetorisch gestellte Frage. Dafür kassierte er von Brix ein Stirnrunzeln und ein Kopfschütteln. Auf ihre Bemerkung mit dem Hunger ging keiner von beiden ein.


    Ich selbst filterte die wenigen wichtigen Informationen bezüglich der Sklavin aus den Worten des Händler heraus. Griechin war sie, lesen und schreiben konnte sie. Und den Haushalt also, das Übliche eben Das war alles? Ich hob vielsagend die Brauen und warf dann dem Schwarzen einen Blick zu, den der Händler sich herbeizitierte, damit er die Sklavin aus ihrem Käfig holte. Er ging recht ruppig vor dabei, ünnötig meines Erachtens, da sich die Sklavin durchaus gefügig zeigte. Kurz darauf stand sie also vor mir und sah mich unverwandt an. Das irritierte mich ein wenig, steigerte zugleich aber mein Interesse. Irgendwo hinter mir vernahm ich das germanische Wort für Hunger, doch ich achtete nicht weiter darauf. Tatsächlich war sie recht ansehnlich, wie ich das so beurteilen konnte. "Ah, hm", machte ich. "Kannst du ein Instrument spielen? Massieren? Beherrscht du das Lateinische perfekt? Und seit wann bist du Sklavin, Charis?" Charis... Ein Name, der mich augenblicklich an Epicharis erinnerte, die lectrix der Acta. Ich schmunzelte. Wenn sie auch eine solche Sanftmut in Person war, wäre es durchaus eine Überlegung wert, sie zu kaufen.

  • Abgesehen von kurzen Seitenblicken zu den beiden Männern, die neben ihr standen, blieb Sivs Blick auf Corvinus und der anderen Sklavin hängen. Ihre Stirn runzelte sich, je länger die Frau Corvinus ansah, aber der schien, jedenfalls in ihren Augen, kein gesteigertes Interesse zu haben als normalerweise, wenn er Sklaven kaufte. Auf der anderen Seite, fiel ihr ein, würde er das vor dem Händler kaum zeigen, wenn es so wäre… Sie presste die Zähne aufeinander und blitzte Trautwini wütend an. "Oh, das kann er mal schön vergessen", fauchte sie, dabei offen lassend, was Corvinus ihrer Meinung nach nun genau vergessen könne – von ihnen beiden massiert oder überhaupt von einer anderen als ihr massiert zu werden. Oder von ihr, vorausgesetzt, er kaufte diese Sklavin wirklich für solche Dinge. Siv zog die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute darauf herum. Sie war schwanger. Sie würde in den nächsten Wochen und Monaten immer unförmiger werden. Eigentlich war das nichts, was sie wirklich störte, aber wusste sie schon, was Corvinus darüber dachte? Vielleicht war es ja kein Zufall, dass die andere Sklavin blond war. Und sie schien mehr zu können als sie. Siv entließ ihre Unterlippe wieder in die Freiheit und erhöhte stattdessen den Druck auf ihre Kiefer. Das war Unsinn, sie wusste, was Corvinus für sie empfand, er würde doch nicht einfach losgehen und Ersatz für sie kaufen, das tat er nicht… In der Villa gab es genügend Sklavinnen, die gut massieren konnten, und prinzipiell hatte Siv eigentlich kein Problem damit, wenn Corvinus mal eine von ihnen rief, einfach weil sie wusste, dass er sich nicht für sie interessierte, dass sie ihm nicht das bedeuteten, was sie ihm bedeutete, dass sie für ihn Sklavinnen waren, nicht mehr. Aber diese hier war neu, wer wusste schon, welches Interesse sie in Corvinus weckte, und auch wenn Siv sich einzureden versuchte, dass das nicht der Fall sein würde: sie war schlecht gelaunt, sie war schwanger, und das ließ sie weit irrationaler sein als normalerweise.

