Der Parther hatte sich im Verlauf des Abends absentiert. Ein vorgeschobenes Unwohlsein hatte ihm letztendlich den Rückzug aus dem triclinium ermöglicht. Die media nox, der Zeitpunkt ihres Treffens stand unmittelbar bevor.
Ein letztes Mal war er zur Sklavenunterkunft gegangen, um dort verschiedene Dinge zu holen. Zum einen war da das Kartenmaterial, welches er noch am Nachmittag aus der flavischen Bibliothek entwendet hatte, dann der Proviant für drei Tage, den er aus der Küche organisiert hatte, sowie einige Messer und schließlich noch eine frische Tunika und eine Decke. Damit schlich er sich in den Hof und verwahrte sein Gepäck im Stall. Eines der Pferde, wollte er sich noch satteln, damit es ihn anschließend in die Freiheit tragen konnte. Dafür war aber noch Zeit. Zuerst musste Cassim sich noch um seinen Freund kümmern. Ohne den Falken wollte er nicht gehen. Zielstrebig schritt er in den Garten, zur Falkenvoliere hin. Genau hier war ihr Fluchtplan geschmiedet worden. In dieser Nacht sollte der Plan umgesetzt werden.
Er öffnete die Voliere und nahm vorsichtig den Vogel heraus. Dann setzte er ihm die Falkenhaube auf, strich ihm über sein weiches Gefieder und nahm den Weg zurück in den Hof.
Seine beiden Begleiter hatten sich noch nicht eingefunden. Deshalb nutzte Cassim die Zeit, um eines der Pferde zu satteln. Dabei warf er immer wieder einen Blick nach draußen, um zu sehen, ob Hannibal und Chimerion zum verabredeten Treffpunkt kamen.
Er war guten Mutes und auch zuversichtlich, was den Erfolg ihres Unternehmens betraf. Die Feiertage konnten ihrer Flucht einen großen Vorsprung verschaffen. Mit etwas Glück, fiel ihre Absenz erst einige Tage später auf.
Area| O dulce nomen libertatis!
-
-
Den ganzen Tag über war Chimerion ein wenig nervös gewesen, hatte er doch einige Schmuckstücke seiner Herrin ganz unten aus einer Schmuckschatulle genommen und sie in einem Brot versteckt, welches er in seine Reisetasche steckte, zusammen mit den übrigen Vorräten. Besonders diese lukanischen Würste waren eine tolle Mahlzeit, man konnte sie warm und kalt essen. Einige kleinere Gegenstände und ein kleiner Kochtopf komplettierten seine Ausrüstung. In eine Tunika und einen Mantel gewickelt warteten diese Dinge unter Chimerions Bett auf den Besitzer, der keuchend von der Villa Aurelia kam. Unter dem Vorwand, sich den Magen verdorben zu haben, war er zurückgekehrt und hatte Celerina bei ihrem Verlobten gelassen.
Ein wenig gehetzt erreichte er den Stall, wo er seinen schwarzen Hengst Sirius sattelte. Die wenigen Habseligkeiten hängte er an den Stattel und führte seinen Hengst am Zügel in den Hof. An der Ecke sah er sich kurz um, ob die Luft rein war. Im Dunkeln konnte er schon eine Gestalt erkennen, daneben ein größerer vierbeiniger Schatten. Leise kam er zu der Gestalt, die sich als Cassim entpuppt.
"Io Saturnalia, Cassim", begrüßte er schmunzelnd seinen Freund. "Ein schöner Abend für einen kleinen Spazierritt, meine ich." Er sah sich um. "Wo ist Hannibal?" -
Sie hatte gewusst, dass ihr Mann gern trank und demnach auch einiges vertrug. Insofern hatte sie sich keine Illusionen darüber gemacht, dass er sie vielleicht noch besuchen würde. In seinem Zuständ hätte er ohne Hilfe wohl nicht einmal mehr sein eigenes Zimmer gefunden. Vermutlich würde sie ihn morgen früh im Triclinium begrüßen können, weil er dort eingeschlafen war. Und dass Gracchus so aus sich heraus gehen konnte - für seine Verhältnisse - das war Epicharis auch neu gewesen. Sie selbst hatte sich vor einer Weile dann allerdings zurückgezogen. Müde war sie aber noch nicht. So hatte sie noch eine Weile die hübschen Geschenke von allen bestaunt, bis sie sich überlegt hatte, vielleicht Cassim noch einmal aufzusuchen. Ihm war nicht wohl gewesen vorhin, und vielleicht ging es ihm nun ja schlechter, sodass sie einen Arzt holen mussten. Und wenn nicht, konnte sie ihn mit Fragen über den Falken aufheitern.
Da es ein wenig kühl war - immerhin kümmerte sich derzeit kein Sklave darum, dass die Kohlebecken auch stets Nahrung hatten - legte sie sich einen wärmenden Umhang in dunklem Rot um. Nachdem sie die Fibel zugeclipst und ihr Äffchen noch einmal gefüttert hatte, verließ sie ihr Zimmer und suchte die Sklavenunterkünfte auf. Doch sie war leer, sah man von dem komatös schnarchenden Nordwin ab, der in seine Decke gewickelt augenscheinlich vom Bett gefallen war. Epicharis überlegte. Sah Cassim vielleicht nach dem Vogel? Wo sonst sollte er um diese Uhrzeit sein? Sie schloss also die Tür wieder, schmunzelte, als sie Aristides entfernt laut lachen hörte, und begab sich durch den Säulengang in den Garten.
Irgendwo schnaubte ein Pferd, was Epicharis aber nicht als Ungewöhnlich einstufte. Sie machte ein paar Schritte in den Garten hinein und rügte sich dann selbst, dass sie keine Laterne mitgenommen hatte. Hier draußen war es noch kühler als drinnen, und so zog sie fröstelnd den Umhang näher um die Schultern. "Cassim?" fragte sie ins Dunkel der Rosenbüsche. Die Voliere musste dicht bei den Ställen stehen, so wie Cassim sie zuvor beschrieben hatte. Kies knirschte unter Epicharis' Schritten. Am Stall sah sie ein Pferd. Und eine Gestalt. Eben gesellte sich eine weitere hinzu. Spätestens jetzt hätte Epicharis auffallen müssen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Es fiel ihr auch auf. Aber sie ahnte nicht, welche Intention die Sklaven hatten, und so ging sie näher heran, die Stimme nun ein wenig lauter und deutlich verwundert. "Cassim? Bist du das?"
-
Aus der Dunkelheit kommend, erspähte er Chimerion, der ihn schmunzelnd begrüßte. "Ein schöner Abend, der uns die Freiheit zurückgeben wird!", entgegnete er voller Enthusiasmus. Alles lief nach Plan! Auch Chimerion hatte sich bereits ein Pferd gesattelt und sein Gepäck verstaut.
Nur Hannibal fehlte noch. Cassim jedoch machte sich vorläufig noch keine Sorgen. Sie waren noch gut in der Zeit.
