[Probatio] Grundausbildung Caius Decimus Celsus

  • Selbstverständlich hatte Celsus vor dem Militärdienst mit Pfeil und Bogen geschossen. Und das nicht einmal schlecht, wie er sich erinnerte.


    Er sah nach den anderen probati. Die einen machten fast betretene Gesichter, andere schüttelten die Köpfe und wieder andere sahen in die Luft als ginge sie das nichts an.


    Celsus überlegte, ob er unter dieser Voraussetzung seine früheren Übungen mit dem Bogen anzeigen sollte. Aber selbst eingestandene Feigheit wollte er nicht geleten lassen.


    "Ich habe bereits mit einem Bogen geschossen, optio."

  • "Das ist schön", antwortete Priscus. "Dann komm' mal zu mir, nimm' dir einen Bogen und erkläre den Kameraden, wie man damit umgeht. Ziele haben wir dort vorne." Er deutete in die entsprechende Richtung und hielt dabei gleichzeitig dem Rekruten den Bogen hin. Pfeile lagen auch bereit.

  • Celsus nahm den Bogen, den ihm der optio entgegenhielt sowie einen Pfeil. Er spürte, wie alle Augen auf ihn gerichtet waren.


    Ruhe bewahren flüsterte er sich zu und begann laut mit seiner Erklärung.


    "Ich nehme den Bogen in die linke und den Pfeil an seinem gefiederten Ende in die rechte Hand. Vorsichtig legte ich den Pfeil auf die Bogensehne. Dann nehme ich den Bogen nach oben und halte ihn mit ausgestrecktem linken Arm von mir weg. Gleichzeitig ziehe ich mit der rechten Hand die Sehne nach hinten, bis ich mit meiner rechten Hand meine Wange berühre. Ich visiere das Ziel über den Pfeil an und halte die Luft an."


    Celsus hatte noch nicht ausgeredet als sein Pfeil der hölzernen Zielscheine entgegenflog. Er traf diese, nicht in der Mitte, aber auch nicht am Rand, sondern genau in beider Mitte.


    Er nahm sich einen zweiten Pfeil, hielt den Atem an und traf dieses Mal knapp neben dem Mittelpukt der Scheibe.

  • "Gut erklärt", zeigte sich Priscus zufrieden und beobachtete die Schüsse. Dann wandte er sich an die anderen Rekruten. "Seht ihr, so wird das gemacht. Ihr nehmt euch jetzt auch jeder einen Bogen und probiert es selber. Wie beim Speerwerfen gilt, dass niemand seine Pfeile holen geht, bevor nicht alle anderen auch ihren Bogen wieder abgelegt haben! Celsus, du hilfst deinen Kameraden beim Üben!"


    Priscus hielt sich dann ein wenig im Hintergrund und achtete vor allem auf den sicheren Ablauf der Übung. Es gab nichts besseres, als wenn sich die Soldaten untereinander helfen und wichtige Dinge beibringen konnten.

  • Celsus sah den optio an. Was hatte der befohlen? Er, der probatus, solle den Kameraden beim Üben helfen. Sollte das etwa heißen ...


    Zweifelnd wandte er sich an den optio.


    "Beinhaltet meine Hilfe beim Üben auch die Berechtigung, meinen Kameraden die entsprechenden Kommandos zu geben, optio?"

  • Priscus schaute etwas zweifelnd. "Ich glaube kaum, dass es da viel zu befehlen gibt", antwortete er dann. "Jeder verschießt seine Pfeile und versucht dabei so gut wie möglich das nachzumachen, was du vorgemacht hast. Und du hilfst denen, die es falsch machen. Wenn alle ihren Bogen wieder abgelegt haben, geht ihr sie holen. Ist nicht so kompliziert, oder?"

  • Celsus verstand die Frage des optio nicht. Was sollte auch kompliziert sein? Außer vielleicht, daß ein probatus kommandierte!


    Der probatus nahm`s gelassen. Wenn ihn der optio nicht verstehen wollte, dann eben nicht.


    Wie angeordnet half er seinen Kameraden beim Üben.

  • Der Optio beobachtete die Übung weitgehend schweigend und achtete hauptsächlich darauf, dass niemand durch Unachtsamkeit verletzt wurde. Er selber war mit dem Bogen nicht sonderlich geschickt, so dass das Bogenschießen auch nicht zu seinen Lieblingsübungen gehörte.


