Ein Leben beginnt

  • Vor ungefähr zwei dutzend Jahren nicht ganz einen Mond nach der Wintersonnwende in einem kleinen galatischen Dorf nicht weit vom Halys entfernt im hintersten Winkel des Imperiums


    Ein Schrei zerriss die Stille. Eilige Schritte erklangen mit dumpfem Geräusch auf dem gestampften Lehmboden. Es waren die Schritte der Frauen des Dorfes, die sich um eine der Ihren mühten. Es war eine schwierige Geburt, das Kind lag mit einsetzen der Wehen nicht richtig und was sie auch unternahmen schien erfolglos. Einzig die wehen hemmenden Kräuter verschafften ihnen etwas Zeit. Und nach schier endlosen Stunden konnten sie die Geburt einleiten. Doch damit nicht genug, hatte sich die Nabelschnur um den Hals des Kindes gelegt. Doch dieses Problem konnte gelöst werden und der kleine männliche Wurm tat seinen ersten Schrei, kaum, dass er dem Mutterleib entschlüpft war.
    Ein alter Mann betrat kurz darauf den Raum und brachte mit einem kurzen Satz im Befehlston die Frauen zum Schweigen, die ihn hier nicht sehen wollten. Er war der Vater der Kindsmutter und einst ein großer Krieger gewesen. Er kniete sich an das Lager seiner Tochter, küsste sie auf die Stirn und munterte sie auf. Doch sie hörte ihn kaum noch und hatte kaum die Kraft ihm einige zuzuflüstern. Er erhob sich und nahm seinen Enkel, trug ihn ins Freie und hob ihn gen Himmel. Er sprach einige segnende Worte und gab dem Jungen seinen Namen: Catubodus. Nach einer Göttin, die den Krieger vielfach geleitet und beschützt hatte. Zwar war er stolz auf seinen Enkel, doch in die Freude mischte sich die Sorge um seine Tochter. Sie hatte nicht gut ausgesehen und auch der Kleine versprach nicht unbedingt ein großer Krieger zu werden. Er war erschreckend schmächtig und nur die Götter konnten wissen ob er zum Manne reifen würde.
    Der alte Mann, der den Kreis der anwesenden Dorfgemeinde um fast einen Kopf überragte übergab das Kind dem Mann, der sich neben ihn gestellt hatte. Es war sein Schwiegersohn und ein geübtes Auge konnte erkennen, dass er ihn nicht sonderlich mochte. Nun würden noch einige Zeremonien folgen, doch der Alte hatte mit alldem nicht viel am Haarband. Er hatte sich den Göttern meist auf dem Schlachtfeld am nächsten gefühlt.
    Er wandte sich ab und wollte eben zu seiner Tochter zurückkehren als einige der Frauen mit betretener Miene aus der Hütte traten. Ohne sie fragen zu müssen zerriss es ihm das Herz. Er wusste was geschehen war und am liebsten hätte er laut losgebrüllt und etwas zerschlagen. Doch das hätte die Zeremonien gestört und er hatte genug Anstand und Würde, den Glauben der anderen zu respektieren. Außerdem wollte er kein schlechtes Omen für seinen Enkel heraufbeschwören, schließlich würde er keinen weiteren haben. Er unterdrückte so gut er es vermochte seine Gefühle und trat den Frauen entgegen. Eine wollte ihn ansprechen, doch sein Blick scheuchte sie allesamt davon. Erneut kniete er bei seiner Tochter und ein paar Tränen rannen seine Wangen hinab. Was sollte nun werden? Seine Tochter war das Bindeglied der Familie gewesen und nun? Sein Schwiegersohn und er konnten sich auf den Tod nicht riechen und ließen das einander spüren. Und wer würde sich um das kleine Bündel Mensch kümmern, das gerade draußen wieder bemerkbar machte? Diese Fragen mischten sich in seine Trauer, die dann die Oberhand gewann und ihn in sich zusammensinken lies.

  • Ein paar Jahre später


    Leise plätscherte das Flüsschen, das in einen Nebenfluss eines Nebenflusses eines Nebenflusses des Halys mündete dahin. Nur ab und an unterbrochen von dem Geräusch eines Steinchens das jemand hinein warf. Obwohl der Sommer erst heraufzog, war es wohl schon warm genug, das die Person bald darauf mit den nackten Füßen im Wasser herum planschte. Das waren für einige Zeit die einzigen Geräusche die man vernahm, denn das kleine Dorf im Hintergrund trug kaum zur Geräuschkulisse bei.
    Doch dann konnte man leise Schritte vernehmen und jemand setzte sich neben das Mädchen, das sich nach der vormittäglichen Hausarbeit hier die Zeit vertrieb. Es war ein Junge der etwa ihres Alters zu sein schien, doch eigentlich fast ein Jahr älter war. Zu seinem Glück war das Dorf zu klein um eine allzu große Kinderschar vorzuweisen. Sonst wäre er wohl öfter wegen seiner geringen Größe geärgert worden.
    Das Mädchen blickte ihn an und ohne den Blick zu erwidern antwortete Catubodus auf ihre Frage:
    "Ja, Gwenda. Vater und Großvater ham’ sich mal wieder gestritten. Ich glaub mal wieder wegen den Römern. Wer oder was immer die sein mögen."
    Er hatte augenscheinlich noch kaum Interesse an den Angelegenheiten und Problemen der Erwachsenen. Etwas anderes beschäftigte ihn viel mehr. Doch zunächst lenkte er etwas ab:
    "Langbein mach ich irgendwann noch fertig. So wie Großvater in seinen Geschichten."
    Langbein war sein erklärter Feind. Er war im selben Mond geboren und schikanierte ihn wo er konnte. Catu scheute durchaus nicht vor einer wirklichen Konfrontation zurück, doch sein Großvater hatte es ihm verboten sich zu prügeln: "Wenn du die Hand gegen einen anderen erhebst, dann um ihn zu töten. Hast du das nicht vor, dann lass es ganz bleiben."
    Das waren die Worte gewesen, die sie zu hören bekamen, als man sie bei ihrer ersten und einzigen Rauferei getrennt hatte. So hatte es zwischen ihnen nie eine Entscheidung gegeben und Catu lies eine Provokation nach der anderen über sich ergehen.
    "Ja, ich weiß…."
    Der Blick der ihn traf war nun leicht strafend geworden, das spürte er, während er weiter in das Wasser starrte. Gwenda sprach nicht viel und das war auch nicht nötig. Sie verstanden sich auch so. Hoffentlich würde er einmal bei den Leibes- und Kampfübungen, die sein Großvater mit den Jungen abhielt mit Langbein zusammentreffen, dann würde er dem und Gwenda und allen übrigen klar machen, dass er der Enkel seines Großvaters war.
    Nach einer längeren Pause sprach er aus was ihn beschäftigte:
    "Vater geht diesen Sommer wieder einige Zeit in die Berge zur Jagd … und er will mich mitnehmen."
    Das bedeutete ihm viel, denn die Jagd war eine der wenigen Sachen, die er gerne mit seinem Vater teilte. Er hatte ihn einige male begleitet aber noch nie den Sommer über und nun, da er seinem elften entgegensah konnte er es kaum erwarten. Nur Gwenda würde er für einige Zeit nicht mehr sehen.
    Nun endlich sah er sie direkt an und siehe da, sie freute sich für ihn. Schweigend saßen sie nebeneinander an dem kleinen Flüsschen im hintersten Winkel des Römischen Reiches, bis Gwenda aufstand, Catubodus ein Küsschen auf die Wange drückte und unter seinem verwirrten Blick mit einem glockenhellen Lachen zum Dorf zurücklief. Der arme Junge hingegen wurde von einer ganzen Welle neuer Gefühle überrollt von denen er nicht wusste wie er mit ihnen umgehen sollte.