"Der wird schon noch kommen!", beschwichtigte er den Thraker.
Die meisten der Römer waren um diese Zeit nicht mehr ansprechbar gewesen. Der Alkohol hatte seine Wirkung nicht verfehlt.
Da hörte er auch schon die knirschenden Geräusche, die schnelle Schritte hinterließen, wenn sie ihren Weg auf dem Kiespfad vom Garten zurücklegten. Das war Hannibal, das mussten seine Schritte sein! Darüber recht unbekümmert verstaute er noch einige Kleinigkeiten in deinen Satteltaschen. Die Schritte kamen näher. Sie erreichten den Stall. "Da bist du ja endlich! Wir dachten schon,…" Cassim lenkte seinen Blick von der Satteltasche zu der nahenden Gestalt und verstummte. Ein Schauer durchfuhr ihn, als er die vertraute Stimme der Römerin vernahm, mit der er sich noch so eifrig am Abend unterhalten hatte und die ihm jetzt gegenüberstand. Sein Puls ging schneller, seine Augen wichen nicht von ihr. Er war wie am Boden festgewachsen. "Was willst du hier?", brachte er irgendwann hervor.
Jetzt nur nicht die Nerven verlieren! Cassim sann krampfhaft darüber nach, was sie jetzt tun sollten. Sie konnten die Römerin auf keinen Fall gehen lassen! Dann war ihre ganze flucht zu Ende, bevor sie überhaupt erst begann! Eine Geisel mitzuschleppen, bedeutete ein erhöhtes Risiko, frühzeitig entdeckt zu werden. Sie zu töten war Cassim zu wider. Er vergriff sich nicht an Frauen, auch nicht an denen seiner Feinde.
Der Parther hatte eine Entscheidung getroffen! Unvermittelt sah er zu Chimerion hinüber. "Chimerion, greif sie dir!", hörte er sich sagen. Auch wenn es ihm widerstrebte, die Römerin musste mit! Sobald sie einige Tagesritte von Rom entfernt waren, konnten sie die Römerin wieder frei lassen. Selbstverständlich nur, wenn sie keine Mätzchen machte. -
Da bist du ja endlich? Epicharis' Stirn legte sich misstrauisch in Falten. Das war Cassim, der da sprach, sie erkannte nicht nur seine Statur, sondern auch seine Stimme! Sie blieb stehen und studierte die sich ihr bietende Szene. Cassim wirkte entsetzt. Chimerion schwieg. Epicharis ebenfalls. Irgendwo rief ein Käuzchen.
Schon klappte Epicharis' Mund auf, als Cassim sie anfuhr. Viel zu perplex, um noch ein Rede-und-Antwort-Stehen zu verlangen, klappte Epicharis den Mund zunächst wieder zu und blinzelte. "Ich, äh..." begann sie automatisch, bis ihr einfiel, dass sie diejenige sein sollte, die eine Erklärung verlangte. Sie straffte sich sichtlich und stemmte, um größer zu wirken, die Hände in die Hüften. "Was macht ihr da? Wieso sattelt ihr mitten in der Nacht die Pferde? Was geht hier vor sich?" verlangte Epicharis zu wissen, als ihr schon im nächsten Moment in Entrüstung den Mund erneut aufklappte. "Was?" entfuhr es ihr verblüfft. Ihre Stimme klang hoch im absoluten Unverstehen. Greif sie dir? Epicharis sah zu dem Puschel hin. "Was hat das zu bedeuten? Was soll das? Ihr könnt doch nicht einfach..." Entgeistert starrte Epicharis von Chimerion zu Cassim und wieder zurück. Der Thraker täte gut daran, diesen Befehl Cassims nicht auszuführen. Langsam dämmerte Epicharis, was hier vor sich ging. Sie war schließlich nicht auf den Kopf gefallen! Sie machte einen Schritt zurück, dann noch einen. Flugs wandte sie sich um und begann, zum Haus zurückzurennen.
-
Dies war eine Situation, mit der Cassim wahrscheinlich am wenigsten einkalkuliert hatte.Wenn er sich jetzt nur den kleinsten Fehler erlaubte, dann war nicht nur ihre Flucht zu Ende, auch ihr Leben war dann verwirkt.
Die Römerin rang nach Worten. Sie forderte eine Erklärung. Wäre nur Hannibal schon hier!
"Was glaubst du, was hier vor sich geht?", zischte er sie an. Von seiner Freundlichkeit gegenüber der Römerin, die er ihr am Abend noch entgegen gebrach hatte, war nichts mehr übrig. "Wir stillen unsere Sehnsucht! Das geht hier vor sich!" In seinem Gesicht spiegelt sich die Genugtuung darüber, endlich von diesem Ort verschwinden zu können. Dem Feind Schaden zuzufügen. Ihm sein Geld zu nehmen, seine Pferde und sein Weib!
Auffordernd sah er zu dem Thraker hinüber, damit er ausführte, was er ihm zugerufen hatte. Es war Eile geboten, die Römerin schöpfte Verdacht. Sie wich einen Schritt zurück. Sie wich noch einen Schritt zurück und dann rannte sie davon. Sie durfte das Haus nicht erreichen, hämmerte es in Cassims Kopf.
"Sie versucht zu fliehen!", rief er Chimerion noch zu, dann heftete er sich selbst auf die Fährte der Römerin, rannte ihr hinterher, bis er sie fast eingeholt hatte. Dann warf er sich mit einem Satz auf sie, sodass beide zu Boden gingen. Er lag nun auf ihr, versuchte sie zum Schweigen zu bringen, indem er seine Hand auf ihren Mund drückte. Die Last seines Körpers zwang sie, am Boden zu bleiben. Mit der anderen Hand versuchte er ihre Hände einzufangen. "Chimerion, hilf mir!" Sie mussten sie fesseln und knebeln, sonst verriet sie sie noch! -
Chimerion war durch die Warteparole von Cassim nur mäßig beruhigt und sah sich immer wieder um. Jetzt erwischt zu werden wäre das schlechteste, was passieren konnte, sie hatten zwar noch nichts getan, aber vielleicht reichte ja schon der Verdacht einer Flucht.
Während er noch immer ungeduldig auf Hannibal wartete, beschäftigte er sich mit Sirius, der es scheinbar nicht mehr erwarten konnte, endlich seine langen Beine bewegen zu können. Sanft streichelte Chimerion in zwischen den Nüstern, als er ein Rascheln in den Büschen vernahm. Endlich kam dieser Hannibal, dachte sich Chimerion und blickte angestrengt in die Dunkelheit.
