Die Gaue der Mattiaker - das Dorf der Sippe des Rodewini

  • "Deine Anwesenheit reicht aus, du wirst in dem Fall für dich selbst sprechen, denke ich. Ich gehe davon aus, dass dein Vater es sich eh nicht nehmen lassen wird, in der Prozedur dabei zu sein.", immerhin war sie dann immernoch in seiner Munt, und faktisch sein Eigentum, das er nach germanischer Tradition auch in Rechtsfragen vertreten musste, so wie in diesem Fall.


    "Aber um ehrlich zu sein, glaube ich erst, dass es keine Komplikationen gibt, wenn wir die Regia wieder verlassen haben. Ich habe in den vergangenen Jahren zu oft die Erfahrung gemacht, dass Römer es gerne mal kompliziert mögen, auch wenn sie sonst Meister der einfachen Handhabe sind.", untertrieb Lando die Sorgen, die er sich um diese Sache machte. Immerhin waren die letzten Jahre oft genug mit Missverständnissen und Komplikationen geprägt gewesen, und Lando wollte seine junge Verlobte nicht direkt anlügen müssen. Je mehr sie von der Realität der römischen Praxis kannte, desto eher würde sie verstehen, worin die Gefahren für sie und ihre künftige Sippe lagen.

  • Das würde sich Sarwolf wohl wirklich nicht nehmen lassen. Elfleda war sich sicher, dass er sie erst dann aus seinem Schutz entlassen würde, wenn er sie Lando zur Hochzeit übergab und damit in seinen Schutz stellte. Nicht eine Sekunde eher, und selbst danach war sich Elfleda sicher, wenn sie Hilfe brauchte, jederzeit auf seine zählen zu können. Kurz blickte sie warmherzig zu ihrem Vater herüber, der sich gerade mit Rodewini über irgendetwas austauschte. Wo Rodewini offen lachte und lächelte, war ihr Vater wie immer ruhig und sah fast ein wenig nachdenklich aus. Er sah ihren Blick und kurz erhellten sich seine Augen, dann widmete er sich wieder Elfledas Onkel.
    “So wie du das sagst, klingt das, als würden sie diese Dinge absichtlich kompliziert machen? Dann ist das Verhältnis von Römern zu Amisvariern nicht so gut?“
    Elfleda riet einfach ins Blaue, aber die Worte von Lando hatten einen seltsamen Beigeschmack. Sie kannte nur die paar Römer, die zu ihnen gekommen waren, und diese waren alle ausgesucht höflich gewesen. Allerdings konnte das auch daran liegen, dass diese nur hierher kamen, wenn sie etwas wollten. Die meisten waren Händler, die irgendwas verkaufen oder von ihnen kaufen wollten, und die kamen nur alle Jubeljahre mal. Die anderen waren Soldaten, wenn man militärische Unterstützung oder eine Erneuerung eines Paktes oder ähnliches brauchte. Das war aber noch viel länger her als der letzte römische Händler. Daher wusste Elfleda nicht so recht, wie sehr sie ihrer Erinnerung trauen durfte.

  • "DIE Römer gibt es nicht. Auch wenn sie einem Reich angehören, sind sie in verschieden Stämme unterteilt, die sie Gentes nennen. Es ist ähnlich wie bei uns... es gibt einen Stamm, aber mehrere Sippen. Diese Sippen hätten dann alle den gleichen Namen, aber nicht den gleichen Stammvater. Mein Stamm, im übertragenen Sinne, sind die Duccii, deswegen heiße ich Tiberius Duccius Lando. Lando vom Stamm der Duccii. Mein Vetter Phelan dort heißt mit römischem Namen Decimus Duccius Verus, Verus vom Stamm der Duccii, im übertragenen Sinne. Von uns gibt es nur eine Sippe, deswegen sind Menschen, die den Namen Duccius, oder im Fall der Frauen Duccia, tragen, auch meist mit uns verwandt. Wir haben noch niemanden getroffen der unseren Namen trägt, aber einen anderen Stammvater hat.", Lando genehmigte sich noch einen Becher, dieses Mal Bier, um sich nicht vollkommen volllaufen zu lassen, immerhin repräsentierte er hier seine Familie, auch wenn es zum guten Ton gehörte, mit dem Alkohol nicht sparsam zu sein. Das Thema, das er hier versuchte seiner Verlobten klar zu machen, ließ auch ihn langsam verstehen, worum es bei ihrer Gens ging: die Wiederaufstehung des Stammes Wolfriks. In sehr viel kleinerer Form, aber so war es nun: sie waren eine Gens. Ein Stamm. Ein Stamm Duccia.


    "Bei den Römern kann es mehrere Menschen mit dem gleichen Nomen Gentile geben, und gleichzeitig haben diese Menschen überhaupt nichts miteinander zu tun. Früher, in den frühen Tagen Roms, war das wohl anders, aber seitdem Rom sich über die halbe bekannte warme Welt erstreckt, hat sich das wohl geändert. Die Namen blieben, doch die Stämme faserten aus. Soweit ich weiß... meine Schwester wird dir da mehr drüber erzählen können, sie hat sich mehr mit den Römern beschäftigt als ich es je könnte. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: DIE Römer gibt es wie gesagt nicht. Nach außen erscheinen sie einig, aber innerlich sind sie es nicht. Sie führen auch Krieg gegeneinander, aber nicht halb so oft wie die Stämme. Geht es gegen Feinde von außen, sind sie einig, aber innerlich sind sie oft auch zerstritten. Manche sind mit uns befreundet, andere sind es nicht. Genauso wie sie es untereinander sind... es macht keinen Unterschied, und das macht es sehr kompliziert damit zurecht zu kommen. Aber bisher haben wir das recht gut geschafft... könnte man sagen. Manchen Römern ist das, was wir erreicht haben, nicht recht. Ihrer Meinung nach gehören wir in Höhlen, sollen weiter unsere Bäume anbeten und schön Steuern entrichten... andere wiederrum sehen uns als willkommene Bereicherung für ihr Reich, besonders unsere Krieger und unser Verstand im Handeln haben es ihnen angetan. Aber das wirst du alles sehen, wenn du bei uns bist..."

