Cubiculum | Aulus Flavius Piso

  • Froehlich betrat der Vetter das Cubiculum des Piso. Dieser sass dort, auf einem Stuhl, inmitten von mehr oder weniger geschmacklosem Geruempel. Er blickte auf. Lucullus haette kein Wort zu sagen brauchen, Piso wusste genau, wieso er hier war. "Ich habe nichts erreichen koennen. Es tut mir Leid. Ich bin zu Flaminius, dem procurator a rationibus gegangen. Doch er hat mich abgewiesen. Es haette nicht viel gefehlt, und dieser miese kleine Plebejer haette mich ausgelacht!" Normalerweise hoerte man solche Saetze nicht von Piso. Ausser, er war sehr, sehr unmutig. Er blickte seinen jungen Vetter an. Es tat ihm Leid, dass er ihm nicht bessere Nachrichten hatte ueberbringen koennen. "Der Procurator a libellis wird noch einmal mit dem Kerl reden. Aber meine Hoffnungen sind nicht allzu gross... solange der jetzige procurator a rationibus nicht von einem Neuen ersetzt wird." Ein leichtes, undeutbares Laecheln legte sich auf seine Lippen.

  • So schnell wollte ich nicht resignieren. Vielleicht hatte ich es einfach falsch angepackt und die kaiserliche Kanzlei war garnicht der richtige Abnehmer. Ohne Frage hatte ich mir trotzdem mehr erhofft. Meine Schultern senkten sich ein wenig, aber es keimte auch Hoffnung auf. Ich blickte Piso abschätzend an.


    "Schade, wirklich schade, aber es kann auch sein, das ich mich einfach nur in der Tür geirrt hab. Weißt du zufällig, wer den Einkauf vom Circus Maximus et Amphitheatrum Flavium regelt? Ich habe immer gedacht, das diese Bühne dem Kaiser gehört und damit die Kanzlei auf dem Palatin auch zuständig dafür ist..."

  • "Hehe.", meinte Piso. Anders als das Lachen es vermuten liess, spruehten seine Augen nicht gerade ueber vor Freudhaftigkeit. Vielmehr waren es Entmutigung und Verzweiflung ueber die Zustaende in der Kanzlei, die aus seinen Augen glommen. "Der Zustaendige ist der Plennier, bei dem ich gerade gewesen bin. Ich haette schwerlichst bei ihm vorbeigeschaut, wenn er nicht ein Spuerchen Kompetenz in jener Sache besessen haette. Mit Kompetenz meine ich die Bemaechtigung. Die andere Leseart jenes Worts, naemlich Faehigkeit, geht diesem Plennier komplett ab!" Er hatte ein paar ziemlich ungute Minuten beim Procurator erlebt, was sich darin manifestierte, dass er ein Kissen wuetend vom bett nahm und sich daranmachte, es zu zerrupfen, was jedoch misslang.
    "Wie gesagt, dafuer zustaendig ist der Procurator a rationibus. Und der hat nein gesagt." Er zuckte mit den Schultern. "Ich koennte dir sonst echt keinen Anhaltspunkt verschaffen. Vielleicht versuchst du es ja mal im Amphitheatrum selbst? Vielleicht kannst du dort irgendjemanden ueberzeugen...", schlug er vor, ohne viel Hoffnung.

  • Es war wie es war eine ziemlich sinnlose Investition gewesen. Hätte ich nicht einem dieser erst zu Lebzeiten frei gewordenen Bürger vertraut, lägen die Kadaver auf einem abgelegenen Haufen zum Verwesen und ich müßte mich nicht mit der Sache beschäftigen. Die Feldsklaven würden das erledigen. Aber irgend so ein Wichtigtuer aus dem niederen Volk mußte mir einreden, das man mit diesen Bären, Wölfen, dem Wild, Tigern und Katzen noch was sinnvolles anstellen konnte. Das es ein respektables Geschäft war sie an die Arenen dieser Welt zu verkaufen.


    Ich seufzte, denn keiner dieses Ganges runter zum Amphitheatrum war angenehm. Überall Gestank, dreckige Laiber, verschwitzte Ausländer und ein Stimmengewirr, das all die Tragik jenes Ortes noch verschärfte. Ich wollte es nochmal anders versuchen und wenn das nicht klappte eben die paar verlorenen Sesterzen in die Esse schreiben. Meine Wut darüber an den letzten noch lebenden Exemplaren ausleben und ihre Körper irgendwo im Wald verscharren lassen.


    "Danke Piso du hast dein Bestes getan. Ich hoffe du hast desswegen keine Unfreundlichkeiten in der Arbeit auf dem Palasthügel. Ich wüßte nur eben nicht wohin ich mich sonst hätte wenden sollen als an den Palatin."


    Überall gab es solche Schreibtischpratscher. Da konnte man nichts machen. Vielleicht hatte Piso den Procurator a rationibus aber auch nur auf dem falschen Fuß erwischt und andertags war er gefälliger. Launen der Natur könnte man das nennen.


    Ich schätzte derweil Aulus Laune ab, denn irgendwie war seine Reaktion auf die eigenen Worte recht ungezähmt.

  • Zermuerbt von den fruchtlosen Versuchen, seine Kissen zu vernichten, liess er jene sinken und wieder zurueck auf sein Bett fallen.
    Er hoerte die Stimme seines Vetters. Den Goettern sei Dank, dass er nicht boese schien. "Ach, danke, Quartus." Zum ersten Mal benutzte er den Praenomen seines Vetters. "Ich hatte keine Unannehmlichkeiten, es war alles in Ordnung. Und das Problem ist, man kann die Entscheidungen des Palatins nicht belangen. Das muesste man mal koennen... ja..." Er blickte seinen Bruder an, durch seine Augen fuhr ein Ausdruck, welcher nur einem Mann gehoeren konnte, welcher eine gute Idee gehabt hatte. "Ja, so etwas muesste man machen... etwas zusammenstellen, womit man Entscheidungen eines oeffentlichen Koerpers belangen koennte... ja...", meinte er vor sich hin und laechelte auf einmal leicht. Dann setzte er wieder ein ernstes Gesicht auf. "Wie gesagt, im Namen der Kanzlei entschuldige ich mich. Es ist echt peinlich, solche Hirnschober als Vorgesetzte zu haben. Ich meine, nichts gegen Prudentius Balbus, oder Antonius Hortalus. Aber der Plennier ist untragbar." Ja, ein Freund der Gens Plennia wuerde er nie mehr werden, und zwar aufgrund des Fehlverhaltens des Pater Familiae.
    Seine Wut war aber wieder verraucht. Ruhig blickte er Lucullus an. "Was gedenkst du nun zu tun?", fragte er.