Aber statt einer Begrüßung durch Hannibal hört er eine Frauenstimme, die ein wenig verwirrt nach Cassim rief. Was sollte das? Hatte man sie entdeckt?Er war noch zu überrascht, um Cassims Befehl sofort Folge zu leisten, als aber der Gedanke an eine mögliche Strafe an seinen Geist drang, spurtete er los, hinter dem Schatten her. Cassim war eine Nasenlänge voraus, dicht vor ihm war eine dunkle Gestalt zu erkennen und mit einem gewagten Sprung riss Cassim sie von den Füßen. Dann ging alles ganz schnell. Aus seinem Lederbeutel an seinem Gürtel holte Chimerion einige Riemen hervor und verband der Frau, wie man jetzt erkennen konnte, die Beine und Hände. Er riss noch ein Stück aus der Tunika der Frau, um einen Knebel für sie anzufertigen, damit Cassim die Hand von ihrem Mund nehmen konnte.
Er nickte ihm zu und sah dann in der von Schrecken geweitete Gesicht von Flavia Epicharis. -
Natürlich versuche ich zu fliehen! dachte sich Epicharis, die zugleich wütend wie panisch davonlief. Sie hatte doch sonst eine so gute Menschenkenntnis, warum hatte sie dann Cassim derart faösch eingeschätzt? Und sie hatte ihm sogar noch Hilfe angeboten! Schritte wurden hinter ihr laut, als die beiden hinter ihr her liefen. Epicharis verhedderte sich in ihrem Mantel und wäre wohl ohnehin gestürzt, auch ohne dass Cassim sie angesprungen und niedergedrückt hätte.
Unsanft ging sie mit ihm zu Boden. Ihr wurde die Luft aus der Lunge gedrückt. Die Kieselsteine pieksten arg in ihre patrizische Haut. Epicharis japste nach Luft und wurde auf die Seite gedreht. "Was fällt dir..." spuckte sie Cassim entrüstet entgegen. Dann hatte sich seine große, nach Pferd und Gefieder riechende Hand über ihren Mund gelegt. Darüber starrte Epicharis ihn mit großen Augen an. Im nächsten Moment biss sie so herzhaft zu, wie sie konnte. Beinahe augenblicklich schmeckte sie Blut. Sie begann zu zappeln und um sich zu treten, und hin und wieder gelang es ihr, an der Hand vorbeizuschreien. ".....wagt ihr....mich los!....Wahnsinnig.....MAAAAARCUUUUUU-......Ihr werdet..." Epicharis sah bald ein, dass es keinen Sinn hatte, halb erstickte Rufe auszusenden. Also konzentrierte sie sich wieder auf Cassims Hand. Ihre Hände mochte Chimerion schnell fassen können, aber auch wenn Cassim auf ihr hockte, gebärdete sie sich doch wie toll, was die Beine anbelangte. Kies verteilte sich in weitem Kreis abseits des Weges, auf dem sie lag. Einmal verpasste sie irgendwem einen deftigen Tritt, doch im Dunkel konnte sie nicht sehen, wen sie getroffen hatte. Ein zweites Mal biss Epicharis so fest zu wie sie konnte, dann war die Hand plötzlich fort. "MAAAAAAAAAAANIUSSSSS!!!!" kreischte sie aus Leibeskräften. Sicher würde Gracchus doch nicht so viel trinken wir Aristides. Irgendwer musste sie doch hören! Sie spuckte Chimerion an. Sie hatte doch gewusst, dass mit dem was nicht stimmte! "HIIIILF-mmmh. Mmmmmh! Mh mh mhhhh!" Da hatte sie den Knebel im Mund. Angestrengt schnappte sog sie die Luft durch ihre Nase ein. Wäre Hass tödlich gewesen, würden die beiden Sklaven schon nicht mehr leben. Dann gesellte sich Angst hinzu. Epicharis dachte an Celerina. Würden sie ihr dasselbe antun wie ihr? Epicharis sah zu Cassim. Enttäuscht schüttelte sie den Kopf. Ihr Haar hatte sich gelöst, die silberne Spange lag unter ihm verborgen im Kies des Weges.
-
Dieses Weib entwickelte sich zu einer wahren Furie. Dies hatte Cassim ihr gar nicht zugetraut. Sie hatte am Abend so zart und zerbrechlich gewirkt. Nicht genug, dass sie ihm ins Gesicht spuckte. Sie versuchte sich auch mit aller Macht zu befreien, was ihr allerdings angesichts von Cassims Masse nur schwerlich gelang. Er gabsein Bestes und versuchte sie mit einer Hand zu bändigen. Schnappte nach ihren Händen die scheinbar in alle Richtungen herum zappelten. Mit der anderen Hand versuchte er, sie zum Schweigen zu bringen.
Angst war in ihren Augen, er konnte es ganz deutlich sehen. Allerdings konnte er sich kein Mitleid erlauben, denn sie hatte auch kein Verständnis für ihren Freiheitswillen.
Selbst mit ihren Zähnen leistete sie erbitterten Widerstand. Das bekam der Parther auch ganz deutlich zu spüren, als sie ihn so fest in seine Hand biss, daß er schmerzerfüllt aufschrie. "Lass das, ehe ich mich vergesse! Und sei endlich still!", schnauzte er sie wutentbrannt an.
Nun setzte sie ihm und dem herannahenden Chimerion auch noch mit ihren Füßen zu. Sie verteilte Tritte noch und noch. Diese Frau war eine echte Plage! Doch irgendwie gelang es den beiden Männern, ihrer habhaft zu werden. Chimerion band ihr die Hände auf den Rücken. Aber bevor er sie knebeln konnte, versah sie Cassims Hand mit einem weiteren Biss. Wieder schrie er auf und diesmal musste er sehr mit sich kämpfen, damit er der Römerin keinen Schlag ins Gesicht verpasste. Stattdessen sah er in seine Hand und erblickte die beiden Bissstellen aus denen das Blut lief. Auch er riss sich ein Stück Stoff aus der Tunkia der Römerin und verband damit notdürftig seine Hand.
Gut verschnürt und mit dem Knebel im Mund, konnte sie sich kaum noch bemerkbar machen oder bewegen. Aber ihre Augen glühten fast vor Zorn. Bei dem Kampf hatte sich ihr Haar gelöst. Sie sah jetzt noch verführerischer aus. Doch um diesen Anblick zu genießen war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.
Behutsam hob er sie vom Boden auf und trug sie in den Stall. Dort setzte er sie auf einem Ballen Stroh ab und bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick. "Entschuldige, ich wollte dir nicht weh tun. Aber warum nur bist du nur hier hergekommen,du Närrin! Es hätte um so vieles einfacher sein können, für dich und für uns!" Er schüttelte nur den Kopf und sah dann zu Chimerion, der wahrscheinlich das gleiche dachte wie er.