  • Interessiert lauschte Elfleda Landos Ausführungen. Sie hatte nicht gewusst, dass diese römischen Namen direkt etwas mit den Sippen zu tun hatten, zumindest nicht in dieser Deutlichkeit. Und dass sie untereinander genauso zerstritten sein sollten wie die verschiedenen germanischen Stämme war auch nur sehr schwer vorstellbar. Wie konnten sie dann so ein großes Reich aufrecht erhalten? Wobei Elfleda ja keine Ahnung hatte, wie groß es war, für sie war die Tagesreise nach Mogontiacum, die sie von ihren Eltern trennen würde, schon eine große Entfernung. Ihre jetzige Welt war noch überschaubar klein und würde sich wohl mit der Heirat um einiges erweitern, auch wenn sie sich das genaue Ausmaß dessen nicht vorstellen konnte. Da half wohl auch keine Vorbereitung, denn vieles konnte sie wohl wirklich erst fragen und begreifen, wenn sie es mit eigenen Augen gesehen hatte.
    Eben wie diese Unterschiedlichkeit unter den römischen Stämmen, die Lando aufgezeigt hatte. Aber im Grunde war es wie immer und überall: Nicht jeder konnte jeden leiden, nicht jeder war jedermanns Freund. Selbst innerhalb von Sippen gab es ab und an Streit, das blieb einfach nicht aus. Wo Menschen waren, da menschelte es eben.
    “Ja, wahrscheinlich werde ich dich dann noch viel mehr fragen als jetzt schon. Ich kann mir die meisten Sachen gar nicht so wirklich vorstellen, das muss ich wohl wirklich gesehen haben. Aber das werde ich ja bald…“
    Sie blickte Lando in die Augen und ließ ihren Blick kurz auf ihm so ruhen. Auch wenn die Zeit bis zur Hochzeit wahrscheinlich verfliegen würde, war es dennoch ein seltsames Gefühl, jetzt so lange warten zu müssen. Sie war hier, er war hier, alles war geregelt, und dennoch mussten sie warten. Nungut, das hier war keine Friedelehe, sie waren nicht wie zwei verrückte Rebhühner am Herumbalzen miteinander. Es war ein förmlich ausgehandelter Vertrag, der sie aneinander band. Dennoch fand Elfleda es sehr unbefriedigend, am nächsten Morgen von ihm Abschied nehmen zu müssen und dann darauf zu warten, wie die Zeit verstrich. Sie wartete schon ewig darauf, verheiratet zu werden, und jetzt, wo sie verlobt war, wartete sie wieder.
    Aber es nützte ja nichts, so war es eben. Und sie konnte nichts dagegen unternehmen und die Sache beschleunigen. Also hieß es ruhig bleiben und die Zeit dazwischen sinnvoll nutzen. Zum Beispiel, um sich von der lieben Verwandtschaft so nach und nach zu verabschieden. Sie ließ ihren Blick also zu eben jener wieder schweifen und bemerkte, wie ihre Cousine Elke sich mit Phelan unterhielt. Oder besser gesagt, ihn umgarnte. Er gefiel ihr wohl wirklich, so wie sie ihn anlächelte. Kurz schaute Elfleda nach ihrem Onkel Rodewini und nach Elkes Eltern, die aber alle drei wohl grade beschäftigt waren und nicht bemerkten, wie die beiden sich teilweise anschauten.
    “Ich denke, ich gehe mal deinen Vetter retten, bevor Elke ihn noch völlig vereinnahmt.“
    Elfleda hatte keine Ahnung, ob Lando schon bemerkt hatte, wie die beiden sich miteinander unterhielten, und wies ihn so dezent darauf hin. Bevor es noch Ärger geben würde, konnte er so sich auch um seinen Verwandten – oder waren sie jetzt gar nicht wirklich verwandt? Elfleda hatte das nicht so ganz verstanden – noch kümmern, so er wollte.
    Sie lächelte Lando also noch einmal kurz offen an, und schlenderte dann zu ihrer Cousine herüber. Ohne Vorwarnung umarmte Elfleda Elke einfach leicht von hinten und knuddelte sie spielerisch. “Na, Base, unterhältst du dich gut?“
    Der zwischen Erstaunen, Erschrecken und Empörung befindliche Blick ihrer Cousine war einfach nur göttlich, fand Elfleda. Ihr Lächeln freundlich zu halten und nicht ins hämische abgleiten zu lassen war da fast schon schwer. “Ich hoffe, du bist mir nicht böse, aber ich brauch eben deine Hilfe. Du entschuldigst uns doch, Phelan?“
    Ein unschuldiger, zuckersüßer Blick traf den Amisvarier – oder Duccier, wie Lando ihr eben noch erklärt hatte – und noch ehe er wirklich antworten konnte, zog Elfleda ihre Cousine auch schon mit sich, um ihr zu helfen, noch mehr Met unter die Verwandtschaft zu bringen.

  • Nicht das Elkes Redeschwall Phelan übermäßig gut gefallen hatte, aber ein wenig stutzig machte ihn diese Aktion schon. Er nickte Elfleda zwar freundlich zu und entgegnete mit einem "Natürlich, ich werde in der Zeit meinen Becher füllen." verlegen schaute er in seinen noch zu 3/4 vollen Metbecher .. was hatte er anderes sagen sollen?
    Der junge Duccier schaute den Frauen hinterher und stand verunsichert in der Mitte der Menschenschar .. ein wenig verloren schaute er umher.

  • Lando nickte nur, als seine Verlobte seinen Vetter aus den Fängen ihrer Cousine retten wollte, und sah ihr einige Sekunden nachdenklich dabei zu, bis er sich schließlich aufraffte, und sich mit einem Humpen bewaffnet ins Getümmel der Festgesellschaft wagte... es wurde eine lange Nacht. Sehr lange Nacht, und Lando überlebte diese nur, weil er zwischendurch das Bier mit Wasser streckte, was ihm immer wieder Lob und Anerkennung für seine Trinkfestigkeit einbrachte.


    Es tat ihm richtig gut, die Lieder, die hier gesungen wurden, ähnelten denen seiner Heimat nicht nur auf den ersten Blick, und bald fand Lando sich bald in einem Chor aus donnernden Stimmen, die verlorene Schlachten, tragische Liebschaften und die Verworrenheit der Götterschaft beklagten, aber ebenfalls die Ehre, die Mannbarkeit und das karge Leben in den Wäldern wurde besungen... für Lando ein Besuch in einer anderen, längst vergangenen Zeit.