  • Es war der fruehe Morgen. In seinem Zimmer lag Piso. Er hatte gestern mit Imperiosus zusammen zu tief ins Glas geschaut. Ein Augenlid bewegte sich. Er war aufgewacht.


    Hallo, Sonne. Du blinzelst mir ins Gesicht. Wieso machst du das? Gemein... Hallo, Bett. Wieso bin ich hier? Hallo, unansehlicher Klumpen neben mir auf dem Bett. Wieso erinnerst du mich nur so an Mageninhalt? Hallo, Zimmer. Wie heißt du? Hmmm. Hallo, Porzellanelefant. Hallo, Kaiser Titus. Gut geschlafen? Ich habe das nämlich nicht getan. Trotzdem danke der Nachfrage.
    Hallo Frühstück. Darf ich es wagen, dich zu essen? Du kommst mir vertraut vor. Hatte ich dich nicht schon gestern? Hallo Finger meiner Hand. Lebt ihr noch?


    „Hallo Phrima.“, war eine der inkoherenten und leicht schrägen Gedanken, die Piso im Kopf herumschwirrten. Wie es sich herausstellte, der einzig relevante, denn die kleine raetische Kammerdienerin stand neben ihm am Bett, mit einem Tablett mit etwas Frühstück drauf. Er zog fahrig seine Decke über das Erbrochene neben ihm am Bett und wandte seinen Kopf um, um sie anzusehen. „Ahhh... mein Kopf... ich bin ausgeraubt worden. Dabei hat man mir eine über die Rübe gezogen.“, beklagte sich Piso bei der Sklavin. Jene grinste frech und fröhlich zurück. „Eh klar. Ma haet di usgroubt. War sichr der Kaiser höchschtselbscht.“
    Piso riss die Augen auf. „Kaiser? Kaiser hast du gesagt? Sch...“ Er sprach das Schimpfwort zwar aus, laut, langsam und hallend, doch muss es an dieser Stelle nicht ausgeschrieben werden, der Leser kann es sich denken. „Ich muss zur Arb... Arbeit! Ich...“ Phrima wich amüsiert zurück und legte das Tablett beiseite. „Sicher. Gang nur.“, meinte sie mit weicher Stimme und feinem Lächeln.
    Nun war es ja nicht so, dass Piso nicht sein Bestes versuchte.


    Hallo abermals, oh Finger. Bewegt ihr euch? Gut. Schiebt die Decke beseite. Gut. Langsam. HUI! KALT! Wieso war es so kalt hier? Schnell zurückgezogen. Schnell wieder zugedeckt, unter der fein lauschigen Decke.


    Mit großen Augen starrte er Phrima an. „Ich, ich, au weia, mein Schädel... hast du einen Kü... Kübel?“ Es freute ihn ganz und gar nicht, das Wort auszusprechen. Phrimas Lächeln schwand einem genervt- gelangweilten Gesichtsausdruck. Sie langte nach hinten. Dort stand eine leicht kitschige Keramikvase. Genau das Richtige. Sie hielt es Piso hin, welcher die Vase hastig ergriff und seine Schnauze hineinsteckte.


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    Phrima drehte sich hastig weg, sodass nur die Laute zu ihr durchdrangen, aber sie wenigstens die Schweinerei nicht ansehen musste. Irgendwann verloschen die unappetitlichen Geräusche, und sie hörte, wie hinter ihr die Vase am Boden abgestellt wurde.
    Stattdass sie sich wieder umdrehte, ließ sie sich nach hinten fallen und kam neben Piso auf dem Bett am Sitzen. Sie blickte ihn an, mit einer Mischung aus Vorwurf und ein bisschen Sorge. „Arms Büable.“, ließ sie von sich vernehmen, ließ ihre linke Hand sinken und af Pisos Brust verharren.


    Piso starrte gebannt auf diejenige. Hatte er es jetzt endlich geschafft, die hübsche Sklavin zu verführen? Er blickte ihr ins Gesicht und entgegnet das Lächeln, dass sie aufgestzt hatte. „Phrima, du bist doch immer wieder das schönste an jedem meiner Morgen.“, lächelte er sie an. Phrima entgegnete: „Pisooooo... du bischt... ein Faulpelz und Tunichtgut!“ Mit diesen Worten erpackte sie seine Decke und riss sie von Pisos Körper herunter. Dieser ächzte, kringelte sich in Fötusstellung zusammen und versuchte krampfhaft mit der rechten Hand seine Kotze abzudecken. Phrima schüttelte nur den Kopf. „Schon gseha. I werd es wegmachen. Aber du muscht zu Arbeit gehen! Da hilft koa Maulen!“, schimpfte sie und gab dem Flavier einen leichten Schubs, sodass es diesen vom Bett hinunterhaute. Rechtzeitig krallte Piso sich an einem Ständer seines Bettes fest, sodass er sitzend am Boden aufkam. Am Bett zog er sich ächzend hoch und blickte Phrima vorwurfsvoll an. „So verfährst du mit deinen Herren, Raeterin?“, knurrte er. Wackeligen Schrittes umkreiste er das Bett und wackelte zu Phrima hin. „Ich sehe solche Gewaltanwendung gar nicht gerne.“ „War doch koa Gewaltanwendung!“, verteidigte sich Phrima. „Nur ein klener Anschupser. So, i muass jetza witr. Bis dänn!“ Sie zwinkerte ihm zu und gab ihm ein wundervolles Lächeln, welche jegliche Säuerlichkeit in Piso abmilderte, und verließ geschwind den Raum. Nun stand Piso alleine im Raum herum, im Nachthemd, und fragte sich, mit wievielen Sklavinnen er sich noch herumplagen werden müsste. Unzählig viele. Legionen. Wo war seine Toga? Sein Blick fiel auf den Boden, sie musste dort wohl irgndwo liegen. Er beugte sich und klaubte diverse Bestandteile von einst nützlichen Gerätschaften, die nun als Gerümpel in Pisos Zimmer standen, beiseite. Hallalli, Hallalla, die Suche nach der Toga hatte begonnen. Hal, war das nicht der Jagdruf? Egal. Piso konnte sich nicht mehr erinnern. Was auch auf fast alle Ereignisse gestern Nacht zutraf.

