• In schlichtes weiß gehüllt trat Eldrid in den Raum. An den Ringen unter ihren Augen konnte man wohl erkennen, dass sie in den letzten Wochen nicht viel Schlaf bekommen hat. An der Rötung der Augen konnte man sehen, das die Tränen wohl noch nicht lang getrocknet sind. Sie musste älter wirken als noch bei ihrer Abreise. Ja der Tod ihre zweiten Mannes nahm sie wirklich sichtlich mit. Und nun hatte sie auch noch die undankbare Aufgabe Rufus mitzuteilen, dass sein Onkel verstorben war. So betrat sie nun also den Raum und sah den jungen Mann, der ebenfalls gerade den Raum betrat, mit traurigen Blick an. „Hast du einen Moment Zeit?“ Ja sie wollte sich setzen, es ihm in aller Ruhe sagen nicht hier so zwischen Tür und Angel. Und vor allem wollte sie sich setzen, denn die letzten Wochen waren mehr als anstrengen für sie gewesen. Sie hatte wirklich alles getan, was sie konnte und doch hatte sie schlussendlich den Kampf um ihren Mann verloren.

  • Mit sich beschäftigt bemerkte er Sorana erst, als sie ihn Ansprach. Seine freudiger Gesichtsausdruck, wechselte in einen sorgenvollen. Seine Adoptivmutter sah zum gruseln aus. Man sah ihr ihren Schmerz an. Sie schien um Jahre gealtert. Das bedeutete nichts Gutes. Ging es um ihre Familie? Rufus wusste, dass sie sehr an ihrer germanischen Familie hing. Mit der Zeit hatte er es akzeptiert. Für ihn war Germanien ein Ort, an dem er nicht unbedingt sein wollte. „ Ja, Sorana.“ Mutter zu ihr zu sagen, dafür war er innerlich noch nicht bereit. Er ließ ihr den Vortritt, nahm selbst auf einer der Klinen platz. Sein kleiner morgendlicher Imbiss stand bereit, wurde von ihm,dank der Sachlage, vorläufig außer acht gelassen.

  • Eldrid nahm Platz. Sie legte die Hände in ihren Schoss und wartete bis auch ihr Stiefsohn Platz genommen hatte. Sie blickte noch einen Moment auf ihre auf ihrem Schoss ruhenden Hände bis sich schließlich aufsah. „Sextus, wie du weißt haben sich Kaeso und ich auf das Landgut zurückgezogen, dabei dein Vater sich erholen kann. Es ging auch am Anfang recht gut. Er erholte sich Zusehens. Doch leider hatte er einen schweren Rückfall, von dem er sich nicht mehr erholt hat. Auch der Medicus der uns begleitet hat konnte ihm nicht mehr helfen.“ Über die Wange der Germanin rollte eine einsame Träne. „Ich muss dir leider mitteilen, dass die Götter deinen Adoptivvater zu sich gerufen haben.“
    Der junge Mann tat ihr leid. Er war gerade auf den rechten Weg gekommen. Hatte angefangen sich der Verantwortung zu stellen und nun lastete von Heute auf Morgen die gesamte Verantwortung auf ihm. „Du weißt, dass dies bedeutet, dass du nun der Hausherr bist und du allein die Verantwortung tragen musst. So du es wünscht, werde ich dich gern unterstützen.“ Ja wenn er es denn wollte. Natürlich war ihr Verhältnis im Gegensatz zu den Anfängen deutlich besser geworden, aber man konnte ja nie wissen wie junge Leute so dachten. Zumal Sextus ja gerade erst gelernt hatte was es hieß Verantwortung für sein Leben zu übernehmen.