    Irgendwann wurden die Stimmen immer unsicherer, der Stand immer wackliger, und immer mehr Menschen verabschiedeten sich aus dem Gelage, während manche einfach dort einschliefen, wo sie zuvor noch lauthals den Text mitgelallt hatten. Auch Lando wurde vom Schlaf übermannt, konnte sich jedoch noch zu seiner Lagerstatt retten, nachdem er noch einige warme Blicke mit seiner Verlobten ausgetauscht hatte.


    Der nächste Morgen war für viele einer mit gewaltigen Kopfschmerzen, aber das gehörte dazu. Wer saufen konnte, konnte auch leiden.


    Lando war dieses Mal nicht einer der ersten, der aufstand, zu sehr hielt ihn der Gedanke an die folgende Reise durch das immernoch in Eis erstarrte Lando unter dem dicken Fell.
    Dieses Mal war es Phelan, der ihm einen Tritt in die Seite verpasste, um ihn zu wecken, und Lando zerrte sich selbst nur mit Mühe in die Höhe, wo er erst einmal herzhaft gähnte...


    "Mhwah.. müssn mer scho los?"

  • Elke war am Abend noch mächtig beleidigt mit Elfleda gewesen und hatte es die Frischverlobte auch hier und da merken lassen. Allerdings beschränkte sich Elkes Schmollerei wie immer auf böse Blicke und Elfleda kannte ihre Cousine gut genug, um zu wissen, dass es am nächsten Morgen alles vergessen sein würde. Aber so verbrachte sie die heutige Nacht nicht im Zwiegespräch mit ihren Cousinen, sondern im Bett mit ihren Geschwistern. Die kleinen schmiegten sich dicht an die große Schwester und Elfleda summte gewohnheitsmäßig erst noch ein wenig vor sich hin, während sie der jüngsten, Aleke, durch die blonden Haare streichelte, bis sie selbst unter der warmen Decke eingeschlafen war.
    Am nächsten Morgen war sie auch sehr früh von ihren Geschwistern geweckt worden. Diese hatten ja auch nicht so lange gefeiert und waren daher so früh wach wie jeden Tag. Also war auch Elfleda gezwungen, aufzustehen.
    Nachdem sie und ihre Geschwister also hergerichtet waren, ging es auch nach draußen. Lando würde am heutigen Morgen abreisen, und Elfleda wollte sich von ihm verabschieden. Nicht nur, weil es auch irgendwie dazugehörte, sich vom eigenen Verlobten zu verabschieden, sondern will sie ihn wirklich gerne noch ein wenig bei sich hatte, ehe er abreisen musste. Am liebsten würde sie ja gleich mit ihm gehen. Oder nein, eigentlich würde sie lieber wollen, dass er noch ein wenig blieb. Aber auf jeden Fall wäre sie gerne noch ein wenig in seiner Nähe, um ihn besser kennen zu lernen. Auch wenn sie keine Ahnung hatte, was sie ihn noch hätte fragen können.


    So trat sie hinaus in die morgendliche Kälte, dick eingepackt in einen grauen Wolfspelz, und gesellte sich zu den anderen. Vornehmlich die Männer, die schon wach waren, sahen allesamt aus, als wären sie lieber wieder in ihren Betten. Einige standen zwar noch gerader als andere, aber man merkte, dass viele das Fest wirklich genossen hatten und am heutigen Morgen keine allzu lauten Geräusche ertragen würden. Das Frühstück war allgemein sehr leise am heutigen Morgen.
    Elfleda schaute, ob Lando vielleicht schon irgendwo war, sah ihn aber nicht. Also gesellte sie sich stattdessen zu ihrem Vater. Dieser legte kurz die Hand um ihre Schulter, um sie an sich zu ziehen und auf den Haaransatz zu küssen. Er war einer derjenigen, die noch gerader standen und keine Augenringe hatten. Elfleda lächelte zu ihm hoch.
    “Sind sie noch da?“ Nicht, dass sie es verpasst hatte. Wobei es noch wirklich früh war, die Sonne war noch nicht mal eine Handbreit über dem Horizont.
    Sarwolf nickte, und daran, dass er nichts sagte, merkte man wohl, dass er auch unter Kopfschmerzen ein wenig zu leiden hatte, also beschloss Elfleda, vorerst noch gnädig zu sein.

  • Lando stand vor der Kate, in denen ihre Pferde untergebracht worden waren, und zurrte gerade den zusammengerollten Sack mit dem Wegproviant für die Rückreise fest. Es war nicht viel, würde gerade für einen Tag reichen, aber Lando hatte keinen Zweifel, dass sie auch bei schlechtestem Wetter und einem neuen Anlauf von Frost nicht mehr als einen Tag brauchen würden. Immerhin lag die nahezu römisch befestigte Civitas Aquae Mattiacorum auf der Hälfte der Strecke.


    Sein Kopf brummte nicht so stark wie man annehmen könnte, was auch nur daran lag, dass er im Laufe der gestrigen Feier immer wieder mit verdünntem Bier getrickst hatte, um nicht die Kontrolle über sich zu verlieren (etwas, was ihn zu früheren Zeiten oft genug beinahe den Kopf gekostet hätte), was ihm zugute kam, letztendlich waren nicht alle Wege zurück nach Mogontiacum so befestigt, dass man im Schlaf über sie wandeln konnte.


    Er hatte sich bereits bei den Eltern seiner Verlobten verabschiedet, und noch ein kurzes und ernstes Gespräch mit Rodewini geführt, fehlte nurnoch das letzte Stelldichein mit seiner Verlobten, die ihm sofort ins Auge fiel, als sie das Langhaus verließ und auf den Dorfplatz kam...


    "Guten Morgen.", begrüßte er sie mit matter Stimme, irgendwie war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, sie jetzt hier zurücklassen zu müssen, andererseits war es definitiv das beste, wenn man bedachte, dass er sich wenige Tage später auf einen Helritt begab. Hatte er ihr eigentlich davon erzählt? Er hoffte nicht, aber man konnte nie wissen... manchmal war Landos Mundwerk schneller als sein Geist. Manchmal. Oft. Eigentlich immer.

