Dolce balnae oder: eine Sklavin und ihr Herr oder: desipientia et tormentum

  • Der Wassertropfen löste sich von der grauen Ader, die sich durch die silberweiße Marmorplatte zog, ganz langsam geschah dies, zuerst sammelte sich immer mehr von dieser flüssigen Konsistenz in dem Gebilde, das die geometrische perfekte Form mit der geringsten Oberfläche aufwies, das Wasser zog sich zu einem birnenförmigen Tropfen auseinander und dann löste es sich von dem Gestein, völlig lautlos und von niemandem bemerkt sauste die kugelige Gestalt durch die feucht geschwängerte Luft und traf auf nackte Haut, explodierte dort in vielen winzig kleinen Fragmenten und vereinigte sich mit den Geschwistern, um mit anderen Rinnsalen den Körper herunter zu gleiten. Weißer, feuchter Nebel aus verdunstetem Wasser schwebte wie ein Sichtvorhang in diesem Raum, in dem wir uns befanden, in den Agrippathermen zu Rom, und es handelte sich um den caldarium, in dem die Hitze jeden der Besucher ordentlich zum Schwitzen gebracht werden sollte; und in eben selbigen Raum der sehr luxuriös ausgestatteten Thermen saß Marcus mit geschloßenen Augen, den Holzsandalen an den Füßen, die seine bloßen Sohlen vor der Hitze des Bodens schützen sollten, und nur mit einem Linnentuch um die Hüften geschlungen...doch Moment, zwei Schritte zurück an diesem Tag und eine gute hora zuvor:
    Es war eigentlich ein recht trüber Tag, die Sonne verbarg sich hinter den zahlreichen Wolken aus weißgrauer Konsistenz, immer mal wieder schickte der Wettergott einen feinen Nieselregen auf die Erde hinab, der sich wie ein feines Gespinst auf Marcus' schwarzes Haar legte und deren Regentropfen wie silbrige Perlen wirkten; unbeeindruckt vom nicht so prallen Regenwetter schlenderte Marcus, stets jedoch hinkend und in den letzten Wochen hatte sich dieser Makel an seinem Bein noch verstärkt, trotz der Behandlung, des alle paar Tage vorbei schneienden medicus, durch die Straßen Roms, um zu den großen und prachtvollen Thermen zu gelangen, wenig verriet an ihm seine Herkunft, vielleicht mehr der geübte Blick, der seine grüne Tunika aus mehr gutem Stoff erkannte, den Siegelring an seiner Hand mit der korallfarbenen Gemme erkannte, aber weder seine Stiefel verrieten einen Halbmond, noch trug er gar eine toga oder sonstige heraus stechende Merkmale, und da Markus vom Äußeren eher wie ein typisch arbeitender Mann wirkte, hätte man ihn auch glatt für einen Plebejer vom Aventin halten könnten, insbesondere, da er den Fußweg vorzog, statt sich mit der Sänfte zu den Thermen tragen zu laßen. Auch Asny, seine neue Leibsklavin, die ihm jetzt schon seit einigen Monaten in ihrer neuen Position diente, mußte somit ihm zu Fuß folgen, dabei hatte Marcus ihr die Badesachen in die Hand gedrückt, da er keine Lust hatte, selbige zu tragen – wofür hatte man bitte die Sklavenschaft, hm?


    Seine Sandalen traten über eine braune, schlammige Pfütze hinweg, spritzte etwas von der dunklen Brühe hoch, als er auf die geöffneten Tore der Thermen zuschritt, die sie dem Freund des ersten Kaisers verdankten, dem General und Feldherrn des Augustus; doch Marcus verlor weder einen Gedanken ob der Geschichte dieser Thermen, noch lauschte er den Worten von Asny mit sonderlich großer Aufmerksamkeit, obwohl er sie noch vor wenigen Momenten eben dazu aufgefordert hatte, ihm einen kurzen Bericht über ihre letzte Arbeit zu geben, aber Marcus' Gedanken verweilten ganz woanders, bei den Pflichten, die anstanden, der auf ihn zu kommenden Amtszeit – er wußte immer noch nicht, wann die Magistrate endlich vereidigt werden sollten, selbst sein Vetter war darob recht ratlos, aber schien unbesorgt zu sein; Marcus wußte ohnehin nicht, ob er dem Ganzen entgegen fiebern sollte, um das Jahr schnell herum zu bekommen, oder sich davor fürchten, aber immerhin hatten die Senatoren ihm den Posten zugesprochen, der ihm als ehemaliger Soldat doch am Nächsten lag. Gerade als sie an einer Gruppe von jungen Männern vorbei kamen, die wohl noch auf einen Freund warteten und sich lachend und scherzend unterhielten, drangen wieder einige Worte von Asny an sein Ohr, worüber hatte sie eben gesprochen? Marcus hatte nichts mitbekommen; er drehte den Kopf leicht zu seiner Sklavin.
    „Hm? Was hast Du gesagt?“
    , fragte er darum zerstreut nach, und war im nächsten Augenblick schon wieder mit den Gedanken ganz weit fort, nämlich bei einer Frau, die gerade einer Sänfte entstieg und aufsehend erregend dekadent, aber recht freizügig bis unsittlich gekleidet war, womit man all ihre Rundungen ausgiebig studieren konnte, da sie nur mit einem Hauch von Nichts bedeckt schienen; fror sie nicht?, der Gedanke schoß Marcus einen Herzschlag in den Kopf, doch seine Mundwinkel hoben sich ein wenig und er begaffte einige Herzschläge länger die schöne Frau, die sich ungeniert und mit souverän erhobenem Haupte in die Thermen begab, vielleicht eine Kurtisane? Darum waren Marcus' Gedanken wieder zerfahren wie weiße Wolken an einem windigen Tag; zerfasert und ohne Konsistenz.
    „Ah, ja...ja...“
    , murmelte Marcus und nickte, hätte Asny jetzt gefragt, ob er ihr die Freiheit schenkt, ob er ihr sein Vermögen überträgt, ob er sich gar von ihr kastrieren laßen möchte, Marcus hätte wohl mit dem vertrottelten Blick, den Männer bekommen, wenn sie eine schöne und begehrenswerte Frau sehen, genickt und auch nur Ja, ja! gemurmelt, doch es dauerte nicht lange, nachdem die aufsehen erregende Frau in dem Bad verschwunden war, daß sich Marcus aus dieser tollen Männerträumerei löste; er warf ihr einen schnellen Seitenblick zu.
    „Warst Du schon mal in den Thermen?“
    Als Bewohnerin der Stadt konnte es sich Marcus unschwer vorstellen, daß sie die Thermen nicht kannte, denn der Eintrittspreis war nicht sehr hoch und selbst für die ärmeren Leute erschwinglich; nur war es das erste Mal, daß er Asny zu seinen – beinahe – täglichen Badeausflügen mitnahm; und Marcus hoffte sehr, daß er es am Ende des Tages nicht bitter bereuen würde, denn mit Asny war es stets ein Tanz auf Messers Schneide, ein falscher Schritt und schon tat es höllisch weh.


    Während Marcus auf Asnys Antwort wartete und vielleicht sogar die Güte hatte, die vorigen Worte noch mal zu wiederholen – wobei Marcus sich hütete, da noch mal nachzufragen, um eventuellem Spott zu vermeiden, dem er kaum, außer mit rabiaten oder strengen Disziplinarmaßnahmen, etwas erwidern konnte; das Treiben um die Thermen war in den ersten Räumen natürlich genauso munter wie auf dem Weg zu der Agrippatherme; in einem der großen Umkleideräume, den Marcus betrat, das apodyterium, waren sie natürlich nicht alleine; doch das war etwas, was Marcus als Römer natürlich kannte und sich nicht daran störte, im Gegenteil, gerade die Geselligkeit und die Stimmen aller anderen Besucher, vielleicht sogar das eine oder andere bekannte Gesicht, waren einer der Gründe, warum er in die Thermen ging, denn ein großartiges Bad besaßen sie auch in der villa, doch hier in den Thermen war es etwas ganz anderes, dies war ein Ort der Zusammenkunft; Marcus trat auf eine Marmorbank zu und ließ sich dort nieder, um eigenhändig seine Stiefel aufzuschnüren und abzustreifen, dann löste er den Gürtel um seine Tunika, warf alles recht unordentlich neben sich und zog ungeniert und ohne Scheu die Tunika über seinen Kopf, um diese grob gefaltet neben sich zu legen; dann streckte er die Hand aus, um Asny zu bedeuten, daß sie ihm das Linnentuch zu reichen hatte, das er aus der villa mitgebracht hatte; Marcus erhob sich und schlang das Tuch um seine Hüften, wartend, daß sich auch Asny sich für die Thermen bereit machte, denn in ihrem Schuhwerk von Draußen konnte sie selbstredend ihn nicht begleiten, das stand natürlich außer Frage; Marcus, der heute besonders ungeduldig schien, trat jedoch schon einige Herzschläge später in das frigidarium, lief mit bloßen Füßen an das kalte Wasserbecken heran und legte das Leinentuch zur Seite, seine Fußspitzen berührten die aufgeworfene Wasseroberfläche, die immer wieder von Badegästen durchbrochen wurden.
    „Brrrr....“
    , murmelte er.
    „Kalt...!“
    , schloß er unnötigerweise an, dann machte er einen beherzten Schritt in das Wasser und ließ sich in das kalte Naß sinken, das ihn eiskalt und wie eine Ohrfeige ins Gesicht, aufnahm; ein wenig erinnerte ihn das an das Bad in dem fernen Parthien, dem Fluß dort, deßen Namen er bereits vergeßen hatte, aber Marcus liebte es zu schwimmen und das war auch etwas, was er gut konnte, denn schon im nächsten Herzschlag zog er mit kräftigen Schwimmzügen durch das kleine Becken, das war leider der Nachteil der Thermen, lange und ausgiebig schwimmen, wie in einem Fluß oder gar dem Meer, konnte er hier nicht, aber es gelang ihm, sich ein wenig zu bewegen, das Wasser verlor schnell seine erschreckende Kälte und nach einer doch deutlich längeren Zeit als die meisten Gäste in dem Kalt verweilten, erhob sich Marcus aus dem Wasser und wartete hinaus, um nach dem Tuch zu greifen, sofort schoß das Blut durch seinen Körper, wurde von seinem Herzen wieder in die Peripherie getrieben und rötete seine Haut kräftig, nur dort, wo seine früheren Verletzungen waren und an den Stellen er Narben zurück behalten hatte – an seinem Torso gab es einige, an seinem Bein auch, aber ebenso an seinem Arm-, blieb die Haut unnatürlich blaß.
    „Ich habe gehört, daß Du ein Instrument spielst, Asny!“
    Eine halbe Frage, eine halbe Feststellung, denn er bedachte die blonde Sklavin mit einem derartigen Blick; erst vor einigen Tagen war die Neuigkeit an seine Ohren gedrungen und er fragte sich, warum Asny es nicht selber erwähnt hatte, oder hatte sie es und es war einer jener Momente, in denen ihre Worte einfach an ihm vorbei rauschten und er ihr nicht zuhörte?