  • Einige Monde später


    Eifrig rupfte die junge Bergziege das schüttere Grün aus dem Boden. Sie hatte sich ein wenig von der Herde entfernt. Ein Fehler den zu bereuen sie keine Zeit haben würde. Denn sie näherte sich versehentlich einem jungen Jäger, der nach einigen vergeblichen Versuchen, sich ein Tier aus der Herde zu schnappen nun endlich zum Erfolg kommen wollte und daher mit voller Konzentration bei der Sache war. Mit einem leisen "tsing" verließ der Pfeil die Sehne des Bogens.
    Die Waffe war der ganze Stolz des Catubodus, denn sie war ein Geschenk seines Großvaters zu seinem ersten Jagdsommer, obwohl er den Beruf seines Schwiegersohnes stets missachtete. Er hoffte sein Enkel würde einen anderen Weg einschlagen, einen wie den eigenen beispielsweise. In seinen jungen Jahren war er Krieger und Söldner gewesen und es war ein ruhmreiches Leben gewesen. Doch was er sich von seinem Enkel wünschte konnten nur die Götter gewähren. Wenn er jedoch seinem Vater folgen sollte, nun gut. Auch wenn das ein weiterer Grund für seine Abneigung gegen seinen Schwiegersohn war.
    Mit der jungen Wildziege auf dem Rücken machte sich Catubodus auf den Rückweg zu der kleinen Kate, die sein Vater und er nun schon den Sommer über bewohnten. Wer war dieser Mann, sein Vater? Irgendwie sah er anders aus als alle anderen Bewohner. Catu konnte es nicht konkret benennen, doch sein Vater war anders und das mochte einer der Gründe sein, warum Großvater ihn nicht mochte. Aber niemand im Dorf sprach darüber.
    Ein weiterer Grund für den Zwist zwischen den beiden war der immense Statusunterschied zwischen den Beiden. Während Catubodus Vater fast schon am Rande der Gesellschaft stand und nur für die Verhandlungen mit den fremden Händlern wichtig zu sein schien, war sein Großvater einst ein mächtiger Krieger gewesen und genoss als ehemaliger Kämpfer der Gaesatae hohes Ansehen. Und nicht zuletzt drohte dieser Dahergelaufene stets Catubodus zu verderben, nicht zu vergessen, dass er die Schuld am Tod der einzigen Tochter trug. Es war nicht leicht gewesen eine Amme für den Kleinen zu finden, doch es war gelungen und diese Frau führte mittlerweile den Haushalt, während der Alte die Kinder des Dorfes beaufsichtigte und in so manchem unterwies.
    Catus Vater wohnte auch in der kleinen Hütte, floh jedoch jeden Sommer in die Berge um im Herbst wieder eingelegtes und getrocknetes Fleisch an die Händler verkaufen zu können. Er mochte seine Arbeit, auch wenn er früher eine Andere gehabt haben mochte und nicht unbedingt zum Jäger geboren war. Sein Talent reichte jedoch zum Leben aus und er führte seinen skytischen Bogen wenn schon nicht mit großen Geschick, so doch mit einigem Stolz. Doch gegen das Langschwert des Alten, das der wohl kostbarste Besitz der Familie war hätte ihn wohl jeder getauscht. Der Reichtum oder die Abwesenheit desselben war für Catubodus jedoch nicht von Interesse. Vielmehr machte er sich Sorgen um das Verhältnis zwischen seinen Verwandten. Lange würde das nicht so weitergehen, dass wusste er, aber wie würde es weiter gehen?
    Als schließlich die Kate in Sichtweise kam vertrieb er die trüben Gedanken und freute sich stattdessen auf das Lob seines Vaters für seine erste erfolgreiche Jagd allein.

