Das Ende einer Pyrtanie

  • Als einer der Ersten war der Gymnasiarchos an diesem Morgen aus seinem Haus im Königsviertel zum Theater aufgebrochen. Er erwartete eine besonders hitzige Volksversammlung, war sie immerhin von einigen unangenehmen Ereignissen der letzten Zeit überschattet. Er hoffte, die römerfeindlichen Parolen würden sich in Grenzen halten, vermutete jedoch, einige Demagogen würden damit versuchen, das Volk auf ihre Seite zu ziehen.


    Auf seinem Steinsessel in der ersten Reihe wartete er darauf, die Versammlung beginnen zu können. Seine Epheben hielten für ihn nach allen Seiten Ausschau und flüsterten ihm ab und an zu, ein gewisser Timon / Nikander / Alkibiades oder sonstwer sei mit Gefolge oder ohne eingetroffen. Nikodemos zu treffen war ausgeschlossen, denn der alte Mann zog es seit längerem vor, sich im Hintergrund zu halten, sei es, da er den beschwerlichen Weg in die Stadt scheute, sei es, da er das gemeine Volk scheute oder die Schergen seiner Gegner.

  • Zu sagen, er hätte diesen Tag herbeigesehnt, wäre sicherlich übertrieben gewesen, doch die letzten Monate hatte sich Mithridates Castor zunehmend schwer damit getan, sein Amt iauf vernünftige Art und Weise auszufüllen.
    Und auch wenn es für ihn selbst keine allzu große Rolle spielte, wurde der noch amtierende Agoranomos dennoch von einer gewissen Unruhe geplagt, wusste er totz intensiver Spitzelei doch nur wenig darüber Bescheid, wer sich denn für welchen Posten zu Verfügung stellen würde. Und auch auf die Frage, wie verschiedene Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit das Gleichgewicht der unterschiedlichen Gruppierungen belasteten, war er sich nicht wirklich im Klaren.
    Also hieß es erst einmal abwarten, wie sich die Versammlung entwickeln würde...

  • Cleonymus war zwar immer noch einer der ersten doch sein gehetzter Gesichtsausdruck deutete eindeutig von wenig Schlaf und einigen Sorgen. Wenn man ihm direkt ins Gesicht blickte mochte man eine tiefe Sorgenfalte auf seiner Stirn sehen, die zweifelsohne den Geschenissen der letzten Wochen geschuldet war.
    Wer den Strategos allerdings besser kannte, wusste das sie vielmehr daher rührte das er befürchtete das in der Zeit, in der er hier quasi festsaß, etwas geschehen würde das er für gewöhnlich zu verhindern wusste ...

  • Ich betrat das Theatron fast allein, lediglich mein alter Schreiber Zopyrus schlurfte hinter mir her. Ich wusste, dass ich bei dieser Versammlung als Römerin sicherlich nicht viel zu lachen hatte und fürchtete sogar ein wenig um meine geplante Wahl, auch wenn ich mir sicher war, dass ich auf Nikolaos Fähigkeiten als Demagoge vertrauen konnte. Aber dennoch hatte ich beschlossen ein kleines Zeichen der Demut zu setzen indem ich in aller Bescheidenheit und ohne grosses Gefolge herkam.
    Ich gesellte mich, mit verhülltem und leicht gesenktem Haupt zu meinen Mitprytanen und grüsste sie mit einem freundlichen Lächeln.

  • Thimótheos kam gemütlichen Schrittes ins Theatron. Er blieb kurz stehen, gönnte sich einen Rundumblick und entdeckte einige bekannte Persönlichkeiten, darunter die Prytanen und besonders seine Vorgesetzte. Er ließ sich in Urgulanias Nähe nieder und grüßte sie und die anderen Prytanen lächelnd mit einem Nicken.

  • Ànthimos und Penelope kamen kurz nach Timos. Der große Grieche war ordentlich nervös. Nach einem kurzen Blick, hatte er alle wichtigen Persönlichkeiten gesehen. Neben den Pythanen sah, er noch seinen Bruder, der sich in der Nähe von Iunia Urgulania niedergelassen hatte.