  • Wo war bloß seine dreimal verfluchte Toga? Er durchwühlte das Chaos, welches er am Boden hatte. Schriftrollen und seltsame Figürchen, die er einmal bei einem Nippeshändler im Duzend um einen Sonderpreis erhalten hatte, flogen durch die Luft, als er mit beiden Händen in das Chaos auf seinem Boden fuhr und alles wegschaufelte. Doch den langen Stoffballen kam er nicht zu Gesicht. Wo hatte er seine Toga hingetan? Immerhin hatte er unter ein paar Schriftrollen eine ordentlich riechende Tunika von grüner Farbe gefunden, welche er sich überzog. Die Tunika war ja schon da, aber seine Toga brauchte er. Er öffnete fahrig den Schrank, doch dort war sie auch nicht drinnen. Es überkam ihn die Panik. „Cassivellaunus!“, rief Piso hektisch. „Cassivellaunus! Ich brauche dich!“ Die Türe öffnete sich, und der treudoofe Britannier blickte Piso an.


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    „Mein Heeeerr?“, fragte er. Für seinen gehorsam erntete der Arme aber nur einen sauren Blick. „Ich finde die Toga nicht!“, rief Piso theatralisch und zeichnete einige dramatische Gesten in den Raum. „Frag Acanthus, wo ich sie hingetan habe!“ Cassivellaunus nickte nur und verschwand.
    Piso derweil setzte sich auf sein Bett und fuhr sich durch sein Haar. Wo hatte er bloss diese Toga hingetan? Er zermarterte sein Hirn. Hmmm. Da war irgendetwas gewesen. Und zwar... Busch. Nein. Neinneinnein, das war nicht möglich. Piso blickte mit rot geräderten Augen auf und holte tief Atem. Das musste ein Trick seines Gedächtnis sein.
    In jenem Moment öffnete Cassivellaunus die Tür. „Herr! Herr! Nicht gut! Gar nicht gut!“, rief er. Piso stand auf und blickte Cassivellaunus an. „Draußen.“ Cassivellaunus nickte nur und schluckte. Piso ließ einen Schrei ertönen, und hechtete zum Fenster. Cassivellaunus schrie auch, aber weniger laut, vor allem deshalb, weil ihn die heftige Reaktion seines Herrn erschreckt hatte. Dann sprang er ihm nach. Er sah sofort, dass Piso wie ersteinert nach unten blickte.
    Als er das nun auch tat, verzog er den Mund. „Oje. Tatsächlich der Busch.“ Unten, im Gebüsch, welches sich unter Pisos Fenster ausbreitete, lag die Toga. Piso hatte sie im Suff rausgeworfen. Sie war nicht weggeflattert, da sie sich im Geäst verfangen hatte.
    Die Blicke von Herrn und Sklaven trafen sich. Piso blickte zu Cassivellaunus mit dem selben Blick, mit dem wohl ein Kleinkind seine Mutter anschaut. „Ich brauche meine Toga... hilf mir! Ich brauche meine Toga!“ Hysterisch plätterte Piso auf seinen Sklaven ein, dieser hob beschwichtigend die Hände. „Ich mache ja schon! Ich mache ja! Nur ruhig!“, versuchte er seinen Herrn zu beruhigen, was nur schwerlich ging. Auweia.
    Cassivellaunus ließ Piso hinter sich und stürmte aus dem Zimmer hinaus.


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    Fast wäre er mit der dicksten Nubierin aller Zeiten zusammengeprallt. „Cungah!“, rief er aus. „Kannst du mal bei Piso reinschauen? Der Kerl ist manisch!“ „Ist das eine neue Erkenntnis?“, fragte Cungah mit ihrer tiefen, dunklen Stimme den Britannier und betrat Pisos Zimmer.
    Cassivellaunus hastete derweil nach unten, um die Toga zu retten.
    Wie er es schaffte, wusste er nachher nicht mehr.


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    Er hatte die Hilfe von Ajax gebraucht, welcher ihn gehalten hatte, als er sich vornüber im Hortus übers Gebüsch lehnte. Zu allem Unglück war noch Attalus vorbeigekommen und hatte sich köstlich amüsiert.