  • Ein paar weitere Jahre später


    Mühsam schwankte der junge Bräutigam in den frühen Morgenstunden zu dem neuen Haus, das für seine am vorigen Abend geschlossene Ehe errichtet worden war. Nun wollte er sie vollziehen und das obwohl er nicht alt war, doch dafür war er alt genug. Er kannte seine Braut von Kindesbeinen an, sie war im selben Dorf aufgewachsen. Zu seinem Glück war ihre Familie jedoch aus einem anderen Stamm gekommen, sonst hätte die Dorfgemeinschaft der Ehe nicht zugestimmt. Ja. Es hätte auch so Widerspruch geben können, doch seine Familie hatte vorgesorgt und die Ehe arrangiert und ein Haus gebaut.
    Ja, es war ein Haus, denn als Sohn seines Vaters konnte man auf seinen eigenen Haushalt bestehen, wenn auch sonst das Ehepaar im Haushalt der Bräutigamseltern verblieb. Stolz schritt, oder schwankte der frisch vermählte seinem neuen Heim zu. Er hatte seinen langjährigen Konkurrenten ausgestochen, ja besiegt.
    Er kam gerade an einer Schweinepferch vorbei und rümpfte die Nase, als ihn ein Steinchen von irgendwoher traf. Es dauerte ein wenig, bis er diese Störung identifiziert hatte. Verflucht er hätte nicht so viel trinken sollen. Wieso traf ihn der Stein? Seit wann konnten Steine fliegen? Ängstlich sah er sich um, konnte jedoch nichts erkennen. Au. Schon wieder. Diesmal war das Steinchen etwas größer. Panik stieg in ihm auf. Da kam schon wieder ein Geschoß geflogen und noch eins. Er versuchte ihnen auszuweichen, stolperte und fiel. Direkt in die Suhle der Säue. Mit einiger Anstrengung quälte er sich aus dem Matsch und vernahm eine leise Stimme:
    "Du magst Sohn des Dorfvorstandes zu sein, Langbein, aber eigentlich gehörst du genau hier hin. Zu den Schweinen. Du wirst Gwenda nicht glücklich machen und das weißt du. Eines Tages vergesse ich mich und die Regeln eines Kriegers und das wird dein letzter sein."
    Mit diesen Worten wandte Catubodus ihm und dem Dorf den Rücken zu um zurück zu der Hütte seines Vaters zu gehen. Mittlerweile wohnten sie zu zweit etwas abseits des Dorfes und das auch nur den Winter über. Zwar bekam der Großvater noch ab und an Besuch von dem Jungen, doch sonst sah man ihn und seinen Vater kaum noch.
    Catubodus war verstört und wütend. Doch das schlimmste war, er wusste nicht auf wen. Wegen des Geheimnisses um seinen Vater hatte er nicht Gwenda heiraten können und sein Vater verweigerte ihm jede Erklärung. Auch der Alte wollte das Geheimnis nicht preisgeben.
    Er verstand es einfach nicht. Er hatte vierzehn Sommer erlebt und es schien ihm als wisse er weniger als zuvor. Alles fühlte sich falsch an, alles schmecke fad und auch das Jagdglück hatte ihm keine Erfüllung mehr gebracht. Seine Gwenda war verheiratet worden, als er mit seinem Vater den ersten längeren Ausflug des Jahres gemacht hatte. Kaum waren sie zurück, hatte die Haushälterin seines Großvaters die schreckliche Nachricht überbracht. Das Haus das im Dorf gebaut wurde war nicht für eine Familie von außerhalb gedacht und es war bereits der Abend der Vermählung. Catu war direkt weitergeeilt, doch zu spät gekommen, das Gelage hatte bereits begonnen und so hatte er sich seinen kleinen Plan zurechtgelegt, doch diese kleine Rache war wenig befriedigend.
    Vollkommen betäubt marschierte er nach Hause. Jetzt würde sein Vater mit ihm reden müssen. Dort angekommen traf er nur die Frau an. Sein Vater war wieder zur Jagd aufgebrochen. Fluchend schickte er beim Aufgang der Sonne seine ehemalige Amme zu seinem Großvater und kündigte seinen Besuch für den morgigen Tag an. Er würde seine Antworten schon bekommen. Noch immer fluchend begab er sich auf sein Lager und konnte doch lange nicht einschlafen.

  • Am folgenden Tag


    Die Hütte lagt außerhalb der Hör- und Sichtweite des Dorfes und das war gut so. Catubodus brauchte erstmal die Einsamkeit. Er hatte nicht viel vom Tag nach der unseligen Hochzeit gesehen, sondern das meiste verschlafen. Der eine grämte sich und ein anderer sah nichts vom Tag weil er seinen Rausch ausschlief. So stand er nun früher auf als Tags zuvor, aber doch um einiges später als sonst und erledigte, was es in der Hütte so zu erledigen gab, wusch sich und nahm seinen Dolch mit. Man konnte ja nicht wissen wie Langbein auf seinen Streich reagieren würde. Doch eigentlich ging er ja zum Dorf um sich bei seinem Großvater ein paar Antworten zu holen. Dies war nun dringend notwendig. Warum hatte ein Hinweis auf seinen Vater letzten Herbst seinen Antrag um Gwendas Hand abgeschmettert. Sein Vater kam von keinem der drei Stämme, soviel war klar, aber warum wollte der einfache Bauer, der der Vater von Gwenda nun mal war der Hochzeit nicht zustimmen. Da musste es noch mehr geben, viel mehr. Und das würde er heute in Erfahrung bringen.
    Je weiter er sich dem Dorf näherte, desto mehr spürte er dass etwas nicht in Ordnung war. War etwas geschehen? Ausgenommen der Tatsache, dass seine Angebetete seinen Erzfeind geheiratet hatte. Er drängte diesen traurigen Gedanken beiseite und da fiel es ihm wieder ein. Auf dem Rückweg, als er wie betäubt gewesen war hatte er etwas gehört aber nicht richtig wahrgenommen. Da war noch jemand gewesen, doch wer? Er ging einige Möglichkeiten durch und dann stieß er auf die einzig plausible: ein Späher. Ein Späher für eine Räuberbande, die noch immer die Berge unsicher machten. Man hatte lange nichts mehr von derartigen Vorkommnissen in der Gegend gehört, doch nun waren sie wieder da. Catu fiel in den Laufschritt und schon bald hatte er den Geruch in der Nase, der Geruch von Feuer, Blut und Verderben. Nun rannte er fast und blieb dann abrupt stehen, als er den Rauch sah, zu viele, zu dicke Rauchfahnen. Es musste in den frühen Morgenstunden geschehen sein, die Feuer waren fast alle weit heruntergebrannt, hatten viel ihrer Nahrung bereits erschöpft. Er erreichte die letzte Kuppe und der Anblick fiel etwa so aus wie er es erwartet hatte nur um etliche Leichen ergänzt, die überall herumlagen. Er schlug sich die Hände vors Gesicht und sank auf die Knie.
    „Warum?“
    Mühsam erhob er sich, er fühlte sich kraftlos und seine Glieder waren schwer wie Blei. Schritt für Schritt quälte er sich voran. Zunächst zu seinem Großvater. Dieser war wohl trotz seines hohen Alters gerade mit Holzhacken beschäftigt gewesen. Er lag hinter dem Haus, die Axt noch in Händen und drei Banditen lagen um ihn herum. Jeder mit mindestens einer klaffenden Wunde versehen. Catubodus wischte sich die Tränen aus den Augen und konnte an seinem Großvater nur die tiefe Wunde eines Stiches entdecken. Von Hinten! Ein alter Mann und die eigen Toten hatten sie einfach zurückgelassen. ruchlose Mörder und Brandschatzer. Catubodus blickte in das Gesicht seines Großvaters und er las darin verwundert eine Gewisse Befriedigung. Sein Großvater wahr nun endlich im Kampf gestorben. Er hätte es wohl einen guten Tod genannt.
    In der Hütte sah es nicht gut aus. Alles war durcheinander geworfen und zerbrochen. Doch das wertvollste war ihnen entgangen. Mit zwei Handgriffen holte Catu das Schwert aus dem Geheimversteck und schwor, dass die Klinge nach langen Jahren bald wieder Blut schmecken würde.
    Noch einen weiteren Gang musste er nun tun. Ein Gang, der nicht minder schwer war als der letzte. Er musste zu Gwenda, jetzt. Und er fand sie, leblos und geschändet. Sein Herz wurde zu Stein an diesem Tag an dem das Positivste war, dass Langbein ein besserer Kämpfer als Kerl war und wenigstens bei der Verteidigung Gwendas auch zwei Gegner ins Jenseits geschickt hatte.
    Es schien auch insgesamt so, als hätten die Banditen verhältnismäßig viele Verluste erlitten. Das ständige Training an den Waffen, das Großvater organisiert hatte war wohl erfolgreich gewesen, wenn man das in anbetracht der aktuellen Lage so sagen konnte. Warum hatten sie den Angriff denn nicht abgebrochen? Rätsel über Rätsel.