    Eigentlich hätte er sich gerne zu seinem Bruder gesetzt, allerdings fühlte er sich verpflichtet sich zu Mithridates Castor zu setzen, schließlich war Anthi dessen Scriba und der amitierende Agoranomos, würde ihn ja auch als dessen Nachfolger vorschlagen. Also setzten sie sich zu M.C. und Anthi nickte ihm freundlich zu.

  • Natürlich kam Penelope zusammen mit Ánthimos zur Volksversammlung. Sie waren verlobt, hatten die Ephebia hinter sich gebracht und würden hoffentlich bald heiraten. In einem Monat wäre die Zeit wohl gut, wie man so sagte, aber sie hatte noch nichts gesagt. Ánthimos war in Gedanken schon so bei dieser Wahl hier, dass sie ihm nicht noch zusätzlich Druck machen wollte. Lieber ließ sie die Männer in ihrem Haus erst einmal gewähren und sich auf die Politik konzentrieren. Noch hatten sie ja fünf Monate Zeit.
    Also ging sie neben Ánthimos her und folgte ihm bei seiner Platzwahl nach. Sie war nicht die einzige Frau, die hergekommen war, aber doch waren es hauptsächlich Männer, die heute abstimmen würden. Penelope war ein wenig aufgeregt, ließ sich aber nichts anmerken. Immerhin war sie auch Philologe, und da musste sie auch würdig die Priesterschaft des Apollo darstellen und konnte nicht herumzappeln wie ein kleines Kind.
    Als sie an bekannten Gesichtern vorbei ging, schenkte sie jedem ein lächelndes Nicken. Selbst Nikolaos Kerykes, dem Gymnasiarchos, auch wenn Anthi und er sich nicht so unbedingt leiden mochten und sie wegen ihm schon einmal Streit hatten. Aber Höflichkeit war für Penelope stets oberstes Gebot, egal in welcher Situation. Daher hielt sie sich so gut wie möglich stets daran.

  • Der Gymnasiarchos nickte allen Leuten, die ihn grüßten, höflich zu, auch dem unverschämten Bengel, diesen Beschäler Penelopes, der sich erdreistete, in der Nähe der Pyrtanen sitzen zu wollen. Er schien ein Freund des Mithridates zu sein, was den noch amtierenden Gymnasiarchos in seiner Ablehnung bestärkte.


    Auch die schöne Penelope war da... . Nikolaos lächelte mehr als nur höflich. Auch sie setzte sich in den Dunstkreis des Mithridates. Nikolaos hatte nichts anderes erwartet. Vermutlich wurde das arme, so kluge Mädchen von ihrem Beschäler dazu gedrängt, auch den Gnom zu unterstützen...


    Als sich das Theater gefüllt hatte, erhob sich Nikolaos.


    "Verehrte Mitbürger! Heute kommen wir, die freie Bürgerschaft der unabhängigen Polis Alexandria zusammen, um mit gleichem Recht und frei über die Belange unserer geliebten Heimatstadt zu entscheiden.


    Das wichtigste Anliegen an diesem heutigen Tag ist die Neubesetzung der Ämter der Stadt. Auch wenn bisher kein Antrag irgendeines Bürgers auf die Abstimmung über die Enthebung eines Pyrtanens seines Amtes erhoben wurde, was, wenn ich es so ausdrücken darf, für die Pyrtanenschaft spricht, so ist es aber die Sitte und das Recht unserer Vorfahren und unser eigenes, dass die Besetzung der Ämter wechselt. So ist es gut, denn dadurch wird die Gleichberechtigung aller Bürger sichergestellt.


    So wichtig wie diese Sache ist, so rasch muss sie auch angegangen werden, daher schlage ich vor, sogleich dazu überzugehen.


    Zuvor jedoch hat jeder Bürger das Recht, seine Stimme zu erheben und zu sprechen und aus seiner Sichtweise zu urteilen über die Amtserfüllung der bisherigen Pyrtanen und Archonten, über die Lage der Polis und über allgemeine Dinge."

  • Auch Ànthimos hatte dem Gymnasiarchos freundlich zugenickt und gelächelt. Als sich dieser dann später erhob und verkündete, dass sich nun jeder zu Wort melden könne, hielt sich der junge Grieche allerdings zurück. Er hatte gerade erst die Ephebia bestanden, und maß es sich nicht an, jetzt das Wort zu erheben. Wenn er hier die ganzen erfahrenen Bürger sah, kam es ihm selbst ein wenig merkwürdig vor, dass er von Castor zum Agoranomos vorgeschlagen werden würde. Aber auf der anderen Seite, wusste Anthi genau, was dieses Amt erforderte und wie man es ausfüllte. Trotzdem war ihm ein wenig flau in der Magengegend...