Bei Ahura Mazda, hoffentlich war das ihre Feuertaufe! Oder bahnte sich das nächste Problem bereits an, weil Hannibal immer noch fehlte? Der Parther wurde langsam ungeduldig. "Wir sollten vielleicht einmal nachsehen, wo Hannibal bleibt!", meinte er schließlich zu Chimerion. -
Dido schlich in einer mausgrauen Gewandung und einer Umhängetasche durch den Garten um sich an der versteckten Seitenpforte mit ihrem Idol Sciurus zu treffen.Sie war gespannt was er zu den beiden tollen Saturnaliengeschenken sagen würde, die sie inoffiziell von ihrem Dominus erhalten hatte. Es bestand zwar kein Grund sich leise zu bewegen, denn der Garten und die Villa waren reichlich verlassen und es war auch schon zu fortgeschrittener Nacht. Dominus Serenus schlief zusammen mit den Hunden tief und fest. Der Dominus infolge des süßen, ungewohnten Weines vom Saturnalienfest, die Hunde infolge Überfütterung durch Dido, Dominus Serenus und Hannibal.
Der Dominus hatte alle 3 Hunde vor der Feier gut gefüttert. Dido dann noch einmal ordentlich und unwissend nach der Feier. Und Hannibal war offensichtlich auch der Meinung gewesen, daß sie es wegen der Feier beide vergessen hatten und hatte die Tiere weitgehend vergeblich noch mal mit allerlei Leckereien zu Füttern versucht. Sie hatten aber kaum etwas bei ihm gefressen, da sie sich zuvor die Bäuche vollgehauen hatten, aber Dido hatte das Hannibal natürlich nicht gesagt.Sie schreckte auf als sie in der Nähe des Stalls. Da gab es scheinbar ein leises Gerangel. Sicher ein Sklave und eine Sklavin die ein heimliches Treffen hatten und „Sau und Eber“ beim Stall spielen wollten. Aber da es ja nicht schaden konnte zu wissen wer sich da vergnügte, änderte Dido ihre ursprüngliche Richtung und kürzte geschickt ihren Weg durch einige Rosenbüsche ab um einen kurzen verstohlenen Blick auf das Liebespaar zu werden. Dann kreischte eine Frau aus Leibeskräften los. Das hörte sich aber nicht gerade nach Lustschreien an. Und welcher Sklave hieß Manius? Vor allem hörte sich die Frau an wie die claudische Natter, wie ihr Dominus sie immer nannte. Bonna dea! Waren da etwa Flavia Epicharis und Dominus Flavius Gracchus im Liebestaumel? Denn der Dominus Flavius hieß ja auch Manius. Als Leibsklavin ihres Dominus hatte Dido ganze 2 Wochen damit verbracht die komplexen namentlichen und verwandschaftlichen Verflechtungen der Gens Flavia auswendig zu lernen.
Sie beobachtete die Szene. Erwachsene waren ja sonderbar und sie hatte in den Sklavenunterkünften bereits Geschichten über besondere Neigungen und spezielle Lupanare gehört. Domina Flavia Epicharis wurde gerade von diesem Chassim, dem Parther, geknebelt und festgehalten. Schien der claudischen Natter nicht zu gefallen. Verdammt! Hoffentlich brachte der Esel sie nicht um oder machte sie kaputt. Darunter würden alle Sklaven im Haus dann zu leiden haben und ihr Dominus würde auch sehr, sehr böse werden. Mit dem Bewußtsein, daß ihr Dominus und Sciurus ihre schützenden Hände über sie halten würde trat sie aus dem Schatten heraus und folgte den beiden Sklaven und der Domina in den Stall. Der andere Sklave von Domina Flavia Celerina war auch dabei, der mit dieser Wischmobfrisur. Diese Halunken mochten sich vielleicht an der Flavia vergreifen, aber an ihr würde er sich nicht vergreifen. Alle hatten Angst vor ihrem Domius und seiner Oma. Und daß sie unter dem besonderen Schutz ihres Dominus stand war den vielen Neidern unter den Sklaven bewusst. So schrie sie mit lauter und schriller Stimme den Parther an. oh weh, dido hatte gar nicht gewusst daß sie so schrill klang, wenn sie schrie.
„Vade retro, du Tier! Bist du irre? Lass sofort die claudische Natter los! Wenn sich einer an ihr vergreifen wird, dann ist es mein Dominus Flavius Serenus. Füge ihr ein Leid zu und er wird dich foltern und verstümmeln, daß du nach Tagen um den Tod nur noch winseln wirst. Er ist der Einzige der ihr etwas antun darf und im Moment steht sie darüber hinaus noch unter dem Schutz von Domina Flavia Agrippina bis sie das erste Mal geworfen hat oder sie es sich anders überlegt.“Ups, hatte sie gerade claudische Natter gesagt und sich verplappert. Verdammt!
-
Chimerion bekam den Tritt der Flavia an sein Schienbein, was ihm einen thrakischen Fluch ausstoßen ließ. Wie eine Wildkatze wehrte sich die junge Frau gegen den weitaus stärkeren Cassim. Sie schaffte es sogar irgendwie, noch ein wenig Krach zu machen, der aber hoffentlich ungehört geblieben war. Mit fester Hand schob er ihr den Knebel zwischen die Zähne und brachte sie endlich zum schweigen. Doch sogar gefesselt und geknebelt wand sie sich wie ein Aal. Dann verband Chimerion den Riemen der Füße mit dem Riemen, der die Hände und Arme fesselte und nun war sie ruhiger.
Cassim konnte sie schließlich in den Stall schleifen und auf das Stroh werfen. Chimerion trat hinzu und es tat ihm beinahe weh, wie sie die Frau behandelt hatten, aber ihre Herren würden noch viel schlimmere Dinge mit ihnen anstellen, würden sie ihrer habhaft werden."Wir tun dir nichts, Epicharis, hör auf dich zu wehren," murmelte er-
-Dann fuhr er herum, als er eine Stimme hinter sich hörte. Ein kleines Mädchen stand da und besah sich seelenruhig die Szene. Beim Hades, war heute Abend die ganze Villa Flavia auf dem Grundstück unterwegs. Er trat mit schnellen Schritten auf die Türe zu und verstellte der Kleinen den Weg. Ein wenig verwundert über ihre Äußerungen, musste er sich ein Lächeln verkneifen. Zwar hatte er schon viele Beschimpfungen für Epicharis gehört, aber noch keine so zutreffende."Kleine, du bist ziemlich vorlaut für dein Alter," sagte er nicht unfreundlich, während ein Lächeln um seine Lippen spielte. War es nicht so, dass Kinder und Narren stets die Wahrheit sagten?