  • Ein halber Mond später


    Zwei Wochen hatte er im Dorf verbracht um Die Leichen nach Kräften zu bestatten. Er war weder zurück zur Hütte, noch war sein Vater aufgetaucht. Aber das hatte er auch nicht erwartet. Sein Vater war ihm fremder geworden als je zuvor, dennoch würde dieser ihn finden, wenn er das wollte. Auch wenn er Nacht für Nacht in Sichtweite des Dorfes schlief, doch weit genug entfernt und auf der Windseite, um nicht ständig den Geruch in der Nase zu haben, der mittlerweile allerdings das gesamte Tal zu erfüllen schien. Die Buddelei betäubte wenigstens seinen Schmerz und seine Trauer ein Wenig. Als die Dorfbewohner unter der Erde waren schichtete er die gefallenen Feinde auf einen Haufen und zündete diesen an. Er wartete nicht bis dieser Brand sich wieder legte, sondern machte sich umgehend auf den Weg zur Hütte. Er hatte genug Zeit gehabt um sich einen Plan zurechtzulegen. Bevor er sich an die Begräbnisse gemacht hatte, war er der Spur der Banditen gefolgt und er hatte ihr nicht weit folgen müssen um zu wissen in welchem Tal sie hausten und jetzt war es Zeit ihnen einen Besuch abzustatten. Ausgerüstet mit der Schwert des Großvaters und dem besten Schild der im ganzen Dorf noch aufzutreiben war brach er auf.
    Zurück an der Hütte betrat er dieselbe und entdeckte seinen Vater schlafend auf dem Lager. Aber entgegen seinem ersten Impuls weckte er ihn nicht auf. Es musste schließlich einen triftigen Grund dafür geben, wenn sein Vater um diese Uhrzeit schlief. Also ging er zunächst an den kleinen Bach um sich von Schweiß, Ruß, Blut und Dreck zu befreien. Es war eine langwierige Prozedur, doch nachdem er sie abgeschlossen hatte wusste er genau wie er seinen Vater ansprechen wollte.
    Zurück in der Hütte trater zu ihm hin und wunderte sich. Warum war er denn noch in voller Jagdmontur? Der linke Arm mit dem Unterarmschutz hing schlaff und irgendwie unnatürlich aus dem Bett. Eine dunkle Vorahnung beschlich ihn und ohne seinen Vater zunächst anzustoßen drehte er ihn auf den Rücken. Der Körper war noch warm, aber doch zu kalt. Die Kehle war aufgeschlitzt und das Lager darunter war voller Blut. Unter normalen Umständen hätte er sich wohl übergeben, doch er war den Anblick nun schon fast gewohnt und seinen Magen hatte er in den letzten Wochen wahrlich oft genug entleert.
    Also holte er tief Luft für einen Markerschütternden Schrei. Den er nicht ausstieß. Langsam entließ er die Luft seinen Lungen. Man hatte seinen Vater an Ort und Stelle getötet, denn sonst war in der Hütte nirgends Blut zusehen. Womöglich hatte er tatsächlich geschlafen. Catubodus ging in die Knie und untersuchte den Boden. Tatsächlich war hier weder Blut noch Spuren einer Reinigung zu erkennen. Aber an der Wand hinter dem Bett sah er was. Tatsächlich. Blut. Aber in einer Höhe wohin es nicht gelangen Konnte, hatte man einen auf dem Bauch schlafenden ermordet. Also war er im Bereich des Bettes getötet, dann aber hingelegt worden. Und das nicht lange bevor er nach hause gekommen war. Womöglich hatten die Mörder gewartet, bis er mit der Arbeit im Dorf fertig gewesen war. Und tatsächlich. Die Handgelenke verrieten ihm, dass sein Vater längere Zeit gefesselt worden war. Wenn sich alles so zugetragen hatte, waren sie bestimmt noch da draußen und warteten nur darauf, dass er die Freveltat bemerkte um auch ihn zu ermorden. Fieberhaft überlegte er was er tun sollte. Bestimmt hatten sie die Tür im Auge und irgendwann würden sie sich wundern und die Hütte auch ohne sein Zutun stürmen. Glücklicherweise hatte der Übervorsichtige Großvater, der beim Bau sonst nichts zu sagen gehabt hatte darauf bestanden eine Fluchtmöglichkeit anzulegen. Fluchend stellte Catu fest, dass er Schwert und Schild vor der Hütte hatte stehen lassen. Doch der Skytenbogen des Vaters hing an seinem Platz. Mit diesem, den Pfeilen und einigen Kleinigkeiten, sowie seinem Dolch und dem kleinen Waidmesser kroch er durch den engen Tunnel, der unter seinem eigenen Bett begann und in einem dichten und gewaltigen Busch hinter der Hütte endete.
    Vorsichtig sah er sich um und schlich dann zu Rand der kleinen Lichtung auf der die Hütte stand. Kaum hatte der Wald ihn verschluckt kletterte er auf einen Baum, suchte sich eine stabile Position und beobachtete die andere Seite der Lichtung. Sein Vater hatte ein Gutes getan ihn das intensive beobachten trainieren zu lassen, denn seine Augen wurden wohl langsamer müde als die seiner Gegner. Zu dritt, kampfbereit näherten sie sich der Hütte. Catubodus wollte eben die Sehne spannen und das Feuer eröffnen, als er zwei weitere Männer Erkannte, die mit gespannten Bögen nun ebenfalls die Lichtung betraten. Die konnten ihm gefährlicher werden. Also die zuerst. Er spannte die Sehne und hoffte, dass er die Zugkraft richtig einschätzte. Er war mit diesem Bogen nicht allzu geübt, sein eigener war ihm angenehmer, da er nicht so viel Kraft erforderte. Doch der lag in der kleinen Lagerkammer neben der Hütte.
    ’tsing’ Und schon ragte ein Schaft aus dem Hals des einen Bogenschützen. Der zweite trug keine Lederrüstung weshalb er als zweiter af der Liste stand. Bis dieser an dem Geräusch neben ihm bemerkt hatte, was geschehen war und nun nach dem Schützen Ausschau hielt war auch er mit einem Pfeil geschmückt, der seinen Oberkörper zierte. Sein Schrei alarmierte die drei Nahkämpfer, von denen einer den Fehler machte sich komplett herumzudrehen und ohne die Deckung seines Schildes war er ein leichtes Ziel. Blieben noch zwei. Einer lies Schild und die Keule die er trug fallen und schien zu fliehen. Blieb noch einer. Der allerdings deckte sich auf seinem Rückzug zu gut mit seinem Schild, das bald mit drei Pfeilen gespickt war. Zu spät erkannte Catubodus seinen Fehler. Der andere war nicht geflohen, sondern hatte sich einen Bogen geschnappt und wurde nun von seinem Kameraden gedeckt. Denn damit war er all seiner Vorteile beraubt. Der Überraschungsmoment war verflogen, die Äste boten nur unzureichend Deckung und fliehen war aussichtslos. Als er dies erkannte begann er panisch einen Pfeil nach dem anderen auf die Reise zu schicken und so hatte er gerade seinen letzten Pfeil auf der Sehne, als einer der wenigen Pfeile die ihm entgegen kamen seine Wade durchbohrte. Er schrie vor Schmerz auf, der Pfeil löste sich und stieg in den Himmel empor. Catu griff sich an sein Bein, verlor den Halt und fiel. Zwar bremsten die Äste seinen Sturz, doch der Aufprall war hart, sehr hart.