    Nachdem alle Rekruten ein paar Dutzend mal auf die Ziele geschossen hatten und dabei zum Teil nicht schlecht getroffen hatten, ließ er sie wieder antreten, die Pfeile und Bögen wegräumen und dann zurück in die Unterkünfte marschieren.


    Für den nächsten Tag stand ein neues Thema auf dem Übungsplan. "Nachdem wir schon mit diversen Waffen geübt haben, üben wir heute einmal den Kampf ohne Waffen", eröffnete er nach der Inspektion die Übung. "Ringen steht auf dem Lehrplan. Da ich annehme, dass sich jeder von euch schonmal die eine oder andere Rauferei mit anderen Jungs geliefert hat, brauche ich wohl kaum viel zu erklären. Also, Rüstungen ablegen, wir ringen nur in Tunika. Jeder sucht sich einen Partner und los geht's!"

  • Celsus sah seinen Nebenmann an. Er war wie er von gleicher Statur.


    "Was meinst du, ringen wir miteinander?"


    "In Ordnung, bringen wir`s hinter uns!"


    Nur mit einem Schurz bekleidet gingen die "Gegner" aufeinander zu. Der andere stank so nach allem Möglichen, daß Celsus unwillkürlich zurücktrat. Der andere wiederum nutzte die Situation aus und preßte ihn mit aller Kraft an sich.


    Dies kam wiederum Celsus zugute, denn der glitschige Körper des anderen ließ ihn seinem Gegner regelrecht aus den Händen gleiten, der dies nicht bedacht hatte und sich unwillkürlich in einem "Schwitzkasten" befand.


    "Hör` auf zu drücken, du hast gewonnen," winselte der andere.


    "Ich bin nicht so, du bekommst eine Revanche," meinte Celsus, der sich an den unangenehmen Geruch des anderen gewöhnt hatte, wohlwollend.


    Bei ihrem zweiten Treffen versuchten die beiden sich wie eines Römers würdige Ringkämpfer verhalten.


    Sie schnauften, preßten, drückten, wurden schnell zu Boden geworfen, standen noch schneller wieder auf, hielten den "Schwitzkasten" und lösten ihn wieder auf, kurzum, selbst ein eingeweihter Beobachter mochte nicht mehr zu entscheiden, wer von den beiden besser oder schlechter oder gar ein Sieger war.


    Letzte Instanz hierfür war jedoch der optio!

  • Priscus schaute sich alle Gruppen an und achtete erst einmal darauf, dass jeder einen ungefähr gleichwertigen Gegner gefunden hatte. Für den Anfang war das wichtig. Mit der Lässigkeit eines Mannes, der selber einmal das Ringen der Militärspiele in Mantua gewonnen hatte, gab er dann Tipps und forderte den einen oder anderen Soldaten zu mehr Kampfgeist und Einsatz auf.


    Auch den zähen Kampf von Celsus und seinem Kampfpartner schaute er sich an, der lange hin und her wogte. Die beiden schienen fast darauf zu warten, dass der Optio eine Entscheidung fällte und einen Sieger benannte. Er gönnte sich den Luxusm die beiden weiter kämpfen zu lassen und erst noch einmal bei den anderen Gruppen vorbei zu schauen, bevor er wieder zu den beiden zurück kam. "Punktsieg für Calvus, würde ich sagen" entschied er dann, auch wenn Celsus wohl wirklich nur knapp unterlegen war.


    Dann ließ er alle kurz pausieren und gönnte ihnen die Möglichkeit, etwas Wasser zu trinken. "Für den nächsten Durchgang sucht sich jeder mal einen ungleichen Partner. Wenn es im Kampf zu einem Handgemenge kommt, könnt ihr euch auch nicht immer den passenden Gegner aussuchen."

  • Celsus sah seinen neuen Gegner an. An Kraft war er ihm zwar sicherlich überlegen. Wie es schien, hatte der andere die bessere Technik, und eine intensive Musterung ergab die Gefahr überragender Flinkheit. Mit einem freundlichen und zugleich herausfordernden Lächeln sprach er den Drahtigen an:


    "Ich bin Celsus. Legen wir los!"


    Sein Gegenüber erwiderte das Lächeln. Und das so gekonnt, daß in Celsus fast die blanke Wut zum Vorschein gekommen wäre.