  • Schon, als er in ihre Richtung kam, hatte Elfleda ihren Verlobten bemerkt und ruhig gewartet, bis er zu ihr kam. Gerne wäre sie ihm einfach entgegen gekommen, aber bei der morgendlichen Katerstimmung der meisten Anwesenden wollte sie nicht allzu sehr auffallen. Außerdem verließ er sie ja gleich, da sollte er sich nur nicht einbilden, sie würde ihn so schrecklich vermissen, dass sie jede Sekunde jetzt mit ihm noch verbringen musste. Natürlich würde sie ihn vermissen, und natürlich konnte sie es kaum abwarten, endlich zu heiraten, aber das musste sie ja nicht so überschwänglich zeigen. Da war Elfleda doch eher zurückhaltend, nicht wie ihre emotionale Cousine Elke.
    “Guten Morgen“, meinte sie ebenfalls etwas gedämpft. So ganz konnte sie es aus ihrer Stimme nun doch nicht heraushalten, was sie dachte. Es war eine merkwürdige Situation, zu wissen, dass er gleich ging, und sie ihn erst zur Hochzeit wiedersehen würde. Vor allem nach dem gestrigen Abend, wo sie festgestellt hatte, dass sie ihn wirklich sehr sympathisch fand. Man konnte sogar sagen, sie hatte ihn gern.
    “Hast du schon etwas gegessen?“, fragte sie plötzlich. Sie konnten ja schlecht nur hierstehen und sich anschweigen und sich den Abschied noch schwer machen. Da wollte Elfleda sich lieber auf das wesentliche konzentrieren, und das war, ihn vor der Reise noch gut verpflegt zu wissen.
    Die Luft war klar und kalt, roch aber nicht nach neuem Schnee, so dass sie sich keine Sorgen machte, ob die beiden warm genug eingepackt wären. Dennoch fröstelte sie in diesem Moment ein wenig uns sie zog den eigenen Mantel etwas enger um ihre schultern. Nicht, dass sie sich noch erkältete.

  • "Ja. Habe ich...", antwortete Lando mit matter Stimme. Abschiede waren nie sein Ding gewesen... eigentlich gab es noch nie jemanden, von dem er sich über längere Zeit verabschiedet hatte, von seiner Schwester mal abgesehen. Und die war da genauso pragmatisch wie er, schickte ihn mit einem gespielten "Fahr zu Hel..." auf die Reise, oder ging selbst auf eine solche.
    Und nun stand er seiner Verlobten gegenüber, und wusste nicht was zu sagen. Er entschloss sich für die kurze und schmerzhafte Variante.


    "Wir werden gehen... es ist noch einiges zu tun, bis wir uns wiedersehen."

  • Das war mal ein kurzer und schmerzloser Abschied. Nunja, im Grunde war es Elfleda so auch lieber, sie hatte nicht viel für romantisches Pathos übrig. Da war ihr ein Mann, der genau wusste, was er wollte und wie er das zu bewerkstelligen hatte, hundertmal lieber, als einer, der ihr zwar unendliche Liebe versprach, aber eigentlich nur redete und redete und nichts hinbekam. Also nickte sie nur und überlegte kurz, ob sie noch etwas sagen sollte oder musste.
    “Habt ihr soweit alles oder benötigt ihr noch etwas? Heute Morgen ist es etwas wärmer als gestern, ich nehme an, die Straße wird schlammig sein ab Mittag.“
    Wahrscheinlich war er zu demselben Schluss gekommen, wenn er auf das Wetter geachtet hatte. Und Elfleda konnte sich bei einem Germanen nicht vorstellen, dass der so etwas Elementares nicht bemerkt hätte. Immerhin hing von diesem ab, ob man im nächsten Winter hungern würde oder ob man zwei oder drei Tage brauchte, um von einem Ort zum nächsten zu kommen. Dennoch erwähnte sie es, immerhin wollte sie irgendwas nützliches vor der Reise noch beitragen.
    Sie sah ihn ruhig und fragend kurz an. Hoffentlich erwartete er von ihr keinen tränenreichen Abschied. Elke würde bei sowas an ihrer Stelle sicher heulen. Sie würde Landos Blicke sicher vermissen und die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen vor der Hochzeit, denn sicher würde ihr noch die ein oder andere Frage einfallen. Aber deshalb würde sie ihn nicht wie ein Kind anschmachten oder anfangen zu weinen, nur weil er ging.

  • Er wusste nicht warum, aber irgendwie kam ihm die Idee, Elfleda jetzt und hier zu rauben, sich durch halb Germanien zu metzeln um schließlich mit ihr auf einer kargen Nordmeerinsel mit nichts anderem als Bäumen und Steinen zu leben. Um sich letztendlich den Rest ihres Lebens ihr Gezeter anzuhören, wie er bloß auf eine so dermaßen kindische Idee gekommen war, und um letztendlich kläglich zu verhungern, weil die Bergkatzen einem alles wegfraßen. Er schüttelte diesen Gedanken ab, peinlich genug, so etwas pathetisches überhaupt gedacht zu haben.


    "Mach dir keine Sorgen...", schmunzelte Lando matt, "Wir sind nicht das erste Mal auf Reisen."


    Er strich einmal mit seiner linken Hand einmal kurz über eine Wange seiner Verlobten, und ließ sie mit keinem weiteren Wort zurück. Er stieg auf sein Pferd, gab Verus ein Zeichen, winkte der versammelten Sippe Rodewinis noch einmal kurz zu, und lenkte dann ihren Weg über den Dorfplatz in die umgebenden Äcker und Wälder, in Richtung Aquae Mattiacorum, und dann schließlich nach Hause.