    Ihre Verkündung, dass sie Hunger hatte, schien die beiden Germanen dagegen überhaupt nicht zu interessieren. Und eigentlich hatte sie auch nicht wirklich Hunger – obwohl sie, wenn ihr nicht gerade schlecht war, irgendwie ständig essen könnte. Nein, es war mehr ein Ablenkungsmanöver gewesen, sie hatte einfach die Nase voll, sie wollte fort von hier, und als beim ersten Mal keiner reagiert hatte, hatte Trotz sie veranlasst, dennoch darauf zu bestehen. Gerade überlegte sie, ob sie ein drittes Mal kundtun sollte, dass sie etwas essen wollte – bei den Göttern, Corvinus bestand sogar darauf, dass sie nichts tragen sollte, weil sie schwanger war, konnte er da nicht darauf achten, dass sie regelmäßig was zu essen bekam? Sie waren immerhin schon den halben Vormittag unterwegs –, da fragte Corvinus, ob sie – die Sklavin, Charis – massieren könne. Und Sivs Finger krampften sich um den Beutel mit Münzen, der das einzige war, was sie tragen durfte, hatte sie sich doch um die Bezahlung der Händler zu kümmern, wenn Corvinus fertig war. Am liebsten hätte sie ihm das doch recht schwere Ding an den Kopf geworfen, oder noch besser, die Schnur in der Hand behalten und den Beutel daran herumgeschleudert, damit sie ihn ihm mehrmals um die Ohren schlagen konnte. "Massieren", knurrte sie leise. "Wart’s nur ab." Unbewusst machte sie mit der Hand, in der der nun leise klimpernde Beutel ruhte, eine leichte auf und ab Bewegung, als würde sie abwägen wollen, mit welcher Wucht sie ihn werfen musste, damit er mit größtmöglicher Wirkung traf.

  • Während Charis nun, zu Boden blickend, vor dem Römer stand, versuchte Phionides seine Ware noch ein kleines Stückchen attraktiver zu machen. Wenn ihm nicht alle Fakten gerade geläufig waren, so wie in diesem Fall, erfand er gerne noch etwas Ausgefallenes dazu. Schließlich konnte keiner überprüfen, was er so alles vom Stapel ließ. Die Sklaven selbst taten gut daran, den Mund zu halten und nicht zu widersprechen, denn im Falle eines Nichtverkaufs konnte das schlimme Folgen für sie haben. Den meisten war es eh gleich, was man über sie erzählte und wenn es der Grieche nicht allzu weit trieb, fiel es sowieso nicht schwer ins Gewicht.
    "Oh ja, Herr! Aber natürlich! Sie spricht ein perfektes Latein, so als hätte sie nie etwas anderes gesprochen.Und schau dir nur ihre zarten Hände an!" Er hob Charis´ Hände empor und zeigte seinem Kunden ihre Handinnenflächen. "Massieren kann sie damit und wie sie das kann! So wie die Orientalen es bevorzugen und natürlich kann sie nicht nur ein Instrument spielen! Neben der Flöte beherrscht sie auch noch andere Instrumente. Und selbst wenn du ganz besondere Wünsche haben solltest, dann wird sie dir die auch erfüllen können." Der Händler war etwas näher an seinen Kunden herangetreten und hatte mit seinen Händen eine recht obszöne Geste gemacht, die keinen Zweifel mehr ließ, worauf er hinaus wollte. Dabei hatte er ein leicht verrucht wirkendes Grinsen aufgelegt.
    Etwas in Charis schien sich zu regen. Der Sklavenhändler hatte, bezüglich ihrer Fähigkeiten etwas übertrieben. "Entschuldige Herr, aber ich kann keine Flöte spielen und beherrsche auch kein anderes Instrument." Sie riskierte einen kurzen Blick auf den Römer, senkte aber gleich wieder unterwürfig ihren Blick. "Wie war das?" Philonides Gesicht färbte sich rot. Niemals zuvor hatte seine Ware es gewagt, zu widersprechen! Doch um die Situation zu retten und um den Kunden nicht zu vergraulen, überspielte er seinen Ärger. "Ach ja richtig, die mit den Instrumenten, das war Irene! Aber die haben wir gestern schon verkauft!" Verschmitzt lächelte er den Kunden an, zuckte mit den Schultern und hoffte, trotzdem noch ein gutes Geschäft zu machen.

  • Trautwini seinerseits bleckte die Zähne zu einem Grinsen, war jedoch klug genug, nichts weiter zu erwidern. Siv war angespannter als sonst. Auch Brix fiel das auf, und er knuffte sie wieder leicht in die Seite, gerade als sie knurrte und kurz darauf mit dem Geldsäckchen klimperte. "Ruhig Blut."