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    „‘A, ’a, ’a! Je l‘ai su! Je l’ai vu! ‘Abt ihr eusch ganz terriblement lieb, n’est-ce pas?“, spottete der Wirt und lachte, während Cassivellaunus der Schweiß runterronn und er davon fantasierte, dem präpotenten Kerl zu Gulasch zu verarbeiten. „Drôle, je l’aime!“, rief Attalus, als Cassivellaunus endlich die Toga hervorgezogen hatte. Cassivellaunus begann plötzlich zu grinsen. „Was denkst du, wie oft Piso da schon hineingefurzt hat !“, rief er, lachte und begann, mit der Toga ausgebreitet zwischen den Armen, auf Attalus loszurennen. Dieser sprang zurück. „Dégoûtant!“, brüllte er und zog sich eilig dorthin zurück, wo er hingehörte – in die Küche.
    Also war nun die Bahn frei. Cassivellaunus eilte nach oben, öffnete das Zimmer und erblickte dort eine anrührende Szene – Mama Cungah, welche dem auf dem Bett liegenden und vor sich hin zuckenden Piso ein Wiegenlied vorsummte. Cassivellaunus räusperte sich, und der Römer und die Sklavin fuhren auf. Cungah grinste, Piso blickte belämmert drein ob der Störung.
    Cassivellaunus hielt die Toga zu Piso hin, als wäre die heilige Bundeslade oder der gesamte kaiserliche Schatz. Jener sprang von seinem Bett auf, riss die Toga von Cassivellaunus und juchzte. „Ahhh!“, brüllte er und beherrschte sich, Cassivellaunus um den Hals zu fallen. Dann räusperte er sich. „Danke.“, brachte er schließlich hervor. Cassivellaunus zuckte die Schultern. „Keine Ursache.“, meinte er und wies mit der Hand zur Tür. „Hast du nicht gesagt, du bist spät dran, Herr?“, fragte Cassivellaunus den Römer.
    „Doch, doch!“, rief Piso und blickte Cassivellaunus an. „Du musst...“ „Ja, gut.“, seufzte Cassivellaunus, nahm Piso die Toga wieder ab und band sie jenem um. Wie gut, dachte sich Piso, dass er einen Sklaven hatte, der das so gut konnte. Als sie danns chließlich saß, räusperte sich Piso wieder.
    „Also dann. Ich gehe jetzt. Wiedersehen.“, sagte er zu den beiden Sklaven und verließ den Raum. Die beiden blickten sich für 30 Sekunden nur stumm an. Dann verklang das Echo von Pisos Schritten, und irgendwo im Gang fiel eine Tür ins Schloss.
    Das war der Moment, in dem die beiden zusammenbrachen und loslachten, sodass sie sich nicht mehr einkriegen konnten.

  • Und auch hier brachte ein Sklave die Rolle mit den flavischen Zeilen.



    Piso, mein guter Vetter,


    ich muss mich bei Dir entschuldigen, es kommt wohl leider doch nicht zu unserem Musikabend in nächster Zeit. Ich werde Rom verlaßen und erstmal all dem Sumpf und dem Moloch dieser Stadt den Rücken zu wenden. Es ist für mich Zeit, etwas Ruhe und meinen inneren Frieden zu finden und das werde ich in der Hauptstadt nicht können. Ich bin mir sicher, daß Du Deinen Weg weiterhin großartig gehen wirst. Laß Dich nicht unterkriegen, glaube an Dich und höre nicht auf, Deine Lyra zu spielen, egal, was die Anderen sagen.


    Mögen Dir Götter über Dich wachen,
    Dein Vetter
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    Post Scriptum: Piso, ich hab nie wirklich schlecht von Dir gedacht. Es wäre auch absurd, denn Du ahnst gar nicht, wie ähnlich wir uns doch sind. Vielleicht erzählt Dir Manius eines Tages davon.



  • An einem sonnigen, jedoch keinem warmen, Tag:
    Flavius Furianus erinnerte sich zwischen Frühstück und Abendessen an einen gewissen Flavius Piso, welchen er schon länger nicht aufgesucht hatte.
    Diese Verfehlung musste beseitigt werden und so kam der Flavier in der späten Nachmittagsstunde in das Cubiculum des Auserkorenen.


    Kurz klopfte er an, wartete es nicht ab und ging hinein.


    "Salve, Junge. Ich wollte gerne wissen, was du gemacht hast seit unserem Gespräch.", fing er dann ungezwungen an. 8)

  • Dem Flavier musste sich ein eigenartiges Bild erschließen. Ein relativ aufgeräumter Raum, mit der Ausnahme von Büchern und Schriftrollen, und ein paar Kleidungssachen, welche da und dort herumlagen. Piso nicht am Bett sitzend, seine Lyra schlagend, sondern am Arbeitstisch hockend und tief über eine Schriftrolle gebeugt. Eine Schriftrolle über Geschichte. Die Lyra hingegen stand an ihrem Ehrenplatz über Pisos Bett, nagelneu ausschauend.
    Der Flavier in seiner nigelnagelneuen roten Tunika ;) fuhr zusammen, als er jemanden hineintreten hörte. Das war ja... Furianus!
    Er fuhr herum und machte ein freudiges Gesicht. Es war durchaus ehrlich, Piso hatte das Geldgeschenk und die im Nachhinein extrem wirksamen Tipps des Älteren nicht vergessen. „Lucius Furianus, welch Freude.“, meinte er und setzte sich auf. Er hatte Furianus besuchen wollen, doch jener schien so emsig in letzter Zeit zu sein, dass Piso sein Glück lieber nicht an seinem Arbeitszimmer versuchen wollte.
    Doch jetzt bekam er Besuch von Furianus. Prima, er wollte sich durchaus über einiges mit ihm unterhalten. „Setz dich doch!“, bat er an, mit einer Geste zu seinem Bett hin, welches frisch bezogen und somit als Sitzgelegenheit zu vertreten war.
    „Ja, ich habe einiges gemacht, durchaus.“ Er räusperte sich. „Den Cursus Iuris und das Militärexamen habe ich auf Anhieb bestanden, vielleicht weißt du das schon. Danke nochmals für das Geld. Ich habe mich dann noch weiter gebildet. Ich habe den zweiten Militärkurs gemacht, und, erinnerst du dich, wie ich dir von diesem Wirtschaftskurs erzählt habe? Den ebenfalls. Momentan bin ich daran, mich religiös weiterzubilden, und ich denke, bald schon bin ich da mit meinem Wissen über den Kult an den Göttern, wo ich sein will. Ich habe einige Opfer übrigens gemacht. An Iuno, Minerva und ein blutiges an Iuppiter. Und, den Ahnen habe ich geopfert. Was sonst? Genau, das wird dich vielleicht freuen, ich habe kürzlich das architektonische Examen abgelegt. Ich warte noch auf die Auswertung, aber ich bin relativ konfident.“ Endlich einmal holte er Atem, um weiterzuerzählen.
    „Ich war auch bei Durus – ein sehr netter Mann, wird sicher ein guter Consul sein – wegen der Arvalbrüder. Sobald ich noch der großen Dea Dia geopfert habe, und meinen Wissenstand aufgefrischt habe, werde ich nochmals zu ihm gehen. Ich hoffe, ich werde von ihm aufgenommen, sei es auch nur deshalb, weil ich dein Verwandter bin.“ Er lachte leise.
    „Und sonst? Ich habe mich als Pflichtverteidiger eingeschrieben. Und natürlich geschuftet in der Kanzlei. Meine Arbeit ist viel zu mies entlohnt für seine Intensität, ich werde mir was anderes suchen. Ich habe deshalb schon geredet mit meinem Patron und...“
    Er hielt abrupt inne. „Weißt du schon, dass ich einen habe? Ja, ja, ich weiß, du hast mir gesagt, ich solle damit warten. Aber ohne Patron kommt man in Rom nicht voran, und kandidieren kann ich sowieso vergessen. Ich habe irgendwie das Gefühl, schon beginnt der Umstand, dass ich nun einen einflussreichen Patron habe, zu wirken. Ich habe mir, das kannst du glauben, Gedanken gemacht bei der Auswahl. Willst du wissen, wer es ist?“, fragte er mit einem breiten Grinsen.
    „Und, ich widme mich wieder den schönen Künsten. Keine Angst, keine Musik. Ich schreibe ein langes Gedicht. Es gibt da etwas... worüber ich hinwegmuss.“ Er dachte an Serrana und blickte kurz traurig drein. „Ein trauriges Kapitel, naja... wie dem auch sei. Ich denke, es ist echt gut. Und ich werde es wohl auch nicht selber vortragen, wenn es fertig ist.“, meinte er.
    „Aber, du, mein Lieber, du hast auch einige Sachen angestellt. Was höre ich da? Eine Frau hast du dir geangelt, eine Claudierin? Wieso hast du das nicht vorher erwähnt?“, fragte er interessiert nach, mit nur einem Hauch von einem schelmischen Schmunzeln.