  • Ich hatte mich in den hinteren Rängen des Theaters eingefunden. Mein linker Arm war nach dem Vorfall in Rhakotis immer noch bandagiert und in einer Schlaufe. Über meiner üblichen Kleidung trug ich einen Umhang, um nicht allzu sehr aufzufallen.


    Eigentlich hatte ich kein allzu großes Interesse an der Politik dieser Polis, also würde ich das Ganze wohl einfach nur beobachten. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob ich abstimmen würde oder mich meiner Stimme enthalten. Eigentlich ging es mir nur darum, informiert zu sein. Einen Moment lang überlegte ich mir, ob ich nicht etwas zu Rhakotis sagen sollte, einen Appell an die Bürger, das Viertel der Ärmsten nicht ganz zu vergessen und sich um diejenigen zu kümmern, die es am dringendsten nötig haben. Ich war mir allerdings recht sicher, dass es sowieso zwecklos war, also sagte ich nichts.

  • Mithridates begrüßte die Eintreffenden freundlich, insbesondere seinen bisherigen Scriba und dessen Frau. Über irgendwelche althergebrachte Konventionen bezüglich der Sitzordnung konnte er in diesem Fall nur lächeln. Wenn es nach ihm ginge, würde der junge Mann sowieso bald einen der Plätze innerhalb des Prytaneions einnehmen.
    Als der Gymnasiarchos den Bürgern Alexandrias die Möglichkeit bot, die Stimme zu erheben und eigene Anträge vorzubringen, blickte sich der Agoranomos um. Auch wenn die Stimmung innerhalb der Bürgerschaft sicherlich nicht zum Besten stand, schien das Angebot des Archipyrtanen nur zögerlich genutzt zu werden. Die einstmals ebenso gut organisierten wie einflussreichen Großgruppierungen hatten ihren Machtverlust in der jüngeren Vergangenheit ganz offensichtlich noch immer nicht kompensieren können. Was den kleinen Mann in keinem Fall störte, bot es Männern wie ihm doch die Gelegenheit, Politik in ihrem Sinne voranzutreiben.


    Jedenfalls erhob sich nach einiger Zeit im mittleren Teil des Theaters ein Mann mittleren Alters und hob die Hand, als Zeichen, dass er etwas vorzubringen habe:
    "Geschätzter Gymnasiarchos, ich möchte von meinem Recht zu sprechen, Gebrauch machen. Man nennt mich Echion, ich bin ein Sohn des Ephoros und meine Familie beansprucht seit Generationen ihren Platz in dieser Versammlung. Einst stand ich im Dienste der Stadtverwaltung, doch in diesem Moment spreche ich einzig und allein in meiner Funktion als Bürger dieser Polis."
    Er ließ diese Worte einen Moment lang wirken, dann fuhr er fort: "Wie wahrscheinlich jedermann hier bekannt sein sollte, wurde der Friede der Tyche empfindlich gestört. Eine Abteilung von Soldaten des von uns verehrten Basileus von Rom ist in das Heiligtum der Tyche eingedrungen, hat unschuldige Bürger schikaniert und die Arbeit der autonomen Verwaltung der Polis beeinträchtigt." Natürlich hatte jeder hier davon gehört, doch es schadete nicht, den Anwesenden noch einmal das Geschehene vor Augen zu führen. Und so regte sich nun auch ein leichtes Grummeln innerhalb der Versammelten. "Ich möchte den zuständigen Behörden der Rhomäer keine Absicht unterstellen, vielleicht führte Unkenntnis und Desinteresse an unseren Institutionen zu diesem Dilemma, doch ändert das nichts an dem Schaden, der angerichtet wurde.
    Ich schlage dehalb vor, dass die Ekklesia hier und heute einen Beschluss fasst, in dem das angesprochene Vorgehen offiziell und unmissverständlich verurteilt wird. Nicht im Sinne einer Provokation und Eskalation, sondern zugunsten einer besseren zukünftigen Zusammenarbeit zwischen Griechen und Römern in unserer Polis.
    Nur ein solcher Beschluss der Versammlung aller freien alexandrinischen Bürger kann gewährleisten, dass die Interessen der Bürgerschaft in politischen wie ökonomischen Belangen auch weiterhin in angemesserer Weise vertreten werden."