  • Leicht und behutsam wie ein Federstreich glitten Asnys Fingerspitzen über eine der groben Schnüre, mit welcher sie das Bündel zum Besuch in den Thermen ordentlich und zum Schutz zusammengebunden hatte. Jeder ihrer Finger musste in seinen Bewegungen präziser, ausgefeilter werden, und gleichzeitig auch stärker, unnachgiebiger. Zehn schlanke, kleine Boten ihres Willens. Schon immer hatte sie viel Zeit und Energie für die Ansprüche an ihren Körper aufgewandt, doch wahrscheinlich noch niemals derart wie in den letzten Wochen und Monaten ihren Händen zugefallen war. Wann immer sie kein Schreibgerät halten und führen musste, vollzog sie unnachgiebig und perfektionistisch wie stets Fingerübungen, sowohl was Kraft als auch Sensibilität anbelangte. Diese beiden Gegensätze waren nicht ganz leicht in Einklang zu bringen. Zum Glück hatte sie das Training der Stärke deutlich früher begonnen als das der Sensibilität, denn nach einer solchen Einheit des Muskelaufbaus zitterten ihr für gewöhnlich die Glieder bar jedweder möglichen Kontrolle. Vor wenigen Monden noch hatten ihre Finger permanent geschmerzt, alles im Rahmen einer adäquaten Massageausbildung. Eigentlich war es nicht einmal so sehr die Kraft des Drucks, sondern vielmehr die Art und Technik der Anwendung, allerdings hatte sie zwingend einem zu raschen Ermüden und Ertauben ihrer Hände und Arme entgegenwirken müssen und dies erforderte nun einmal ein besonderes Ausdauertraining. Über die Grenzen des Schmerzes hinaus. Zusätzlich hatten sich die Schreibarbeiten im Auftrag ihres dominus gemehrt, bei welchen sie selbstverständlich um ein klares, schönes Schriftbild bemüht gewesen war.
    Insofern lag Asny seit einiger Zeit in einer Art heimlichem Krieg mit ihren Händen, deren Fähigkeiten sie unbarmherzig weiter über jede Erschöpfung hinaus zu fördern suchte. Dafür gedieh ihnen allerdings auch eine ausgezeichnete Pflege an; Verwendung von Ölen, besondere, mit dem hauseigenen medicus und - weitaus wichtiger - ihrer eigenen Meinung abgesprochenen Nahrungsaufnahme, welche Knochen und Sehnen unterstützen sollte, leichte Massagen, Wärme- und Kältebehandlungen, Bandagen, die inzwischen nahezu unverzichtbar geworden waren, sowie sanfte Gymnastik. Von einer derartig aufopfernden Zuwendung konnte Aristides auch weiterhin bloß träumen, denn obgleich Asny all diesen Aufwand letztendlich vordergründig nur für ihn betrieb, so war es doch ausschließlich ihr eigenes Ego, welches sich davon nährte gleich einer immerhungrigen Gorgo.
    Zusätzlich zu diesen Übungen also war vor Kurzem noch das Erlernen des Lyraspiels hinzugekommen, mehr oder weniger freiwillig gestützt und gefördert durch Aulus Flavius Piso, welcher von diesem Glück allerdings noch gar nichts ahnte. Ein angenehmer Zustand, der tunlichst erhalten bleiben sollte, wollte man ihn zu einem ansprechenden Ergebnis führen. Und natürlich existierte für die junge Sklavin keine andere, akzeptable Option. Während sie im Studium dieses neuen Instrumentes allerdings noch weit am Anfang der Basisübungen stand, hatte sie die hohe Kunst der Massage bereits derart verinnerlicht, dass sie schon vor einer Weile eigene Techniken und Verstärkungen der zu erzielenden Wirkungen herausgearbeitet hatte, denn selbstverständlich genügte nichts ihren Ansprüchen, das sie nicht selbst wenigstens in Teilen novellieren konnte. Nichts war von Natur aus perfekt, einzig ihr Zutun erbrachte Nähe zu diesem ersehnten Zustand.


    Mit einer derart leisen Stimme, dass sie im steten Strom der Menschenmassen außer ihrer Schwester und ihr selbst niemand wahrzunehmen vermochte, summte sie die Klänge der Saiten, welche sie gedanklich statt eines viel zu dicken Fadens gerade anschlug. Die Lyra stellte ein hübsches Instrument dar und barg besonders im Spannen und Stimmen wirkliche Herausforderung. Derartige Problematiken waren ihr bei der Flöte nie begegnet. Doch sie brachten das beseelende Gefühl einer höher strebenden Evolution mit sich und wurden deswegen, jede einzelne Komplikation, freudig in Empfang genommen.
    Selbstverständlich verspürte ein nimmersatter Gierschlund wie Asny niemals ein Gefühl der vollkommenen Zufriedenheit mit sich selbst und bei Mars und Minerva, dies sollte sich in keiner Weise ändern. Seit ihrer höchst indiskutablen Bewusstlosigkeit war ihr allerdings klar geworden, dass sie ihrem Körper in gleichem Maße geben musste, wie sie von ihm forderte. Und aufgrund der einfachen Tatsache, dass sie beinahe schon Unglaubliches von ihm verlangte, war inzwischen einiges im Rahmen ihrer Ernährung und Pflege geändert worden. Regelmäßige Nahrungsaufnahme war wichtig, ebenso wie das, was letztendlich den Weg in ihren Magen fand. Ernährte sie sich ausschließlich von Früchten und Wasser, wie sie es am Liebsten tat, ließe die nächste blamable Ohnmacht nicht lange auf sich warten. Inzwischen bezeichnete selbst der medicus ihre Ernährung als höchst ausgewogen und beispielhaft, was natürlich von keinerlei Wert wäre, empfände Asny nicht ebenso. Überhaupt verstand sie sich geradezu rosig mit Kosmas, eine jener unglaublichen Entwicklungen, die mit größter Sicherheit nicht zufällig und ohne Hintergedanken entstanden waren.


    "Mh... mh... mh... mhmhmh..." Mit schwach gerunzelter Stirn fasste die weißblonde Sklavin ihr Stoffbündel neu und brachte ihrer Umgebung nun auch wieder genügend Aufmerksamkeit entgegen, um gezielt zu ihrem vorangehenden Herrn aufschließen zu können. Sie begrüßte es außerordentlich, dass Aristides seine eigenen Füße einer faulen Sänfte vorzog, wenngleich sie seine schreckliche Humpelei äußerst störte. Was dieser Mann allerdings dringend aufgrund seiner Völlerei benötigte, war ausreichend Bewegung und solches würde er sich am heutigen Tage hoffentlich in ausreichendem Maße zuführen. Nur dieses lahme Bein reizte wirklich extrem. Jenes leidige Thema sollte sie beizeiten noch einmal mit dem medicus diskutieren, die derzeitige Behandlung schien auf jeden Fall nicht den geringsten Erfolg zu tragen. Und dieser Zustand war vollkommen untragbar, gerade aufgrund der recht... eigenwilligen Karriereplanung des Flaviers. Welche er sich garantiert nicht höchstselbst in einer sternenklaren Nacht erdacht hatte. Gut, immerhin schmiedete er ehrgeizige Pläne und wälzte sich nicht in seinem eigenen, unverdienten Wohlstand gleich einem Schwein, das sich in warmem Schlamm suhlte. Unter diesen Voraussetzungen hätte Asny trotz allem persönlichen Segen mit der Überlegung spielen müssen, sich einen anderen, deutlich angemesseneren Herrn zu suchen.
    Ihr übliches Lächeln verblasste einen Herzschlag lang, ehe sich die eisblauen Augen schmälerten. Während ihrer eigenen Behandlung und in einigen Gesprächen mit Kosmas war zwar ihr Wissen um die Medizin ein wenig gehoben wurden, doch noch weit entfernt um ihr in jeglicher Hinsicht nützlich sein zu können. Zumal sie ihre Energie nicht durch zu viele Ziele verstreuen durfte, dadurch würde sie nichts von allem wirklich gut, erst gar nicht vortrefflich beherrschen können. Ihre Tages-, Monats- und inzwischen sogar ganze Jahre weitreichenden Pläne befanden sich in einem ausgezeichnet ausgearbeiteten und ausgewogenen Zustand, daran so kurzfristig etwas zu verschieben, wie gerade eben aufgrund der Gelegenheit, welche sich durch die Lyra geboten hatte, brachte unglaublichen Aufwand und Arbeit mit sich. Doch womöglich wäre eine geistige Tätigkeit nach Massageausbildung und Lyra dem vorzuziehen, was sich ursprünglich in ihrer Etappenordnung befunden hatte.
    Fragen über Fragen. Keine Überraschung, dass sie jenes ohnehin sehr einseitig geführte Gespräch mit ihrem Herrn bereits vor einiger Zeit aufgegeben und sich mit wichtigeren Dingen auseinander gesetzt hatte. Eine Bürgerliche, welche in einer der ihren überaus ähnlich blassgrün gefärbten Tunika schräg hinter Aristides schritt und sich gedämpft mit einem jungen Mann unterhielt, schien hervorragend ihren Platz eingenommen zu haben, so dass Asny sich einige Momente Freizeit hatte gönnen dürfen, welche sie selbstverständlich nicht einen Atemzug lang verschwendet hatte.


    Kurz vor den Eingängen des Thermengebäudes schwenkte ihre unbekannte Substitution mit Begleiter bedauerlicherweise ab, so dass die junge Sklavin selbst wieder die ihr zugewiesene Stelle gleich hinter dem Flavier einnehmen musste. Noch einmal änderte sie den Griff um ihr etwas lästiges Bündel, konzentrierte sich anschließend jedoch hauptsächlich auf ihren Herrn und die Pfützen des Weges. Das Wetter war ohnehin überaus erfrischend. Trübe Tage und gerade solch ein feiner Regenschleier empfand sie als sehr angenehm, um einiges mehr als trockene, knallige Hitze, welche Trainingspläne durcheinander brachte und ihren Kreislauf um einen weiteren, schwer einzuschätzenden Faktor verwirrte. Nicht, dass sie sich je darüber beklagt hätte, wenn man ihr Tätigkeiten erschwerte, allerdings mochte sie es lieber, wenn sich die Dinge ihr anpassten, anstatt den umgekehrten Fall einzugehen.
    In Voraussicht auf die Temperaturschwankungen in den verschiedenen Bädern hatte sie ihre lange, glatte Haarpracht bereits daheim in der Villa zu einem hohen, strengen Pferdeschwanz zusammengebunden, welcher lediglich durch die kleinen, darauf ruhenden Wasserperlen ein wenig Schmuck und Auflockerung erfuhr. Obgleich kein Laut erklang, so bewegten sich ihre Lippen dennoch beinahe unmerklich, als rezitierten sie beständig Verse oder trachteten danach, Teile der fortlaufend fließenden Gedankenströme in Asnys Kopf zu verstärken.
    "Nichts, dominus", kam es lediglich sehr knapp auf Aristides' Nachfrage hin, während ihre Augen den wohlbekannten Thermeneingang ohne erkennbare Empfindung abtasteten und die Menschen in ihrer näheren und weiteren Umgebung mit der Nichtbeachtung straften, welche sie zweifellos verdienten. Zumindest die lebenden.
    Ich komm' da nicht mit rein! Asa schüttelte entschlossen ihren Kopf und verschränkte noch zusätzlich die Arme vor dem Körper.
    Schon mal einen Geist kotzen sehen? Nein? Das willst du auch nicht! Das würde aber garantiert passieren, wenn du mich mit ins Männerbad schleifst! Ich wüsste ja nicht mal, wo ich hinschauen sollte, da ist ja eine Ecke grausiger als die nächste!
    "Es kann dir vollkommen einerlei sein, welche Aussicht dort geboten ist. Für dich dürfte das doch alles nur wertloses Fleisch sein. Selbst für mich ist es nur wertloses Fleisch. Eine Metzgerei, nicht mehr."
    Ach? Und du bringst da gerade die Preissau zum Planschen vorbei, ja?
    Aristides' geistig abwesende Bestätigung kam Asny an dieser Stelle zuvor und so tauschten die Schwestern lediglich einen kurzen Blick, nachdem auch sie den Anlass für den plötzlichen Blutsturz aus den Hirnzellen des Flaviers erkannt hatten.
    "Diese Frau baut ihr gesamtes Selbstwertgefühl auf ihr Äußeres. In zehn Jahren badet sie heimlich in Jungfrauenblut und lässt sich drei Meter hohe Perücken anfertigen", bemerkte Asny nüchtern mehr zu sich und ihrem Zwilling als zu Aristides, dessen Aufmerksamkeit sie sich - oh Wunder! - ausnahmsweise flüchtig erfreuen durfte.


    "Täglich, vor der hora prima. Die Gebühr wurde mir erlassen", erwiderte sie noch recht zahm, wenn auch wie üblich mit milder Ausdruckslosigkeit, seine Frage. Schließlich hatte sie nicht erst in der Villa Flavia mit ihrem Sportprogramm begonnen und die Therme boten diesbezüglich perfekte Möglichkeiten, besonders wenn sie noch nicht so überfüllt waren wie derzeit. Um diese Tageszeit, inmitten einer störenden Menschenflut, wäre der Besuch an einem solchen Ort nicht mehr als reinste Zeitverschwendung gewesen.
    Trotz des fürchterlichen Aufgebots an übrigen Badegästen folgte die Sklavin Aristides recht zügig zum apodyterium, wo sich Asa dann auch verabschiedete, nachdem sie ihrer Schwester das Versprechen abgerungen hatte, sie sogleich zu rufen, falls dem fetten Flavier etwas Beschämendes zustieße. Asny vermochte ihr den entschlossenen Abschied nicht zu verübeln, auch für ihre Verhältnisse herrschte an diesem Ort ein deutlich zu reges Treiben, zu viel Gelächter, zu viel dummes Gerede. Eben aus diesem Grunde musste sie sich in erster Linie auf ihren vorwärts strebenden dominus konzentrieren, um ihn aufgrund ihrer eigenen Größe nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Oder zumindest seine persönlichen Kleidungsstücke, welche sie ihm nach dem Ablegen ordentlich zusammenfaltete und nach kurzem Zögern lieber doch in Gewahrsam nahm, anstatt sie unter all den Menschen herumliegen zu lassen. Natürlich gab es Aufsichten, die ihr teilweise sogar bekannt waren, das bedeutete jedoch nicht, dass sich ihr übliches Misstrauen brav an die Kette legen ließ. Auf ihre eigenen Besitztümer hatte sie stets acht gegeben gleich einer Löwin und auch diesmal trug sie spezielle Stoffbeutel bei sich, in welchen sie die Straßensandalen verstauen konnte, ohne dass jene Schaden an den übrigen Tüchern und Kleidungsstücken anrichten konnten. Da ihr Herr ohnehin bereits zügigen Schrittes im Kaltwasserbad verschwand, waren von seiner Seite keine Einwände zu erwarten. Das caldarium würde er ihr hoffentlich ersparen, an diesem Ort war sie eher selten aufzufinden gewesen und nie allzu lange geblieben, dafür genoss sie das frigidarium umso mehr. In einer sentimentalen Anwandlung hätte sie behauptet, ihr nordisches Blut fühle sich an kühlen Orten einfach immer noch behaglicher als in der Hitze des Südens, doch dies war selbstverständlich barer Unsinn. Eine Einstellung des persönlichen Organismus' und Geschmacks, nichts weiter.