  • Missmutig trat er ein und bekam schon die erste Überraschung. Der Jüngling erschrak nicht. Irgend etwas musste da in letzter Zeit nicht zu Furianus´Wohwollen geschehen sein, jemand musste ihm die Angst genommen haben. Und Angst war evident, darauf legte der Flavier großen Wert, denn dadurch entstand zumeist Respekt.
    "Ja, eine Freude.", entgegenete der Flavier trocken und setzte sich, um sogleich darauf die zweite Überraschung zu erleben.
    Gehofft hatte er dies, doch erwartet hatte er nicht einmal die Hälfte dessen, was ihm der junge Flavier aufzählte. Er war wirklich fleißig gewesen und die anfängliche Skepsis des Flaviers wandte sich zu einer gewissen inneren Freude darüber, dass der Kleine doch nicht so missraten war wie anfangs gedacht.
    "Nicht schlecht, junger Piso, du hast die Zeit gut genutzt.", erkannte er dann kurz an und lauschte weiter. Einen Patron hatte dieser nun auch noch - hier musste der Haken sein. Vermutlich ein unbedeutender Plebejer.
    "Na, wer ist es?", folgte der Flavier brav dem kleinen Ratespielchen des Jünglings und erwartete schon das Schlimmste.
    Das Schlimmste sollte auch gleich folgen. Nun dichtete der Spinner auch noch. Flavius Furianus war kein Kenner der Künste, aber seit dem Spiel des Piso auf dessen Instrument, wusste der Senator, dass die Dichtkunst genau so blamabel ausfallen sollte.
    "Ich würde es eher begrüßen, wenn du deine restliche Energie nicht auf die üblichen Künste konzentrierst, sondern vielleicht auf die nützlicheren. Wie Rhetorik eine ist. Wenn du im Senat bist, darfst du kein durchschnittlicher Sophist sei, sonst gehst du unter.", tadelte er darauf hin mit immer noch schier ausdruckslosem Gesicht.
    Der darauf folgende, schon schier freundschaftliche, Ton des Jünglings missfiel dem Flavier schon recht stark. Angesäuert verzog er die Augenbraue und wunderte sich über diese respektlose Sprache.
    "Man angelt keine Frauen, junger Flavier.", wies er ihn dann barsch an, nachdem der Geduldsfaden eindeutig gerissen war. "Außerdem bitte ich dich dahingehend Stillschweigen zu bewahren. Es ist noch nicht öffentlich, was seinen guten Grund hat.", fuhr erdann fort, um eine kleinere Pause einzulegen, in welcher er entschied dem jungen Flavier doch ein wenig Auskunft zu geben.
    "Wir haben in Athena den Bund der Ehe beschlossen. Hier in Rom ist es noch nicht angemeldet, daher nicht offiziell und ich möchte, dass dies auch so bleibt, bis ich entscheide, wann die Zeit reif dafür ist."