    "Freut mich mein Freund. Ich bin Hadrianus und es gereicht mir zur Ehre mit dir ringen zu dürfen."


    Die Überheblichkeit, mit der Hadrianus auftrat, war derart abscheulich, daß er ihm am liebsten die Nase und alles dahinter zu Brei geschlagen hätte. Gerade noch rechtzeitig erkannte er, daß genau das der Plan des anderen war. So begnügte er sich mit einer zornigen Grimasse, um den Gegner seinerseits zu täuschen und stürmte auf ihn zu.


    Hadrianus wollte gerade mit dem ihm eigenen Lächeln auf den Lippen nach rechts ausweichen, als er feststellen mußte, daß er seinen linken Arm zu locker seinem Körper hatte folgen lassen. Eleganz war eben nicht gleich Effektivität. Blitzschnell hatte Celsus das Handgelenk gepackt und einen winzigen Augenblick später sah Hadrianus nur noch Staub und Sand: Er lag mit dem Gesicht auf dem Boden, sein linker Arm war schmerzhaft auf den Rücken verdreht und er hatte Mühe Luft zu holen. Zum einen wegen des Aufpralls auf dem Boden und zum anderen weil ein guter Teil von Celsus auf ihm lastete. Dann war er fast eben so schnell wieder frei und die Schmerzen in seinem Arm ließen wieder nach und die Luft fand wieder ungehemmt ihren Weg in seinen Brustkorb.


    Während er noch nach Atem rang und aufstand, völlig geschockt darüber, daß er übertölpelt worden war, grinste ihn Celsus an.


    "Ich glaube, dieser Sieg gehört mir. Soll ich dir aufhelfen?"

  • Der Optio ging auch bei dieser Übung von einer Gruppe zur anderen und schaute sich die Kampfkünste an. Die Paarungen, die sich ergeben hatten waren recht spannend. Largus, der längste in der Truppe, versuchte so gut es ging Vorteile aus seinen langen Armen und einer großen Reichweite zu erzielen, während Pino als kleiner und eher dünner Kerl voll auf Tricks setzt. Auch bei anderen Gruppen ging es ähnlich gemischt zu und nicht immer gewann der, der nach dem ersten Eindruck der überlegene war.


    Priscus ließ die Gruppen noch mehrmals durchwechseln, bis schließlich alle völlig verschwitzt und verstaubt waren. Dann ließ er sie wieder antreten.


    "Das war's für heute. Zurück in die Unterkünfte mit euch und putzt euch den Staub vom Körper. Und von der Ausrüstung am besten auch gleich! Morgen solltet ihr ein blitzblankes Bild abgeben. Antreten in Paradeausrüstung ist angesagt."

  • Antreten in Paradeausrüstung, so hatte der optio gesagt.


    Das hieß im Klartext, daß die geamte Ausrüstung auf Hochglanz zu bringen. war. Das hieß weiter, daß der Abend mit Putzen ausgefüllt war, und das zog sich in diesem Fall in die Länge.


    Celsus nahm sämtliche Ausrüstungsgegenstände zur Hand, drehte und wendete sie, schrubbte, polierte, dann etwas Spucke, dann etwas Öl. War etwas in Ordnung und er sah noch einmal nach, wieder ein Fleck, also noch einmal von vorne.


    Irgendwann in der Nacht fand er, daß nun alles selbst einem schärfsten Appell standhalten müßte.

  • Wieder war es soweit, eine Gruppe Probati war mit der Ausbildung fertig geworden. Es lag wieder bei Ursus, die Männer zu vollwertigen Soldaten zu ernennen. Ein wichtiger Tag für die Probati, die schließlich harte Monate hinter sich hatten.


    Ursus betrat den Campus in Begleitung einiger Offiziere und des Scribas, der eine Kiste mit den Urkunden bei sich trug.

  • Die probati waren in Reih und Glied angetreten. Ihre auf Hochglanz polierten Rüstungen glänzten in der Sonne und die wehenden cristae taten das übrige. Alles in allem ein erhabenes Bild bester Ausbildung.


    Spannung lag in der Luft. Celsus sah den tribunus und, was für ihn entscheidend war, einen scriba mit einer Kiste.


    Das wird doch nicht der letzte Tag als probatus sein? dachte er und wartete ungeduldig auf das, was nun kommen würde.