    Ich selbst gab mir derweil Mühe, nicht auf die schmeichlerischen Worte des Händlers hereinzufallen. Wie Titus Tranquillus, so gehörte scheinbar auch dieser hier zu der Sorte Sklavenhändler, die nicht mehr aufzuspüren waren, sobald man eine Reklamation hatte. Und diese hatte man freilich nur dann, wenn man auf die Worte des Händlers hörte, der diese Gabe und jenes Können seiner Sklaven anpries, es jedoch nicht vorhanden war. Und prompt widersprach die Sklavin ihrem vorübergehenden Herrn und entlockte mir damit ein flüchtiges Grinsen. Schneid hatte sie, das musste ich ihr lassen. Vielleicht wäre sie ein Ersatz für Fhionn, überlegte ich, gerade als dieser Philonides seine obszöne Geste machte, die jedoch an mir vorüber ging. "Vielleicht nehme ich sie. Was willst du für sie haben?" fragte ich. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Brix Siv die Hand auf den Arm legte, doch ich schloss vielleicht gerade ein Geschäft ab, und daher kümmerte ich mich nicht so sehr um sie. Brix indes ahnte, dass Siv die Worte garantiert mit der Geste des Händlers in Verbindung brachte, und wollte Siv im Voraus besänftigen. "Kannst du auch nähen, Charis? Und kennst du dich mit Pflanzen gut aus?" wandte ich mich direkt an die Sklavin, um eine wahre Antwort zu erhalten.

  • Da Siv sich größtenteils auf Corvinus und die andere Sklavin konzentrierte, entging ihr Trautwinis Grinsen – zum Glück. Hätte sie es gesehen, hätte Brix’ Kommentar nicht mehr viel gebracht. So aber warf sie dem Maiordomus nur einen grimmigen Blick zu. "Du hast leicht reden", murrte sie. Dann lenkte sie ihren Blick wieder nach vorne. Gerade rechtzeitig, um, im Gegensatz zu Corvinus, die rüde Geste des Griechen zu sehen. "Oooh du widerliches kleines Stück Dreck, du", zischte sie leise und funkelte den Händler an. Was bildete der sich ein? Sicher wusste Siv, dass der Händler von etwas ausging, was im Grunde für viele Römer normal war – aber trotzdem, was bildete der sich ein?!? Er konnte doch nicht einfach davon ausgehen, dass Corvinus aus diesem Grund Interesse hatte, aber er tat es nicht nur, er unterstellte es ihm sogar fast. Siv freute sich schon auf die Abreibung, die er nun bekommen würde. Sie kannte Corvinus, sie wusste, dass er von solchen Anspielungen nicht viel hielt, schon gar nicht, wenn sie von einem schmierigen Kerl wie diesem Händler da kamen. Sie freute sich darauf, weil der Grieche nichts anderes verdient hatte. Und sie freute sich darauf, weil Corvinus’ Reaktion gleich zeigen würde, dass sie nichts zu befürchten hatte, dass dieses ungute Gefühl, das sie noch nicht bereit war als Eifersucht anzuerkennen, unbegründet war.


    Dann machte Corvinus den Mund auf. Und Sivs Unterkiefer sank ein Stück nach unten, langsam nur, wie zäher Honig, der von einem Löffel tropfte. "Das… aber…" Brix’ Hand auf ihrem Arm spürte sie kaum in diesem Moment. Sie war fassungslos. Sie hatte fest damit gerechnet, dass der Händler, wenn schon keine komplette Abfuhr, dann so doch wenigstens einen deutlichen Kommentar zu hören bekommen hätte. Aber Corvinus, jedenfalls sah es für sie so aus, nahm eben jene Geste zum Anlass, nach dem Preis zu fragen. Der Beutel mit dem Geld fiel aus ihrer Hand und landete mit einem Klirren auf dem Boden vor ihren Füßen, und Corvinus fragte, ob Charis mit Pflanzen umgehen konnte. "Was? Was, wieso-" Siv schnappte nach Luft. Pflanzen? Wieso interessierte es ihn, ob sie mit Pflanzen umgehen konnte? Für einen winzigen Moment wurde Siv beinahe schwindlig. Es war Unsinn, versuchte sie sich zu sagen, sie bildete sich irgendwas ein, Corvinus würde keine Sklavin kaufen als Ersatz für sie, aber alles, was sie zu sehen und zu hören bekam, deutete darauf hin. Ohne nachzudenken machte sie einen Satz nach vorn, um an Corvinus’ Seite zu kommen – das hieß, sie wollte einen machen, aber Brix’ Hand lag immer noch auf ihrem Arm und hielt sie zurück. Siv versuchte sich loszumachen und drehte sich gleichzeitig zu dem Maiordomus um, während sie mit dem freien Arm gestikulierte. "Lass mich los! Das ist nicht sein Ernst, oder, ich meine, er braucht niemanden für irgendwelche Wünsche, egal wie besonders, und er braucht niemanden, der sicht mit Pflanzen auskennt, der Garten ist m e i n e Sache, wieso will er das wissen?"

