Cubiculum–Tante Antonia, Serenus, Minor

  • Kurz nach der erneuten Ankunft von Serenus in der Villa und nachdem mehrere Tonnen patrizischen Reisegepäcks von unzähligen Sklavenhänden abgeladen, eingeräumt und ausgepackt waren, zog eine Prozession durch die Villa um wie die Heiligen Drei Könige ein Neugeborenes zu beschenken.


    Allerdings waren es schwere wirtschaftliche Zeiten, wie überall in den Gassen der Stadt und auf dem Forum gejammert wurden, was Angesichts des neuen Augustus ja auch kein Wunder war. Und so war auch in der Villa Flavia das Personal für Serenus Bedürfnisse gekürzt worden.
    Anstelle der Heiligen 3 Könige und aufwendigem Gefolge bestand die Prozession nur aus Serenus mit einem Leiterwagen voller Geschenke für Klein-Minor, seiner Leibsklavin Dido mit einem echten Fellhund vom exklusivem Knuddeltier-Hersteller Streivus (die mit der Golddrachme im Ohr) und den 3 Kampfhunden von Serenus und Dido. Ein Trägersklave hatte sich auf die Schnelle nicht auftreiben lassen. Nut gut, dass der Leiterwagen noch im Spielzimmer gestanden hatte. Die Erkältungswelle hatte die Villa, insbesondere die Sklavenschaft, noch fest im Griff. Der verbleibende Rest war mit lauter wichtigen Tätigkeiten beschäftigt. Vor den Saturnalien schien der Putzwahn in der Villa besondere Ausmaße anzunehmen. Überall wurde gewienert, geschrubbert und gewischt. Oder aufgrund der Kälte weiteres Holz im Garten gehackt und zum Anwesen getragen. Die Fußbodenheizung brummte, was bei der schneidenden Kälte draussen gut war. Noch ein oder zwei Tage und man würde auf den zugefrorenen Teichen im Garten laufen können. Serenus und Dido hatten auch mit einigen Eimern Wasser bereits eine 15 Schritt lange Schleimerbahn auf einem Gartenweg gegossen, der jetzt mit einer schönen Eiskruste bedeckt war.


    Die Prozession erreichte das Cubiculum von Tante Antonia und Onkel Gracchus und es wurde geklopft. Hoffentlich pennte Klein-Minor nicht. Serenus war gespannt wie er aussah.

  • An jenem Tage waren auch der Ankunftsort der römischen ‚Heiligen Drei Könige‘ ein anderer.
    Statt eines Stalls fand sich ein luxuriös ausgestattetes Cubiculum, statt Ochs und Esel standen Wickel- und Herumtragsklave dekorativ herum und statt einer Holzkrippe bot ein weich gepolstertes Bettchen mit Gitterstäben dem zu beschenkenden Kind ein Plätzchen. Ganz abgesehen davon, dass die Mutter kaum noch als Jungfrau bezeichnet werden konnte, wenngleich auch in ihren Augen der Sohn ein Gottesgeschenk war.
    In jenem Moment, als an die Tür geklopft wurde, amüsierte Gracchus Minor sich gerade köstlich darüber, wie seine erhabene Mutter mit einer übers Gesicht gezogenen Palla aussah. Er klatschte in die Hände und jauchzte vor Freude, während Antonia sich vornehmlich um ihre Frisur Gedanken machte. Sich der Tatsache gewahr werdend, dass offenbar jemand vor der Türe stand, zog sie das Tuch vom Kopf, tastete notdürftig ihre Haare ab, um letztlich ein “Nur herein.“ zu rufen.

  • Serenus öffnete die Tür und betrat den Raum, während die drei riesigen Hunde an ihm vorbei huschten und sich neugierig und schnüffelnd umschauten, Nur um dann schwanzwedelnd auf den kleinen Minor runter zu schauen.


    Derweil hatte Serenus den Leiterwagen mitten im Raum geparkt, während Dido die Hunde an den Ohren von Klein-Minor wegzog und mit leisen Pfiffen und einigen stillen Handgesten davon abhielt diesen mal ausgiebig abzuschlecken. Artig machten die Hunde an der Tür Sitz.