    Mit diesen Worten beendete Echion seinen Vortrag und nahm wieder Platz unter seinen Nachbarn, die wiederum lautstark ihre Zustimmung bekundeten und ihm auf die Schulter klopften.


    M.C. hingegen gab sich überrascht und setzte seine beste Unschuldsmiene auf. Dass Echion, ein sonst so unscheinbarer wie entscheidungsfauler Mann zu solch einem Auftritt fähig war, wer hätte das gedacht?

  • Jetzt musste ich doch etwas sagen. Schon allein, um Schlimmeres zu verhindern. Ich erhob mich von meinem Platz und ging ein paar Stufen herunter, während ich laut und deutlich sagte "Ich halte das für sehr unklug!" Natürlich in Attisch, da ich Koine zwar verstand und prinzipiell auch sprach, aber niemals selbst nutzte. Attisch war viel edler.


    Nachdem nun alle Blicke auf mich gerichtet waren, erklärte ich mit lauter, klarer Stimme, meine Bedenken. "Zunächst einmal, wenn meine Informationen richtig sind, wurde das Heiligtum der Tyche nicht betreten. Natürlich war unmittelbar vor dem Heiligtum, aber eben nicht in ihm. Es war also, streng genommen, kein Götterfrevel." Es folgte eine kurze Pause. "Gewiss, die Soldaten haben unbescholtene Bürger schikaniert. Doch bedenken wir, was es bedeuten würde, wenn wir das Vorgehen der Soldaten öffentlich verurteilen würden. Wenn es die Legion darauf anlegt, kann sie das nutzen, um Klage gegen die Polis in Rom einzureichen. Klage gemäß dem achtundsechzigsten Paragraphen des rhomäischen Codex Iuridicialis. Für diejenigen, die sich nicht so gut mit den Gesetzen der Rhomäer auskennen: Es geht dabei um staatsfeindliche Einwirkungen auf Sicherheitsorgane. Der Eparchos mag zwar auf unserer Seite sein, doch kann die Angelegenheit meiner Meinung nach auch an ihm vorbei nach Rom übermittelt werden. Und wie jemand, der die Situation nicht kennt, darüber urteilen würde, ist höchst unsicher."
    Einen kurzen Moment ließ ich meine Worte wirken. "Doch was bedeutet es, wenn man die Polis bezüglich dieses Vergehens verurteilt, oder zumindest wichtige Personen der Polis? Würde dann nicht die Ekklesia als staatsfeindliche Vereinigung gelten und somit verboten? Würden wir damit nicht die Freiheit der Polis Alexandreia riskieren? Ist es das wert? Unsere Bedenken werden bereits jetzt dem Eparchos bekannt sein. Denn er wird sich ganz sicher über den Verlauf der Ekklesia informieren lassen. Ein Beschluss dieser Ekklesia, wie er vorgeschlagen wurde, würde nur Öl ins Feuer gießen. Ganz gleich, wie maßvoll er formuliert würde. Es kann aber nur in unserem Interesse liegen, zur Deeskalation beizutragen. Nicht, weil wir feige wären. Sondern, weil wir realistisch sind."