  • Der Händler begann vor Freude seine Hände zu reiben. Dieses Mädchen würde ihm sicher noch eine Menge Sesterzen einbringen. Sein kleines Missgeschick hatte sie für ihn aus dem Weg geräumt. Die vorwitzige Art der Sklavin imponierte wohl seinem Kunden. Deshalb und nur deshalb ließ er sie gewähren. Natürlich hatte eine solche Sklavin auch ihren Preis. Doch er zog es vor,damit auf dem Teppich zu bleiben. "Du triffst absolut die richtige Wahl, Herr! Zweitausend und sie gehört dir, Herr! Das ist ein guter Preis für das Mädchen!", antwortete Philomides.
    Charis verfolgte ungerührt das Gespräch. Sie war es gewohnt, wie eine Ware gehandelt zu werden. Aus ihrem Augenwinkel versuchte sie den Römer zu beobachten, versuchte zu ergründen, was für ein Mensch er war. Die Art und Weise, wie er sie angesprochen hatte, war nicht alltäglich. Er war so freundlich, so ruhig, so wie sie es schon lange nicht mehr erlebt hatte. Natürlich konnte es später ganz anders sein, hatte er sie erst einmal gekauft und war sie dann in seinem Haus. Niemand wußte das.
    Ein weiteres Mal stellte er eine Frage und diesmal richtete er sie direkt an Charis. Die Sklavin sah auf und nickte. "Ja Herr, nähen kann ich. Mein letzter Herr hat mich auch in seinem Garten arbeiten lassen, Herr. Mit Kräutern kenne ich mich besonders gut aus. Wie man sie anbaut, pflegt und was man aus ihnen herstellen kann." Ihr letzter Herr war alt und oft krank gewesen. Mit Hilfe der Kräuter, konnte sein Leiden etwas gemildert werden, bis er eines Tages, vor nicht allzu langer Zeit doch gestorben war.
    Philomides sah in der Antwort der Sklavin nur eine weitere Bestätigung, daß sein Preis gerechtfertigt was. "Du siehst Herr, sie hat viele Talente." Wieder begann er verschmitzt zu lachen. Er war nur noch ein kleines Stückchen von seinem ersten guten Geschäft an diesem Tag entfernt.

  • Während Trautwini irgendwo hinter mir vergnügt gluckste, vermutlich Sivs Gemurmels wegen, räusperte sich Brix ab und an dringlich, ganz so, als wollte er auf irgend etwas hinweisen, was ihm missfiele. Ich selbst hatte indes nicht die Muße, den anderen zuzuhören, und konzentrierte mich daher voll und ganz auf Charis und den Händler. Jetzt war es an der Zeit, kritisch zu schauen. "Zweitausend. Sonst befindest du dich wohl?" brummte ich. Gleich darauf beantwortete Charis allerdings meine Fragen zu meiner Zufriedenstellung, sodass ich mich nicht abwandte und ging, sondern noch blieb und überlegte. Der Händler redete mir noch einmal ins Gewissen, und gerade wollte ich etwas erwidern, als Siv hinter mir einen Aufstand machte, dass ich mich umwandte. Brix hatte sie nun nicht mehr nur am Arm ergriffen, sondern auch an einer Schulter und sah sie eindringlich an.


    Mein Germanisch war zwar grottenschlecht, aber einige Worte verstand ich dennoch, auch wenn sie kaum einen Sinn ergaben. Siv redete von ihrem Garten und Wünschen, die sie brauchte. Oder so ähnlich. Mit gerunzelter Stirn schickte ich ihr einen missbilligenden Blick - manchmal bekam ihr die Schwangerschaft wohl doch nicht so sehr - und wandte mich dann wieder um. "Sagen wir eintausendeinhundert. Nähen und massieren sind Tätigkeiten, die jeder Sklave kann. Das Kräuterwissen ist mir bestenfalls elf aurei wert", schlug ich dem Sklaventreiber vor.