    "Salve Tante Antonia. Ich wollte mal meinen kleinen Neffen, der eventuell auch mein Vetter zweiten Grades sein könnte, besuchen. Denn Onkel Gracchus ist ja ein Onkel zweiten Grades. Verdammt komplizierte Familienbeziehungen haben wir. Ich habe ihn ja noch nie gesehen. Und als guter Onkel Serenus darf ich ihm auch mal Geschenke bringen."


    Und schon hatte Serenus sich Klein-Minor geschnappt, hob diesen mit ausgestreckten Armen hoch, drehte sich 10 Mal im Kreis und machte mit Klein-Minor den "Flieger", da dieser am anderen Ende von Serenus Armen durch die Luft gewirbelt wurde. Dann stoppte Serenus und warf seinen Neffen hoch in die Luft und fing ihn sicher wieder auf.


    "Na du Schurke! Ich bin dein großer Onkel Serenus und das da hinten ist die liebe Dido. Ach ja und das da sind unsere Kampfhunde, die auf mich und Dido aufpassen. Und jetzt auch auf dich. Das sind Nero, Domitian und Didos Sofia. Vor denen brauchst du keine Angst zu haben. Die sind harmlos, solange wir sie auf niemanden hetzen. Wie das dann geht, das zeige ich Dir wenn du größer bist und von mir auch deinen eigenen Kampfhund bekommen hast. Hunde sind die besten und treuesten Leibwächter die man kriegen kann. Aber jetzt schauen wir mal, was der Onkel dir alles mitgebracht hat."


    Serenus betrachtete seinen Neffen und dessen Reaktionen aufmerksam. Klein-Minor war immerhin ein Flavier. Das Blut flavischer Kaiser floß in ihm und nur eine gute Erziehung und frühkindliche Prägung seiner noch ruhenden Anlagen konnte das claudische Erbe ausgleichen. Zumindest hatten die vielen Opfer an die Götter sich gelohnt und Klein-Minor war mit der claudischen Nase verschont geblieben. Da zeigten sich dann die guten, dominanten Anlagen von Onkel Gracchus. Auch wenn ihm Klein-Minor noch nicht sonderlich ähnlich sah.

  • Hin und wieder war es erstaunlich wie viel innerhalb weniger Sekunden geschehen konnte.
    Minor, der zeitlebens niemals derartig große Hunde gesehen hatte, ja generell von allen fellbepackten Wesen ferngehalten worden war, starrte mit einer Mischung aus Angst und Erstaunen die aus seinem Blickwinkel geradezu monströsen Tiere an. Glücklicherweise und just in jenem Moment, als Antonia mit scharfer Zurechtweisung die Hunde aus dem Raum verbannen wollte, zerrte Serenus‘ Sklavin die Biester schon fort von ihrem Augapfel. Zwar nicht aus dem Cubiculum, aber doch vorerst weit genug.
    “Salve Serenus.“, seufzte sie stattdessen mit tadelndem Blick. “Lucius, Minor ist kaum zwei Jahre alt, ich wäre dir sehr verbunden, wenn du deine Haustiere vorerst von ihm fernhalten würdest.“ Um der üblichen Erwiderung, die Hunde gehorchten aufs Wort, zuvorzukommen hob sie umgehend die Hand. “Wenigstens so lange, bis er sie an Größe eindeutig überragt.“
    Eindeutig war in Antonias Verständnis ein recht dehnbarer Begriff. Ginge es allein nach ihr, so hätten die Hunde stets einen Sicherheitsabstand von mehreren Straßenzügen einzuhalten.
    Nach jener ersten Schrecksekunde bereits wieder versöhnlicher gestimmt, begann die Claudia leicht zu schmunzeln, als sie nun auch den Leiterwagen in Augenschein nahm.
    “Das wiederum,“ sie wies auf Serenus‘ Mitbringsel, “finde ich sehr nett von dir. Gewiss wirst du Minors Lieblingsonkel.“
    Zu früh gelobt, wie sich im nächsten Moment herausstellte. Es musste eine flavische Angewohnheit sein Kleinkinder in der Luft zu drehen. Und so war, wie jüngst bei ihrem Gatten, auch die Karussellfahrt von Serenus nichts, was Antonia auch nur ansatzweise gutheißen konnte. Im Gegenteil, war Serenus doch ungleich jünger, schmächtiger und somit auch noch weniger geeignet Minor derartig herumzuwirbeln. Die Claudia verfolgte, starr vor Schreck, mit weit aufgerissenen Augen und ungläubig aufgeklapptem Mund die gesamte Aktion. Erst das ‚Finale‘ riss sie mit einem erstickten Laut aus ihrer Betäubung. Wieder schwebte ihr Sohn für den Bruchteil von Sekunden bar jeglichen Halts in der Luft. Minor indes, der den für ihn fremden Onkel mit großen Augen anstarrte, schien die Bedenken seiner Mutter nicht zu teilen. Freudige Quietscher jedoch behielt er in seinem Inneren, war er durch die vielen neuen und ungewohnten Gesichter augenscheinlich doch ein wenig gehemmt.
    Einer Ohnmacht nahe schwankte Antonia zwischen dem Wunsch sich flach hinzulegen und dem, Serenus eine ordentliche Standpauke zu halten. So sickerte auch erst nach und nach die Information, Minor solle irgendwann eine eigene Flohschleuder bekommen, zu ihr durch. Es musste ein Alptraum sein, so viel Schrecken war im Wachzustand doch nicht möglich.
    Das Zittern der Hände durch ein Verschränken derselben zu verbergen suchend, räusperte sich die ängstliche Mutter vernehmlich. “‘Senus!“, warf Minor hilfreich ein.
    Antonia hingegen hätte eindeutigere Worte gefunden. Feurige Reden, in welchen sie dem Neffen von nun an jedweden Umgang mit Minor verbat. Szenen, in welchen sie ihr Kind dem übereifrigen Neffen entriss. Doch selbst der Claudia war klar, dass eine solche Reaktion übertrieben gewesen wäre. “Lucius, ich bitte dich, setz ihn wieder ab.“, sagte sie also stattdessen etwas diplomatischer und unterschlug den Zusatz ‚und nimm ihn nie wieder hoch‘.