  • Ebenfalls in geputzter Paradeausrüstung hatte sich Priscus diesmal selber in der Linie eingereiht und stand an deren Ende. Die blank polierte Kugel am oberen Ende des Optiostabes glänzte und er erwartete ebenso gespannt wie die Rekruten den Auftritt des Tribunen.

  • Die Männer waren alle angetreten und ihre makellos polierten Rüstungen glänzten in der Sonne. Sie standen in einwandfreier Haltung da und Ursus schritt an ihnen vorüber, musterte sie eingehend. Dann begrüßte er den Optio und ließ ihn Meldung machen.


    "Salve, Optio Tallius. Ist das Deine erste Ausbildungsgruppe? Auf jeden Fall machen sie einen ausgezeichneten Eindruck." Er nickte dem Mann anerkennend zu. Vermutlich stand er schon kurz vor einer Beförderung zum Centurio, wenn man ihm die Ausbildung überließ.


    Der Tribun wandte sich nun an die Männer: "Probati! Ihr habt es geschafft! Ein jeder von euch wird heute zu einem vollwertigen Mitglied der Legio I Traiana pia Fidelis! Harte Monate der Grundausbildung liegen hinter euch, ihr habt hart gearbeitet, um an diesen Punkt zu kommen. Viele Jahre Dienst für Rom und den Kaiser liegen vor euch. Einige von euch werden sich gewiß weiter qualifizieren und aufsteigen in den Rängen der Legion! Wenn ihr das wirklich wollt, wenn ihr all eure Kraft in dieses Streben steckt, dann werdet ihr das schaffen! Jeder von euch hat die Möglichkeit dazu! Gebt immer euer Bestes! Dann werdet ihr auch den Lohn dafür ernten!"


    Er nickte dem Optio zu, damit der einen Mann nach dem anderen aufrief und ihm den Befehl zum Vortreten erteilte. Ursus würde den Soldaten dann noch einige Worte sagen und ihm die Urkunde überreichen.

  • Na also, dachte Celsus, jetzt ist die Katze aus dem Sack: die schon längst überfällige Beförderung zum legionarius stand an.


    Statt sich zu freuen wurde seine Miene immer finsterer. Besonders das Lob an den optio trug weiter zur Verschlechterung seiner Laune bei. Die obligate Rede des tribunus rauschte an ihm vorbei. Beinahe bösartig starrte er vor sich hin. Jetzt fehlten nur noch ein paar passende Worte des otio!

  • Auf das Zeichen des Tribuns hin trat der Optio einen Schritt vor und drehte sich dann nach rechts, um seitlich zur Linie der Rekruten zu stehen. Einen nach dem anderen rief er namentlich auf.


    "Caius Decimus Celsus, progreddere!"

  • "Probatus Gaius Decimus Celsus, hiermit ernenne ich Dich in Vertretung des Legatus Legionis im Namen unseres Imperators Gaius Ulpius Aelianus Valerianus zum miles gregarius der legio prima. Diene dem Kaiser und Rom treu und mit all Deiner Kraft." Ursus übergab dem jungen Soldaten die Urkunde.


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI



    ERNENNE ICH DEN
    PROBATUS
    GAIUS DECIMUS CELSUS



    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM IX KAL SEP DCCCLIX A.U.C. (24.8.2009/106 n.Chr.)



    ZUM
    LEGIONARIUS - LEGIO I TRAIANA
    GAIUS DECIMUS CELSUS



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    Tribunus Laticlavius
    -
    LEGIO I TRAIANA PIA FIDELIS

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    ANTE DIEM IX KAL SEP DCCCLIX A.U.C. (24.8.2009/106 n.Chr.)


    Der nächste Probatus wurde aufgerufen und so ging es der Reihe nach, bis alle aus der Ausbildungsgruppe offiziell Milites waren.


    Am Ende richtete Ursus abermals das Wort an die frischgebackenen Legionäre. "Dieser Tag soll als ein besonderer in eurem Gedächtnis bleiben! Von heute an seid ihr Legionäre, die Stütze des Imperiums! Denkt immer daran, daß euch alle Türen offenstehen. Es liegt allein bei euch, was ihr aus diesem vielversprechenden Beginn macht. Ich wünsche jedem von euch viel Erfolg für die weitere Laufbahn." Er nickte dem Optio zu und trat einen Schritt zurück.

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