  • Ihr letzter Herr hatte sie also im Garten arbeiten lassen. Und mit Kräutern kannte sie sich besonders gut aus. Es kostete Siv einiges an Anstrengung, die andere Sklavin nicht laut nachzuäffen, während sie mit Brix ein wenig rangelte, um freizukommen. Allerdings erreichte sie damit nur, dass Trautwini – allerdings erst nach einem auffordernden Blick von Brix und nicht ohne ein breites Grinsen – an ihre andere Seite trat, die Pakete auf seinen Armen etwas hin und her jonglierte und so eine Hand freimachte, um sie ihr ebenfalls auf die Schulter zu legen. Es dauerte noch einen weiteren Moment, dann gab die Germanin nach und hörte auf, sich zu wehren. "Ist doch wahr", murmelte sie trotzig, obwohl keiner der beiden Germanen etwas gesagt hatte. Es war schon schlimm genug, dass sie momentan kaum noch im Garten arbeiten konnte, sie würde einen Dreck tun und ihn sich vollends wegnehmen lassen – war diese Arbeit doch lange so ziemlich die einzige gewesen, die ihr wirklich Spaß gemacht hatte. Abgesehen von Stallarbeit, aber so sehr sie sich das gewünscht hatte, dafür war sie nie eingeteilt worden. Aus Langeweile geboren, weil sie ständig auf der Suche nach etwas zu tun war, hatte sie inzwischen begonnen zu entdecken, dass die Organisation des Haushalts ebenfalls spannend war und zumindest ihr Spaß machte. Körperlich anstrengend war das nicht, und Brix war durchaus froh darum, wenn ihm das ein oder andere abgenommen wurde. Dennoch weigerte sie sich, die Gartenarbeit komplett aus den Händen zu geben.


    Und: da schwebte immer noch die Frage herum, für was Corvinus die Sklavin noch kaufen wollte. Warum musste sie ausgerechnet blond sein, war das der Grund, warum er auf sie aufmerksam geworden war? Siv knirschte mit den Zähnen, als Corvinus sich umwandte und ihr einen Blick zuwarf, der vor Missbilligung nur so zu strotzen schien. Hätte er sie nicht aufmunternd ansehen können? Lächelnd? Mit irgendeinem Zeichen, dass ihre Eifersucht unbegründet war? Wenigstens ein Zwinkern? Aber da war nichts, nur Tadel. Sie schüttelte mit einem Ruck die Hände der Germanen ab, deren Griff lockerer geworden war, tat dann allerdings nichts weiter, als sich zu bücken und den Beutel mit Sesterzen wieder aufzuheben. Corvinus unterdessen hatte sich wieder dem Händler zugewandt, und er klang neutral, als er sprach, seiner Stimme war kein sonderliches Interesse an der Sklavin zu entnehmen. Andererseits war er niemand, der sich so etwas vor anderen anmerken lassen würde. Schon gar nicht vor dem Händler, von dem er die Sklavin kaufen wollte. Siv presste die Lippen aufeinander und wünschte sich, die Verhandlungen würden endlich zu einem Ende kommen, so dass sie gehen konnten. Im Augenblick sehnte sie sich danach, sich im Garten oder im Stall zu verkriechen – oder wahlweise Corvinus zur Rede zu stellen.