  • Noch in der selben Nacht


    Der fahle Schein des Mondlichtes wurde von einem Lagerfeuer durchbrochen, an welchem einige Gestalten saßen und sich leise unterhielten. Am Rande des Lichtkegels, den das prasselnde Feuer verursachte konnte man Gestalten erkennen, die in die Nacht hinausblickten. Insgesamt war der Lagerplatz ziemlich unordentlich. Die Pferde waren Verstreut im ganzen Lager angepflockt und die Überreste des noch nicht lange zurückliegenden Mahles lagen unweit des Feuers herum. Ein wenig abseits der Gruppe am Feuer schliefen augenscheinlich einige Kameraden schon und einem verschnürten Bündel war ein Platz zwischen den beiden Gruppen zugedacht worden. Das Bündel war Catubodus der nun stöhnend wieder zu sich kam.
    Das erste was er nach seiner Bewusstlosigkeit wahrnahm war der metallische Geschmack von Blut in seinem Mund. Alles schmerzte. Er verzog das Gesicht und stellte fest dass die linke Hälfte desselben von verkrustetem Blut bedeckt war. Er wollte mit den Händen die Ursache finden, doch etwas hinderte ihn daran. Ein Seil. Er war gefesselt. Diese Tatsache erforderte eine genauere Prüfung der Situation. Er lag auf der linken Schulter mit den Händen auf dem Rücken. Vorsichtig blickte er sich um und die Szenerie erinnerte ihn daran was in letzter Zeit geschehen war. Die Wut stieg in ihm auf als er die Männer als die Mörder seines Dorfes erkannte. Sie waren gleich gekleidet wie die Zurückgelassenen, die er verbrannt hatte. Dann begann er sich über sich selbst zu ärgern und seinen unüberlegten Angriff zu verfluchen.
    Als sich sein Groll verzogen hatte bemühte er sich, die bärtigen Männer zu verstehen, doch sie sprachen nicht seine Sprache. Er zuckte zusammen, als einer der Männer auf ihn zeigte und dabei etwas lauter wurde als sie sonst sprachen. Doch er hatte nicht bemerkt, dass Catu zu sich gekommen war. Das Mondlicht und das Feuer beleuchteten ihre Gesichter und er vermutete, dass der angesprochene einer der Männer von er Hütte war. Er hatte zumindest das selbe breite Gesicht mit der dicken Nase. Er lauschte weiter, auch wenn er nichts verstand. Der andere schien der Wortführer und der Chef der Bande zu sein und sich darüber zu ärgern, dass er schon wieder unnötig Männer verloren hatte. Bei dem Gedanken musste Catubodus unwillkürlich grinsen, doch es gelang ihm nur eine schmerzerfüllte Grimasse. Vorsichtig brachte er sich in eine angenehmere Position und lauschte weiter, doch er konnte nichte wesentliches mehr beobachten. Dann begann sich die Gruppe aufzulösen und Catu mimte den Bewusstlosen, wenn sie auf ihrem Weg zum Schlafen an ihm vorübergingen.
    Mühsam unterdrückte er einen Schmerzenslaut als der gescholtene ihm im Vorbeigehen einen Tritt versetzte. Zuletzt begab sich auch der Anführer zur Ruhe und Catu hörte schon bald ein vielstimmiges Schnarchkonzert. Nun war es Zeit sich um eine Flucht zu bemühen. Er hatte schon festgestellt, dass wer immer ihn gefesselt hatte, sich verschätzt hatte oder Nachlässig gewesen war. Seine Handfesseln waren zwar nicht gerade lose, aber hatten doch nicht genug Spannkraft um nicht mit einigem ziehen und zerren gelöst werden zu können. Seine Schmalen Hände taten ihr übriges dazu. Bei seinen Füßen sah das schon anders aus. Der Knoten wollte sich auch mit freien Händen nicht lösen lassen. Doch eine weitere Unachtsamkeit kam ihm zu Hilfe. Sie hatten ihm zwar seinen Dolch abgenommen, doch das kleine Messer, das längs hinter dem Gürtel verborgen war - eigentlich um bei der Jagd nicht hinderlich zu sein - hatten sie übersehen. Er kramte es mit steifen Fingern im Nu hervor und Augenblicke später hatte er sich gänzlich befreit.
    Am liebsten hätte er sich nun ganz in der Art seines Großvaters auf die Räuber gestürzt, doch er nahm sich vor, diesmal etwas mehr Zeit auf die Planung zu verschwenden. Vorsichtig bewegte er sich durch das Lager und fand schon bald seine Habseligkeiten. Alles war da. Schwert, Schild, der Bogen, der Dolch und der Kleinkram, den er aus der Hütte mitgenommen hatte. Er raffe alles zusammen und schlich sich an der Stelle aus dem Lager, an dem die Wachen am weitesten voneinander entfernt waren. In sicherer Entfernung sah er sich erstmal genauer um. Er kannte die Hügel und Berge noch immer, aber es war noch nicht das Tal wo er die Basis der Banditen vermutete. Es war ihnen wohl zu spät geworden um direkt dorthin zurückzukehren. Sorgfältig legte er sich einen Plan zurecht. erst mussten die Wachen weg und das geräuschlos, dann die Schlafenden, ebenso leise. Nur der Anführer, den würde es als letzten kosten und das würde laut werden. Sorgfältig bereitete er sich vor, beobachtete die Wachen lange und aufmerksam und als er den richtigen Moment für gekommen hielt setzte er um was er sich vorgenommen hatte.