Trotzdem hatten sie jetzt genug andere Probleme, um die sie sich kümmern mussten und auf kleine Sklavinnen aufpassen gehörte nicht dazu. Wo blieb nur dieser Hannibal? Innerlich verfluchte Chimerion den unzuverlässigen Parther. Oder war ihm vielleicht etwas zugestoßen? -
Dunkelgraue Wolken schoben sich vor die nächtlichen Sterne zur Stunde von Media Nox, die Hälfte der Nacht war demnach schon herum und doch blieben ihnen noch genügend Stunden, um die Stadt lange hinter sich zu lassen. Ehe die Helligkeit kam. Doch erstmal so weit kommen. Den ganzen lieben langen Tag war Hannibal in der Villa unaufällig herum geschlichen. Er war in das Zimmer seines Herrn eingebrochen, wo er schnell die Kiste ausfindig gemacht hatte, in der Aristides einen Teil seines Geldes aufbewahrte. Einen ordentlichen Anteil, eine Auslöse sozusagen, hatte sich Hannibal davon genommen, hatte die Kiste sorgfältig verschlossen und war wieder verschwunden. Die Ulpius Sparbüchse hatte den heutigen Tag somit überlebt. Aber Hannibal war auch kein Parther. Schon vor zwei Stunden hatte er sich von den Saturnalien zurück gezogen. Etwas später noch mal die Wachhunde, samt der Schoßtierchen von Serenus gefüttert, die gierig alles verschlungen. Gierig kamen sie Hannibal jedoch immer vor. Er besaß einfach kein Händchen für Tiere. Auch wenn Serenus ihm regelmässig seine Tiere anvertraut. Wie den vermaledeiten Löwen, der nun immerhin weit, weit weg von seiner Reichweite war. Schließlich war er nicht mehr so ganz drollig wie früher.
Nachdem er seine Sachen zusammen gepackt hatte, das Bett ordentlich hinterlassen, war Hannibal zu ihrem Treffpunkt aufberochen. Schon einige Schritte vom Stall entfernt vermochte er verdächtige Geräusche zu hören. War das nicht ein erstickter Schrei? Hannibal zog seinen Lederhandschuh hervor und seinen gekrümten Dolch, womit er sich langsam an den Stall schlich, sein Bündel über die Schulter gebunden. Seine Augen gewöhnten sich schon langsam an die Dunkelheit und er konnte einige Gestalten ausmachen, die scheinbar miteinander rangen. Hannibal verharrte lautlos im Schatten. Etwas, was er wirklich in der Subura gut gelernt hatte. Er wartete länger bis er die Stimme von Dido vernahm und gleich darauf die von Chimerion. Schnell trat er hinter Dido, steckte dabei den Dolch in seinen Gürtel zurück und legte ihr die freie Hand auf ihre Schulter. Ehe sie sich davon machen konnte und womöglich noch um Hilfe schreien. Ein Teil seiner Gedanken beschäftigte sich damit, dass es wohl ein Wink der Götter waren. Die seine Tochter hierher geschickt hatten, genau zu diesem Zeitpunkt. "Sei lieber ruhig, Dido.", meinte er leise zu ihr. Seine Hand blieb weiter auf ihrer Schulter. Für den Fall, dass sie etwas dummes anstellte. "Was soll das?", richtete er nun mit gereizter Stimme an die beiden anderen Fluchtgenossen. Wer das unter Cassim war, konnte Hannibal nicht erkennen.
-
Der Parther wandte sich wieder der Römerin zu und seufzte laut. So hatte er sich seine Flucht wahrhaftig nicht vorgestellt. Irgendwie geriet soeben alles aus den Fugen und er malte sich schon aus, was mit ihnen geschehen würde, wenn man sie entdeckte. Sie hatten bereits verschiedene Dinge entwendet, von der einfachen Landkarte bis hin zum wertvollen Schmuck, sie hatten eine Römerin überwältigt und sie ihrer Freiheit beraubt und sie wollten fliehen! Genug Vergehen, um am Kreuz zu enden. Aber nein, soweit durfte es einfach nicht kommen! Jetzt, wo die Freiheit zum greifen nahe war.Sie durften sich keine Fehler erlauben, sonst bestand die Gefahr mit einem Mal alles zu verlieren. Wenn Hannibal endlich da wäre, könnten sie dieses Leben ein für alle mal hinter sich lassen. Die Römerin mussten sie jetzt wohl oder übel mitschleppen. Irgendwo, weit weg von Rom, würde man sie dann zurücklassen. Wenn ihre Götter ihr wohlgesonnen waren, dann ließen sie es zu, dass jemand sie fand, der sie dann auch wieder zu ihrer Familie zurückbrachte. Bis dahin aber wollten Cassim und seine Begleiter längst in Sicherheit sein, irgendwo in diesem, ihm unbekannten Land. Wo blieb er denn nur? Mit jeder Minute, die verstrich, wurdeder Parther nervöser.
Plötzlich fuhr Cassim zusammen, als er den schrillen Aufschrei eines Mädchens vernahm. Ohne zu zögern drehte er sich in die Richtung, aus der der Schrei kam. Da stand plötzlich, wie aus dem Nichts kommend, dieses Mädchen. Er hatte sie schon mehrmals gesehen, wusste aber nicht ihren Namen. Moment, Dominus Serenus? Natürlich, Dido! Auch das noch! Ein weiterer lauter Seufzer folgte dem ersten. Hier musste irgendwo ein Nest versteckt sein, dachte er bei sich.
"Wer bist du denn? Lass mich raten, du bist Dido! Richtig? Und wen meinst du mit claudischer Natter?" Damit konnte sie nur die Römerin gemeint haben. Er warf einen fragenden Blick auf Chimerion. Von Hannibal wusste er, die Kleine würde keine Sekunde zögern, um ihr Vorhaben zunichte zu machen. Wenn doch nur..! Da war er endlich! Hannibal! Ahura Mazda sei Dank! Sollte er sich mit der Göre herumschlagen. Cassim hatte bereits alle Hände voll zu tun mit der Römerin.
"Da bist du ja endlich! Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Und nicht genug, ungebetenen Besuch hatten wir auch schon, wie du siehst!" Er trat einen Schritt zur Seite, damit die gefesselte und geknebelte Römerin auch für Hannibal ersichtlich wurde. "Ich schätze, die Domina wird uns begleiten müssen. Wenigstens ein Stückchen, damit sie kein Unheil anrichten kann und uns verrät!" -
Niemals würde Epicharis vergessen, wie sehr Cassim sie enttäuscht hatte mit seinem Verhalten! Und soviel zum Thema Treue, dachte sie sich in Bezug auf Chimerion, der erst wenige Tage zu vor die ganze Wahrheit über Celerina und die Entführung erfahren hatte. Verächtlich schnaubte sie bei Cassims Worten. Sie glaubte ihm kein Wort mehr! Doch plötzlich trat Erstaunen in ihre Augen, als er Hannibal erwähnte. Nach dem, was sie von Aristides erfahren hatte, sah sie ihn zwar mit anderen Augen, aber wozu sollte er fliehen? Und wohin überhaupt? Er hatte doch niemanden außerhalb von Rom, oder etwa doch? Verständnislos blickte sie von Cassim zu Chimerion und dann zu Dido, die plötzlich auftauchte. Ihre Worte trafen sie härter. Bis zu diesem Augenblick war da immer noch ein Fünkchen Hoffnung gewesen, dass sich mit Serenus noch alles zum Guten wenden würde, wenn er nur erst einmal sich an sie gewöhnt hatte. Didos Worte allerdings erstickten den Funken unter einer schwarzen Masse, die Epicharis wie eine Mischung aus Verbitterung und tauber Wut, gewürzt mit einer Prise aufkeimender Gleichgültigkeit, erschien. Dass die Worte dazu angedacht waren, ihre Situation zu verbessern, fiel ihr nicht einmal auf. Zu enttäuscht war sie von Serenus, dessen Hass sie einfach nicht nachvollziehen konnte.