    Mit innerer Zustimmung konnte Asny bald beobachten, wie ihr Herr tatsächlich respektable Bahnen durch das Wasserbecken zog. Die Kälte würde ihm sicherlich gut tun, auf die ein oder andere Art. Wie eigentlich jedwede Art von Bewegung. Sie selbst, nun noch ein wenig schwerer bepackt, wartete geduldig am Rande des Beckens und ließ dann und wann ihren Blick in freundlichem Desinteresse flüchtig zu den übrigen Besuchern schweifen, allerdings nie übermäßig lange. Selbstverständlich gab es schönere Ausblicke als ihren Herrn beim Schwimmen zu beobachten - kahle, weiße Säulen beispielsweise - doch sie war sich ihrer Verantwortung als beste Sklavin der Welt nach wie vor bewusst und sie musste achtsam bleiben, wenngleich sie im Geiste erneut an den Saiten einer Lyra zupfte.
    Mit einem Male verharrte ihre ansonsten schmetterlingshafte Aufmerksamkeit am gegenüberliegenden Beckenufer und ihr imaginäres Lyraspiel verstummte. Einer ihrer Mundwinkel hob sich etwas stärker und verlieh ihrem Lächeln etwas beunruhigend Lauerndes. Dann allerdings nahm sie eine Bewegung am Rande ihres Sichtfeldes wahr, musste sich zwangsläufig wieder ihrem gerade zu den Landbewohnern zurückgekehrten Herrn zuwenden und ihm größere Vigilanz schenken, zumal er sie ansprach.
    Ihr nun wieder gleichmütiges Lächeln nahm einen zarten, gewollt befremdlichen Ausdruck an, so als stünde es doch vollkommen außer Frage, dass jemand wie sie ein Musikinstrument beherrschte.
    "De facto spiele ich ein Instrument, dominus." Obgleich sie es nicht laut aussprach, so hing ein stummes 'Was für eine selten dämliche Frage.' flüchtig, dennoch unübersehbar im Raum zwischen ihnen.
    "Ich habe das Flötenspiel erlernt und wende mich derzeit einem zweiten Instrument, respektive der Lyra, zu. Selbstverständlich ist es mir ebenso allfällig, jedwedes Instrument zu erlernen, dessen Klänge dein Ohr präferiert." Trotz ihrer eigenen Pläne würde sie niemals eine ihr freiwillig gebotene Gelegenheit ausschlagen, etwas zu lernen.
    "Ich verfüge über viele Fähigkeiten, welche dir mutmaßlich noch unbekannt sind. Da ich mich der Impression nicht erwehren konnte, von dir in den letzten Monaten weitestgehend gemieden zu werden, abgesehen von jenen Diensten, welche dir eher lästig fallen, ließ ich diesen Umstand unerwähnt. Seit meinem Einzug in deine Villa haben sich meine Kompetenzen durchweg aufgrund regelmäßiger Übungen emendiert und es sind noch neue Kenntnisse ergänzt worden. Zudem kreiere ich diverse Pläne was die Zukunft anbelangt. Gewiss erscheinen sie neben den deinen eher dürftig und blass, doch auch ich suche permanent nach neuen Herausforderungen und es steht gänzlich außer Zweifel, dass ich mich nicht träge auf dem bislang Erlernten auszuruhen gedenke."
    Die mit ruhiger Überzeugung und dem typischen Lächeln vorgetragenen Worte verstummten kurz, ehe sie abschließend ergänzte:
    "Erlaubst du mir die Erkundigung ob du angesichts deiner neuen beruflichen Perspektive Opferungen an Ianus durchzuführen gedenkst?"

  • Allein die kleine Runde durch das kalte Becken hatte genügt, Marcus trägen Kreislauf anzukurbeln und das Blut durch seinen Körper schneller zu pumpen, sein Gesicht nahm eine gesunde Röte an, auch die sonstige Haut färbte sich in einem Roséton, insbesondere dort, wo die Haut deutlich blasser war als an anderen Körperstellen, selbiger Stelle, wo er ob Sommers oder Winters seine Tunika trug und die Sonne selten die Oberfläche seines Körpers erreichte. Und natürlich waren die Nachwirkungen von seiner Militärzeit, wo er fast jeden Tag bei jedem Wind und Wetter draußen gewesen war, in den letzten Wochen auch sukzessiv verblaßt und die Gebratene-Hähnchen-Bräune aus Parthien war sowieso schon längst verschwunden; und selbst wenn Marcus eher ein dunkler italischer Typus war, so war er doch nicht von Natur aus mit einer dunkleren Haut ausgestattet. Indes grübelte Marcus noch über das Mysterium, warum Asny die Gebühr erlassen worden war, hatte sie die Aufseher bestochen, sie an der Nase herum geführt oder einfach nur zu Tode genervt, so daß sie auch so umsonst hinein kam? Doch dieser Gedankengang ob dieses kleinen Geheimnisses, das im Grunde kaum der Aufmerksamkeit wert war - oder doch? -, verweilte nicht lange in Marcus' Geist, wohingegen ihm die spätere Antwort auf seine immer wieder leichthin in den Raum geworfene Fragen mehr sein Augenmerk auf das Gesagte lenkte. Alsbald brachte Asny wieder hervorragend ihre dünkelhafte, prätentiöse und selbstverblendete Arroganz zum Ausdruck, mit mancher Bemerkung eine deutliche, unterschwellige Beleidigung vermittelnd - etwas, was Marcus schon recht gut zu ignorieren wußte - doch welch Wunder, gänzlich beleidigend schienen nicht alle Worte zu sein, oder war es Ironie? Ganz sicher war sich Marcus bei Asny eben nie und langsam glaubte er, sie machte das mit Absicht. Einige kalte Wassertropfen perlten über seine Stirn, sprangen über seine dunklen und dichten Augenbrauen hinweg und floßen über seine Wangen, ehe ein schnelle Wischen seiner Hand sie vertrieb. Doch auch noch andere kleinere und größere Sturzbäche von Tropfen suchten sich ihren Weg über seinen Körper, der doch einige Rundungen enthielt, gerade an seinem Bauch, der etwas über dem Leinentuch überstand und der einen langen Weg für mancher von den kleinen Wasserflüssen bedeutete. Keine Tunika verbarg jetzt seine nicht unbeträchtliche Leibesmitte und kaschierte, daß Marcus eben zwei Zentner auf die Wage bringen würde. Aber völlig ob dieser Tatsache ungeniert und vollkommen mit sich im Reinen, mal von kleineren, aber eher äußerlichen Umständen in seinem Leben abgesehen, die aber eben von Außen kamen, und natürlich dem steten Schmerz in seinem rechtem Knie, das ihn ständig erinnerte, daß es nicht mehr voll funktionsfähig war. Doch nach dem kühlenden Bad fühlte es sich für den Moment weniger störend an, ein Grund, warum Marcus gerne zuerst einen kleinen Sprung ins kalte Wasser wagte, ehe er sich in die heißeren Gefilde der Thermen begab.
    "Die Flöte und die Lyra? Hm, hervorragend."
    , meinte Marcus und drehte sich um, um an ein paar miteinander plauschenden Männern vorbei in Richtung des caldarium zu marschieren, dabei mit jedem Schritt eine kleine Pfütze hinterlaßend, die sich um seine bloßen Füße bildete, mit jedem Auftreten wurde das Zeugnis seines Wandelns auf dem Marmor kleiner und am Ende des Raumes hinterließ er nur noch wenige Tropfen. Durch einen schmalen Gang und entgegen des allgemeinen Stroms an Besuchern trat er schließlich in den Heißbaderaum und schlüpfte gleich im Eingang wieder in die hölzernen Schuhe, die seine Füße vor dem heißen Boden schützen sollten. Erst dort setzte er das Gespräch fort, nichtsahnend, wie wenig Asny das caldarium zu schätzen wußte.
    "Die Lyra ist ein sehr schönes Instrument, sehr löblich, daß Du Dich mit ihr auseinandersetzt."
    Wie sehr sie sich mit diesem Instrument wirklich auseinander gesetzt hatte und woher der Eifer für jenes Musikgerät wirklich stammte, das wußte Marcus auch nicht; es hätte ihn aber wahrscheinlich nicht sonderlich gestört.
    "Dann wirst Du mir Beizeiten zeigen, welches Können Du im musischen Bereich aufweist."
    Vielleicht konnte sie dahin gehend auch nützlich sein, denn Marcus brauchte noch jemanden, mit dem er musizieren konnte, das Spiel hatte er in den letzten Monaten, insbesondere seit des Krieges stark vernachlässigt, obwohl es ihm in all den letzten Jahren immer eine große Freude bedeutet hatte auf seiner Kithara zu spielen, dem Instrument, das ihn auf all seine Reisen begleitet hatte, von Achaia, Ägypten, Afrika, bis hin zu dem entfernten Syria und Parthia; immer in weichen Stoff gehüllt und einem hölzernen Kasten verpackt hatte das Instrument viele Widrigkeiten überstanden.


    Klock, klack, rhythmisch setzten sich die hölzernen Schuhe auf den steinernen Boden während Marcus noch darüber nachsann, welches unverständliche Wort Asny jetzt - bzw. vorhin - schon wieder gebraucht hatte und das den Sinn eines Satzes völlig verfremden würde, wenn er das falsch interpretierte, also überging er diesen Punkt erstmal und würde noch einen Moment länger darüber sinnen - oder auch nicht, je nachdem, wie sehr ihm der heiße Dampf geistig zu schaffen machte und seine Gedanken träge und lahm machte wie einen zähen Batzen Schleim -; jetzt jedoch bewegte er sich erstmal auf eine der Sitzgelegenheiten zu, an denen man es sich gut gehen laßen konnte und nahm dort auch Platz, sah einen Augenblick aus einem der hohen Fenster hinaus, durch das man die trüben Regenwolken draußen sehen konnte und den feinen Regenschleier, der sich in langen Bahnen den Himmel hinab zog, wie lange Spinnenfäden; sprich, es war zwar ein hypnotischer Anblick, wie die Wasserschlieren sich in einem zarten Reigen auf die Erdoberfläche zu bewegten, aber kein sonderlich erhebender oder aufmunternder Ausblick; einige Herzschläge vermochte der Regen jedoch Marcus' Gedanken gefangen zu nehmen, er hörte wie aus weiter Ferne das Murmeln der Menschen um sich herum, das Bad verschwomm und er sah nur noch den silbergrauen Schleier, doch dann riß er seine Augen von dem Anblick ab und spähte zu den Heißwasserbecken, in denen hölzerne Schöpfkellen lagen, mit einer Kinnbewegung deutete Marcus auf diese und wartete ruhig ab, daß Asny ihrer Aufgabe für den heutigen Tag nachging, nämlich das Mädchen für Alles bei seinem Thermenbesuch zu sein - von der Leinentuchträgerin, der Wasserübergießerin bis hin zur Gesellschafterin. Gemieden? Ianus? Opfer...Opfer! Ja, so Unrecht hatte Asny mit dem Hinweis nicht, es war fast so als ob sie darauf deutete, das er es bisher versäumt hatte und tatsächlich keime so etwas wie ein schlechtes Gewißen in Marcus auf, schließlich durfte man nie die Götter vergeßen und solche Ereignisse ohne ein entsprechendes Opfer paßieren laßen; Ianus? Hm, Marcus grübelte einige Momente, er würde da Gracchus fragen müßen, was er für richtig erachten würde, weswegen er jetzt erstmal unbestimmt nickte.
    "Ein Opfer? Mithin ist das eine recht gute Idee, Asny, dem sollte ich wohl tun, wenn meine Amtszeit nicht ein völliges Desaster werden soll...was ohnehin paßieren wird."
    Die letzten Worte murmelte er mehr in seinen nicht vorhandenen Bart hinein, denn er hatte sich an diesem Morgen ausgiebig in der villa rasieren lassen und das mit reichlich Öl, damit seine Gesicht danach nicht knallerot aussah.
    "Aber Ianus? Ich weiß nicht so recht, wahrscheinlich ist er natürlich eine gute Wahl für den...Anfang eben, aber hm...hm...es gibt da soviel zu bedenken dabei..."
    , meinte Marcus zögerlich und fügte in Gedanken hinzu: Und ich habe von all dem keinen blaßen Schimmer; nachdenklich schnalzte er mit der Zunge und seine Gedanken wanderten ein Stück weiter, weg von dem Eingang und Anfang und hin zu der Strecke, die er bald gehen mußte.
    "Du meinst also eher Ianus? Hm..."