  • Serenus betrachtete amüsiert die Mimik seiner Tante.


    "Tante Antonia, du bist viel zu ängstlich. Weißt du nicht, daß hysterische und überängstliche Mütter ganz schnell Falten und graue Haare bekommen. Schau Dir doch nur mal die Mutter von meinem Freund Cornelius Cicero an. Die ist noch nicht mal 40 und sieht schon aus wie Onkel Senator Felix, also so um die 100. Und dann daneben mal Oma Agrippina. Oma sieht immer noch aus wie 30 Jahre, kaum eine Falte. Das kommt daher, daß sie sich keine Sorgen macht."


    Serenus setzte sich mit Minor neben den Leiterwagen und entnahm diesem eine Holzente für das badebecken.


    "Na, mein Kleiner, dann schauen wir doch mal was für Geschenke wir hier für dich haben. Aber mal eine andere Sache, kannst du schon schwimmen? Nein? Dann gehen wir die Tage mal in die große Therme in der Stadt und dann bringe ich Dir das bei. Das ist so leicht wie Frösche mit einem hohlen Strohhalm aufblasen. Wie das geht zeige ich Dir dann auch."


    Serenus legte die Ente zur Seite und streckte den Arm in Richtung Dido aus und schon flog ein Plüschtier durch dem Raum um von Serenus sicher aufgefangen zu werden.


    "Also da haben wir zunächst einmal einen Kuschelhund für dich, einen echten Streifus-Hund mit der Golddrachme im Ohr. Zum knuddeln, lieb haben, mit ins Bett nehmen, spielen. Ein Freund für das Leben. Ich selbst habe von Oma damals ein Krokodil und einen Löwen bekommen. Bei dem Krokodil ist nur andauernd der Schwanz geplatzt und Oma mußte den immer wieder stopfen. Ich werde die Tage Oma Agrippina schreiben, wo der richtige Hund für dich bleibt. Sie ist bereits dabei eine Auswahl zu treffen. Bis dahin überlasse ich Dir aber gerne den putzigen Domitian, damit er auf dich aufpasst. Der hat genauso knuffelige Schlappohren wie dein Plüschhund hier. Nur mit ins Bett passt Domition nicht so, denn du hast ja vermutlich noch ein kleines Bett."


    Serenus wies mit der einen Hand auf seinen Kampfhund Domitian und wedelte zugleich mit dem Kuscheltier vor Klein-Minor herum.

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