  • Philonides erblaßte. Gut, zweitausend waren vielleicht wirklich etwas zu vermessen. Aber eintausendeinhundert? Das war keine von diesen wilden Barbarinnen, aus dem hohen Norden, die denen man nur noch mit einem Messer unter dem Kopfkissen schlafen konnte, hatte man sie sich erst einmal ins Hausgeholt. Allerdings befanden sie sich hier auf einem Markt und auf einem Markt feilschte man und der Grieche liebte es, zu feilschen. "Aber Herr, sieh nur, diese schöne seidige Haut! Da wirst du keine Schramme und nichts finden! Die Sklavin ist nie gezüchtigt worden, weil sie einfach nur folgsam ist: Du wirst also überhaupt keinen Ärger mit ihr haben." Der Händler hatte nach Charis gegriffen, sie schwungvoll umgedreht und ihre Tunika leicht nach unten gezogen, so daß sein Kunde für einen kurzen Moment nur eine Ahnung von dem schöngeformten Rücken der Sklavin bekam.
    "Eintausendsiebenhundert und sie gehört dir! Das ist ein Freundschaftspreis, den ich heute nur dir mache." Philonides war mit seinem Preis hinunter gegangen. Bevor er an diesem Tag gar nichts einnahm, wollte er noch so viel als möglich herausholen. Er sah sich um und mußte annehmen, daß aufgrund des unbeständigen Wetters heute, der große Ansturm auf seinen Stand ausbleiben könnte. Aber verschenken würde er seine Ware auch nicht.
    Charis indes hatte sich wieder umgedreht und verfolgte das Feilschen um ihren Körper und ihr Leben. Dabei sah sie ganz unbewußt den Römer auf sehr eindringliche Weise an. Sie hoffte, verkauft zu werden. Nur dann mußte sie nicht wieder zurück in den engen stinkenden Käfig.

  • Natürlich fiel mein Blick auf den Rücken. Wie hätte ich mich dessen auch erwehren können, wo Philonides die Sklaven beinahe auszog vor meinen Augen? Zugegebenermaßen war sie nett anzuschauen. Ein Kostverächter war ich noch nie gewesen, und helles Haar hatte mich von jeher fasziniert. Ich runzelte die Stirn, als der Händler mir versprach, dass ich niemals Ärger mit ihr haben würde. Ein gewagtes Versprechen. Bei seinem nächsten Angebot schnalzte ich jedoch mit der Zunge. "Für siebzehn aurei würde ich einen gut ausgebildeten Leibwächter bekommen, guter Mann. Mir muten deine Vorstellungen recht utopisch an", entgegnete ich.


    Ich spürte den Blick der Sklavin auf mir und wandte den Kopf. Durchdringend war ihr Blick, beinahe unheimlich, zugleich jedoch bittend. Ich drehte mich wieder dem Händler zu. "Also gut. Vierzehn aurei, das ist mein letztes Zugeständnis", sagte ich zu ihm. Bei den meisten Sklaven kristallisierte sich erst nach dem Kauf das günstigste Einsatzgebiet heraus, diese Erfahrung hatte ich zumindest gemacht. Wenn Siv das Kind austrug, würde sie ihre Arbeit übernehmen können, sobald die Schwangerschaft weit genug fortgeschritten war. Und alles weitere würde man dann sehen, sagte ich mir und hielt dem Händler meine Hand hin. Er mochte einschlagen und den Kauf zu meinem Preis besiegeln, oder aber seine Ware jemand anderem anpreisen müssen.

  • Fantastisch. Säuerlich und vor unterdrückter Wut beinahe bebend beobachtete Siv, wie der Händler die Sklavin herumdrehte und ihr die Tunika ein Stück weit hinunter zog, um ihren Rücken zu präsentieren. Hätte sie nicht alle Hände voll zu tun gehabt mit ihren schier überbordenden Gefühlen, Siv hätte Mitleid mit Charis gehabt, damit, wie sie behandelt wurde. Sie konnte sich noch allzu gut an die Zeit erinnern, als die Sklavenhändler sie von Germanien nach Rom geschleppt hatten, auch wenn sie es vorzog, nicht daran zu denken. Ihre Haut war damals nicht makellos gewesen, sondern im Gegenteil übersät mit Schrammen und blauen Flecken, hatte sie doch keine Gelegenheit ausgelassen, sich zur Wehr zu setzen – was die Römer nie ungestraft gelassen hatten. Sie hatten lediglich darauf achten müssen, ihr keine Wunden zuzufügen, die bleibende Narben hinterlassen würden. Absurderweise aber war es ausgerechnet das Handeln, das sie wenigstens etwas wieder beruhigte – im Grunde verabscheute sie sich dafür, so zu denken, zumal sie sich selbst damit herabwürdigte, aber auf eine gewisse Art und Weise war es befriedigend für sie zu wissen, dass Corvinus für sie mehr bezahlt hatte, auch wenn er damals bei ihrem Kauf gar nicht dabei gewesen war.