  • Unwesentlich später


    In unregelmäßigen Abständen wechselten die Wachen des Lagers, das im Ganzen noch an die Zwanzig Männer umfasste ihre Positionen. Bald schon würden sie sich abwechseln lassen. Alles in allem war es eine ereignislose Nacht. Lediglich das Heulen eines Schakals war ab und an zu höre, sonst war alles ruhig. Den Gefangenen zu bewachen hatte man nicht für nötig gehalten, schließlich war der doch noch nicht mal dem Knabenalter entwachsen. Nichts desto trotz hatte er ihnen drei Männer gekostet und das nachdem ihr Überfall auf das kleine Dorf ihnen nicht viel mehr als einige Vorräte gebracht und zu viele Männer gekostet hatte. Nicht zu vergessen dass die Nummer zwei der Bande auf dem Rückmarsch vom letzten Beutezug unbedingt noch den Jäger und dessen Sohn tot sehen wollte. Wozu dazu die ganze Bande hatte eine Pause unweit des eigenen Unterschlupfs hatte einlegen müssen war allen Wachen ein Rätsel, doch sie nahmen es hin. Zu lange waren sie schon Teil dieser Bande um noch irgendeine Entscheidung in Frage zu stellen. Bisher waren sie ganz gut mit ihrem Anführer gefahren und hatten ordentlich was gehortet und alles in allem ganz gut hier in den Bergen gelebt. Auch der neuerliche Beutezug hatte seine Fähigkeiten wieder unter Beweis gestellt.
    Unbemerkt von den beiden anderen war eine der Wachen nicht länger unter den Lebenden. Ein Pfeil aus kürzester Distanz hatte ihn getötet und ehe er auf dem Boden verräterische Geräusche machen konnte hatte Catubodus ihn mühsam aufgefangen und stand nun mit hängendem Kopf auf einen gegabelten Ast gelehnt in einem dünnen Busch der ihn gerade hielt.
    Dem zweiten ging es ähnlich, nur dass er sich an einen Baum gelehnt wiederfand, allerdings mit ebenso hängendem Kopf. Blieb noch eine Wache übrig. Dieser stützte sich an einem großen Stein ab und blickte in die Nacht hinaus, als sein Kopf an der Stirn zurück gerissen wurde der kalte Stahl von Catubodus Dolch ihm die Kehle aufschlitzte. Das war Catus erster kaltblütiger Mord an einem Menschen, gewissermaßen Auge in Auge und sein Magen verkrampfte sich als er den toten Körper angestrengt an den Fels gepresst sachte zu Boden gleiten lies. Er schluckte ein paar mal um den Schalen Geschmack loszuwerden und zu sich zunächst zurück.
    Bisher war es verdammt gut gelaufen. Nun standen die Schlafenden auf dem Plan. Aber ging er kein zu großes Risiko ein? Wenn nur einer Erwachte war es aus mit ihm und er bewegte sich nicht so geschmeidig wie sonst, denn er hatte länger nichts gegessen und sein Körper schmerzte noch immer. Auch hatte die Wunde an seinem Kopf wieder begonnen zu bluten, wenn auch nur leicht. Ärgerlich befühlte er sein verquollenes Gesicht. Augenscheinlich hatten sie nach seinem Sturz sein Gesicht gesondert mit ungeteilter Aufmerksamkeit bedacht. Unwillkürlich musste er an Gwenda denken. Obwohl sie sie geschändet hatten schien sie keine Träne vergossen zu haben und in ihren toten Augen hatte er nur Verachtung gelesen, Verachtung für ihre Peiniger. Sie zu rächen war jedes Risiko wert, jedes. Großvater, Vater und das restliche Dorf nicht zu vergessen. Grimmig änderte er seine Ausrüstung und schritt erneut zur Tat.