Sie zappelte nicht mehr, als man sie halb aufhob und in den Stall schleifte. Befreien würde sie sich ohnehin nicht können. Bereits jetzt schmerzten ihre Schultern davon, dass man ihr die Hände auf den Rücken gebunden hatte, und das Seil scheuerte an ihren Handgelenken. Stroh raschelte, als noch jemand hinzu trat. Sie erkannte Hannibals Stimme. Und er fragte, was vor sich ging. "Mmmh!" machte Epicharis und wand sich so gut es ging. "Mhmbhmmmmnh" Er würde alles aufklären. Sie war sich sicher!
Und dann verstummte sie, als sie Cassim hörte. Da bist du ja? Mit vor Schreck geweiteten Augen sah sie ihn an. Er gehörte doch dazu? Und sie würden sie mitnehmen? Erneut keimte Angst auf in ihrem Blick, aber da waren auch Ärger und Trotz. Sie wollten sie also als Geisel haben? Bittesehr, sie würden nicht einmal aus der Stadt kommen, an den Wachen am Tor vorbei, wenn sie sie mitnahmen! Verächtlich sah sie Hannibal an. Wie konnte er nur?
-
Hannibals Augen versuchten die Dunkelheit zu druchdringen, da er sich ja schon einige Minuten in dem nächtlichen Garten herum trieb. Und da und weil dieses menschliche Knäuel sich langsam, aber deutlich in die einzelnen Gestalten zurück verwandelten und Hannibal sie damit leichter identifizieren konnte, erkannte er mit einem Schlag, wen er da vor sich hatte. Gefesselt. Die junge Herrin, seine Herrin um genau zu sein, da sie die Ehefrau von Epicharis war und all die Sklaven, die Aristides gehörten auch ihr damit gehörten. Es war nicht der Umstand, dass Epicharis eben jene Macht als Hausherrin hatte, die ihn den Atem anhalten liess. Es war mehr die Tatsache, dass er die junge Herrin eigentlich mochte. Sie war stets freundlich, lieblich und immer heiter. Die Unschuld in Person und Hannibal wollte auf keinen Fall, dass eine unschuldige Person in die ganze Sache gezogen wurde.
Er sog die Luft tief in seine Lungen hinein und starrte mit einem Schlag recht grimmig die anderen Sklaven an, die sich an der Flucht beteiligen wollten. "Ja seid ihr denn bei Trost? Zum einen hat uns die junge Herrin nichts getan, wir müssen sie nicht in die Angelegenheit ziehen. Sie...sie..." ...ist doch unschuldig! So eine Aussage zog bei den beiden Anderen bestimmt nicht, darum klappte Hannibal schnell den Mund wieder zu. "Sie gefährdet unsere Flucht enorm. Was meinst Du, was Aristides alles tun wird, wenn er erfährt, dass wir seine Frau entführt haben? Er wird Himmel und Hölle in Bewegung setzen." Er erinnerte sich noch zu gut, dass Aristides sogar persönlich aufgebrochen war als damals die junge Arrecina, die Tochter von Aristides, entführt worden war. Hannibal schnaubte wütend. So war das nicht gedacht gewesen. Was für ein Fiasko schon am Anfang. Er sah kurz hoch in den nächtlichen Himmel und fragte sich, ob das nicht ein schlechtes Omen war. Aber nein, Hannibal glaubte ja nicht an die Götter und Schicksalsweberinnen. "Nur bis Ravenna!", meinte Hannibal schliesslich mürrisch, den Blick wieder auf die beiden Mitverschwörer richtend. "Dort gibt es flavische Verwandte, wo sie unter kommen kann, nachdem wir ein Schiff bestiegen haben. Einverstanden?" Seine Augen wanderten zu seiner Tochter, die er immer noch an der Schulter hielt. "Und Dido kommt mit!"
-
Dido zuckte unmerklich zusammen, als Hannibals Hand sich auf seine Schultern legte. Mist! Das würde ein Entwischen erschweren. Jetzt hatte sie 3 Gegner und ihr Hund lag schlafend in ihrem „Cubiculum“, welches der riesige, begehbare Wandschrank vom Cubiculum ihres Dominus war. Sie schätzte ihre Möglichkeiten ab. Das Saturnaliengeschenk ihres Dominus war ein scharfer, kleiner Dolch für sie gewesen, welchen sie in einer Scheide an ihrem Oberschenkel unter der Gewandung trug. Selbst wenn sie an ihn gelangen würde, wäre es fraglich, ob sie 3 erwachsene Männer gleichzeitig niederstechen könnte. Schrill und laut Schreien um Alarm zu schlagen schied auch aus. Das hatte der claudischen Natter nichts genutzt. Die meisten männlichen Flavier schliefen, die anderen Sklaven waren entweder weg, betrunken oder würden sich den Fliehenden nicht in den Weg stellen. Es war ohnehin die Frage wer noch alles in die Flucht involviert war. Die Domini und die Hunde wären mit den Dreien sicher spielend fertig geworden. Ihr Dominus war ein passabler Schwertkämpfer und sehr, sehr guter Faustkämpfer. Sein Vater, Dominus Flavius Aristides, sollte trotz seines wabbelnden Speckbauchs ein Meister des Gladius sein. Ein Sklave hatte ihn mal leise die „Blutklinge von Parthia“ genannt. Und selbst Dominus Flavius Gracchus stand in der Villa in dem Ruf einer der besten Ringkämpfer von ganz Roma zu sein und oft mit Sciurus zu trainieren. Was sollte sie nur tun?
Pah! Was ihr Dominus und Sciurus erst alles tun würden um sie zurück zu bekommen! Dominus Serenus würde alles in Bewegung setzen um diese Flucht zu beenden. Dido waren so gewisse begehrliche Blicke von Serenus auf sie aufgefallen. Der fand sie sicher „schnuckelig“ um einmal das Wort von dem Küchensklaven Asparagus zu verwenden. Ein Lieblingswort für alle weiblichen Sklavinnen im Haushalt, denen er nachstellte. Dido ließ er zum Glück in Ruhe. Sie hatte einer der Putzsklavinnen erzählt, dass ihr Dominus Serenus sie regelmäßig beglückte und sie ihm willig zu Diensten sei. Und dass er aus jedem einen Eunuchen machen würde der Hand an sie legen würde. Das hatte für Ruhe gesorgt. Natürlich hatte diese Putzsklavin es allen weiter erzählt und da alle Kerle in der Villa unglaublich um ihren Stummel zwischen den Beinen besorgt waren … Allerdings würde sie vielleicht irgendwann dafür bei ihrem Dominus gerade stehen müssen. Aber es gab sicher schlimmere und hässlichere Kerle in der Villa und der Dominus badete sogar jeden Tag. Ihr Dominus bekam immer was er wollte. Hoffentlich wollte er sie und würde sie alle verfolgen und in die Villa zurück bringen. Dafür musste sie ihm aber Spuren hinterlassen.Stall – Pferde – Ravenna - flavische Verwandte - Schiff besteigen.