    Von dem heißen Wasser in all den Becken stieg stetig der heiße Dampf in die Höhe und verteilte sich gemächlich wie Nebelschleier in dem Raum, selbst der heiße Dunst schien keine Lust auf das eher trübe Wetter zu haben und verzog sich wenig nach draußen, so daß alsbald der Schweiß aus Marcus' Poren triefte und sich auf seiner Stirn zu sammeln begann, aber auch an seinem Rücken, seinen Schultern, an der Brust, seinem prominenten Bauch und sogar an seinen Beinen; doch diese kleine Schwitztour tat ihm gut und er mochte es, lange in der feuchten Hitze zu verharren, denn danach fühlte er sich wunderbar träge, aber entspannt und durchaus hungrig, so daß das Abendessen umso köstlicher und deliziöser schmeckte. Und langsam begann er in diesen Zustand zu gleiten, der entspannten Erschöpfung – obwohl er am heutigen Tage wirklich nichts geleistet hatte.
    „Soso, es gibt also viele Fähigkeiten, die Du besitzt und die ich nicht kenne, dann scheinst Du wohl ein unendlicher Brunnen zu sein, deßen Tiefen genauso unauslotbar sind, hm? Na, egal, dann berichte mir mal von diesen unendlich mannigfaltigen Fertigkeiten, die Du Dein Eigen nennst, Asny.“
    Es gab einen großen Unterschied zwischen dem Genie von Asny und die seines Vetters Gracchus – mal von den unbedeutenden Tatsachen abgesehen, daß Asny weiblich und versklavt war, weder eine Patrizierin, noch eine Flavierin – aber das lag in dem großen Makel, den Asny besaß - oder war es eher der Fehler des Gracchus? Ihr fehlte schlichtweg ein kleiner Funken an Bescheidenheit, der Größenwahnsinn hatte sich wie ein Schmarotzer an ihre Klugheit geklammert und ließ nicht locker, so daß der letztere Part keine Chance zu haben schien, einige Momente klar zu sehen was die eigene Person anging – derart erschien es Marcus in manchen Momenten, in anderen Augenblicken machte er sich hinwieder keine großen Gedanken darum; und auch jetzt war es nur ein kurzes Aufflammen eines Geistesfunken, der sofort von dem heißen Schwaden in dem Raum erstickt wurde und keine Chance hatte, richtig Aufzuglühen oder gar Feuer zu fangen.

  • Jedwedes noch so interessante Farbenspiel, welches von Aristides' Haut über die Monate in eines Betrachters Auge geworfen wurde, insbesondere jetzt dank der zweifelhaften Unterstützung eisigen Wassers, traf bei Asny auf wenig Interesse, sah man einmal davon ab, dass die grobschlächtig wirkende Sonnenverbranntheit und der damit typische Soldateneindruck sich inzwischen abgewaschen hatten, ein Umstand, der durchaus ihre Zustimmung fand. Selbstverständlich würde sie sich nun, da ihr Herr getrieben von welchen Dämonen auch immer nach größerer Aufmerksamkeit in einem politischen wie auch damit einhergehend gesellschaftlichen Rahmen strebte, notgedrungen mit seinem Aussehen beschäftigen müssen, damit er wenigstens bewegungslos auf einem Punkt verharrend einen halbwegs präsentablen Eindruck vermittelte. Eine Aufgabe, welche sie nicht bloß kostbare Zeit, sondern gewiss Überwindung kosten würde, jedoch war sie es gewohnt, erstellte Listen präzise und ohne Kompromisse abzuarbeiten. Der heutige Besuch in den Thermen würde einen angemessenen Auftakt dazu bieten und nachdem einmal gründlich Ordnung und Reinlichkeit gnadenlos Besitz von seinem desaströsen Körper ergriffen hätten, würden die regelmäßigen Nachbehandlungen deutlich leichter zu vollstrecken sein. Auch für diese existierten bereits Pläne in Asnys stetig arbeitendem Kopf, welcher aufgrund einem in früheren Zeiten ständigen Mangel von Schreibgeräten und Pergament Gedächtnistraining hinlänglich gewohnt war. Insofern war es eigentlich nicht vonnöten, dass sie beständig eine kleine klappbare Wachstafel und dazu passende, vogelknochendünne Schreibwerkzeuge mit sich führte, seit der Flavier sie zu seiner Leibsklavin erhöht hatte. Doch der blonden Sklavin war eine schier undurchdringliche Absicherung mit mehreren Basen wichtig und seit sie an einen kaum endenden Vorrat von Papyrus gelangt war, erstellte sie die ein oder andere Auflistung in doppelter, mentaler wie realer, Ausführung. Zudem konnte das Schicksal jederzeit heimtückisch zuschlagen und sie aus welchen stupiden Gründen auch immer außer Gefecht setzen, so dass ihre Vertretung dank des Studiums zuvor angelegter Anweisungen sogleich ihre Arbeit in standardisierter Weise fortsetzen könnte. Natürlich müssten Abstriche zu ihrer Perfektion in Kauf genommen werden, doch dies ließe sich dann bedauerlicherweise nicht verhindern.


    Angesichts der Absichten, welche jenen Tag in den Thermen für ihren Herrn unter Garantie von allen vorangegangenen Besuchen unterscheiden würden, sollte Aristides selbst der Besuch in den Danpfschwaden des <i>caldariums</i> vergönnt sein, trotz dessen Asny bedingt durch die alles niederreißende, feuchtigkeitsschwere Hitze jeden Atemzug an diesem Ort als reinsten Fluch des Tartaros betrachtete. Sah man es ihr von außen wie so vieles auch nicht an, so sank ihre Laune nach dem flüchtigen wie unerwarteten Auftrieb vorhin nun rasch wieder in niedere Gefilde hinab. Selbstredend war es nicht eine vornehme Ader, die ihr eine Abneigung gegen ein gesundes Schwitzen beschwerte; wenn sie trainierte, gerade unter der oft unbarmherzigen Sonne Roms, genoss sie den dank der Feuchtigkeit um ein Vielfaches kühler wirkenden Hauch auf ihrer Haut. Hier allerdings pflegte man faul und müßig im Dampf zu sitzen, während der Verstand erlahmte und sich endlich gleich einem trägen Köter zusammenrollte. Das Blut floss langsamer, jeder Atemzug wurde müder und am Ende wankte man nach draußen, als wäre man gerade aus einem tagelangen Schlummer im Mutterleib erwacht, allerdings ohne das erquickende Gefühl, wie 'neu geboren' zu sein. Gegen einen zu unruhigen, zu überanstrengten Geist mochte diese erzwungene Ruhe recht wirksam und nützlich sein, doch Aristides' Verstand gelangte eher selten in jenen eigentlich höchst begrüßenswerten Zustand. Und sollte dies wider Erwarten tatsächlich einmal der Fall sein, so würde seine Leibsklavin ihn ganz gewiss von jeder Dampfschwade fernhalten aus Furcht, das seltene Phänomen könnte ebenso rasch entschwinden, wie es sich scheu zeigen durfte.
    Wenigstens hatte sie ihm ein wenig was zum Nachdenken übermitteln können, wenngleich es sich dabei eher um kleine, dezente Happen handelte, zu deren Klärung er am Ende gewiss einmal mehr jemand anderen bitten würde. Einen seiner Vetter oder möglicherweise sogar seinen Sprössling, solange er sich nur nicht selbst damit herumplagen müsste. Es war frustrierend, mit einem solchen Mann arbeiten zu müssen. Nicht einmal ordentlich mit der Peitsche ausholen durfte man, nein, man musste subtil bleiben, damit sich der stolze Flavier nicht in seiner hochheiligen Ehre gekränkt fühlte. Nun gut, Asnys Art der Subtilität hätte man in anderen Kreisen womöglich schon als Rohrstockmethode interpretiert, doch einen sturen Ziegenbock schmeichelte man eben nicht zum Ziel.


    Den ohnehin sinnlosen Impuls unterdrückend, sich dezent mit den Händen eine halbwegs kühlende Brise zuzufächern, ordnete Asny das Gepäck in eines der dafür vorgesehenen Holzregale und schritt zum Heisswasserbecken hinüber, um einen der Schöpflöffel aufzunehmen. Natürlich erst nach einem kurzen, nicht unbedingt nachvollziehbaren Auswahlverfahren. Anfänglich goß sie mehrmalig eine kleine Menge der dampfenden Flüssigkeit über ihre Handgelenke, zunächst abgeschöpft vom Rand und der Oberfläche des Beckens, im Folgenden aus der Mitte und Tiefe genommen. Wie im Grunde alles überließ Asny selbst die 'Kleinigkeit' der Temperatur keinem Zufall, sondern unterzog sie einer genauen Prüfung, selbst wenn dies für ihren dominus bedeutete, ein wenig länger ungewässert warten zu müssen.
    Endlich schien sie den Punkt im Becken, welcher sich am Besten für ihre Aufgabe eignete, gefunden zu haben. Inzwischen glänzte auch ihr Körper feucht und rötete sich erhitzt, ein Umstand, dem sie nach Bemühen etwas Positives abzugewinnen versuchte. Ihren Atemwegen und ihrer Haut würde es nicht schaden, wenngleich man ihr im Anschluss gewiss nicht gestattete, sich durch einen Sprung ins Kaltwasserbecken angemessen abkühlen zu dürfen. Mit einer energischen Handbewegung strich sie sich einige klebrige Haarsträhnen aus der Stirn und führte die erste Kelle heißen Wassers zu ihrem Herrn, um diese langsam an seinem rechten Fuß und Bein entlang nach oben zu führen, in ähnlicher Art, wie man es auch bei einer Massage zu tun pflegte.
    "Deine Amtszeit wird kein Desaster, dominus. Meinem Herrn widerfährt ein solches Schicksal keinesfalls." Der trotz der wirkenden Hitze eisige Blick aus ihren Augen gepaart mit der wenngleich in sanfte Worte gekleideten unumstößlichen Bestimmtheit ihrer Worte ließ die getätigte Äußerung beinahe schon wie eine Drohung wirken, die bescheinigte, dass selbst der ehrenvolle Tod einer missglückten Karriere vorzuziehen wäre.
    "Zudem wolltest du es doch so. Beginnst du bereits zu diesem Zeitpunkt das Lamentieren? Nun, vielleicht ist das Wasser dir zu heiß. Verzeih, ich werde es beim nächsten Mal stärker ausschwenken. Und gewiss, es ist besser ein Brunnen zu sein als ein flacher Bachlauf, der regelmäßig dehydriert, sollten die Strahlen der Sonne einmal etwas stärker brennen."


    Winzige Schweißtropfen auf ihren Wimpern ließen sie blinzeln und nur wenig später spürte sie das damit einhergehende, störende Brennen in ihren Augen, während sie erneut eine Portion Wasser schöpfte. Ihre Bewegungen waren langsam, jedoch präzise, als verwende sie ihre gesamte Konzentration auf die eigentlich nebensächliche Tätigkeit des Schöpfens und Gießens und zelebrierte es gleich einer hohen Kunst, welche den meisten Normalsterblichen verschlossen blieb. Sogar das Abstreichen der Stirn mit dem Handrücken oder das Befeuchten der Lippen mit der Zungenspitze erfolgte fließend und gleichmäßig. Nichts davon drückte ihren Widerwillen bezüglich des derzeitigen Aufenthaltsortes aus.
    Asny schmeckte Salz auf ihrer Zunge und zerstörte die Gleichmäßigkeit ihres flachen, langsamen Pulsschlages mit einem tiefen Atemzug, der ihre Lungen doch nur noch mehr mit Dampf und den Ausdünstungen fremder Menschen füllte, derart, dass sie kurz die Möglichkeit erwog, sich in einer Ecke zu erbrechen. Was innerhalb ihrer Argumentationskette sogar erlaubt worden wäre.
    "Es erscheint mir vulgär, meine Talente aufzuzählen gleich einer plumpen Perlenkette. Du wirst ihrer ersichtlich werden, so du sie benötigst und der Zeitpunkt dafür gekommen ist." Diesbezüglich schien sie wenig Kontra zu dulden, doch wann tat dieses Mädchen das jemals? Kaum jemand hätte zudem eine wertvolle, kostbare Perlenkette mit dem Begriff 'plump' gleichgesetzt.
    Zu ihrer Tätigkeit ungleich würdevoller Haltung benetzte sie im Folgenden auch Aristides' linkes Bein und anschließend beide Arme von den Händen ausgehend zum Rumpf.
    "Es ist dein Opfer und dein Schicksal, erwäge selbst, welches Gottes Gunst dir am Gefälligsten wäre. Die reine Logik brachte meine Gedanken auf Ianus, doch du einem anderen Segensspender den Vorrang gibst, so wird auch dies kaum schädlich sein. Ich persönlich favorisiere zumeist Mars, andererseits sind die Tage deines Kampfes mit Schwert und Schild allem Anschein nach vorüber. Nun ist deine Zunge der Speer und dein Verstand... nun, sagen wir für den Beginn, dass er im besten Falle hinter deinen Reihen steht. Mehr Training und weniger Dampfbad täte ihm indes gar wohl, möchte ich annehmen."
    Gemächlich, als wären ihre Bemerkungen nichts weiter als Plaudereien gewesen, ließ Asny das erhitzte Wasser ruhig über Schultern und Rücken ihres Herrn fließen.
    "Mir ist indes ein vortrefflicher Händler für lebende Opfertiere bekannt, der einer großen Persönlichkeit wie dir gewiss einen akzeptablen Preis machen würde, von Beginn an selbstverständlich, ohne lästerliches Feilschen. Sein Vieh ist stets kräftig und gesund. Ich könnte etwas für dich aushandeln, so du dies wünschst, Herr. Oh, und gestattest du mir, dich nach dem Bade zu massieren, oder treiben dich wichtigere Angelegenheiten? Es würde eine kleine Weile in Anspruch nehmen, so ich meine Aufgabe zu unser aller Zufriedenheit erledigen soll." Seine Zufriedenheit allein war schließlich nach wie vor kein rechter Maßstab, einmal davon abgesehen, dass Asny wie stets auch hier auf Effektivität und nicht auf Zartgefühl baute. Streicheleinheiten durfte er sich anschließend gerne bei seiner Gemahlin einholen, für einen solch unsinnigen Firlefanz gab eine Sklavin wie sie nicht ihre Zeit her.
    "Wenn ich schon einmal bei einer Tätigkeit deinen Körper betreffend wäre, so würde ich an manchen Stellen noch kleinere Korrekturen durchführen." So sachlich-unschuldig diese Bemerkung wie auch alle zuvor gefallenen scheinen mochte, so verbarg sich hinter 'kleinen Korrekturen' eine jener berüchtigten geistigen Listen in Asnys Kopf, die es nicht in Papyrusform und für die Augen aller geben sollte, wollte die Schöpferin derselben ihr Werk einmal tatsächlich vollendet erblicken.