  • Kurze Zeit später


    Lange schon hatte er diese Räuberbande geführt, vielleicht schon zu lange. Er machte sich Sorgen. Lange würde er wohl nicht mehr unangefochten die Führung inne haben, schließlich begann er das aus schmerzhaften Fehlern gelernte zu vergessen. Vor vielen Jahren hatte er bereits ein Galatisches Dorf überfallen, doch schon damals war das weniger leicht gewesen als eine Karawane zu überfallen. Nur hatten diese sich zunehmend um Schutz bemüht und sich immer weiter auf wenigen Routen zusammengedrängt. Und dann waren da noch die Römer, die unbarmherzig Jagd auf die Banditen machten, seit sie die Herren dieses Landes waren. Blieben nur noch Siedlungen von Armeniern und anderen Völkern, die nicht ganz so wehrhaft waren wie die galatischen oder eben ungeschützte Karawanen auf Abwegen. Doch diese wurden immer seltener. Hätten sie nicht eben eine solche gefunden, wer weiß ob sich dann nicht seine rechte Hand schon an die Macht geputscht hätte. Gerade nach diesem wenig erfolgreichen Überfall vor zwei Wochen. Nicht umsonst hatte er seine treuesten Gefolgsmänner in den letzten Wochen vermehrt als Wachen aufgestellt und selbst diese in stehts wechselnden Konstellationen. Er würde alles tun, damit sein Kopf nicht schon bald im Staube liegen würde. Ein weiteres Ärgernis war diese sinnlose Aktion mit deren Ergebnis sie sich nun abplagten. Sein Stellvertreter hatte unbedingt auch die letzten zum Dorf gehörenden Personen beseitigen wollen, 'um keine Zeugen zu hinterlassen'. Er und die vier Getreuen, die er dazu mitgenommen hatte wären bei dem Beutezug vor einigen Tagen durchaus nützlicher gewesen und nun hatte er auch noch einen Gefangenen mitgebracht von dem keiner wusste was aus ihm werden sollte. Statt seiner hätte der Anführer lieber die drei Männer wiedergesehen, die bei dieser Gelegenheit verloren wurden. An den Knaben auch noch. Von einem Kind getötet!
    Von derlei Gedanken geplagt schlief er ziemlich unruhig und es war so als wolle sein Unterbewusstsein ihn warnen, das um ihn herum etwas vorging was nicht in Ordnung war, doch diese Information drang nicht in sein Bewusstsein vor. Erst als ihn etwas traf, schreckte er aus dem Schlaf auf und blickte sich um. Auf den ersten Blick schien alles normal, doch dann sah er eine aufgeschlitzte Kehle, dann noch eine. Erschüttert stand er auf und sah sich panisch um. War das der Putsch? Doch nein, auch sein Unterführer lag da, ebenso mausetot. Wer hatte das getan? Erneut traf ihn ein Steinchen und als er in die Richtung sah aus der dieser geflogen war sah er dort nicht, so sehr er auch die Augen zusammenkniff. Das herunter gebrannte Feuer war zu hell und lag zu nah an der Richtung um daneben jemanden zu sehen. Eilig ergriff er sein Schwert, das er als Zeichen seiner Anführerschaft trug. Anführerschaft? Sein Lebenswerk war zerstört, alle seine Kameraden getötet. Der Schreck wich blanker Wut und er griff nach seinem Schild. Doch der war nicht zu finden. Egal. Wer auch immer das getan hatte würde dafür büßen. Beherrscht trat er am Feuer vorbei und seine Augen gewöhnten sich allmählich an das wenige Licht, dass ihn der Mond spendete.
    Im ersten Moment konnte er nichts ungewöhnliches erkennen, doch dann sah er einen Schuld, der scheinbar aufrecht aus dem Boden ragte. Urplötzlich bewegte er sich, wurde es zur Seite gerissen und eine Gestalt wurde sichtbar. Im Grunde schien sie ein Mensch zu sein, wenn auch ein gänzlich nackter mit heller Haut die mit dunklen Linien und Mustern übersät war. Anstelle von Haaren schien dieser Dämon grausame Stacheln zu haben und ein Schwert blitzte in dessen Hand auf. Der Dämon riss das Maul auf und brüllte:
    "Ofrail daobse atan se, Catubodua.*"
    Erst als die Gestalt ihn schon fast erreicht hatte, erkannte er wen er da vor sich hatte und erwachte aus seiner Erstarrung. Es blieb noch genug Zeit für einen prüfenden Blick und tatsächlich. Da wo der Knabe hätte liegen sollen war nur der blanke Boden zu sehen. Mit einem wütenden Knurren trat er Catubodus entgegen.



    *um die Anlautmutation für alle passenden Laute, sowie die Akzente beraubtes gälisches Irisch (dank an Bridhe): Ein Opfer für dich Catubodua (Catubodus Namenspatronin und bevorzugte Göttin seines Großvaters)