  • Oda stapfte durch den Wald, ihr Bündel auf den Rücken und das Pferd führte sie am Halfter. Vor Stunden hatte es sich in einem Loch lahm gelaufen und sie wusste genau was es bedeutet wenn ihre Stute jetzt ganz schlapp macht.
    Sie sah zum Himmel und der Sonne, langsam ging sie unter und Oda hoffte von ganzem Herzen das sie es noch vor der Dunkelheit ins Dorf schaffen würde.
    Viel Trauer und Ärgernisse lagen hinter Ihr und Ihr einziger Wunsch war zurück zu ihrer Sippe.
    Kurz vor dem Winter war Ihre langersehnte Tochter auf die Welt gekommen. Beide, Sie und das Kind, hatten sich zwei Tage gequält und mehr als einmal hatte Oda zu den Göttern mehr geflucht als gebetet dem ganzen endlich ein Ende zu machen. Gernot, ihr Mann, war irgendwann irgendwo verschwunden und nur noch die Frauen seiner Familie standen ihr bei. Wobei beistehen, darunter verstand sie etwas ganz anderes als das was sie erlebt hatte. Kein aufmunterndes Wort, kaum mal eine Hand die sie unterstütze und hielt.
    Es war tiefe Nacht als ihre Tochter endlich das Licht der Welt erblickte. Oda war viel zu erschöpft um sich wirklich zu freuen und das Kind liebevoll in den Arm zu nehmen. Die Kleine rutschte ihr ständig aus dem Arm bis eine der Frauen ihr das Kind abnahm und wegtrug, Oda wollte noch protestieren doch auch das brachte sie vor Erschöpfung nicht mehr fertig.
    Fast eine Nacht und einen Tag hatte sie geschlafen. Talklichter brannten und sie war in warme Decken gehüllt als Oda aufwachte. Bei ihrer Frage nach ihrem Kind verzogen die Frauen ihre Gesichter, doch brachten sie ihr das Würmchen.
    Ihre süße kleine Tochter, roter Flaum schaute aus den Tüchern die eng um das Kind gewickelt waren. Die kleine weinte und quengelte leise und schwach und auch sonst war das Kind fast schon apathisch.
    „ Was ist mit Ihr? Warum weint sie und ist so schwach? Was ist mit meinem Kind?“ voller Angst sah sie die Frauen an. „ Sie will nicht trinken, jedes Mal spuckt sie alles wieder aus“
    Gudula die alte Kräuterfrau sah Oda mitleidig an. „Versuch du es, vielleicht nimmt sie es von dir und kann es auch behalten“ sie legte Oda das Kind an die Brust und wirklich begann das Mädchen zu saugen und zu trinken. Oda sah auf ihre Tochter und ihr Herz machte einen Sprung. „ Ja meine Kleine so ist es gut, nur weiter so du schafts das schon.“ Doch da kam alles was das Kind getrunken hatte in einem Schwall wieder raus. Oda sah mit Entsetzen auf das ganze und dann zu Gunna die nur traurig den Kopf schüttelte.
    Keine drei Tage wurde ihre Tochter alt.
    Siegrid, Gernots Mutter, hatte schon vorher kaum ein gutes Wort für sie, schon weil es so lange gedauert hatte bis sie endlich schwanger war, doch jetzt wurde es nur noch schlimmer.


    Im Winter dann schlug sich auch noch Gernot einen Holzsplitter in die Hand. Zuerst sah es noch harmlos aus doch dann kam die Hitze erst in die Hand, dann in den Arm, er schrie vor Schmerzen und verbog sich als ob er ein frischer Bogen sei. Schließlich, nach vielen schweren Nächten, war auch ihr Mann tot.
    Siegrid fauchte und wetterte. Sie, Oda hätte das Unglück über die Familie gebracht und Sie sei an allem Schuld. Am Wetter, der Ernte die nass geworden war und sogar am Aufstand.
    Dann vor drei Tagen hatte Oda in der Nacht ihr Bündel gepackt und sich aus dem Weiler geschlichen. Sie war nicht mehr sicher gewesen ob sie nicht eines Morgens nicht mehr aufwachen würde und lieber würde sie auf dem Weg in das Dorf Rodewinis, aus dem sie stammte und ihr Vater eine Gefolgsmann Rodewinis war, umkommen als auf dem Strohlager ihrer Schwiegermutter.
    Doch sie hatte es geschafft, dort war die Senke und der hole Baum in dem sie früher ihre Geheimnisse und Schätze aufbewahrt hatte. Wer den wohl heute benutzte? Elfleda vielleicht? Nie Erlfleda bestimmt nicht, die war bestimmt schon lange mit einem anderen Stammes Fürsten verheiratet und scharrte einen Haufen Kinder um sich. Oda wäre froh gewesen ihre Freundin und Gefährtin vieler kleiner und großer Streiche wieder zu sehen aber dieses Glück hatte sie bestimmt nicht. Sie musste Frohsein wen man sie wieder aufnahm in der Sippe.
    Oda blieb stehen und überlegte ob sie in dem Baum nachsehen sollte. Ein paar Geheimnisse zu wissen konnte nie schaden.
    Sie schüttelte energisch den Kopf, sie war kein kleines Mädchen mehr sondern eine junge Frau und das gehörte sich einfach nicht. Mit ihren 17 Jahren war sie für so was viel zu alt.


    Oda drückte den Rücken durch und machte sich auf zum letzen Stück
    Weg zurück nach hause.

  • Mal wieder waren es Eike und Rango, die am Tor Wache hielten. Der Tag heute war wärmer als die vorangegangenen, es lag eindeutig Frühling in der Luft und die beiden Vettern vertrieben sich die Zeit ein wenig mit Würfeln. So klar, wie der Tag heute war, sah man jeden Ankömmling schon auf die Entfernung, und es wurde ohnehin niemand erwartet.
    Der letzte unerwartete Besuch waren die Söhne aus Wolfriks Stamm gewesen, was in der Verlobung von Elfleda und Lando geendet hatte. Aber das war nun auch schon einige Tage her, und das Leben war so normal wie eh und je. Bald würde der Frühling da sein und damit gab es wieder mehr zu tun, aber noch durchdrang der letzte Hauch des Winters immer mal wieder das Land. So konnte man auch einfach mal dasitzen und Würfeln.