  • Die Wärme kroch unter Marcus Haut, glitt in sein Innerstes, schmiegte sich an seine Knochen, durchzog jeden Zoll von seinem Körper und löste jegliche starre Komponenten in ihm, die verhindert hätten, daß er sich entspannen könnte – mal davon abgesehen, daß er vielleicht nicht eine Sklavin hätte mit nehmen sollen, die ihn in eine ständige Habacht-Stellung versetzte, immer darauf gefaßt sein müßend, einen Seitenhieb verpaßt zu bekommen; dennoch zeigte die wohligen Dampfschwaden ihre Wirkung und Marcus schloß genießerisch die Augen; das heiße Wasser, das über seine Füße und Beine rann, riß ihn aus der Welt der gemütlichen Trägheit hinaus, die sich wie ein warmer Wattebausch um jeden seiner Gedanken legte und ihn jenseits der kalten und klaren Welt hinfort tragen wollte; Marcus sog für einen Moment die Luft tief durch seine Nase ein, doch das Wasser war für ihn am Rande der Erträglichkeit, es war nicht zu heiß, um ihn zu sehr zu stören oder gar zu verbrühen, hatte aber noch nicht die wohlige Hitzetemperatur erreicht, doch schon nach dem ersten Schwung Wasser gewöhnte er sich an die Wärme und ließ seine Schultern – die sich für einige Herzschläge lang unwillkürlich angespannt hatten – wieder gemächlich herunter sinken, und schon kurz danach hatte sich seine Haut bereits an die hitzige Temperatur adaptiert und Marcus konnte leise und wohlig seufzen, in die Thermen zu gehen war wohl wirklich einer der größten Lieblingsbeschäftigungen von Marcus, mal von Essen, Trinken und den Lupanaren abgesehen, denen er genauso oder sogar eifriger frönte; selbst nach der Hochzeit, die nicht all seine alten Lebensgewohnheiten vertrieben hatte; Marcus war gar nicht auf die Idee gekommen, etwas daran zu ändern. Und in diese träge Entspanntheit rieselten Asnys Worte, wie eben jene später erwähnte Perlenkette, und fanden dort den Boden von Belustigung; als ob sie darüber groß etwas zu entscheiden hätte? Es klang schon fast umgekehrt, als ob sie die Herrin und er die Marionette in ihren Händen war, doch selbst wenn er sie für recht gewitzt, manipulativ und brillant hielt, so war ihr Einfluß auf ihn noch recht gering, sie hatte eben noch nicht die richtige Art gefunden, ihn zu manipulieren, dafür waren ihre Anstrengungen doch zu rabiat und zu offensichtlich – sogar für Marcus, ihr fehlte noch die Feinheit, die seine Mutter besaß, aber welch Wunder, es trennte die beiden Frauen viele Jahrzehnte und natürlich hatte Agrippina als seine Mutter einen deutlichen Vorteil von Natur aus. Er knurrte leise als Erwiderung, etwas, was man als Zeichen von Unwillen interpretieren konnte, oder als Äußerung seiner Belustigung, aber er schwieg sich aus, bis auf ein leises:
    „Soso!“
    , was er als Einzigstes von sich gab, auch die Metapher ließ er links am Wegesrand ihrer Thermenunterhaltung liegen; denn seine Gedanken waren einfach zu träge, um diesem bildlichen Vergleich annähernd folgen zu können und zu erschließen, ob er jetzt der Brunnen war oder doch nur der Bachlauf, er tippte auf das Letzte, denn Asny pflegte kaum eine Gelegenheit auszulaßen, um ihn auf tatsächlich vorhandene oder auch nur von ihr ersponnene Makel an seiner Person aufzuzeigen.


    Marcus lehnte sich noch ein Stück mehr auf seine Ellbogen und schloß wieder die Augen, der graue Wassernebel verschwand hinter den schwarzen Augenlidern, vor deren Schwärze weiße Lichtpunkte tanzten und ihm noch immer vorgaukelten, daß er die Sonne hinter dem offenen Fenster weiter oben erblickte, die sich langsam zu einem rot glühenden Sonnenball verwandelte, gleich als ob er sich drohend wie ein Meteor auf die Erde stürzen wollte, um alles auszulöschen, was jemals an Rom oder die Menschen dort erinnert hätte, als Zeichen des Götterzornes, dann verschwand auch dieses grelle Leuchten und kleine weiße Kreise zogen sich vor Marcus’ Augen entlang, bis nur noch die angenehme und beruhigende Dunkelheit übrig blieb.
    „Vulgär? Soso, aber wie es Dir erscheint, ist reichlich wenig von Belang, denn wenn ich Dir eine Frage stelle, dann erwarte ich, daß Du sie mir wahrheitsgemäß beantwortest. Auch wenn Du es wahrscheinlich als ein Perlen vor die Säue werfen erachtest, wenn Du Deine so strahlenden, glänzenden und makellosen Fähigkeiten, die jede Perle vor Neid erblaßen laßen würde, vor mir ausbreitest. Es ist mir jedoch gleich, Asny, ich habe Dich etwas gefragt und erwarte die korrekte und präzise Antwort auf die Frage und keine Ausflüchte.“
    Marcus öffnete einen ganz kleinen Spalt die Augen, blinzelte kurz und schloß sie sofort wieder, denn er wollte sich nicht zum Affen machen, während er sprach, daß womöglich die Sklavin ganz woanders hin eilte und er mit den wabernden Dampfschwaden Konversation führte, obwohl das wohl zu dem gleichen Ergebnis führte, wahrscheinlich hätte er sogar mit diesen Schwaden wohl eine produktivere und befriedigendere Unterhaltung.
    „Und abermals überspannst Du den Bogen viel zu sehr, Asny, aber da ich annehmen muß, daß Du einen Bogen niemals in Deiner Hand gehalten hast, geschweige denn, damit umzugehen weißt, will ich Dir nur folgendes vor Augen führen: Überspannst Du den Bogen, kann die Sehne reißen, diese wiederum trifft den, der den Bogen spannt und nicht das Ziel, worauf der Bogen gerichtet ist. Also hüte Deine Zunge! Was auch immer Du mit Deinen Beleidigungen und unsäglichen Sticheleien bewirken willst, ich dulde das nicht länger.“
    Daß er kein Genie wie Gracchus war, das war ihm natürlich bewußt, daß er sogar unter einigem Manko der intellektuellen Leistungen zu leiden hatte, im Vergleich zu seiner Familie, das wußte er genauso, aber er ließ sich das von keinem der Sklaven vorhalten, hätte es wohl früher höchstens scherzhaft von Hannibal hin gekommen, bevor dieser vom Himmel der Sklavenfavoriten in den Keller des Sklavenabschaums gefallen war; aber von Asny, der Sklavin, die ihm noch nicht mal ein ganzes Jahr diente – oder war es schon ein Jahr? – würde er so etwas gewiß nicht hinnehmen und schon gar nicht in ständig wiederkehrender Penetranz. Dennoch geisterte eine Frage in Marcus’ Geist herum: Welche Korrekturen? Sein Bauch vielleicht? Gut, der hatte eine ordentliche Wölbung erhalten, auch hatte die Muskelkraft bei ihm etwas nachgelaßen, selbst wenn Marcus durchaus noch kräftig war und nicht nur einfach ein fauler Fettsack; sein Knie war nicht mehr zu retten und unter einer Glatze litt er noch nicht, weswegen ihm nicht mehr viel einfiel; was auch daran lag, daß Marcus im Grunde völlig im Reinen mit sich war, zumindest so gut man es als normaler Mensch eben sein konnte.


    Leise ächzend erhob sich Marcus nach der Behandlung im Warmwasserraum und nickte langsam, während er es sich durch den Kopf gehen ließ, welches Opfer denn angebracht wäre, da es sich um staatliche Belange handelte, fand er Iuppiter nicht ganz unpaßend, dem Göttervater, der Recht und Ordnung zusammen hielt.
    „Gut, dann besorge ein Opfertier für Iuppiter, es sollte sich in der mittleren Opferkategorie handeln, also keinen Ochsen oder ähnliches, das ist mehr für ein großes Opfer paßend.“
    Die Farbe nannte er wohlweißlich nicht, denn er wollte, daß Asny das selber ermittelte und das richtige Opfertier aussuchte, wengleich er keine Zweifel daran hegte, daß sie es schon richtig machte; seine Holzschuhe klackten im nächsten Moment wieder über den Steinboden und er trabte – nur am Ausgang das nasse Tuch gegen ein Frisches wechselnd – weiter auf dem Badevergnügungsweg der römischen Thermen – dem tepidarium. Mild und nicht derart von der Hitze erschlagend, war der nächste Raum und nur warme Schwaden, aber kein heißer Wasserdampf, schwebten träge über ihn hinweg. Er holte kurz Luft und spürte, wie die Trägheit, die die Hitze in ihm verursachte, schon etwas weniger wurde und auch sein Kopf ein klein wenig klarer, seufzend ließ er sich auch in dem Raum nieder, um einige Herzschläge lang hier verweilen und sich entspannen zu können. Erst dann drangen wieder die anderen Worte in seine Erinnerung, er nickte huldvoll, warum sollte es nicht Asny machen, sie würde ihn später sowieso noch abreiben müßen mit dem strigilis und anschließend einölen, dann konnte er sich das Geld für jemand von den Thermen sparen.
    „Aber natürlich, wenn Du dieser Fähigkeit kundig bist, dann kannst Du mir das später beweisen, so Du mir schon eine Antwort auf Deinen Perlenschatz verweigert hast, den Du nicht auf einer Perlenschnur sehen willst.“
    Irgendwie hätten jedoch die Worte: zu unser aller Zufriedenheit Marcus aufhorchen laßen, denn das klang aus Asnys Munde doch recht unheilvoll und gefährlich; ein ganz kleiner Teil in Marcus, der von der Wärme jedoch gut betäubt war, meldete auch leise Zweifel an, ob es nicht am Ende eine schreckliche Tortur war, für die er noch die nächsten Tage büßen musste, und nur, weil Asny wieder ihre kleinen – wie Marcus fand – sadistischen Triebe befriedigen wollte; doch jener warnende Anteil verstummte nach einem kurzen Aufmucksen und kroch wieder in die dunkle Ecke zurück, wo es her kam, um sich dort besorgt zusammen zu rollen und einzudämmern.