  • Interessant war es schon, die Mimik des Furianus zu betrachten. Der Grant, der in seinem Gesicht omnipräsent war, als er eintrat, wurde verdrängt durch eine Art... positives Erstaunen, je mehr Worte Piso aus seinem Mund purzeln ließ. Piso hatte natürlich viel aus eigenem Antrieb gemacht... aber trotzdem, er konnte nicht verleugnen, dass viel von der Arbeit, die er in seine Examina hineingesteckt hatte, dazu bestimmt war, Furianus zu beeindrucken. Piso wollte nicht als Versager dastehen. Jetzt war seine Chance gekommen, Furianus zu beweisen, dass bei ihm nicht nur Flavius draufstand, sondern auf Flavius drinnen war. Na ja, metaphorisch gesehen.
    Und so freute er sich über das Kompliment des Senatoren. Ausßerordentlich sogar. Er ließ es sich, mit Mühe, nicht anmerken außer mittels einem dünnen Lächeln, aber eigentlich hätte er Furianus für das bisschen Anerkennung, das er ihm zukommen ließ, umarmt. Da hätte sein gegenüber gestaunt. Aber vermutlich nicht im positiven Sinne.
    Furianus war natürlich gespannt, wer denn der Patron war. Ein Plebejer war es, aber mitnichten einer von geringer Macht, wenig Einfluss, oder ohne Verbindungen zum Patriziat. „Purgitius Macer.“, ließ Piso die Katze aus dem Sack. Jetzt war er schon auf die Reaktion gespannt. Er spannte unter seiner Tunika bereits die Muskeln, um einem cholerischen Wutanfall des Furianus, deren Stärke er gewahr war, mit einem Satz nach hinten entgehen zu können.
    Was er dem älteren Flavier über seine Kunst anvetraute, kam auch nicht gut an. Er blickte bekümmert Furianus an. „Willst du nicht, bevor du mich verdammst, ein paar Zeilen hören?“ Er deutete zu ein paar Wachstafeln auf seinem Tisch hin. „So miserabel ist es auch wieder nicht, das Gedicht.“ Er dachte über Furianus‘ Ratschlag nach. „Als ich in Alexandria war, habe ich einiges zum Thema Rhetorik gelernt, und ich sehe es als absolut valide und erstrebenswerte Kunstform an, angesehen vom großen Nützlichkeitsfaktor. Nur, irgendwie scheint es keine ordentlichen Lehrer in Rom geben zu wollen. Alle von Rang und Namen sind in Alexandria. Und ich wollte weder eine monatelange Reise auf mich nehmen noch mir meine bestehenden Kenntnisse von einem Kurpfuscher versauen lassen, sondern warten, bis ich einen qualifizierten Lehrer finde. Kannst du mir vielleicht jemanden empfehlen?“, fragte er.
    Da hatte Piso doch tatsächlich gedacht, durch das, was er bisher erreicht hatte, hatte er Furianus versöhnlich stimmen lassen. Weit gefehlt, denn Furianus nahm den kumpelhaften Ton des Jungflaviers nicht gut auf.
    Piso blinzelte, um dem Instinkt zu wiederstehen, eine Augenbraue hochzuziehen. Gab es neuerdings wirklich so eine politisch korrekte Atmosphäre in der Villa Flavia? Piso schob es einfach darauf, dass Furianus ein Gentleman war, der aus seinem Alter heraus war. „Ähm, klar, sicher.“, brachte er hervor. Bei seinem nächsten Satz musste er aber doch lächeln.
    „Lucius Furianus. Wenn ich jemals daran gedacht hätte, es weiter zu erzählen, würden es die Spatzen schon von den Dächern pfeifen. Nein. Was hier, unter uns, geschieht, verlässt die Mauern der Villa Flavia nicht. Einmal nicht durch mich.“ Er blickte nach rechts, wo eine jugendhafte Büste des Kaisers Titus stand. Seine Stimme senkte er. „Genau dies ist, so will man meinen, ein grosses Erfolgsrezept unserer Familie. Diskretion.“
    Er räusperte sich und hörte die Vorgeschichte der Ehe an. „Gut.“, meinte er. „Ich hoffe, ich lerne bald deine Angetraute kennen. Sicher ist sie ein ganz reizendes Wei... ich meine, eine ganz reizende Dame.“

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    Cleomedes, welcher an diesem Tage bei Acanthus Dienst an der Porta tat, eilte - seinem Ruf entsprechend - geschwind durch die Flure der Villa bis zum Cubiculum des Piso hin, klopfte dort und harrte ungeduldig bis zur Aufforderung einzutreten ein. Sodann, kaum hatte er die Türe geöffnet, gab er sogleich sein Begehr kund.
    "Herr, ein Besucher aus dem Haus der Aelier steht vor der Porta und bittet darum, zu dir vorgelassen zu werden. Caius Archias ist sein Name - wünschst du, dass wir ihn einlassen?"

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  • Piso war fleißig an seinem Gedicht dran. Auf seinem Schreibtisch stapelten sich buchstäblich Haufen von zerkritzelten Pergamenten – denn Piso benutzte für so ein edles Werk keine Wachstafeln – und er war gerade daran, den 134. oder 135. Vers zu schmieden (er hatte nämlich den Überblick über die Zählung verloren), als es klopfte.
    Unwillig drehte sich der Flavier herum. „Herein!“, rief er, seine Feder ebenfalls richtung Tür zeigen lassend, als ob sie eine Verteidigungswaffe wäre, woraufhin Cleomedes eintrat und Piso mit Wörtern überschwemmte.
    Pisos Kinnlade klappterte nach unten, genauso wie die Feder, die er fallen ließ. Erst nach einigen Sekunden wich der leicht dämliche Gesichtsausdruck einem erfreut wirkenden Grinsen, welches nur Sekunden andauerte, bevor Piso den Griechen hart anblickte.
    „Ihr lasst ihn sofort hinein. Und mit sofort meine ich SOFORT!“, blaffte er den Sklaven an. „Führe ihn ins Atrium oder sonstwohin. Ich werde dann gleich zu ihm stoßen.“ Diese eine Zeile musste er noch zu Ende bringen, bevor er Archi sehen würde, endlich, nach so langer Zeit wieder.

  • Zuerst fürchtete Cleomedes wegen der Dreistigkeit des Aeliers - jeder im Hause wusste, wie die beiden Familien zueinander standen, glaubte dies zumindest zu wissen aus der unausweichlichen Konsequenz längst vergangener Zwistigkeiten - würde vor Schrecken das Leben aus Piso weichen oder er aber in einen Anfall flavischen Zorns ausbrechen, doch obgleich seine Reaktion dem flavischen Zorn näher kam als dem Lebensende, so rührte sie augenscheinlich nicht aus der Impertinenz des Aelius, sondern entlud sich gegenteilig viel mehr gegen die flavischen Sklaven. Letztlich indes war es wie immer, jeglicher Zorn, gleich gegen wen er ursprünglich sich richtete, brandete stets über die Sklaven hinweg, so dass Cleomedes sich eilig ein Stück verbeugte und rückwärts - beinah so schnell wie voran - sich aus dem Zimmer zurück zog. "Sofort, Herr, ins Atrium, Herr!"
    Noch ehe Piso sich seiner Zeile wieder zuwandte, war die Türe bereits geschlossen und der Sklave zurück auf dem Weg zur Porta.

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Piso folgte noch Cleomedes mit düsteren Blicken, bevor er sich wieder hastig seinem Gedicht zuwandte. Die Feder, die er zu Boden geschmissen hatte, ignorierte er, und nahm hurtig eine neue her. Jene tunkte er in Tinte, bevor er sie aufs Pergament ansetzte. Etwas eiliger als sonst schmierte er seine Zeilen aufs Papier, bis er eine Stanze fertig hatte. Danach setzte er sich auf, seinen Schreibtisch so stehen lassend, wie er ihn vorgefunden hatte, und eilte heraus aus der Türe, zum Atrium, wo ihn Archias schon erwartete.