„Ich werde für die Flucht ein Pferd brauchen. Ich will nicht hinten sitzen. Ich könnte mir das Reitpferd meines Dominus ausleihen. Am Hafen müssen wir das aber mit einer Nachricht für ihn zurück lassen. Das ist nicht so groß wie die anderen und auch ganz gutmütig. Ich habe es schon öfters mit Rüben gefüttert und der Dominus hat mir in Alexandria auch das Reiten beigebracht. Auf einem Esel, das Pferd ist sicher nicht schwerer. Wohin fliehen wir denn? Und warum laufen wir weg? Hier geht es uns doch gut, Hannibal. Ich kenne doch nichts anderes. Ich weiß gar nicht wie es ist frei zu sein.“
Dido drückte ein paar Tränchen heraus, umschlang Hannibals Hüfte und drückte ihr weinendes Gesicht gegen dessen Brust.
Auf diese Mitleidsmasche fielen die Männer doch immer wieder herein. Dessen war sich Dido ganz sicher.
-
Cassim verstand nur zu gut Hannibals Einwände. Der Römer würde natürlich alles in Bewegung setzen, um seine Frau wiederzubekommen und diejenigen zu bestrafen, die es gewagt hatten, sich an ihr zu vergreifen. "Hier lassen können wir sie aber auch nicht. Sie wird Alarm schlagen, noch ehe wir von hier verschwunden sind!" Sein Blick ging wieder hinunter zu der verschnürten Römerin, die nun kaum noch Gegenwehr zeigte. Wohl aber war sie erstaunt gewesen, als sie feststellen musste, dass auch Hannibal zu denen gehörte, die fliehen wollten.
Hannibals Vorschlag, Epicharis nur bis Ravenna mitzunehmen fand in dem Parther vollste Zustimmung. "Gut!", sagte er nickend. "Nur bis Ravenna! Bis dahin wird sie unser Schutzschild sein."
Auch Cassim bereitete diese Geiselnahme enorme Bauchschmerzen. Hatte er doch die Römerin als eine sehr freundliche und herzensgute Frau kennengelernt. Man konnte es aber drehen und wenden, die Situation gebot, zu handeln. Es musste getan werden, was getan werden musste! Auch wenn es schmerzlich war. Wenn sie erst einmal die Stadt verlassen hatten und zügig an einen Hafen gelangt waren, der sie aus diesem verdammten Land bringen würde, konnten sie die Römerin getrost gehen lassen. Ja, wenn! Dies war die nächste Hürde, die sie zu nehmen hatten. Wie kam man aus einer bewachten Stadt mit einer gefesselten und geknebelten Frau aus der Stadt? Da machte ihm Hannibals Ankündigung, Dido mitnehmen zu wollen weitaus weniger Sorgen. Zumal das Mädchen sich scheinbar schnell damit abgefunden hatte, die Fliehenden zu begleiten.
"Dann bist du also Dido! Freut mich! Auch du wirst es gut haben, dort wo wir hingehen, nach Parthia. Weine nicht, Kleine! Dort wirst du die Möglichkeit haben, ein neues, freies Leben beginnen zu können." Er zwinkerte ihr aufmunternd zu, ehe der Parther sich wieder daran machte, die letzten Vorbereitungen zu treffen.
"Wir müssen noch ein weiteres Pferd mitnehmen. Für sie!" Er deutete mit seinem Finger wieder auf Epicharis. Bis sie aus der Stadt waren, wollte er sie auf seinem Pferd mit reiten lassen, damit sie keine Dummheiten machte. Aber danach wollte er sie schon von ihren Fesseln befreien, wenn sie sich kooperativ verhielt. -
Dass Dido nicht gleich zeterte, auf ihn einschimpfte oder lauthals protestierte, verwunderte Hannibal außerordentlich. Er sah erstaunt auf seine Tochter hinunter, die nur noch etwas mehr als einen Kopf kleiner als er war. Das Pferd ihres Herrn? Welches das war, konnte Hannibal nicht mehr so ganz einordnen. Er nickte jedoch zerstreut und war dann noch mehr erstaunt, als er plötzlich Didos Arme um sich herum spürte und merkte, dass sie wohl weinte. Und das wirkte bei Hannibal, der schon seit vielen Jahren damit zu kämpfen hatte, dass ihr Verhältnis so dermaßen schlecht war. Sanft legte er eine Hand auf ihren Rücken und eine strich über ihre goldblonden Haare. "Psst, Dido, das wird zu unserem Besten sein, Cassim hat Recht, wir werden ein ganz neues Leben anfangen können." Und jetzt, wo Dido mitkam, schien ihm die Flucht eine noch viel bessere Gelegenheit zu offenbaren. Er würde einen neuen Schritt wagen können und seine Tochter bei sich haben, einen neuen Pfad in seinem Leben begehen können. Hannibal lächelte leicht und nickte Cassim zustimmend zu. Mit dem Arrangement würde er durchaus leben können. "Gut, dann nehmen wir noch zwei weitere Pferde mit, für Dido und die junge Herrin." Hannibal sah zu Epicharis und bekam einen zerknirschten Ausdruck auf seinem Gesicht. "Es tut mir Leid, Domina. Aber es wird Dir nichts passieren, das verspreche ich Dir. Und in Ravenna wirst Du zu Flavius Aetius gebracht werden."
Hannibal wandte sich um, sah zu Dido, der er noch nicht ganz traute, ob sie nicht doch noch am Ende laut rufend zur Villa zurück kehren würde. "Komm' Dido, Du kannst mir das Pferd zeigen." Obwohl es für Hannibal ein Angang war, sattelte er mit das besagte Pferd, wobei Dido daran mehr machen musste als er, denn mit solchen Arbeiten kannte sich der flavische Sklave kaum aus. Sich selber besorgte Hannibal einen alten Wallach, dessen Schnauze schon grau war und der ihm so aussah, dass er Hannibal nicht bei der nächsten Gelegenheit abwarf, nur weil er ein schlechter Reiter war. Gepäck wurde verstaut und Hannibal führte sein Pferd hinaus und wartete, bis auch Dido aufgestiegen war, die er freilich nicht die ganze Zeit im Auge behalten hatte. Aber sich immer wieder vergewisserte, dass sie noch da war. "Wir können!" , meinte er zu Cassim und Chimerion, und stieg mit nicht erfreuter Miene auf den Rücken des Pferdes. Ein wenig Zerren und Ziehen bedurfte es dann doch, ehe der alte Gaul sich in Richtung des hinteren Tors bewegte, das jetzt unbewacht da lag, da die meisten Sklaven in der Stadt unterwegs oder schon zu sehr betrunken waren. Eigentlich war die heutige Nacht nicht nur ideal zum Fliehen, sondern auch zum Einbrechen. Nachdem das Tor geöffnet wurde, strebte Hannibal hinaus und in die Dunkelheit der Nacht, darauf vertrauend, dass die Anderen schon folgten.
