Das gemeinsame Opfer für die Hochzeit

  • Dieses Opfer würde wohl als eines der bestvorbereiteten in die Geschichte eingehen. Die Zeit starb jedoch an Schönheit dabei. Wäre Iuno eine rastlose Frau gewesen, dann hätte sie wohl in diesem Moment die Arme verschränkt und ungeduldig mit dem Fuß auf dem Boden zu getippt. Da sie jedoch kein Mensch war, sondern die oberste Göttin, die zudem nicht in gleichem Maße wie Sterbliche an Ort und Zeit gebunden war, wartete sie entspannt weiter.

  • Nun, endlich könnte man meine, war es soweit, der cultrarius machte sich bereit, auch der Diener der die Sehnen an den Hinterbeinen der Kuh durch einen gekonnten Hieb durchtrennen würde, war bereit. Nur auf eines warteten sie noch. Deshalb fragte der cultrarius : "Agone?".


    Sobald der Opferherr antworten würde (mit dem Wort Age) würden beide ihren Dienst tun und das Opfertier würde seiner Bestimmung zugeführt werden.

  • Es war endlich soweit. Ein Diener lauerte gebannt darauf, die Sehnen der kuh an den Hinterläufen zu durchtrennen und alles wartete nur noch auf meine Aufforderung.
    Ich blickte nochmals kurz zu Stella, lächelte sie hoffnungsvoll an und mit einem "AGE" ließ ich die Opferdiener wissen, das sie nun ihren Dienst tuen mögen.

  • Auf dieses Wort, auf das alle schon wie gebannt warteten, hin bekam das Opfertier ein Hieb in die Sehnen der Hinterläufe und fiel - ein Ereignis das die Kuh vielleicht erwartete, vielleicht auch überrascht vernahm. Dieser Gedanke wäre dann aber auch ihr letzter gewesen, den schon kam der erlösende, sie zum (hoffentlich) vollkommenen Opfer machende Schnitt, der ihr die Halsschlagader durchtrennte, und in schnellen Fluss mehrere Liter Blut entfließen ließ, das zumindest teilweise aufgefangen wurde.


    Als die Kuh ausgeblutet war, machten sich die Opferdiener an ihr eingeübtes Werk. Nachdem die Zeit bis jetzt langsam und gemächlich - wie ein adagio - verflossen zu sein schien, ging sie mit dem schnellen Blutfluss in ein allegro maestoso über. Die vitalia wurden entnommen und der Priesterin in einer goldenen Schale gereicht, während andere Diener die Kuh fachmännisch zerlegten und die Teile, die dem Brandopfer übergeben werden sollten von denen trennten, die nachher verteilt werden würden.


    Währenddessen schaute die Priesterin genau - schließlich war es eine Hochzeit und dieses Opfer war wie eine Wurzel eines Baumes, der als Frucht starke Römer und kluge Römerinnen hervorbringen sollte, da durfte man nichts übereilen.

  • Ah, das war ihr Stichwort. Ein gutes Opfer konnte einen Gott entspannen und zufrieden stimmen, ein schlechtes hingegen konnte unter Umständen (so dermaßen wichtig waren die Sterblichen auch nicht, dass man jedes einzelne schlechte Opfer wie eine Furie ahnden müsste) nicht so gute Folgen für den Opfernden haben.


    Doch hier war alles in Ordnung. Iuno war sogar so gnädig gestimmt, dass sie einen kleinen Knoten an der Leber, den die Kuh als Geburtsfehler hatte, für die Sterblichen und daher also erst recht für die Priesterin unsicht- und unfühlbar machte. Das Opfer war angenommen.

  • Es schien der Priesterin so, als ob sich die gute Vorbereitung und Durchführung des Opfers gelohnt hatte, sie konnte keine Fehler an den Vitalia entdecken. "Litatio", rief sie deshalb erfreut aus.


    Und die restlichen Tätigkeiten (einschließlich des Aufräumens) wurden von den Tempeldienern in gewohnter Zuverlässigkeit vollbracht.

  • Die ganze Zeit, während der Vorbereitung und Opferung, stand Stella in einer angemessenen Entfernung und beobachtete
    ehrfürchtig und schweigend das Geschehene. Varus blickte gelegentlich zu ihr und sie lächelte ihn aufmuntern an... . Stella
    betete demütig zu der Gütigen Himmelsgöttin, und hoffte von ganzem Herzen, dass die Göttin das Opfer annehmen wird...


    "Grosse IUNO, Beschützerin der Eheleute und des Hauses, bitte nimm unser Opfer an und gewähre uns Deinen Segen,
    oh Erhabene, und gewähre mir Fruchtbarkeit ... Wir werden Dir immer dankbar sein für Deine Güte, oh Mater IUNO..."


    Varus musste nun das schöne Tier für die Opferung vorbereiten, was er auch sehr geschickt machte und sprach dann das
    Opfergebet aus.... Endlich war es soweit. Das Opfer wurde vollbracht und die Priesterin, nach der Untersuchung der Vitalia,
    verkündete feierlich und laut: "Litatio!" Gerade in diesem Moment berührte eine leise Brise sanft Stellas Haar, sie lächelte
    glücklich, erhob ihre Hände und schaute glückselig und dankend zum Himmel...

  • Ich trat einen Schritt zurück und beobachtete genau die Vorgehensweisen an dem Opfertier. Doch wahrscheinlich wird dies hier mehrmals am Tag vollzogen. Jeder Handgriff saß......., rasch waren die Sehnen der Hinterläufe durchtrennt, das durchtrennen der Halsschlagader. Eilig liefen ein paar Diener mit den Schalen, in denen sich das aufgefangene Blut befand hin und her und schließlich wurde der Bauchraum geöffnet, die Eingeweide entnommen. Das zu begutachtende Organ wurde schließlich der Priesterin überreicht und nun galt es Daumendrücken.
    Sie begutachtete das gute Stück sehr genau. Schließlich hing von ihrer Aussage womöglich unsere gesamte Zukunft ab.
    Doch als ich das Litatio vernahm, pustete ich erst einmal kurz durch. Die ganze Anspannung wich mit einem Mal von mir und erst jetzt wurde mir klar, welche Bedeutung die Aussage der Priesterin hatte. Ich blickte zu Stella und lächelte sie zufrieden an.
    Auch in der Menge der Gäste wurde die Stille vertrieben und die ersten Stimmen waren zu vernehmen.

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