  • Die jeden klaren Gedanken unterdrücken wollende Hitze schlug sich zunehmend übler auf Asnys Gemüt nieder und brachte sie in äußerst destruktive Stimmungen, von denen sie selbst nur zu genau wusste, wie schadhaft und unerwünscht sie waren. Ungünstigerweise ließ dieses Wissen ihre Laune nur ein noch tieferes Grab finden, in welchem sie erdrutschartig kontinuierlich weiter absackte. Sollte sie diesem Weg weiter folgen, so würde sie der übergewichtigen Ursache ihrer inneren Disharmonie alsbald äußerst negative Empfindungen entgegenbringen, obgleich sie es eigentlich vermeiden wollte, überhaupt irgendein Gefühl mit ihm zu verbinden, abseits des Nutzens, welchen er ihr bringen sollte. Die gesamte menschliche Umwelt, die sie umgab, versank für gewöhnlich in einem grauen Brei stetiger Animosität und unspektakulärer Gleichgültigkeit, niemand tat sich daraus hervor, gleich ob gut oder schlecht, es war perfekt, um jedwede Ablenkung von dieser Seite zu vermeiden. Auf jene Weise erfüllten Menschen, welche sie notgedrungen bis zu einer bestimmten Grenze an sich heranlassen musste, ihren besten Zweck. Sie drängten sich nicht störend auf, sondern versanken im Morast der übrigen Leiber, in dem man sie so gut wie überhaupt nicht wahrnehmen konnte. Sie verschwendeten weder Zeit noch Energie, es sei denn, zu Asnys Nutzen und mit ihrem Willen.
    Auch innerhalb ihrer Sklavendienste hatte sich an diesem Bild rein gar nichts gewandelt. Selbstredend hatte sie zu gut dafür gesorgt, von den meisten ihres Standes ignoriert zu werden und auch sonst lebte sie trotz aller immerwährender Aufmerksamkeit ausreichend abgesichert in ihrer eigenen Welt, um sich an all den Vorgängen dort draußen rein gar nicht zu stören. Drängte sich die Außenwelt allerdings derart penetrant wie enervierend auf, dass sie sie kaum noch zu übergehen vermochte, sorgte dies zumeist für eine größere Missstimmung ihrerseits, was wiederum in der Reaktionskette bedeutete, dass der Auslöser ihrer unheilvollen Laune dies deutlichst zu spüren bekam. Dabei kümmerte sich die junge Sklavin in der Regel nicht um die unbedeutende Frage, ob dieses Ziel, auf welches ihr Unmut im Begriff war sich zu fokussieren, eine solch geballte Zurschaustellung menschlicher Abgründe überhaupt verdiente, oder ob lediglich Fortuna ihren wohlwollenden Blick von ihm abgewandt hatte, vielleicht nur drei Herzschläge über, dennoch bereits zu lang. Bei Aristides jedoch vermochte jedwede Art von gezeigter Antipathie ebensowenig übertrieben wie unangebracht zu sein. Diesem Mann ging es laut Asnys Meinung entschieden zu gut, jeder kleinste Stoß gegen sein übertriebenes Wohlbehagen war bitter nötig, um ihn von seinem freudenverwöhnten Lebensstil ein wenig abzubringen. Oder auch ein wenig mehr. Womöglich sollte sie einmal ein paar niedere Kreaturen von Roms Unterwelt dazu verleiten, ihn zu entführen und ihn ein ganzes Stück außerhalb Roms im schönen Nirgendwo auszusetzen, um ihn seinen eigenen Weg mühevoll zurückfinden zu lassen. Doch, diese Vorstellung besaß etwas angenehm Ansprechendes und die Sklavin beschloss, diese im Hinterkopf abzulegen, im Bereich der plausiblen Ideen.


    Nein, nicht die feinsinnigen, subtil manipulativen Beeinflussungen lockten Asny im Umgang mit ihrem dominus, denn was brächte ihm die beste Lehre, wenn er davon kaum etwas mitbekäme? Noch viel wichtiger, es brächte ihr selbst rein gar nichts. Sie war nicht darauf aus, zu schmeicheln um einen besseren Status oder sonstige Annehmlichkeiten und Freiheiten herauszukitzeln. Schließlich war sie keine Hure mit Honigtau auf den Lippen. Sie war es gewohnt, einzig durch ihre Willenskraft ihre Ziele zu erreichen und bislang war diese Gleichung nahezu perfekt aufgegangen. Weswegen etwas ändern, das wunderbar funktionierte? Zudem besaß sie, um der Wahrheit Tribut zu zollen, in lobenden und liebreizenden Reden kaum einen Erfahrungsschatz. Keine Seele hatte diese Art der Unterhaltung bislang verdient und auch kaum jemand, der ihre nähere Bekanntschaft genoss, hätte ihr ein solches Gebaren tatsächlich geglaubt. Schließlich wäre für ein derart sanftmütiges Verhalten wenigstens eine gewisse Ahnung von Gefühlen vonnöten gewesen, um wenigstens eine Spur von Authentizität heraufzubeschwören, diese lag jedoch schlicht nicht vor. Alles was blieb wäre die Imitation einer Gefühlsdarstellung gewesen, abgeschaut von den Gesichtern und Worten anderer, also Schauspielerei. Und jenem Stilmittel bediente man sich höchstens aus rein persönlichen Vorteilen, niemals, um dem Gegenüber in irgendeiner Weise etwas Positives zu vermitteln.


    Zusätzlich zu ihren ohnehin bereits stetig absinkenden Launen begannen sie Aristides' auf ihren Stand pochende Ansprachen rigoros zu langweilen. Es brachte nichts Neues und vor allem stellte es den minimalsten Grad seiner Wehrhaftigkeit dar, wenn er als Gegenargumente lediglich seine Rolle als ihren Herrn fand - obgleich er wissen sollte, wie wenig seine Sklavin auf diesen Umstand gab. Und dann noch seine lapidare Körperhaltung... niemand würde das, was dieser Mann gerade von sich gab, auch nur im Ansatz ernst nehmen. Stattdessen sollte er froh sein, dass sie nicht zu albernen Lachanfällen neigte, ein solcher wäre derzeit durchaus angebracht.
    "Es gibt bereits zu viele, welche dich in einem zu hohen Maße umhegen, dir gefällig sind und dir das mitteilen, was du hören möchtest. Von mir wirst du niemals etwas dergleichen erfahren, denn ansonsten fängst du noch an, solchen Unsinn zu glauben. Es mag für dich wenig angenehm sein, nicht gemäß deines Status' sondern deiner reinen menschlichen Art entsprechend behandelt zu werden, doch sollte es dich vielleicht gerade deswegen zum Nachdenken bringen. Respekt verdient man sich, man bekommt ihn nicht exklusiv mit dem Namen verliehen, zumindest nicht den meinen. Wenn ich dich respektlos behandele, dann hast du mir dafür zuvor einen Grund geliefert. Schmeichler umgeben dich schon ausreichend. Und wenn dir schon eine anders klingende Stimme zuwider ist, zeigt dies nur, wie verweichlicht du von all den süßen Zungen, die dich umgeben, bereits bist. Dir fällt kein anderes Gegenargument ein, als dein Status und mein Status. Das ist schwach, äußerst schwach. Und vor allem erniedrigst du dich damit selbst indem du andeutest, dass du nicht mehr bist, als dein Status, dass du dich nicht auf anderem Wege zu wehren vermagst. Mit angemessenen Gegenargumenten, beispielsweise. Zudem benutze ich nicht die feige Art eines Bogens, ich präferiere den Nahkampf. Deine hübsche Metapher in Ehren, doch sie mag nicht recht zu mir passen. Denn selbst wenn empfände ich es nicht als Niederlage, so die Sehne reißen und mich verletzen würde. Es wäre mir eine Lehre und ich würde darausfolgend meine Technik verbessern. Oder dachtest du ich würde anfangen zu heulen, den Boden fortwerfen und nie wieder anrühren?"


    Er besaß in seinem umwölkten Geist tatsächlich nicht die geringste Ahnung, wie dankbar man für einen wirklichen Feind sein durfte. Freunde waren dagegen mehr als unwichtig und bar jeden Nutzens, von denen konnte man jederzeit genügend besitzen, doch Feinde waren ein seltenes, ein besonderes Gut, zumindest jene, die einen außergewöhnlichen Wert besaßen, welcher über tumben Neid oder verkleidete Furcht hinauslief. Aristides zum Feinde zu haben brachte in erster Linie körperliche Züchtigung, zu mehr hatte es der Flavier bislang nicht gebracht. Dies stellte wohl den niedersten Vorteil dar, zu welchem ein Feind imstande war. Andererseits, durfte man von jemandem wie diesem fettleibigen, schwitzenden, abstoßenden Kerl viel mehr erwarten?
    "Womöglich empfände es Iuppiter als lobenswerter, wenn du seinem Segen zumindest ausreichend Respekt und Wichtigkeit einräumst, um die Wahl des Opfertieres selbst zu treffen. Natürlich nur, falls du die Zeit inmitten deiner vielen Termine entbehren kannst." War dieser Mensch tatsächlich zu bequem um das Opfer auszuwählen, das ihm seine neue Zukunft sichern sollte? Asny vermied es zwar, in einem unpassend impulsiven Anflug den Kopf zu schütteln, nachdem sie an diese neuerliche Grenze flavischer Eigeninitiative gestoßen war, dennoch folgte sie ihrem Herrn auf dem Weg zum tepidarium alles andere als erheitert. Zumindest besaß die Luft an diesem Ort einen nicht ganz so stickigen, erhitzt-würgenden Charakter wie zuvor, wenngleich jede Faser in ihrem Körper, an welchem ihre Gewänder inzwischen feucht klebten, nach dem Kaltwasserbecken zu schreien schien. Natürlich brachte ihm dieses Geschrei rein gar nichts. Und wenigstens ihre Hände besaßen nach dem Abschöpfen des heißen Wassers zuvor bereits die angemessene Temperatur für die bald folgende Massage. In etwa jene von glühenden Steinen.
    Selbstverständlich bejahte Aristides ihr vorheriges Angebot bezüglich der Massage, schließlich lag eng daran mit Sicherheit der Gedanke geschmiegt, für diese Tätigkeit lediglich ruhig und behaglich auf dem runden Wanst liegen zu müssen. Nun, wenn er sich dorthingehend nicht täuschte.
    "Natürlich Herr. Allerdings befinde ich mich bereits in einem fortgeschritteneren Stadium jene Kunst betreffend. Ich möchte dies lediglich kurz erwähnen, doch andererseits bist du gewiss mitnichten so empfindsam wie eine Frau. Abgesehen davon ist es nicht mein Ansporn, dir irgendetwas zu 'beweisen'. Es ist nicht eben trivial, Freiwillige aufzutun für eine Fertigkeit, die zwangsläufig die Mithilfe anderer erfordert." Schließlich hatte sich selbst unter den wenigen Sklaven, die tatsächlich noch das ein oder andere Wort mit ihr wechselten, herumgesprochen, dass ihre Zartfühligkeit arg zu wünschen übrig ließ, weil es ihr besonders zu Beginn ihrer Ausbildung weniger um das Wohlbehagen als die medizinischen Aspekte gegangen war - und sie ihren 'Opfer', selbst nach dem Erwärmen und Lockern der Muskeln, anfänglich hauptsächlich Schmerzen zufügte. Was an der üblichen Verspannung in den Gliedern hart arbeitender Sklaven lag und an Asnys kompromisslosen Versuchen, diese zu beseitigen. Kaum einmal vermochte sie ihre Aufgabe allerdings wirklich einem Ende zuzuführen, die meisten Versuchstiere brachen mittendrin ab, was wahrscheinlich zu längeren Beschwerden führte, als wenn sie den blonden Quälgeist seine Arbeit einfach hätten beenden ließen. Menschen waren so schrecklich unbrauchbar.

  • Er war ein Tropfen im Meer des Wasser, er war ein Blatt im stürmischen Wind, er war eine Flamme im lodernden Inferno, nichts konnte ihn erschüttern, nichts aus meiner Natur herausreißen – wie schön fände Marcus das, leider war dem nicht so und derartige Gedanken schoßen ihm auch nicht durch den Kopf, denn dafür war er viel zu sehr von der Hitze, dem Dampfraum und den vielen Worten seiner Sklavin benebelt; selbst wenn es ihm einige Herzschläge an Ruhe vergönnt war, ehedem sich Asny wieder ihrem nächsten Sturmangriff hingab und wohl versuchte ihn aus dem Sattel seines bisherigen Lebens und Weltanschauung zu stoßen; dennoch vermochte Marcus sich in dem Augenblick wenig zu ärgern; gerade seine Erfahrungen mit sehr klugen und willensstarken Frauen hatte ihn in einer gewissen Weise auch abgehärtet; er vermochte die Worte an sich vorbei plätschern zu lassen und im Sand der geistigen Ödnis versickterte, wo sich selten ein bewusster Gedanke hin verirrte und wohl auch einen elenden geistigen Dursttod sterben würde, da dieser Bereich fern von jeden intellektuellen Regenschauern lag und niemals auch nur einen Tropfen von Wissen, Erkenntnis oder Weisheit erhielt. Wäre Asny hinwieder jedoch nur eine römische Bürgerin und somit fest in Marcus’ Schema und Weltbild eingefügt, hätte sie ihn nicht ein einziges Mal in der Vergangenheit ärgern können, es war mehr der Status, der doch Gehorsam, Respekt und Unterwürfigkeit verlangte, den sie dermaßen ignorierte und sich darüber erhaben zu fühlen schien, dieser Status und das konträre Bild was Asny davon immer wieder lieferte, war der Quell jener Stacheln, die auch trafen. Marcus streckte sich ein wenig und warf Asny einen gelangweilten Blick zu, zwischen seinen halb geschloßenen Augen.