  • Philonides rang mit sich. Einerseits wäre er mit einem höheren Preis wesentlich glücklicher gewesen, aber andererseits war ein Freund dieser 'Zwischendurchgeschäfte'. So konnte er später in der eigentlichen Auktion noch etwas mehr Ware los werden. Und da der Römer offensichtlich keinen höheren Preis als die vierzehn Aurei akzeptierte, schlug er, wenn auch etwas widerwillig, ein. "Gut, du sollst sie für vierzehn Aurei haben!" sagte er seufzend mit einem leidenden Unterton. Die Gabe der Schauspielkunst hatte in seiner Familie eine lange Tradition. Sie gehörte einfach zum Geschaft dazu. "Willst du sie gleich mitnehmen oder sollen wir sie dir liefern?", fragte Philonides, dessen Leidensdruck schlagartig nachgelassen hatte.
    Charis indes hatte den Verlauf der Verhandlung mit verfolgt. Sie schien aufgeregt, als ihr künftiges Leben per Handschlag besiegelt wurde. Jedoch war sie sich unschlüssig ob sie sich wirklich freuen sollte oder nicht. Aber wie so oft in ihrem Leben, beschloß sie, das Beste daraus zu machen! Doch eines war sicher. In den Käfig mußte sie nicht mehr zurück und wenn doch, dann nur für einige Stunden. Das waren doch schon gute Aussichten!

  • Der erwartete Hinweis darauf, dass seine Kinder nun wochenlang würden hungern müssen ob des niedrigen Verkaufspreises, blieb seltsamerweise aus. Ich hatte schon fest damit gerechnet und mir eine passende Antwort zurechtgelegt. So aber besiegelten wir lediglich das Geschäft mittels Handschlag. "Liefere sie, am besten vor der cena. Ich habe noch einige Wege zu erledigen und da wäre sie nur im Weg", erwiderte ich und drückte meinen Siegelring in die Wachstafel, die mir der Händler alsdann entgegen hielt. "Mein vilicus wird dir den Kaufpreis auszahlen, sobald du sie bringst. Ich hoffe für dich, dass sie hält, was du versprichst. Anderenfalls werde ich dich leider nicht weiterempfehlen können, Philonides. Du verstehst? Einen lukrativen Tag wünsche ich." Damit nickte ich dem Händler zu und streifte Charis nochmals mit einem längeren Blick, dann wandte ich mich zu den drei Wartenden um. "Wir gehen", sagte ich und deutete unbestimmt durch die Lücke zwischen den drei Grazien hindurch.

  • Siv war sich nicht so sicher, was sie nun hoffen sollte – dass der Händler einschlug oder nicht. Für die Sklavin wäre es sicher besser, verkauft zu werden, wer wusste schon, wie lange sie sonst noch in dem Käfig bleiben würde – oder wer sie sonst kaufte. Und eigentlich war Siv niemand, der einem anderen Menschen das wünschte. Aber nach dem, wie dieses Verkaufsgespräch gelaufen war, nach dem, wie Siv sich dabei gefühlt hatte, wäre es ihr lieber, wenn der Händler nun ablehnte. Was er allerdings nicht tat, wie sie zähneknirschend mitanhören musste. Er nahm an, er schlug ein, und Siv presste die Lippen zusammen. Es war zum Haare raufen! Warum? Warum kaufte er diese Sklavin, wofür? Sie brauchten keinen Ersatz für Fhionn. Brauchten sie nicht. Trotzig funkelte sie Corvinus’ Rücken an, und ihre Hand krampfte sich schon wieder gefährlich um den Beutel. Bevor Siv allerdings wieder in Gefahr geraten konnte etwas Dummes zu tun, legte Brix ihr schon wieder eine Hand auf die Schulter, und einen Augenblick später verneinte Corvinus, Charis sofort mitzunehmen, und nach einem letzten Kommentar in Richtung des Händlers wandte er sich auch schon ab und ging. Siv blieb noch für einen winzigen Augenblick stehen, unschlüssig, was sie nun tun sollte, aber Brix verstärkte den Druck auf ihre Schulter. "Na komm schon", murmelte er und schob sie hinter Corvinus her, und Siv fügte sich, wenn auch etwas widerwillig. "Ich hab immer noch Hunger", maulte sie, und das letzte, was von der kleinen Gruppe noch zu sehen war, bevor sie in der Menge verschwanden, war Trautwinis aufblitzendes Grinsen und Sivs bitterböser Blick, den er sich dafür einfing.


    ~~~ finis ~~~

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