§ 16 Ordo Senatorius

  • Lange hatte Aelius Quarto geschwiegen. Die Wellen der teils heftig geführten Diskussion wogten hin und her und offenbarten unter anderem einmal mehr die offenkundige Gegnerschaft der Senatoren Germanicus Avarus und Tiberius Durus.
    Aber nachdem Claudius Menecrates bekundet hatte, dass er den von Avarus eingebrachten Änderungsantrag ablehnte, wurde es stiller.


    Aelius Quarto wartete noch ein wenig, dann erhob er sich und ergriff das Wort.


    “Senatoren, ich bin der Ansicht, dass es einen großen Unterschied gibt, zwischen den ordines Equester und Senatorius.


    Die Ritterschaft war und ist von jeher durch das Geld geprägt. In der alten Zeit war ein Eques ein Mann, der vermögend genug war, sich ein Pferd leisten zu können, so dass er in Roms Kavallerie kämpfen konnte. Es war vor allem sein Vermögen, dass ihn von den einfachen Plebejern unterschied, nicht seine Herkunft. Die Zeiten ändern sich, die Verhältnisse tun es ebenso und heute ist einiges anders. Aber am Kern und Ursprung ändert es nichts.


    Der Ordo Senatorius ist von ganz anderer Natur. Hier versammeln sich die edelsten und hervorragendsten Männer Roms, jene, die durch ihre Herkunft und ihre Ahnen seit Generationen mit Rom verbunden sind. Vermögen alleine reicht hier nicht! Das Fundament muss tiefer und stärker sein.


    Deshalb halte ich die jetzige Regelung für gerechtfertigt. Ein Ritter definiert sich über sein Vermögen. Ein verarmter Ritter ist seines Sinnes entleert. Darum muss er vor dem census immer ein ausreichendes Vermögen vorweisen können.


    Den Angehörigen des Ordo Senatorius qualifizieren andere Dinge. Ich halte es für richtig, dass unser Gesetz verhindert, dass Faulpelze in diesen Ordo berufen werden, die zu arm sind, um sich eine eigene Meinung leisten zu können. Aber es wäre unwürdig, wollte man einem verdienten Mitglied dieses Hauses seinen angestammten Platz streitig machen, des Landbesitzes wegen.
    Nein, dass hielte ich für schlecht!


    Deshalb stimme ich Senator Herius Claudius Menecrates zu. Ich bin ebenfalls gegen eine Änderung der augenblicklichen Rechtslage.“

  • Noch immer war Durus erbost und wieder einmal musste er sich sehr wundern, dass es niemanden anderes zu stören schien, wenn jemand dieses Haus diffamierte. Dennoch beschloss er, ruhig und beim Thema zu bleiben.


    "Ich stimme Senator Aelius zu. Der Ordo Equester definiert sich über Geld, der Ordo Senatorius jedoch ist als Aristokratie zu verstehen - die Herrschaft der Besten! Sie sollten selbstverständlich einen Lebensstil pflegen, der ihrer Würde angemessen ist, doch ist es in diesem Fall am Censor, den Lebenswandel eines solchen zu bewerten."

  • Avarus hatte eine Weile mit vor den Bauch verschränkten Armen dagesessen. Erst war eine gewisse Ruhe eingekehrt. Eine Zeitspanne, die ihre Bezeichnung Ruhe durch Beiträge weniger bekannter Senatoren erhielt, die oft wenig Worte ohne Inhalt machten und nur keinen Zorn anderer Senatoren auf sich zogen, weil sie sich eben kurz und bündig hielten. Danach sprach einer der Claudier und auch Quarto brachte seine Meinung zu Tage. Es war wirklich unglaublich, was so eine kleine Redepause bewirkte. Ohne sich zur Eile drängen zu lassen, fuhr Senator Germanicus Avarus sich über das Kinn. Er sah es natürlich anders. Sonst wäre dieser Vorschlag auch nicht derart von ihm gekommen.


    "In Betracht auf die Klassifizierung Vermögen ja oder nein kann ich ebenfalls Zustimmung signalisieren. Doch was hat in aller erster Linie Grundbesitz mit Geld zu tun? Ist es nicht engstirnig gedacht Grund und Boden nur durch den Wechsel von Münzen zu veräußern? Ist es nicht in aller erster Linie eine Sache, die viele Wege finden kann in den Besitz derer zu gelangen, die in den Senat berufen werden wollen und dort auch zu verbleiben?"


    Er ließ diese Sichtweise im Raum stehen und beobachtete einige Wortführer.

  • Wieder einmal brachte Avarus eine Frage ein, die etwas seltsam anmutete. Was Grundbesitz mit Geld zu tun hatte? Eine ganze Menge! Wie sollte Boden denn seinen Besitzer wechseln, wenn nicht durch Kauf? Seine Schlussfolgerung war nicht gerade das, was er von einem Germanicus Avarus erwartete. Oder war die Geldgier, die er ihm stets unterstellte, bereits so weit gegangen?


    "Möchtest du etwa den Pöbel enteignen und ihren Boden dann an Senatoren verteilen? Ich weiß nicht, ob die Volkstribunen so etwas zulassen können."


    meinte er daher und blickte zur Bank der sogenannten Volksvertreter. Dass sie in Wahrheit auch nur Senatoren aus Senatorenadel waren, die sich die günstigere Alternative zum Aedilat gesucht hatten, änderte ja im Grunde nichts an ihren Aufgaben.