    “Du, Rango, da hinten kommt wer…“, meinte Eike plötzlich zu seinem Cousin, als er einen Blick über die Straße warf. Eine Person führte ein Pferd am Zügel. Rango glaubte erst noch, Eike wolle ihn reinlegen, weil er grade am Verlieren war, doch als der Vetter aufstand und seinen Ger zur Hand nahm, drehte auch er sich um und sah die Person. Eike kniff leicht die Augen zusammen gegen die Sonne, um besser sehen zu können.
    “Das ist eine Frau“, stellte er verblüfft fest. Was machte eine Frau mutterseelenallein auf der Straße? War etwas weiter draußen passiert, so dass sie kam, um Hilfe zu holen? Nein, dann würde sie sicher reiten. Aber welchen Grund konnte es sonst geben?
    Die beiden Germanen warteten also, bis die Frau näher heran war. Ganz plötzlich, als hätte eine Hornisse ihn gestochen, stürmte Eike dann nach vorne zu der Frau. Im Gehen ließ er seinen Speer fallen und der verwirrte Rango schaute seinen Vetter nur an, als hätte er den Verstand verloren. Doch als auch er die Frau erkannte, verstand er sofort. Er drehte sich um, um in das Dorf hineinzulaufen und zu verkünden, wer da gekommen war.
    “Oda? Was machst du denn hier?“ Eikes Stimme schwankte zwischen Verwunderung und Wiedersehensfreude. In so einer kleinen Gemeinschaft kannte natürlich jeder jeden, vor allem, wenn man in derselben Altersgruppe war. Eike war ja auch gerademal 20 Sommer alt.




    Auch im Dorf gab es helle Aufregung, nachdem Rango verkündet hatte, wer da am Tor war. Rodewini und Sarwolf waren gerade beide nicht anwesend, sie hatten einen Ausritt in die Gaue unternommen um sich anzusehen, was der Winter an Spuren hinterlassen hatte. Ebenso waren viele Männer schon im Umland gerade unterwegs, um auszubessern, was man schon an Arbeit machen konnte. Doch die, die im Dorf heute waren, sammelten sich natürlich ob der Neuigkeit.
    Vor allem Elfleda war ganz verwirrt, als sie hörte, ihre alte Freundin sei wieder da. Vor zwei Jahren hatte sie geheiratet, und sie hätte nicht gedacht, sie noch einmal wiederzusehen. War ein Mädchen erstmal verheiratet, blieb es normalerweise bei der neuen Sippe. Selbst wenn der Mann starb, blieben viele Witwen bei ihrer neuen Sippe, heirateten dort sogar je nach Alter häufig wieder. Daher war die junge Germanin ganz aufgeregt, Oda doch noch mal wiedersehen zu können und lief so schnell sie konnte an den anderen, neugierigen vorbei zum Tor.
    “Oda!“, brüllte sie schon auf Sichtweite und winkte der alten Freundin zu. Bis direkt vor sie hin behielt sie ihren schnellen Lauf bei und fiel der alten Freundin fast in die Arme, um sie auf beide Wangen wie eine Schwester zu küssen.
    “Wie kommst du denn hierher?“, fragte sie ganz verwirrt und schaute die Freundin glücklich und besorgt gleichermaßen an. Sie war wirklich der letzte Mensch, mit dem sie hier gerechnet hatte.

  • Oda sah schon die Befestigung um das Dorf und fragte sich wer wohl Wache hielt als sie sah wie jemand auf sie zustürmte. Sie war müde und ihre Füße taten ihr weh, hoffentlich gab es nicht zu viel ärger.
    Sie blieb stehen und ihr Gesicht hellte sich auf als sie Eike erkannte.
    „Eike, das gleiche könnte ich dich fragen. Du hast ja kaum einen Bart und darfst schon einen Ger halten?“ lachte sie ihn an. „ Ich bin so froh ein liebes vertrautes Gesicht zu sehen. Seit drei Tagen bin ich unterwegs und seit gestern ist meine Stute auch noch lahm.“
    Der junge Mann lachte tief und nahm ihr den Zügel ab.
    „ Also dein vorlautes Mundwerk ist dir wenigstens nicht verloren gegangen Oda. Ich hatte gehofft nach deiner Hochzeit, dass dein Mann es dir austreibt. Wo steckt er eigentlich, warum lässt er dich allein durch die Wälder streifen? Erzähl, was ist passiert seit ihr überfallen worden, braucht ihr Hilfe?“
    Odas Gesicht wurde traurig und sie wollte gerade ansetzen und erzählen als erneut ihr Name laut gerufen wurde.
    Elfleda? Hier im Dorf, die Götter warne ihr doch noch gnädig. Freudig fing sie ihre Freundin auf, die sie fast umwarf, leicht ins stolpern kam sie doch.
    „ Oh Elfi“ sie herzte und umarmte sie voller Freude und erwiderte die küsse. „ Ich bin so froh dich zu sehen“
    Jetzt konnte Oda nicht mehr, alles was sie solange zurückgehalten hatte stürme auf sie ein. Endlich waren wieder Menschen um sie die sie liebte und sie verstanden. Ihre ganzen unterdrückten Gefühle und ihre treuer um Tochter und Mann lösten sich und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    Sie wollte eigentlich nicht so zurückkommen, sie hatte sich immer wieder gesagt. Du bist stark und kommst nicht als heulendes Elend zurück aber jetzt mit Elfi an ihrer Seite konnte sie sich nicht verstellen. Das konnte sie noch nie bei ihrer Freundin.
    „ Sie ist tot, einfach so gestorben“ war alles was sie nur noch weinend hervorbrachte.