  • Direkt im Anschluss


    Es war zunächst beileibe nicht leicht gewesen, doch Catubodus hatte sich die Ratschläge seines Großvaters zu Herzen genommen und es war ihm nicht schwer gefallen darin den dunklen Abgrund des Rachedurstes zu finden. Aus ihm beschor er den blanken Hass, der es ihm ermöglichte ein Leben nach dem anderen zu beenden. Natürlich war ihm auch die Erinnerung an Gwenda eine tatkräftige Hilfe gewesen. Während er seine grausige Tat vollbrachte spürte die kühle Nachtluft nicht auf seiner nackten Haut. Die Schmerzen waren merkwürdig verflogen und zugleich nahm er alles, was ihm Augen, Ohren und Nase meldeten ungleich intensiver war. Er spürte sein wallendes Blut bis in die letzten Äderchen, doch all dies lenkte ihn in keinster Weise ab, ebenso wenig wie die scharfen Steine, auf die er unablässig treten musste.
    Nicht nur deine Sinne waren auf eigenartige Weise betäubt und konzentriert zugleich, sondern auch sein Herz und seine Seele befanden sich in einem höchst eigenartigen Zustand. Neben Zorn, Wut und dem unbändigen unstillbaren Verlangen nach Mord und Rache war alles andere weit, weit in den Hintergrund zurückgetreten. Ohne diesen Zustand wäre es ihm wohl möglich gewesen zu tun was er getan hatte und der wahnwitzig-tollkühne Angriff hätte sich schon wegen der Disproportion der Kräfte von selbst verboten. So aber fühlte er sich stark genug, dem Gegner, der ihm an Stärke und Erfahrung weit überlegen war offen entgegen zu treten.
    Dieser hatte sich allerdings von seinem Schrecken erholt und schlug nun mit seinem rechtshändig geführten Schert auf ihn hinab. Catubodus wich nach rechts aus und hob den Schild, der ihm als einziger eindeutiger Vorteil geblieben war. Doch dieser Vorteil erwies sich umgehend als äußerst trügerisch. Der Winkel, mit dem das Schert auf das Holz traf, das seine besten Tage schon vor langem gesehen hatte, war viel zu stumpf um die Klinge abprallen zu lassen und so fraß sich das Eisen tief in den Schild hinein. Catubodus nahm den Schwung des Schlages in seine Bewegung mit auf, drehte sich ein wenig, konnte jedoch nur einen leichten Schnitt in der Seite des Räuberhauptmannes anbringen.
    Catu nahm den Schmerz in seinem linken Arm zwar nicht bewusst wahr, lies ihn jedoch unwillkürlich fallen und der Schild krachte unsanft mit der Unterkante auf den Boden. Das war zu viel für das mitgenommene Stück und es brach entzwei. Catu warf den in seiner Hand verbliebenen Rest von sich und nahm seinen Gegner wieder ins Auge.
    Doch dieser setzte sofort nach und schlug erneut auf Catubodus nun ungeschützte linke Schulter ein. Nur ein umgehender Satz nach hinten hätte ihn beinahe vor der Klinge gerettet, doch er hatte ihn eine winzige Zeitspanne zu spät vollführt und so schrammte die Spitze der Klinge über sein Schlüssebein, bevor sie auf ihrem Weg eine kleine Kerbe in etlichen Rippen hinterließ. Zu seinem Glück blieb seine Bauchgegend verschont, doch einen Langen Kampf würde er keinesfalls überstehen, wenn die Wunder auch nicht tief war. Es blieb auch keine Zeit zu verschnaufen, denn sein Gegenüber setzte nun zu einem mächtigen, beidhändigen Schlag an. Er sollte sich zum letzten Mal verrechnet haben, den Catu war flinker als gedacht. Blitzschnell hatte er sich gefangen und ehe seines Gegners Waffe herabsauste hatte er ihm schon sein Langschwert in den Bauch gerammt. Mit beiden Händen zog er es in einer schwungvollen Rechtsdrehung heraus. Zu spät erkannte er, dass er damit erneut seine linke Körperhälfte preis gab. Doch diesmal war es zu spät um noch zu reagieren und so traf das mehr fallende als gesteuerte Schwert seine Schulter. Rasend fiel er nun über den Mann her, der auf die Knie gesunken war. Zwei Schläge brauchte er, zwei Schläge zwischen welchen sich das Gesicht des Anführer grässlich verzerrte, dann fiel der Kopf.

  • An nächsten Tag


    Tief über den Hals des Pferdes gebeugt lies sich Catubodus aus dem heimatlichen Tal tragen. Er hatte getan was zu tun gewesen war und nun galt es sich Hilfe zu suchen. Zwar hatte er seine Wunden notdürftig behandelt und verbunden, doch brauchte er jemanden mit weit besseren Fähigkeiten. Auch hatten die Anstrengungen nach dem Blutgericht ihr übriges dazu beigetragen, dass besonders die größere Wunde noch immer blutete. Direkt nach der Wundversorgung hatte er auch die übrigen Feinde enthauptet und ihre Köpfe im nächsten Fluss den Göttern dargebracht. Dann hatte er sich zur Ruhe begeben und war in einen tiefen aber keineswegs erholsamen Schlaf gefallen.
    Allzu früh war er wieder erwacht und hatte ohne Rücksicht aus seine Verletzungen die Pferde befreit und eines davon gesattelt und mit seinen Habseligkeiten bestückt. Der Ritt war kurz aber recht schmerzhaft und in den Ruinen des Dorfes angekommen hatte es ihn viel Mühe gekostet ein schmales Loch zu graben. Dahinein pflanzte er den Pfahl, den Der Kopf des Anführers krönte. Es war eine Nachricht, die wohl kaum jemand entdecken würde, aber dennoch wollte er eine Warnung hinterlassen. Eine die jedem galt, der sich mit ihm anlegte.
    Allerdings war das keine gute Idee gewesen, schließlich hing er nicht umsonst in diesem desolaten Zustand auf dem Tier, das nun gemächlich auf den Talausgang zutrottete.
    Allmählich fiel Catubodus immer mehr in ein Delirium und nur die Befürchtung, das Pferd würde ihn anstatt zur Karawanenroute, die er anstrebte zum Unterschlupf der Banditen tragen, lies ihn oft genug aufschrecken und das Pferd dirigieren.
    So bewegte er sch einige Tage dahin, allerdings kam er jeden Morgen schlechter auf das Pferd und wurde immer nachlässiger. Bald musste er den ausgetretenen Pfad erreichen, den er suchte. So kurz vor seinem vorläufigen Ziel sollte sein Glück ihn verlassen, denn eines Morgens war das Pferd verschwunden. Er hatte er vermutlich nicht gut genug angebunden. Zum fluchen hatte er keine Kraft und so erleichterte er sein Bündel um einiges was er nicht mehr zu brauchen glaubte. Der Proviant ging ohnehin zur Neige und so behielt er nur Bogen, Dolch und Schwert, sowie ein kleines Amulett, das seinem Vater gehört hatte und die Kleidung die er auf dem Leib trug. Mühsam schleppte er sich den Tag über das sich weitenden Tal hinab und brach schließlich an der lange gesuchten Straße zusammen. Das letzte, was er vernahm war das Rauschen des Halys an dem die Straße vom Iconium entlangführte, nachdem sie sich mit jener aus Caesarea zum letzten Abschnitt nach Anyra vereinigt hatte.


    edit: hier geht es weiter

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