    „Asny, langsam bist Du wie einer der staubigen, alten Griechen, die sich ständig wiederholen und nichts Neues bringen; Du wirst berechenbar. Respekt? Mich interessiert Dein Respekt einen feuchten Dreck, Asny, und das wird sich auch nie ändern. Warum? Weil Du in Person unbedeutend bist, Du bist ein Werkzeug, ein Statusobjekt, das seinen Zweck zu erfüllen hat. Nicht mehr, aber natürlich auch nicht weniger. Du beginnst aber immer wieder zu offenbaren, daß Du diesen Zweck nicht zu erfüllen vermagst. Zuviele Makel…! Du gehst mir nur langsam mit Deinem Geschwafel auf den Geist, selbst ärgern kannst Du mich nicht mehr…nur noch langweilen.“
    Marcus erhob sich langsam, um nicht durch die Hitze in seinem Kreislauf beeinflußt zu werden; nach einigen Herzschlägen fühlte sich Marcus einigermaßen sicher, ob der warmen Dampfschwaden und rückte das Tuch um seine Hüften wieder etwas enger unter seinem Bauch; die Entspannung des Tages tat ihm immer noch gut und auf seinem Gesicht lag ein milder und wenig erboster Ausdruck.
    „Willst Du mich wirklich zum Nachdenken bringen, wie Du es behauptest, solltest Du Deine Taktik überdenken, denn sie ist eher die eines Nashorns, der versucht, Eier mit seinem Hufen zu greifen. Plump und wenig erfolgreich!“


    Jetzt war es genug an Hitze und Marcus drehte sich um, um dann doch in den nächsten Raum zu laufen, immer laut klackend mit den hölzernen Schuhen; doch schon der nächste Raum bestach mit seiner erfrischenden Kühle, es war auch jener Raum, den Marcus zu Anfang aufgesucht hatte und erneut einen kalten Sprung ins kühle Becken versprach; und Marcus, deßen Körper von oben bis unten in eine gesunde Röte getaucht war, zudem noch eine Schweißschicht auf seinem Körper besaß, konnte der Versuchung und Erfrischung natürlich nicht widerstehen; er legte das klamme und naße Tuch zur Seite und machte einen wenig eleganten, dafür energischen Satz in das Becken und tauchte sofort tief unter, so weit es eben ging – in dieser Hinsicht war ihm seine Größe schon hin und wieder im Weg. Prickelnd und wie feine Nadelstiche glitt das kalte Wasser über seine Haut und nachdem der erste Kälteschock überwunden war, merkte Marcus, wie sehr das Wasser seinen Körper belebte und es tat ihm reichlich gut, weswegen er noch einige kräftige Schwimmzüge anschloß, ehe er sich abermals aus dem eiskalten Wasserbecken erhob und an die Stufen watete, die aus dem Becken hinaus führte, wo er sich ein frisches Tuch reichen ließ; wieder sammelten sich kleiner Wasserpfützen zu seinen Füßen, als er einige Herzschläge lang stehen blieb.


    Seine Zeit war tatsächlich nicht mehr so freizügig begrenzt, wie noch zu dem Zeitpunkt, als er die dritte Dekade erreicht hatte und außer Feiern, Frauen, Jagen – egal ob die holde Weiblichkeit, wenn sie sich mal dafür anbot, was in letzter Zeit eher selten in Marcus' Leben war, oder das Wild – und Essen im Kopf hatte; schon während des Militärs hatte sich Marcus jedoch an diese Entsagungen gewöhnt und empfand den Mangel daran nicht mehr als sonderlich tragisch, hinwieder Vorbehalte, die nur darauf deuteten, daß er immer noch ein Leben wie vor einer Dekade führte, amüsierten ihn nicht, aber er zuckte lediglich mit der Schulter darauf.
    „Wenn es meine Zeit erlaubt, dann schaue ich mir die potentiellen Opfertiere an.“
    , meinte er darum knapp und reserviert – natürlich kam selten ein freundlicher Tonfall gegenüber Asny auf, die meiste Zeit zumindest. Nachdem das Badeprogramm erstmal absolviert war, Marcus wieder etwas erfrischte, war es langsam Zeit, diesen Fertigkeiten von Asny auf den Grund zu gehen, selbst wenn er nicht ahnte – oder überhaupt darüber nachdachte – ob es wirklich eine Erholung oder vielmehr eine Folter sein würde; derart unbedarft schritt er langsam in die Richtung, wo die dafür bereit gestellten Räumlichkeiten waren. Was ihn hinwieder amüsierte, war die Tatsache, wie vehement Asny immer wieder betonte, wie wenig sie wert auf seine Meinung lag; so sehr sie darauf immer wieder beharrte, gewann diese Aussagen langsam einen merkwürdigen, eben schon amüsanten Unterton, als ob es doch nicht wahr war, aber Asny inbrünstig bemüht war, das zu negieren; es zuckte marginal um Marcus' Mundwinkel und er schwieg dazu, denn jedes Wort würde nur auf dieser Starrsinshaltung Asny versteifen laßen.


    Auf den Massageliegen aus Stein, auf denen schon Leinentücher lagen, nahm Marcus erst Platz und brachte seine zwei Zentner Leibesmaße nicht tumb, wenn auch nicht mit akrobatischen grazilen Bewegungen auf die Liege und drehte sich auf den Bauch, dabei das Kinn auf seinen verschränkten Armen abstützend. Es summte und brummte immer noch in den Thermen, überall waren mal anschwellende und abklingende Schritte, wie das Murmeln von Stimmen zu hören, von draußen das Lachen und die Rufe derjenigen, die sich am Leibe ertüchtigen, spielten oder sich einfach nur amüsierten und unterhielten. Marcus lauschte einige Herzschläge auf all die Geräuschkulisse und all das Leben in dieser großen Badeanlage; und den Moment des Friedens genießend, stahl sich auch für einen kurzen Moment ein Lächeln auf sein Gesicht.
    „Pflegst Du einen guten Kontakt zu den anderen Sklaven des Haushaltes?“
    , fragte Marcus, noch ehe Asny mit ihren Künsten beginnen konnte, irgendwie hatte Marcus das Gefühl, Asny war eine Einzelgängerin, die sich wenig mit den anderen Sklaven abgab, aber vielleicht war sie den Menschen ihres Standes gegenüber gnädiger, man konnte ja nie wißen – außer die Person, die Asny wohl am Besten kannte – sie selber.

  • Womöglich sollte sie Asa doch langsam wieder hereinrufen, trotz geschwollener, nackter, behaarter Männerleiber. Als Geist entgingen der Schwester wenigstens die Ausdünstungen eben jener Herrn und die fürchterlich anmutende Schwüle, welche jeden klaren Gedanken zu überdecken suchte. Doch jenes schon bühnenreife Stück, welches sie und ihr dominus gerade darstellten, und welches er frei improvisierte, sie jedoch auf einen ausgeklügelten Spielplan hin aufführte, verdiente so langsam doch ein für solcherlei Tragikomik empfängliches Publikum. Asa würde sich zumindest köstlich amüsieren, wie auch Asny selbst ein gewisses sardonisches Vergnügen nicht gänzlich fortzuweisen vermochte. Allerdings achtete sie peinlich genug darauf, dass eben jenes trotz Aristides' folgender Äußerungen eine gewisse, ordentlich bewachte Grenze nicht überschritt, denn so förderlich persönliches Vergnügen auch war, einem wirklichen Zweck diente es eher selten. Es verleitete dazu, das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren und schwachen Abweichungen vom eingeschlagenen Weg zu folgen, was am Ende doch nur wieder unnötig Zeit und Energie fraß. Obgleich manche Menschen behaupteten, dass Freude und Vergnügen einen zusätzlichen Motivationsschub verleihen konnten. Doch wie lange hielte dieser ungelenke Schubser bestenfalls an? War das Erlangen von Wissen an sich nicht bereits erstrebenswert genug?
    Nun, genau genommen war das Wissen, welches sie an dieser Stelle gerade erlangen konnte, überaus dürftig gesät. Wenngleich Aristides auch glaubte, in ihrer Handhabung Fortschritte zu machen, so stand er doch immer noch am Anfang, hatte womöglich gerade einmal halbwegs die korrekte Richtung eingeschlagen, doch noch keinen seiner hinkenden Füße vor den anderen gesetzt. Ohnehin war sein Charakter viel zu faul und träge, als sich freiwillig und ohne dass ihn seine Verwandten schoben, in Bewegung zu setzen. Stattdessen wand er sich in seiner eigenen, trüben Brühe und glaubte auch noch damit all jenen überlegen zu sein, welche sich weiterentwickeln wollten und ihre Talente nutzten. Dass sie ihn am Ende alle nur belächelten nahm er gar nicht wahr. Familienzuneigung besaß Grenzen. Zumal von seiner Familie inzwischen auch nicht mehr allzu viel Erbauliches übergeblieben war. Andererseits, hatte es bei den Flaviern abgesehen von einem körperlich gebrechlichen Gracchus vordem etwas gegeben, was der Nennung wert gewesen wäre? Am Ende waren auch die Patrizier nichts als gewöhnliche, dröge Menschen, womöglich noch seichter und trockener in ihrem Irrglauben an die Einzigartigkeit. Schon vordem war Asny der Gedanke gekommen, dass sie nach über einem Jahr in der Villa ihr Augenmerk zunehmend wieder nach außen richten sollte. Rom hatte sie schon viel zu lange entbehren müssen. Es wäre an der Zeit, alte 'Freunde' aufzusuchen und in Erinnerung zu rufen, dass man aufgrund des Wohnungswechsels keinesfalls einem plötzlichen und allumfassenden Vergessenheitsfluch anheim gefallen war.


    Ein Teil ihrer Überlegungen festigte Pläne und Vorgehensweisen bezüglich dieser Absichten an, während sich die übrige Aufmerksamkeit ein wenig lustlos um die vorher gefallenen Worte ihres Herrn sammelten, welche allesamt ein weiteres Mal wenig Erbauliches brachten. Im Gegenteil, das Gefühl befiel Asny, als würde Aristides' Gehirn mehr und mehr unter den Dampfschwaden zu leiden beginnen. Immer kürzer wurden die Perioden, in denen sie über ihren Gegenschlag nachzudenken brauchte, stattdessen beschäftigte sie sich wie so oft mit Stoffwiederholungen, meist griechischer Natur. Vorzugsweise von einem Teil jener Griechen, welche Aristides gerade samt und sonders und bar jedweden Intellekts über einen Kamm geschert hatte, als gehöre er dem halb besoffenen Pöbel in einer mitternächtlich angeheizten Taverne an. Suff-Philosophien. Zumindest sollte er nun langsam den Bodensatz seines Verstandes erreicht haben, noch viel tiefer abzusinken barg eine bereits unerhörte Herausforderung. Allerdings besaß Asny inzwischen ausreichend Vertrauen in die zweifelhaften Fähigkeiten ihres dominus um zu ahnen, dass er gewiss auch noch viel, viel tiefer fallen konnte. Allein seine Ausdrucksweise versprach Stunden weingetränkter Unterhaltung.


    Inzwischen hatten sie das Kaltwasserbecken erneut passiert, dessen erfrischende Kühle selbst ohne direkten Kontakt Asnys Lungen zu einem tiefen, erholsamen Atemzug verlockte. Es waren noch nicht die Elysischen Felder, doch sobald sie die Villa erreichten, würde sich Asny den Genuss jener sagenumwobenen Gegend persönlich heranziehen. Mit frischem Wasser und nicht in einer Brühe, in welcher sich schon unzählige Männer getummelt hatten. Andererseits würde ihr bereits Aristides' Kontakt allein damit ausreichen, um die nähere Bekanntschaft mit jenem Nass rigoros zu verweigern. Obwohl ihr Empfinden von körperlicher Schönheit quasi nicht existent war und sie selbst am Äußeren der Götter noch Schwachstellen gefunden hätte, so empfand sie bei der Betrachtung ihres Herrn doch jedes Mal wieder neue, abschreckende Defizite. Im Grunde existierte an seinem Leib inzwischen keine Stelle mehr, welche vor den unerbittlichen Augen seiner Sklavin auch nur ein 'annehmbares' Prädikat erhalten hätte. Selbst unter den von Natur aus abstoßenden Menschen erhielt dieser Mann noch seine eigene, fürchterliche Unterkategorie. Doch Asny besaß auch in dieser Hinsicht ausreichend Selbstbeherrschung, um sich nichts dergleichen anmerken zu lassen. Sie stellte nicht seine Gemahlin dar und er kam auch nicht auf die für ihn mehr als schmerzhafte Idee, sie für irgendwelche außerehelichen Aktivitäten heranzuziehen. Vermutlich durfte sein Penis bei dieser Art von Lebensstil auch schon aufatmen, wenn er überhaupt einmal in seiner unendlichen Reise durch die Lupanare Licht und Frischluft spüren durfte.