  • Trotz der Ernsthaftigkeit der Situation musste sich Mithridates beim Auftritt des 'Magiers' ein Grinsen verkneifen. Dieser Mann argumentierte wie eine Gruppe von Schülern des alten Sokrates, hatte aber ganz offensichtlich keine Ahnung wie man zu einer leicht erregbaren Menge von stolzen Bürgern sprach. Vor der Ekklesia aus römischen Gesetzestexten zu zitiere - was für ein Unding! Und an diesem Ort von 'staatsfeindlichen Einwirkungen auf Sicherheitsorgane' zu sprechen – grober Unfug!
    Echion jedenfalls kam jetzt voll in Fahrt:
    "Stellst du etwa die Autonomia der Polis in Frage? Oder die Garantie des göttlichen Basileus für unsere Freiheit?" warf er erregt zurück. "Hochverrat!" brüllte jemand in dessen Nähe. "An den Galgen mit dem fremden Lump!"
    Und wieder Echion: "Wenn du vorschlägst, dass die Versammlung freier alexandrinischer Bürger keinerlei Reaktion zeigen soll, ist dies de facto ihr Ende!"
    M.C. verdehte die Augen über Echions stümperhafte Reaktionen auf die unsinnigen Ausführungen des Achilleos.
    Typisch für diesen Mann. Anstatt sich an Vereinbarungen und Anweisungen zu halten, schoss er mal wieder über das eigentliche Ziel hinaus. Darüber hinaus fragte sich der Agoranomos aber auch, woher dieser Athener denn wissen wollte, dass der Eparchos auf ihrer Seite stand. Außerdem wusste dieser eigentümliche Mann anscheinend auch nicht allzu viel darüber, wie die römischen Kaiser auf Probleme in Ägypten reagiert hatten und es wohl weiterhin tun würden.
    Er flüsterte er einem Epheben etwas zu, der daraufhin davoneilte. Vielleicht war es nun an der Zeit, sich selbst zu Wort zu melden. Für den Moment blieb er aber noch stumm auf seinem Platz sitzen.

  • Der Gymnasiarchos räusperte sich geräuschvoll.


    "Werte Bürger! dass jeder das Recht dazu hat, sich hier zu äußern, bedeutet nicht, dass jeder das Recht hat, gängige Formen zu missachten und die Heiligkeit dieses Ortes zu bespucken!


    Wir halten kein Gericht, also hat niemand von uns irgendjemanden an den Galgen zu wünschen.


    Er da-"


    Er nickte demnjenigen Redner, der vor Erregung ganz grün sprach, zu.


    "Soll einen Antrag unter Beachtung der üblichen Form stellen, über den wir anschließend diskutieren und abstimmen werden. Gelingt es ihm nicht-"


    Er warf diesem Kerl einen strengen Blick zu.


    "seine Worte so zu wählen, dass sie dem Anlaß würdig sind, so müssen wir zu einem anderem Antrag eines anderen Bürgers oder zur Tagesordnung übergehen."



    edit: deutsche rechtschreibung

  • "Stelle ich die Autonomia in Frage? Nein, ganz sicher nicht! Aber stelle ich in Frage, dass die Legionen vor unseren Stadtmauern diese Polis jederzeit in Schutt und Asche legen könnten? Nein, ebenso sicher nicht! Der göttliche Basileus gewährt dieser Polis nicht nur die Freiheit, sondern auch Schutz! Sollten wir da nicht über Fehler seiner Soldaten wohlwollend hinwegsehen, anstatt ihn oder, in Vertretung seiner Person, dem Eparchos belehren zu wollen?"


    Erneut forderte jemand, mich aufzuknüpfen. "Wenn du mich aufknüpfen willst, dann komm her und hol' mich!" antwortete ich diesmal. Eigentlich würde ich ihn ja zum Duell fordern, aber da waren die Gesetze wohl dagegen.

  • Als Marcus Achilleos seine Stimme erhob, wunderte Penelope nichts mehr. Er hatte bereits beim Essen bei den Iuniern deutlich seine ungriechische Einstellung gezeigt, und sie hatte bereits da beschlossen, ihn nicht zu mögen. Auch wenn Ánthimos da anderer Ansicht und Meinung war, Penelope war da nicht so ruhig und ausgeglichen. Und seine Worte damals wie heute waren grenzwertig und eines freien Griechen nicht würdig, fand sie.
    Aber das wunderbare daran, jung und eine Frau zu sein, war, dass man Dinge sagen konnte, ohne dass die Männerwelt darauf groß achtete, wenn es den Männern nicht gefiel. Niemand erwartete von einer Frau geistige Ergüsse, niemand erwartete von einer Frau höhere Logik, niemand erwartete von einer Frau eine gewichtige Meinung. Daher konnte eine Frau auch oftmals etwas sagen und die Männer in ihrer Umgebung in die richtige Richtung schubbsen, ohne dafür mit politischen Konsequenzen rechnen zu müssen. Lediglich den Zorn ihrer Familie galt es zu beschwichtigen.