-
Die weitere Konversation rauschte nur so an Epicharis vorbei. Es war ihr ein Rätsel, wie sie sich nur so hatte täuschen können in Cassim. Und in Hannibal! Sie hatte zwar nicht vergessen, was Aristides ihr über seine Vergangenheit gesagt hatte, sogar ein wenig Angst hatte sie bekommen, wann immer sie mit ihm allein gewesen war - was sie letztens zu vermeiden versucht hatte - aber tief im Kern ihres Wesens hatte sie immer noch an das Gute in ihm geglaubt. Deser Glaube war innerhalb weniger Sekunden verdorrt wie ein zarter Keimling in der Gluthitze der Wüste. Dass er scheinbar nicht begeistert war, machte es nichts besser, denn statt etwas dagegen einzuwenden, ließ er es so, wie es war. Epicharis schwieg. Sie versuchte nicht länger, sich zu wehren. Wozu auch? So würde sie ohnehin nichts erreichen, nicht, solange sie gebunden war. Die Katze allerdings wusste, wann sich die Möglichkeiten verbesserten, und dann sprang sie los. Epicharis würde es genauso handhaben und kooperieren, bis sich eine bessere Möglichkeit ergab, aus ihrer Situation zu entkommen.
Aufbruchstimmung machte sich erneut breit. Hannibal und Dido verschwanden, und Cassim organisierte ein Pferd für sie. Wenigstens würde es ihr erspart bleiben, wie eine Sklavin über den Sattelholm geworfen zu werden. Das dachte sie zumindest, bis Cassim sie holen kam.
-
Sim-Off: ist spät, wer Schreibfehler findet, der darf sie behalten.
Dido sattelte mit Hannibals Hilfe das Pferd ihres Dominus, welches zweifelsohne bester hispanischer Zucht entstammte, aber etwas kleiner war als der Rest. Während Hannibal sich mit seinem Pferd abmühte und das Gepäck verpackte, schrieb Dido ganz schnell eine Nachricht auf eine Wachstafel aus ihrer Tasche. Es galt eine Spur für ihrem Dominus zu legen. Nachdem sie die Botschaft fixiert hatte, verbarg sie diese in einer Innentasche ihres Umhangs.
Es ging zum Hintertor als Dido ihr Pferd noch einmal anhielt und deutlich fluchte. „Verdammt! Ich habe meinen Hund vergessen. Jemand muß sich um Sofia kümmern. Ich hinterlasse meinem Dominus eine Nachricht.“ Dido zog eine leere Wachstafel aus ihrer Tasche. Als Scriba ihres Dominus hatte sie immer einige einstecken. Dann begann sie zu schreiben und sagte dabei scheinbar gedankenverloren, was sie schrieb. Auch hielt sie die Wachstafel so, daß Hannibal oder Cassim mitlesen konnten.
„Salve Dominus!
Bitte kümmere dich um Sofia und sorge für sie genauso gut wie für Nero und Domitian.
DIDO„Es wird sicher Tage dauern bis man Dominus Serenus die Post zustellt. Hannibal und ich sind ja nicht da. Aber erfahrungsgemäß geht mein Dominus nach spätestens 5 Tagen selber mal an seinen Postkörben vorbei, wenn er keine Post mehr bekommt. Es ist etwas selbstständiger als einige andere in der Villa. Bas dahin schnorrt sich Sofia in der Küche durch.“
Dido stieg umständlich vom Pferd ab und ging zu einigen kleinen Körben an einer Art Unterstand neben dem Tor. An den Körben waren kleinen Schildchen angebracht wie MFG, CA, FE, LFS, MFA, FLX und andere. Irgendwann einmal hatte jemand eine Hauspost in der Villa eingeführt. Eine Unmenge an Post erreichte jeden Tag die Villa und wurde entweder an der Porta abgegeben oder am größeren Lieferanteneingang. Natürlich wurde nicht sofort jedes Schreiben rennend zum Empfänger gebracht. Meistens wurde von Acanthus oder den anderen Lieferanteneingang-Ianitoren grob aussortiert. Die Wichtigen wurden sofort weitergeleitet, der Rest endete in den Körbchen, wo die Leibsklaven sie mehrfach am Tag abholten und zustellten. Für alle gut sichtbar legte sie die eben beschriebene Wachstafel in das Körbchen von Flavius Serenus. Dann drehte sie ihren Körper einen Moment so, daß sie die Körbe verdeckte. In diesem Moment flog blitzschnell eine weitere Wachstafel aus der Innentasche des Umhangs in den nächst tieferen Korb von MFG und rutschte in dessen Stapel. Sciurus würde seinem Dominus die Post sicher auch an den Saturnalien zustellen. Ansonsten am ersten Tag danach. Dominus Flavius Gracchus würde ihn Dominus Serenus geben und dann war die Jagd eröffnet. Er würde sie retten.
Von
DIDO
An
Dominus Flavius Gracchus
----> BITTE weiterleiten an Dominus Flavius Serenus GANZ WICHTIG!ENTFÜHRUNG UND SKLAVEN-FLUCHT!
Dominus!
Domina Flavia Epicharis und ich wurden entführt. Hannibal, Cassim und der Sklave mit der Wischmopp-Frisur, Chimerion, sind geflohen. Zuvor hat Cassim versucht Flavia Epicharis am Stall zu schänden, was ich gerade noch verhinden konnte. Allerdings wurde sie als Geisel mit genommen, ich auch. Hannibal hat mich gegen meinen Willen gezwungen. Unser Reiseziel ist erst mal Ravenna. Dort will man Domina Flavia bei Verwandten abgeben. Im Moment wurde sie gefesselt und geknebelt auf ein Pferd gebunden. Wir fliehen zu Pferde. Ich habe dein Pferd genommen, da es das Kleinste war. Ab Ravenna soll es mit einem Schiff weiter gehen. Endziel: unbekannt. Ich versuche mich von unterwegs wieder zu melden. Alle sind bewaffnet. HILFE! Wir sind nach der Saturnalienfeier aufgebrochen, in der Nacht.DIDO
PS: Bitte kümmere dich um Sofia.
PPS: Ich bin ganz unschuldig an der Sache.
PPPS: Sag Sciurus, daß ich wegen der Entführung nicht kommen konnte. er weiß Bescheid.Dann kletterte sie wieder umständlich auf ihr Pferd und lenkte dieses souverän aus dem Tor heraus, was zu 99% daran lag, daß Serenus Pferd lammfromm war, jeden als Reiter akzeptierte und alles von alleine tat. Die 1% von Didos Reitkünsten reichten dann aus um im Sattel zu bleiben.
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!