  • Aufgestanden, sich von Phrima verwöhnen lassen, Katzenwäsche gemacht, Zähne geschwemmt, Ohrenschmalz ausgepult, fertig war Piso für den Morgen. Bevor er aber in die Kanzlei aufbrach, setzte er sich noch an seinen Arbeitstisch in seinem Cubiculum und schaute sich noch einmal sein halb fertiges Gedicht durch. Hmm, was könnte er jetzt noch schreiben? Er fummelte unschlüssig an seiner Feder herum, als es klopfte. „Herein!“, rief er, nach hinten gebeugt, und sah seinen Privatsekretät Antiochos eintreten.
    „Ah, Antiochos. Morgen. Gibt’s Neues?“ Der mittelalte Kreter – mit seinem Waschbärenbauch sicherlich nicht mit diversen kretischen Stieren vergleichbar – nickte. „Sehr wohl, Herr. Ein Brief ist angekommen von einem Collegium. Ein Collegium Seppel... Sepple... Seppi...“ „Septemvirorum?“ „Genau, Herr! Verzeih, man kann sehen, dass Latein nicht meine Muttersprache...“ „Gib einfach her.“
    Antiochos tat dies, und Piso brach das Siegel auf. Er studierte den Brief genauestens und riss seine Augen auf. „Bei Iuppiter! Aurelius Corvinus hat sein Versprechen eingehalten! Hurra darauf!“ Er begann, seine Fäuste jubilierend herumzuschwingen, wobei er Antiochos fast getroffen hätte. Der Keter duckte sich, um nicht einer Watsche zum Opfer zu fallen. „Dann gehe ich dorthin. Wie sitzt meine Toga?“ Antiochos runzelte seine Stirn. „Mit Verlaub, Herr, du hast keine an.“ Piso sah an sich runter und fuhr sich mit der rechten Hand durch die verstrubbelten Haare. „Bäh, so ein Schmäh. Wo ist sie denn?“ Antiochos zeigte auf den neu installierten Haken an der Wand. Piso zog seine linke Augenbraue hinauf. Seitdem er sein Zimmer hatte aufräumen lassen, war kein Stein mehr auf dem anderen geblieben.
    „In jenem Falle...“ Er schritt zur Toga hin, ergriff sie und ließ Antiochos einen Sklaven hereinwinken, der ihm die Toga überwarf. Sie saß gut. „In diesem Fall, wünscht mir Glück. Valete.“, meinte er zu den Sklaven hin, als er zur Tür herausschritt.

  • „Gmfffhh.“ Obwohl sie sogar ein wenig jünger war als Piso, blickte Phrima fast mütterlich auf ihn herunter. „Guten Morgen ebenfalls.“, lächelte sie, trat zum Fenster hin und zog die Girladen auf. „Urk...grgl... äh... ngngnngggnn...“ Die hübsche Räterin kicherte leise. Piso allmorgendlich aus dem Bett zu holen war immer wieder göttlich. Der Flavier hatte ihr nämlich erlaubt, alles zu tun, um ihn nur aus seiner Schlafstätte herauszukratzen. Und so ergriff sie seine Decke und zog sie runter. Piso, nun deckenlos und sich in seinem Nachtkleid zusammenkauernd, protestierte, jedoch nicht sehr effektiv, denn aus seinen Worten entströmte nur unverständliches Gemurmel. Phrima schüttelte den Kopf. „Komm ussa do.“ Piso machte seine Augen in einem Gewaltakt halbwegs auf. „Rauskommen...? M-mmmm... schlafen...“ Die Räterin, wieder bestrebt, verständliches Latein zu reden, seufzte. „Ich habe da eppas für dich. Etwas.“ Piso blickte schläfrig zu ihr hin. „Ein Aufruf zur Wahlkandidatur.“ Piso sperrte seine Augen auf. „WAS?“ „Jawohl. Wenn du Vigintivir werden willscht, musst du itz einen Brief schicken.“ Piso setzte sich auf, jegliche Müdigkeit war wie weggewischt aus ihm. „Aber... es gab doch keine Anweisung... gestern bin ich doch noch in der Kanzlei gewesen! Gestern am Abend noch... es ist unmöglich, dass eine Anweisung von Salinator durchgekommen wäre, ohne dass ich es nicht gewusst hätte. Nicht zu fassen... die Consuln müssen auf eigene Faust gehandelt haben.“ Phrima blickte Piso groß an. „Ja, dürfen sie das?“ Piso blickte seine Lieblingsräterin an und zuckte die Achseln. „Nun... es ist gegen das Wahlgesetz... Durus und Marcellus haben sich wohl drübergesetzt.“ Er stand auf und grinste. „Bona dea, wer hätte es geglaubt? Wir haben Consules mit Rückgrat. Und ich bin mir sicher, Tiberius hat das durchgepeitscht.“, jubilierte er. Phrima hatte den Faden verloren in Pisos Ausführungen und blickte ihn nur noch mehr an, vergaß sogar, sich wegzudrehen, als Piso sein Nachthemd auszog und seine Tunika überstreifte. Der Flavier, der ohnehin nicht als prüde verschrien war, und dessen Laune nun unheimlich verbessert war, störte sich nicht dran und grinste nur. „So, ich werde jetzt noch einen Brief schreiben und einen Sklaven zu den Tiberiern schicken.“ Phrima blickte verwundert. „Aber s’Frühstück...“ Piso lachte. „Das kann warten, das ist nicht wichtig... ich bin so glücklich, dass ich endlich kandidieren kann, Phrima, ich...“ Er packte sich die Kammerdienerin unverwandt und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Ich könnte die Welt umarmen! Juheirassa!“ Von der verduzten Räterin hopste er zum Schreibtisch hin und suchte sich eine unbeschriebene Schriftrolle raus. „Danke, Phrima.“ Dieselbige blickte nochmals verständnislos zum Flavier hin, bevor sie das Zimmer verließ und leise die Tür hinter sich zumachte. „Kindskopf.“, murmelte sie, als sie endlich im Gang stand... und lächelte kurz, bevor sie abging.