    Und so erhob sich Penelope nach Marcus Worten, stand still wie eine Marmorstatue und wartete darauf, dass sie beachtet wurde und das Recht erhielt, zu sprechen. Immerhin war man hier nicht unter Barbaren, die wild durcheinanderbrüllten. Und sie hatte keine Lust, zu schreien. Als sie schließlich Beachtung fand, erhob sich ihre Stimme hell, klar und das ganze theatron durchschneidend, in jahrelanger Übung durch den Gesang, und doch sanft und irgendwie leise. In bestem Koine – denn sie war stolz auf die Sprache derer, die mit Alexander hierher gezogen waren – hob sie an, zu sprechen.
    “Verzeiht, wenn ich meine Stimme erheben muss. Mein Name ist Penelope. Ich bin die Tochter von Demosthenes und der Appolonia, Enkelin des Philolaos. Geboren wurde ich kaum ein stadion entfernt von diesem Platz hier.
    Ich weiß, es ist ungewöhnlich, dass eine so junge Frau die Stimme in der Ekklesia erhebt. Auch weiß ich, dass ich erst vor kurzem durch die Ephebia zum Bürger dieser Stadt werden durfte, die ich Zeit meines Lebens so sehr zu lieben gelernt habe. Und doch bitte ich euch, hört mich an, denn zu diesen Worten kann und will ich nicht schweigen.“

    Sie sah sich kurz um, besah sich ihr Publikum. Wie bei einem Auftritt kehrte eine unheimliche Ruhe in ihren Körper, obwohl ihr Geist aufgewühlt und sie nervös war. Aber sie stand gerade und ruhig und kein Zittern könnte verraten, wie unruhig sie im tiefsten Inneren doch war. Sie hoffte nur, Ánthimos würde es ihr verzeihen, dass sie einfach so sprach, ohne es mit ihm besprochen zu haben, oder gar seine Erlaubnis abgewartet zu haben. Eigentlich wollte sie sich ja für ihn zurückhalten, aber dieser Vorschlag war doch ein wenig viel.
    “Wir alle sind denke ich sehr beunruhigt über das, was geschehen ist. Ich selbst war nicht dort anwesend, doch habe ich mit großem Stolz gehört, wie die edlen Bürger dieser Polis bereit waren, sich vor den Tempel der Tyche zu stellen, um ihn notfalls selbst zu schützen. Es erfüllte mich mit großem Stolz, und nicht mit Furcht vor dem, was die Rhomäer wohl tun mochten.“
    Das stimmte zwar nur zur Hälfte, denn im ersten Moment, als Anthi ihr davon erzählt hatte, hatte sie ihn sehr wohl gefragt, ob er verrückt sei und nicht an die Gefahr gedacht hatte. Doch dann war der Stolz dagewesen, und da war sie noch immer stolz auf ihn, dass er sich hinter Nikolaos aufgebaut hatte, um dem Gymnasiarchos zu helfen. Denn bei dieser Sache zählten private Ressentiments nichts.
    “Und es ist meine Meinung, dass wir zurecht auch stolz sein dürfen und nicht furchtsam sein sollten. Es war nicht recht, was geschehen ist. Dies zu erkennen und zu sagen ist weder Aufstand noch Verbrechen. Es ist das Recht, ja, die Pflicht eines freien Bürgers, solches zu sagen.
    Du hast Recht, Marcus Achilleos, wenn du uns sagst, dass die Rhomäer mehr militärische Stärke haben, als wir je aufbringen könnten. Dass wir einen Aufstand verlieren würden, und uns gegen ihre Macht nicht durchsetzen könnten. Doch das will hier auch gar niemand. Aber welche Freiheit hat denn die Polis Alexandria, wenn sie solches vom göttlichen Basileus befürchten müsste? Welche Freiheit gäbe es da zu beschützen, wenn wir fürchteten, dass dies geschehen könnte? Du widersprichst dir selbst.
    Niemand hier will sich gegen die Rhomäer erheben, aber wir wollen als freie Bürger mit ihnen leben. Bestimmt wäre es opportun, still zu sein und kein Wort darüber zu verlieren. Doch wann wäre es dann der richtige Zeitpunkt, dieses Problem anzusprechen? Wenn doch ein Tempel so gewaltsam betreten wurde? Wenn die Übungen der Rhomäer dahingehen, die Bürger anzugreifen? Wenn ein Bürger getötet wurde? Wann wäre der passende Zeitpunkt, uns mit Sorge und Kummer an den Eparchos oder den Basileus zu wenden und ihm mitzuteilen, dass wir dieses Vorgehen nicht gutheißen können?“