  • Darauf war er nicht gefasst. Annaeus Modestus , sein Adoptivvater …. Rufus saß geschockt da, sah Sorana fassungslos an. Was sie weiter sagte drang im ersten Moment nicht zu ihm durch. „Nein…, aber das kann nicht sein.“ Er wehrte sich vehement gegen die Nachricht, dass Modestus gestorben war. Er schüttelte den Kopf. „ Nein, nein , ich wollte ihm doch zeigen, dass ich mich geändert habe. Nein, er kann doch nicht so einfach…...“ Seine Augen füllten sich mit Tränen. Seine Trauer schlug in Wut um. Er sprang auf und schrie laut. „ICH HASSE DIE GÖTTER!!!!!!“ Wie ein kleiner Junge, dem man sein Spielzeug weggenommen hatte, ging er wütend auf Sorana los und schrie sie an. „WIESO HAST DU ES ZUGELASSEN!!!!“ Kurz vor ihr blieb er plötzlich stehen und sah sie verwirrt an. Mit dem Handrücken wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und stammelte leise. „ Entschuldige Sorana, das, das wollte ich nicht. Du bist nicht Schuld. Kannst du mir verzeihen?“ Er setze sich neben sie auf die Kline, ließ die Schultern hängen und stierte auf den Boden. Langsam kam das, was Sorana weiter gesagte hatte bei ihm an. „ Wie meinst du das? Ich bin der Hausherr. Ist denn keiner weiter…" Die Frage war mit ihrer Aussage eigentlich schon beantwortet. Aber er hatte keine Erfahrung, war noch grün hinter den Ohren und und und. Das Angebot von Sorana war sein rettender Strohhalm. Was man vor Wochen nicht für möglich gehalten hätte. In schweren Stunden zeigte sich was in den Menschen steckte. Er legte seine Hände auf ihre Hände. „ Sorana…, Mutter,...ich brauche dich, sonst schaffe ich das hier nicht. Ja, ich werde deine Unterstützung brauchen. Ich werde dich nicht fort schicken. Ich will, das du hier bleibst.“ Natürlich, wenn sie gehen wollte, konnte er ihr das nicht verbieten. Rufus ging sogar einen Schritt weiter. „ Wenn du nach Germanien zu deiner Familie willst. Dann, dann.. nimm mich mit.“ Alleine war er der Verantwortung, die er so plötzlich auferlegt bekam, nicht gewachsen.

  • Eldrid wartete ab, sie zuckte nur leicht zusammen, als er sie anfuhr. Doch konnte sie ihn verstehen. Wie für sie musste auch für ihn gerade eine Welt zusammenbrechen. Sie drückte seine Hände. „Natürlich verzeih ich dir, dein wohl nur verständliche Reaktion. Und glaube mir, wenn es in meiner Macht gestanden hätte, dann hätte ich es verhindert. Aber gegen das Schicksal sind wir Menschen nun mal machtlos.“ Dann sah sie zu ihm auf er machte sie sogar etwas Stolz, denn sie war ja an seiner Wandlung nicht ganz unbeteiligt. „Nun sei dir gewiss, er hat sehr wohl noch mitbekommen, welch Wandlung du vollzogen hast. Deshalb ist es sein Wille, dass du sein Erbe fortführst.“ Sie brachte sogar ein dankbares Lächeln zu stande. „Ich bleibe gern bei dir mein.. Sohn. Und nein ich werde nicht nach Germanien gehen. Dein Platz ist hier. Du hast es jetzt so viel schwerer, da dir die Unterstützung von Modestus fehlt. Und nun liegt es an dir sein Erbe fortzuführen. Seine Ideen die er hatte umzusetzen. Ich werde dich natürlich dabei unterstützen.“ Eldrid die ja mitunter praktisch veranlagt war und auch wusste, dass es nichts brachte lange Trübsal zu blasen. Überlegte kurz. „Als erstes müssen wir den Anspruch auf das Erbe geltend machen. Soweit mir bekannt ist müssen wir zum Decemvir litibus iudicandis.“ Ja es war wohl wirklich das Beste nach vor zu schauen und das Schicksal anzunehmen, als in Trauer zu versinken Es würde ihnen beiden helfen über den Verlust hinwegzukommen.