  • Im ersten Moment war Elfleda einfach glücklich, die Freundin wieder zu haben, und im nächsten Moment ganz verwirrt, als Oda plötzlich anfing, zu schluchzen und zu weinen. Den lockeren Griff an Odas Armen tauschte Elfeda so schnell gegen eine richtige Umarmung, um die andere zu stützen und zu halten, barg ihren Kopf an ihrer Schulter und strich ihr einfach beruhigend über den Rücken.
    “Nun bist du ja hier und in Sicherheit.“
    Elfleda hatte nicht die geringste Ahnung, wer denn nun gestorben war. Mit „Sie“ konnte sie nicht so viel anfangen, aber es musste etwas schlimmes sein, wenn Oda deswegen nun hier war. Hatte sie vielleicht aus Versehen jemanden erschlagen und konnte das Wehrgeld nun nicht zahlen? War sie deshalb hier? Elfleda konnte sich zwar beim besten Willen nicht vorstellen, dass Oda so etwas passiert sein könnte, aber Unfälle gab es immer wieder. Und sie hatte keine Ahnung, wie es bei der Sippe, in die Oda eingeheiratet hatte, nun genau aussah.
    “Komm erstmal mit rein. Du bist ja nur noch ein Gerippe. Eine schöne, heiße Suppe, na, wie klingt das?“


    Inzwischen waren auch die anderen heran und schauten sich fragend an. Natürlich erkannten alle Oda, auch nach dieser Zeit und den kleinen Veränderungen, und alle fragten sich natürlich, was los war. Und vor allem, warum Oda nun so weinte. Sorge machte sich breit. Gab es eine neue Stammesfehde? Oder war es etwas anderes, was die junge Germanin zurückbrachte?
    Elfleda stützte Oda so gut es ging und schützte sie mit der Umarmung vor den neugierigen Blicken. Mit einer herrischen Handbewegung scheuchte sie die anderen ein wenig weg, während sie Oda langsam ins Dorf hineinführte. Elfleda entdeckte ihre jüngere Schwester und winkte sie schnell ran.
    “Siguruna, lauf zu Mutter und hol uns etwas Suppe, ja?“
    Die Neunjährige verzog zwar beleidigt das Gesicht, so herumgeschickt zu werden, lief aber gleich los und tat wie ihr geheißen. Auch wenn Elfleda und sie nur Halbgeschwister waren und Smilla nicht Elfledas Mutter, nannte die ältere die neue Frau ihres Vaters häufiger so, so dass sich darüber schon niemand mehr wunderte.

  • Oda schniefte und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht, ein leichter dunkler Streifen hinterließ der Ärmel auf ihrer Wange.
    Sie beruhigte sich und nickt. „ Ja, eine Suppe wäre genau das richtige.“
    Sie atmete tief aus, eine schwere Last löste sich von ihr. Irgendwie hatte sie das Gefühl jetzt würde alles wieder gut werden.
    „Was machst du eigentlich hier, ich dachte du bist schon längst verheiratet. Hatte dein Vater nicht schon jemandem für dich ausgesucht? Wo sind die Männer eigentlich?“ Etwas unsicher sah sie sich um, war vielleicht schon jemand von der Familie ihres Mannes hier gewesen?
    Sie lies sich von Elfi über den Platz führen und setze sich dann seufzend an einen Tisch. Ihre Füße brannten und bestimmt hatte sie sich auch ein pass Stellen wund gelaufen.
    Eines der kleinen Mädchen stellt ihre eine dampfende Schale vor und sah sie dabei neugierig an.
    „Danke, mhhh riecht das gut.“ Sie pustete und tauchte den Löffel in die dicke Suppe. Mit Heißhunger begann sie zu essen und beachtete gar nicht die vielen neugierigen Gesichter um sich.
    Als sie fertig war sah sie auf und in die Gesichter um sich vor allem in das ihrer alten Freundin die sie genau beobachtet hatte.
    „ Ich bin so froh hier zu sein, das kannst du dir nicht vorstellen. Oh Elfi, Freia hat mich verflucht, meine kleine Tochter sie ist gestorben, einfach so. Sie hat nicht getrunken und ich war so froh als ich endlich schwanger war. Sigried, Gernots Mutter hatte nie ein gutes Wort für mich und hat ständig behauptet mein Vater hätte sie alle betrogen mit mir. Er solle mich endlich verstoßen und den Muntschatz zurück verlangen. Ich konnte ihr nichts recht machen. Es wurde nur noch schlimmer nach dem Tot des Kindes und dann…“ erneut hatte sie Tränen in den Augen, „ …ist vor ein paar Wochen ist auch noch Gernot an einer entzündeten Hand gestorben, ich war meines Lebens nicht mehr sicher. Ich musste einfach herkommen.“
    Es sprudelte alles nur so aus ihr heraus, endlich konnte sie sich alles vom Herzen reden.

  • Ohja, Elfleda hätte eigentlich auch gedacht, dass sie schon längst verheiratet wäre. Als Oda, die ein ganzes Jahr jünger als sie war, damals vor ihr geheiratet hatte, das war schon ein kleiner Stich gewesen. Natürlich hatte sie sich auch für die Freundin gefreut, aber dennoch. Freude schützte ja vor Eifersucht nicht, auch wenn sie sich niemals etwas hätte anmerken lassen.
    “Nun, hätte ich auch gedacht, aber Vater und Rodewini hatten etwas andere Pläne. Ich sag dir, sei froh, dass du keine Fürstentochter bist, sonst dauert es Jahre, bis entschieden wurde, wen du heiraten darfst. Aber ich bin nun endlich verlobt! Letzte Woche.. ach, weißt du, ich erzähl das später.“
    Elfleda schien der Zeitpunkt auf dem Weg zum Langhaus nicht für solch fröhliches Geplänkel passend, sie wollte lieber warten, was Oda alles zu erzählen hatte. Für die freudigen Nachrichten hatten sie später auch noch genügend Zeit.
    Sie setzten sich einfach an eine der Bänke in der Nähe des Feuers und Siguruna brachte die georderte Suppe vorbei. Natürlich nicht ohne ihrer Halbschwester einen giftigen Blick zuzuwerfen und betont schmollend von dannen zu ziehen. Elfleda würde es später wieder gut machen, wenn die Neunjährige das nicht ohnehin bis zum Abend vergessen hatte.