    Sie schritt etwas weiter mittig ins theatron, damit sie von allen gut gesehen werden konnte. Penelope hasste es, dass sie so viel reden musste. Sie wollte doch einfach nur Musik spielen, und keine Politik machen. Aber still zu sein im Angesicht solcher Gewalt war nicht rechtens, fand sie.
    “Sicher wäre es opportun, es nicht zu tun. Es wäre auch opportun, würden wir uns auf die Knie werfen und den Basileus wie die Hunde anbeten würden, wie die Parther es mit ihrem König machen. Sicher wäre es auch opportun, zu allem, was die Rhomäer tun, nur ja zu sagen und alle Beschlüsse so zu fassen, wie sie es wünschen.
    Aber es wäre nicht frei. Es wäre nicht rechtens, und es wäre feige. Wir sollten dem Eparchos, so dies nicht bereits geschehen ist, mitteilen, dass die Bürger der Stadt über dieses Vorgehen beunruhigt sind. Wir sollten ihm mitteilen, dass dies den Frieden in der Stadt gefährdet hat, und somit dem Handel abträglich ist. Wir sollten uns bemühen, als freie Bürger unseres wunderbaren Basileus eine Lösung zu finden, die für beide Seiten angemessen ist. Aber wir sollten uns nicht verstecken und so tun, als wäre nichts geschehen.“

    Penelope blieb ruhig dastehen und hoffte, dass das Publikum ihr zustimmen würde. Sie war eine freie Bürgerin und würde sich nicht selbst zur Sklavin machen und auch keine solchen Reden schwingen.


    Sim-Off:

    Edit: Arg, kaum tippt man ne halbe stunde, steht hier was neues. passt aber glaub ich hoffentlich trotzdem

  • "Der Antragsteller wird nun sprechen. Kann er dies nicht-"


    Nikolaos warf dem Herren in grün einen giftigen Blick zu.


    "werden wir uns anderen Anträgen widmen. Solange er das Wort hat, bitte ich euch allerdings um Ruhe."





    edit: Da bist du mir zuvorgekommen...


    edit II: SimOff



    Sim-Off:

    Mithridates: Pn!

  • "Werte Penelope, was du fordertest, habe ich gleich nach diesem Vorfall getan*. Jedoch können wir selbstverständlich in dieser Versammlung eine Bittschrift ausarbeiten und anschließend dem Eparchos übergeben.


    Ich würde vorschlagen, dass du einen solchen Brief formulierst und ihm am Ende der Versammlung vorträgst, damit wir entscheiden können, ob die Polis selbst der Absender sei."








    Sim-Off:

    *Nikolaos hat es getan, doch bis jetzt wurde ihm noch nicht darauf geantwortet. Ich würde aus spieltechnischer Sicht daher vorschlagen, dass wir abwarten, bis in der "Vergangenheit" der Eparchos endlich reagiert und der Gymnasiaroch euch das Ergebnis mitteilen kann.

  • Doch der 'Mann in grün' war verstummt. Ob es daran lag, dass er mit dem Vorschlag der Penelope und des Nikolaos einverstanden war oder dass er von den Schergen der Stadtoberen zur Zurückhaltung angehalten wurde, blieb unersichtlich.


    Sim-Off:

    Einverstanden

  • Cleonymus wäre am liebsten aufgesprungen und gegangen, warum waren diese Griechen so eitel? Und warum zum Teufel war Achilleos so streitlustig ...


    Ein Handzeichen an die Stadtwächter auf den oberen Rängen und diese würden die Unruhestifter entfernen, aber dafür war es noch zu früh ... Cleonymus warf Achilleos einen eisigen Blick zu, den selbst ein Blinder bemerkt und ein Toter gespürt hätte, immerhin konnten sie es sich gerade jetzt nicht leisten unnötig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen ...


    Als dann Penelope sprach wunderte es den Strategen etwas das es keine weiteren Schmähungen gab die sich gegen die junge Frau richteten, aber das sollte ihm nur recht sein ... Als Nikolaos dann sein Gespräch mit dem Epharchos erwähnte lauschte Cleonymus aufmerksam, denn nun interessierte ihn die "öffentliche" Verison ...

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