  • Die übermäßige Angst, alleine da zu stehen, legte sich bei Sorana‘s Worten. Sie wollte nicht nach Germanien zurück. Gleichzeitig macht sich Verwirrung bei ihm breit. Er solle das Erbe von Modestus fortführen. Der Anspruch des Erbes stand im Raum. „ Aber hab ich überhaupt Anspruch auf das Erbe?“

  • Eldrid konnte die Verwirrung des jungen Mannes verstehen.
    Sie nickte auf seine Frage hin. „Ja mein Sohn, dass bist du. Er wollte es dir so gern persönlich sagen. Als er jedoch merkte, dass es dem Ende zuging hat er dir diese hier...“ Sie reichte ihm ein Schriftstück. „...niedergeschrieben.“



    K. Annaeus Modestus



    Mein lieber Sohn Sextus,


    wenn dich diese Zeilen erreichen, habe ich den Kampf um mein Leben verloren. Ich wünschte ich hätte die Gelegenheit gehabt dir das folgende persönlich zu sagen.
    Du bist mein Sohn, mein Fleisch und Blut. Kurz nach deiner Geburt starb meine erste Frau, deine Mutter. Ich war viel unterwegs und ich wusste auch nicht viel mit einem Kind anzufangen. Deswegen entschied ich, dass du bei meinen Verwandten aufwachsen sollst. Sie haben sich deiner angenommen. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass es falsch war und ich diese Entscheidung sehr bedauere.
    Ich hoffe, du kannst mir dies eines Tages verzeihen.
    Die Möglichkeit es wieder gut zu machen, habe ich ja nun leider nicht mehr.
    Ich habe nur noch die Möglichkeit, dir die nötigen Mittel für eine unbeschwerte Zukunft an die Hand zu geben, denn du bist mein Sohn, mein Erbe.



    Dein Vater Kaeso



    Domus Annaea | Mons Esquilinus | Roma



    Die Germanin lies Sextus die Zeit die er braucht um das was er da gerade las zu verstehen.

  • Die Tabula wurde immer schwerer in seinen Händen. Was das stand begriff er im ersten Moment nicht in ganzem Umfang. Nur das eine, er war kein Kind von irgendeinem Römer. Er war der Sohn des Annaeus Modestus. Schamesröte schoss ihm ins Gesicht. Er dachte an seine Ankunft hier im Haus. Wie war er damals seinem Vater und in diesem Falle seiner Stiefmutter Duccia Sorana gegenüber getreten. Mit der Zeit, hatte er begriffen, dass sie nur sein bestes wollten. Jetzt war es zu spät, sich dafür bei seinem leiblichen Vater zu bedanken. Geblieben war ihm Duccia Sorana und ihre Unterstützung hatte er ohne zu zögern angenommen. Sie kannte seinen Vater und wusste was zu tun war um das Haus Annaeus nicht untergehen zu lassen. Rufus musste schnell lernen auf eigenen Füßen zu stehen. Ihm blieb keine Wahl, er musste seinen Weg finden, das Erbe seines Vaters in dessen Sinne fort zu führen. „ Ich würde lieber hier und jetzt vor ihm knien und ihn um Vergebung bitten, als diese Tabula in meinen Händen zu halten.“ Noch ein paar mal überflog er das Geschriebene. Was brachte es in ewige Trauer über die vertane Gelegenheit und den Tod seine Vaters zu versinken. „ Wir gehen gemeinsam zum Decimvir. Alles weitere wird sich nach seiner Entscheidung finden.“ Rufus klappte die Tabula zusammen. Sie war vielleicht in den nächsten Tagen wichtig.

  • Eldrid nahm die Hände ihres Stiefsohnes. „Es gibt keinen Grund sich zu entschuldigen. Er hat deine positive Entwicklung hier verfolgt. Du hast ihn überrascht, wie schnell du doch gelernt und gemerkt hast, was für dich am Besten ist. Nun liegt es bei dir sein.. nein dein Erbe fortzusetzen und dafür zu sorgen, dass der Name Annaeus auch weiter hier in Rom bekannt bleibt.“ Sie drückte nochmals mütterlich-freundschaftlich seine Hände. „Ich begleite dich natürlich gern. Aber jetzt hätte ich gern ein Bad und du wirst verstehen, dass ich mich etwas von der Reise erholen muss.“ Ja auch an Eldrid waren die letzten Wochen nicht spurlos vorübergegangen. Sie wollte sich jetzt etwas zurückziehen. „Wie sehen uns später beim Abendessen?“ Ja sie hatte mit ihrem Mann die Tradition gehabt am Abend gemeinsam den Tag ausklingen zu lassen und warum sollte man dies nicht fortsetzen? Dort konnte man dann auch besprechen welche Schritte als nächsten getan werden müssten.

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