    Oda löffelte die Suppe und wärmte sich so auf. Zwar war es nicht mehr ganz so kalt wie noch vor Wochen, aber eben auch noch nicht wirklich warm, und die Reise war lang. Besorgt beobachtete Elfleda die Freundin, bemühte sich aber, ruhig nach außen zu wirken. Sie war schließlich kein kleines Kind mehr, und sie war eine Adelige und nicht vom Gesinde. Da musste man schon ein Stückweit Kaltschnäuzigkeit vorzuweisen haben.
    Und dann begann Oda zu erzählen. Ruhig hörte sich Elfleda alles an.
    “Oh, Oda, das tut mir leid. Ich hatte gehofft, dass seine Sippe dich freundlicher aufnimmt.“
    Das mit dem Kind kommentierte Elfleda gar nicht. Natürlich war das traurig, aber es starben so viele Kinder in den ersten zwei Lebensjahren, da war es wichtiger, dass die Mütter bei der Geburt nicht starben, um neue Kinder zu bekommen. Und die Götter liebten nun mal die kleinsten am meisten und holten deshalb viele zu sich.
    “Ich bin mir sicher, Freya hat dich nicht verflucht. Vielleicht wusste sie nur schon um das Schicksal deines Mannes und wollte nicht, dass du eine Waise zu versorgen hast? Wer weiß das schon, was die Götter sich denken?“
    Tröstend strich sie der Freundin über den Rücken. Es war wirklich tragisch, was geschehen war. Gut, dass Oda die Reise geschafft hatte. Auch wenn es nicht gerade günstige Umstände waren, die sie hergeführt hatten.
    “Aber gut, dass du hier bist. Den Muntschatz werden wir wohl zurückzahlen müssen, aber das wichtigste ist erstmal, dass du da bist und am Leben. Das wird Rodewini dann schon aushandeln, mach dir da keine Sorgen.“
    Und nachdem ihre Sippe von Lando einen fürstlichen Muntschatz bekommen würde, wäre es wohl auch weniger das Problem, die Sache mit Oda aus der Welt zu schaffen. Ausliefern würde Elfleda die Freundin unter gar keinen Umständen, das stand schonmal fest. Und wenn sie sie durch Eid an sich binden würde, aber sie würde sie nicht wieder zurückschicken.
    “Die meisten Männer sind gerade unterwegs in den Gauen, schauen, was man für den Frühling so alles machen muss. Dein Vater ist auch gerade unterwegs, er wollte zu den Gauen von Ansger im Osten reiten und ein wenig was zum Tauschen aushandeln. Wir haben etwas wenig Saatgut wegen dem langen Winter, weißt du? Aber mach dir mal keine Sorgen, er wird sich sicher freuen, dich wiederzuhaben.“
    Und wenn nicht, würde Elfleda schon dafür sorgen. Da sollte sich einer der Männer trauen, etwas gegenteiliges zu beschließen. Nein, sie würde auf die Freundin schon acht geben, bis es alles wieder überstanden war.

  • Sie schob die Schüssel von sich weg und leckte sich über die Lippen. Die anderen hatten sich zurückgezogen nachdem sie jetzt wussten was passiert war. Die beiden Mädchen, oder sollte man eher sagen jungen Frauen, saßen jetzt allein am Feuer.
    Ich geh nicht mehr zurück, lieber gehe ich allein in den Wald und sterbe da. Wir werden sehen was mein Vater sagt und vor allem dein Onkel.“
    Sie sah ihre Freundin an und langsam kam wieder etwas der alten Spritzigkeit in ihre Augen.
    „Du bist jetzt verlobt? Erzähl mit wem den? Kenn ich ihn? Von welchen Stamm ist er und vor allem wann soll es soweit sein?“


    Sie wollte jetzt nicht darüber reden was die Männer sagen würden wenn sie wieder da sind. Es machte ihr schon etwas Sorgen wegen dem was man nun wieder zurückgeben musste, der Winter war länger als sonst gewesen und jeder hatte darunter gelitten.
    Sie würde schon einen Platz finden und wenn sie zu dem Römern ging und sich dort etwas zu tun suchte. Sie hatte gehört das man da sogar als Frau etwas Geld verdienen könnte. So könnte sie ihrem Stamm alles wieder zurückgeben. Was das genau sein würde wusste sie noch nicht aber das würde sich dann schon zeigen.
    Was sie wusste war das sie endlich wieder zuhause war.

  • “Na, soweit kommt’s noch, dass du in den Wald zum Sterben gehst. Da sollen sich die Männer mal trauen, irgendwas zu sagen!“ fuhr Elfleda in gespielter Empörung auf und lachte dann befreiend. Sie hatte die Freundin vermisst und war froh, Oda wieder bei sich zu haben. Aber ihren Worten war auch durchaus anzuhören, dass sie sie nicht nur im Spaß gesagt hatte. Sie würde Oda nicht wieder zurückschicken, und wenn sie so lange Zetern würde, bis alle nur „ja“ sagten, damit sie wieder aufhörte.
    Doch zum Glück wollte auch Oda lieber über etwas anderes reden, und da kam das Thema mit der Verlobung natürlich grade recht. Elfleda setzte sich aufgeregt etwas mehr seitlich der jüngeren Zugewandt, ihre Augen strahlten richtig und aufgeregt griff sie wie in früheren Zeiten nach Odas Hand, als sie ihr alles anvertraute. Es war zwar kein richtiges Geheimnis wie früher, immerhin wussten es ja alle, aber trotzdem tat die Vertrautheit und der etwas verschwörerische Charakter ganz gut.
    “Er heißt Lando und ist aus der Sippe des Wolfriks. Er ist ein Amisvarier von der römischen Seite, und der Anführer seiner Sippe. Kannst du dir das vorstellen?“
    Sie war noch immer ganz aus dem Häuschen. Nicht, weil sie standesgemäß heiratete, sondern weil sie endlich überhaupt heiratete, und Lando in ihren Augen nach wie vor eine sehr gute Wahl war.
    “Er kam vor einer Woche hier an mit seinem Vetter und hat um mich geworben. Wenn ich dir sage, was er als Muntschatz zahlen will, dann fällst du gleich von der Bank hier. Vier Pferde, zwei Barren Eisen, Keramik, Glas, Stoff, und noch einen Silberbecher! Kannst du dir das vorstellen?“
    Strahlend schüttelte Elfleda die roten Haare. Wenn sie so darüber nachdachte, musste ihr Verlobter wirklich entweder unendlich reich sein oder verrückt. Oder beides. Wobei sie ihn sehr angenehm in Erinnerung hatte.
    “Und er sieht gut aus! Ich meine, man soll ja nicht zuviel hoffen, aber… uff, ich sag dir. Groß ist er, und kräftig. Und seine Augen… ich musste wirklich darauf achten, ihn nicht noch anzuschmachten. Und gar nicht mal so alt, bestimmt noch keine dreißig! Ich kann’s immer noch nicht glauben…“

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