    Inzwischen schien man gewillt zu sein, Asnys Massagekünste über sich ergehen zu lassen, so das Hochwälzen auf eine der Steinliegen richtig zu deuten war. Wenn er sich da mal nicht täuschte.
    "Du hast natürlich vollkommen recht, dominus. Das Letzte, was ein Herr von seinem Sklaven erwarten kann, ist selbstverständlich Respekt." Die junge Sklavin nickte sacht wie zustimmen und zauberte nur aufgrund eines leichten Augenaufschlags eine durchdringend sarkasmusgetränkte Atmosphäre. Seine Worte waren an Lächerlichkeit kaum noch zu überbieten gewesen und dies durfte er ohne Schnörkel retourkosten.
    "Wo kämen wir auch hin, wenn ich dich plötzlich respektieren würde? Denn... aus welchen Gründen? Vielmehr solltest du mich respektieren, die ich sogar den Beweis gefunden habe, dass du über einen Geist verfügst, auf welchen ich dir 'gehen' kann. Weswegen ich offenbar die korrekte, zu dir interoperable Taktik aufgetan habe, denn was bist du anderes als plump und wenig erfolgreich, angefüllt mit zu vielen Makel? Du bist langweilig. Vorhersehbar. Bequem und zu träge, um deinen eigenen Verstand zu gebrauchen. Die Politik wurde dir doch quasi aufgezwungen und weswegen solltest du aufgrund deiner Karriere plötzlich von alten, lieb gewonnenen Traditionen und Lebensweise lassen? Um deinen Vetter adäquat zu vertreten? Um deiner Familie Ehre und Stolz zu bescheren? Mitnichten. Am Ende geschieht noch etwas Furchtbares wenn du beginnst, deinen Verstand zu trainieren oder gar Ambitionen zu entwickeln."
    Asnys Lächeln blitzte für den Bruchteil eines Herzschlages lang geradezu wölfisch auf, ehe sie wiederum so verträumt und abwesend wirkte wie eh und je und sich mit ruhigen Schritten der Tür zuwandte, um in auch vordem gelassener, sanftmütiger Plauderstimme fortzufahren:
    "Ich behandele alle Menschen gleich, ob Sklave oder Patrizier oder Kaiser ist mir einerlei. Und nun werde ich dir für deine Massage eine entsprechende Sklavin herbeibeordern. Sie wird auf deinen Genuss und weniger auf einen Nutzen zielen, anschließend wirst du sie bespringen und am Ende dieses Tages kannst du in deinem Bett liegen mit dem wohligen Wissen, auch den heutigen Tag wieder vollkommen in deinem Sinne verlebt zu haben. Ich vermag derweil meine eigenen Studien zu intensivieren und die zusätzliche Zeit sinnvoll zu nutzen. Alle werden glücklich und zufrieden sein."
    Unbeirrt strebte Asny weiter mit leichten Schritten dem Ausgang entgegen und durch ihn hindurch. Soeben hatte sie ihm die Entscheidung aus den Händen genommen und sie intendierte keine Rückgabe derselben. Tatsächlich erhielte der heutige Tag bedeutend mehr Nutzen, wenn sie ihren Herrn von jemand anderem durchkneten ließe. Dass sie diese Technik um einiges besser beherrschte, hatte sie sich selbst bereits bewiesen, und das störende Gekeuche Aristides' stellte eine dabei entstehende Hintergrundkulisse dar, auf welche sie äußerst gut verzichten konnte.

  • Der Narr hält sich für weise, aber der Weise weiß, daß er ein Narr ist.
    - William Shakespeare, 1564 - 1616


    Es gibt Momente im Leben eines jeden Menschen, in dem sich das Leben verzerrt, in dem sich die Momente wie aus einem anderen Universum geschickt anfühlten, in denen der Mensch glaubte: So etwas kann nicht Real sein, es muß aus einer Satire entstammen. Und genau einen solchen unglaublichen Moment erlebte Marcus Flavius Aristides; Marcus Flavius Aristides, der in seinem Leben schon einiges erfahren hatte, der vielen unterschiedlichen Menschen begegnet war: groß, klein, dick, dünn; dumm, clever, brillant; freundlich, liebenswert, ironisch, sarkastisch; gutartig, böse, fies und hinterhältig; an Charakteren hatte der Patrizier namens Marcus Flavius Aristides in seinen vollen vierzig Lebensjahren schon einiges erlebt und hatte sich gegen so manchen Spott, dem er schon begegnet war, gut gewappnet, selbst wenn sein dickes Fell noch lange nicht dick genug war, um es einfach und ohne Gram weg zu stecken, wenn jemand auf der Wiese seines Seelenlebens mit Lachen und Hohn herum stach und große Löcher des Spotts hinein grub; nein, so abgebrüht war er doch wieder nicht. Fassungslos richtete sich Marcus auf seine Hände auf und hob den Kopf von der warmen und weichen Unterlage, wo er sich eben noch gedachte, zu entspannen – wohlverdient, wie er fand, nach dem Streß der letzten Wochen rund um Wahlkampf, Wahlkampfspiele und sonstigen Widrigkeiten. Es war nicht nur der Abgang, den Asny wählte, der ihn fassungslos machte, sondern jedes einzelne Wort, das aus ihrem doch oft so unschuldig lächelnden Mund kam; gerade die paradoxe Kombination von dem lieblich, fast schon engelhaften Gesicht der Asny mit den bitterbösen und sarkastischen Worten erschütterte Marcus immer wieder; warum verschwendete ein junges und doch ansehnliches Mädchen ihre Zeit mit solchem verbalem und gedanklichen Gift? Gerade weil sie ihr Potential doch viel sinnvoller nutzen könnte und ihren Intellekt auf sinnigere Dinge richten; Marcus war nicht nur ratlos, er war heillos verwirrt.


    War er von den Worten getroffen? Ja, das war er sicherlich, denn selbst wenn einige Dinge, die ihm Asny immer wieder an den Kopf warf, mittlerweile von ihm abperlten, so fand ihr kluger Kopf immer wieder neue Aspekte, die an ihm fehlerhaft, schwächlich, dümmlich oder völlig sinnlos waren, er schien nur ein Sammelsurium von Makeln und Fehlern zu sein, frei von jeglichen Vorzügen oder Charakterstärken; noch nie hat er jemanden getroffen, der ihn bis zum Boden seines Daseins für den Abschaum der Menschheit zu halten schien; selbst der gehäßigste Neider, der spöttischste Satyriker in seinem Lebensweg von Bekanntschaften hatte das nicht vollbracht. Erbost und tief getroffen schnaubte Marcus durch seine Nase und erhob sich langsam und nicht sonderlich elegant von der Liege, wobei seine Hände nach dem Tuch um seine Hüften griffen, um dieses fester zu ziehen, wenigstens einen Rest von Würde wollte er sich heute in diesem Bad bewahren, selbst wenn Asny mit einem Skalpell erneut die Hülle um ihn herum aufgeschnitten hatte und sein Seelenleben mit Genuß seziert hatte; nein, ein brünstiger Auerochse war er bestimmt nicht...wobei Marcus Auerochsen sogar als recht würdevoll in Erinnerung hatte, aber trotzdem! Er kam auf seine Füße zurück und grummelte leise in sich hinein; die paßenden Worte waren ihm auf die Schnelle nicht eingefallen, dafür war er mitunter nicht immer schlagfertig genug, selbst wenn ihm hin und wieder mal das eine oder andere Bonmot einfiel.
    „Ich werde doch ganz gewiß nicht irgendeine Frau bespringen...wie ein Karnickel!“
    , murmelte Marcus eine Weile später, Asny war schon längst nicht mehr in Sicht, aber sie hätte bestimmt jedes Wort, das er gesprochen hatte, fein säuberlich auseinander genommen und ad absurdum geführt. Er schüttelte den Kopf und starrte ratlos auf die Kacheln vor seinen Füßen, die in Grün, Blau, Weiß und Gold gefärbt waren und in der Gesamtheit ein Bild von Meer, Nymphen und Fischen bildete, um den Städter aus Rom doch ein wenig Meer und Natur vorgaukeln zu können, mit einem Schuß vom Übernatürlichen.


    Wäre Marcus eine Figur in einem Drama oder Tragödie, dann würde er diese Gelegenheit mit Sicherheit nutzen, um einer dieser langatmigen Monologe zu halten, in denen er dem Zuschauer sein ganzes Dilemma, seine halbe Lebensgeschichte und seine Pläne für die Zukunft zu Füßen legen würde; aber Marcus besaß weder einen Hang zur Melodramatik, noch ein schauspielerisches Talent oder Bestreben, so grummelte er nur leise etwas in seinen nicht vorhandenen Bart und begann zu grübeln, halb dabei gegen die Marmorbank gelehnt, die sonst als Massagetisch diente. Das Plätschern des grauen Regenschleiers paßte jetzt sehr viel besser zu seiner Stimmung als noch vor einer hora als er eigentlich noch recht guter Dinge war; was würde sein Vetter tun, wenn er an Marcus' Stelle wäre? Wahrscheinlich würde er die Angelegenheit an Sciurus delegieren und kein weiteres Augenmerk mehr auf die Sklavin richten und was Sciurus tun würde, konnte er sich schon denken; aber Marcus besaß keinen Sciurus – selbst wenn er gerne einen solchen Sklaven gehabt hätte, loyal, dezent, stetsfort ein stiller und treuer Begleiter, dabei sehr klug und fleißig; eigentlich war Sciurus zu perfekt um wahr zu sein für einen Sklaven, wo hatte Gracchus ihn nur gekauft? - und aus dem Grund des Fehlens eines solchen Sklavens mußte Marcus selber sich darum kümmern. Was hätte Aquilius getan? Asny die Freiheit geschenkt und ihr einen Beutel Sesterzen in die Hand gedrückt und wahrscheinlich mit einem Lachen die Frau behüpft, die Asny wohl gedachte, ihm jetzt zu kommen zu laßen, aber Aquilius war diesbezüglich immer unbesorgter und selbstbewußter gewesen, er scherte sich scheinbar wenig um die Meinung anderer. Marcus' einstige Unbekümmertheit war in den Jahren auch geschmolzen, wie viel von seiner Sorglosigkeit. Was sein Bruder machen würde, war deutlich und klar, er würde Asny den Löwen vorwerfen und keinen weiteren Gedanken an sie verschwenden. Aber Marcus war eben Marcus und selbst wenn er nicht von der zimperlichen Sorte Patrizier war, so empfand er alle Vorgehensweisen, die bei seinen Verwandten tauglich waren, als eine weitere Niederlage gegenüber der Sklavin; denn ganz so wie er vorher behauptet hatte, war es nicht, ihm war ihre Meinung nicht zur Gänze egal, selbst wenn er trotzdem nur eine Sklavin in ihr sah.


    Marcus hob seine Hand und fuhr sich ratlos über den Nacken und rieb sich dann mit dem Zeigefinger die pochenden Schläfen, denn der Tag hatte ihm weniger Erholung als denn ziemliche Kopfschmerzen eingebracht; aber dann paßierte es und zwar noch sehr zaghaft und langsam, einem kleinen Keim wie im Frühling wurde es gestattet aus dem Morast von Marcus' Gedankenwelt heraus zu kriechen, noch hatte der Keimling keine großartige Form und nur die Spitzen von Blättern, die sich erst in zwei Teile aufteilen sollten, langsam den Stil nach oben führend und schließlich Stück für Stück zu einer Pflanze wachsen, bis sie große Blüten und Samen tragen sollte, die wiederum andere Bereiche des Morastes begrünen konnte, doch jetzt war dieser Sämling klein und mehr der Hauch einer Idee; es würde sich zeigen müßen, ob er jemals groß werden würde, oder gleich von den barschen Füßen von Asnys Intellekt zertrampelt wurde. Aber dieser Hauch und diese kleine Pflanze, die zum ersten Mal das Licht seiner geistigen Welt erblickte, brachte doch etwas wie Amüsement und eine gewiße Spannung in ihn, ob es denn vielleicht dieses Mal zu seinen Gunsten ausgehen würde. Seine Mundwinkel, die eben lieber Richtung Boden fallen wollten, hoben sich einen Deut nach oben und sein erbost zusammen gezogenen Augenbrauen wanderten an den alten Platz zurück, genauso glättete sich die Falte zwischen ihnen und auch das Krausen auf seiner Stirn; erneut und entschloßen zog er das Tuch fester und richtete sich auf, seine Augen wanderten durch den leeren Raum und er trat von der Bank weg, um in Richtung des Durchgangs zu zu gehen, aus dem Asny eben noch verschwunden war, drei Schritte weit schaffte er zumindest, sich dem Ausgang zu nähern...


    ....und ihn wohl dann irgendwann doch noch erreichte, um die Bäder zu verlassen.



    Edit: -- Nach zwei Monaten hab ich hier auch den Faden verloren und schlag vor, es so zu belassen.

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