  • Sonnenschein. Er strömte durch das Fenster hindurch, hinein in Pisos Zimmer. Wieso denn das? Piso blinzelte und murmelte vor sich hin. „Phrima...“ Der Name der Räterin erklang eher wie ein Protest als wie nur ein Name. „Guata Morga, der g‘ehrti Herr Vigintivir Electus Aulus Flavius Piso.“, grinste die hübsche Räterin zurück.
    Piso durchlief eine Metamorphose. In der einen Sekunde war er noch muffelig in seinem Bett gelegen und hatte griesgrämig dreingeschaut. In der nächsten Sekunde saß er mit durchgestrecktem Rücken, mit in allen Himmelsrichtungen abstehenden Haaren, mit weit aufgerissenen Augen, im Bett. Die Bettdecke war hinuntergerutscht und offenbarte sein großväterliches Nachthemd. „Waswowiewer...“, stotterte er.
    Phrima seufzte. „Es ist heute schon in aller Frühe vor der Curis Iulia usghanga wora. Ausgehängt worden.“, korrigierte sie sich genervt, als Piso dreinschaute wie ein Omnibus. „Ganz Rom hat es schon gesehen – nur du nicht, Langschläfer.“ Piso sprang aus seinem Bett heraus. „Du lügst... nicht?“ Phrima lächelte. „Nein.“ Und dann passierte etwas, wovon Piso schon so lange geträumt hatte, was aber bisher nie in Erfüllung gegangen war. Sie beugte sich vor zu ihm und hauchte ihm einen Kuss auf seine Wange.
    Als sich ein riesiges, fettes Grinsen auf dem Gesicht des Piso bildete, war nur eines klar: dieser Tag war einer der Besseren im Leben des Aulus Flavius Piso.
    Eine Minute später war er in einer teuren Seidetunika gekleidet, die für Feiern wie prädestiniert war. Es konnte losgehen!

  • Ein Brief. Ein Brief aus Ravenna. Ein Brief aus Ravenna von Flavius Aetius. Ein brief aus Ravenna von Flavius Aetius, gehalten in der Hand von dessen Sohn Flavius Piso, der auf seinem Bett saß und in den Brief starrte.
    Ein Sklave hatte ihm den Brief gebracht. Heute am Morgen war dies gewesen. Er hatte es nicht gewagt, ihn anzurühren, zu öffnen. Er hatte das Geschehene verdrängt. Erflogreich verdrängt. Nun es wieder aufreißen? Er fürchtete sich ein klein wenig davor.
    Doch irgendwann, es musste Vormittag sein, hatte er den Brief wieder aus der Schublade, in der er ihn gründlich, mit Sorgfalt, verstaut hatte, herausgeholt, mit elicht zitternden Händen. Dann war er einfach nur da gesessen, einige Minuten lang, mit den Brief in seinen Händen, ins Leere starrend. Dann, endlich, konnte er seine Hände dazu zwingen, den Brief zu entrollen.
    Aulus!
    Wie ein Donnerschlag traf es Piso, alleine dieses Wort lesen zu müssen. Fast hätte er den Brief weit von sich weg geworfen, wie ein brennendes Stück Holz, in Teer getaucht, und wäre schreiend herumgerannt. Doch er konnte sich beherrschen. Er musste weiter lesen. Es half nichts.
    Die erste Zeile las er... und schüttelte den Kopf. “Dieser... Delusionist.“ Das sagte der Richtige, könnte ein objektiver, unvoreingenommener Beobachter sagen, doch Piso kümmerte sich nicht groß um solche Konzepte. “Mumm. Meine Art. Verdauen. Schrecken.“ Er schüttelte seinen Kopf abermals. Nur die Neugierde veranlasste ihn, weiter zu lesen.
    Folgende Wortfetzen murmelte er bei der Lektüre dieses Briefes, deutlich hörbar für den im Zimmer herumstehenden Cassivellaunus, der sich sicher später noch einen Ast darob lachen würde.
    “Meinen Mann zu stehen... ach, auf einmal. Familienpflichten, was zum Henk... oh lieber gute Iuppiter, Nigrina, Bona Dea... Vera kränklich, pah, Ignorant, ich... Aurelier? Verdamm mich, wie Pilze aus dem Boden, wie Pilze aus dem Boden schießen die... Eltern... hier komme ich ins Spiel? Ich... was? Corvinus? Ausgespäht? So ein Sch... bald auf die Reise machen? Zufriedenheit? Auftritt... ich werd nicht mehr... ich werd nicht mehr... ich glaub, ich spinne... ich bin im falschen Film...“
    Er stockte und las einen Teil vom Brief immer wieder... “Beste Grüße... beste... beste... von deinem Vater...“
    Er wusste nicht, wie ihm geschah, aber irgendwie fiel ihm ein Stein vom Herzen. Aetius betrachtete sich noch immer sein Vater. Es war unverzeihlich, was Aetius ihm angetan hatte. Aber... es war sein Vater, trotz allem.
    Mit einem Gefühl, als ob er in ein großes Loch gefallen wäre, ein endloses Loch, mit zunehmendem Interesse den über ihn immer kleiner werdenden Eingang betrachtend, stand er auf. Seine Beine wackelten.
    Sein Blick richtete sich an Cassivellaunus. “Meine Schwester kommt.“ “Aber sie ist doch schon daaaaa!“ Piso Blick verdusterte sich. “Nigrina.“ “Oh.“ “Oh, sehr wohl. Scher dich jetzt, ich will alleine sein.“
    Nachdem der Britannier ihm gehorcht hatte, setzte sich Piso wieder nieder, mit gewisser Verdrießlichkeit auf den Brief starrend.
    “Aulus Flavius Piso. Patrizier, Septemvir, Vigintivir, Arvalbruder, Künstler, Heiratsvermittler.“ Er seufzte und stand wiederum auf. “Dann soll es so sein. Dann komme, Schicksal, über mich. Komme in der Form von Nigrina.“ Mit Entschlossenheit starrte er an die Wand, und die Wand starrte zurück. Naja, metaphorisch.

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