  • Wieder und wieder mußte er sich über einen Tiberier wundern. Ihre Predigen füllten sich ständig mit heißer voller urahnisch strapazierter Luft und doch bekamen sie die einfachsten Regeln, Normen und Tugenden nicht auf die Reihe. Sie zeigten zu oft ihr wahres Gesicht, als das ihnen noch jemand die Geschichte des immer währenden Edelmanns ohne Gier, Habsucht und Hass abkaufte.


    Germanicus Avarus schüttelte leicht den Kopf.


    "Ich muß mich doch stark wundern. Mal abgesehen von der Tatsache, das ich Land eher von Euch enteignen würde, als die schwarze Masse des Pöbels aufzuwiegeln..." er lächelte angewidert. "... befindet sich das römische Klientelverhältnis doch in der Lage, das gerechte Geben und Nehmen ohne Münzen zu nutzen. Ein Jungsenator wird, weil er soweit gekommen ist, immer einen Gönner folgen. Er wird die drei Parzellen erhalten und dafür seine stimmgewaltige Kraft einsetzen. Er wird im Verlaufe seiner Anwesendheit im Senat weitere Wege finden die drei Parzellen zu haben oder er wird zu einem der Jasager, die es in dieser Halle schon zuviele gibt."


    Ein Aufschrei ging durch einen der Blöcke. Bekanntlich bellten jene Hunde am Lautesten, die getroffen wurden.


    "Rom's Elite ist nicht darauf angewiesen Grundstücke zu kaufen. Sie hat sie bereits. Jene die dazu gehören wollen, sind es ebenso nicht. Denn ich habe euch Wege aufgezeigt, wie Rom's junge Politiker ganz nach den alten Traditionen berufen werden können. Es liegt also nicht daran, das Römer zuwenig Land kaufen können, sondern daran, das Römer die mos maiorum verlernen."


    Jetzt fixierten seine Augen den Tiberier. Avarus wußte schon was in dessen Gehirn vor sich ging. Die kleine reine Welt des Tiberius Durus existierte nur im Schaum der Träume. Jetzt würde er sich aufbegehren und sagen:' gerade dieser Avarus muß uns das vorhalten... gerade DER.' Eben DER konnte sich nicht erinnern, wo er je der Geldgier verfallen war. Man hatte es eben oder nicht und jene die es nicht hatten, waren oft erfüllt von barbarischen Neid. Ein Patrizier mußte sich wahrlich schämen dieser ausländischen Gefühle so hemmungslos zu verfallen.

  • Macer folgte der weiteren Debatte bedächtig und aufmerksam. Die Ausführungen von Aelius Quarto erschienen ihm äußerst durchdacht und schlüssig, so dass er beifällig nickte. Doch was danach Germanicus Avarus vorbrachte und wie Tiberius Durus darauf reagierte, das verstand Macer wiederum überhaupt nicht.


    "Ich verstehe deinen Einwand nicht, Germaniucs Avarus", warf er daher ein. "Wie der werte Consular Aelius Quarto ausgeführt hat, definiert sich der Ordo Equester über das Geld, mit dem er sich Grundbesitz erwerben kann. Er definiert sich aber eben nur darüber, nicht über Klientel und Tradition, die andere Möglichkeiten des Besitzwechsels eröffnen. Folglich ist es beim Ordo Equester notwendig, erworbenen Besitz jederzeit wieder nachzuprüfen. Der Ordo Senatorius hingegen definiert sich eben nicht über Geld und so spielt es eine untergeordnete Rolle, wie man seinen besitz erworben hat. Was zählt, ist die Eingebundenheit in die Gesellschaft, die es einem ermöglicht, eben gegebenenfalls auch Besitz sein Eigen nennen zu können, aber eben auch, reinen Gewissens und ohne jeden Blick auf Geld, auf diesen Besitz zu gegebenem Zeitpunkt zugunsten anderer wieder zu verzichten." Wäre ihm eine einfachere Formulierung eingefallen, hätte er sie wahrscheinlich benutzt, aber kurzfristig fiel ihm nur sowas umständliches ein. "Wo siehst du dort eine zweifelhafte Verknüpfung zwischen Geld und Besitz oder dem Mos maiorum?"

  • "Ich sehe keine zweifelhafte Verknüpfung zwischen Geld und Besitz oder dem Mos maiorum. Was ich sehe ist die Gefahr der Hochstaplerei, der Trickserei und Täuschung. Um einen Zensus nachzuweisen, ist es nicht schwer Urkunden ausgestellt zu bekommen. Ohne nie wieder eine Kontrolle fürchten zu müssen, kann dem Senat allerlei dunkles Geschöpf beigemischt werden. Ihr mögt in unseren Reihen nur die edelsten und kühlsten Geschöpfe Roms sehen. Männer, die sich ehrbar durch den Cursus Honorum gearbeitet haben. Doch in wievielen Gassen Roms sieht diese heile Welt befremdend aus?"

  • Macer fand diese Gedankenspiele schlichtweg albern, und genau das sagte er auch. "Du willst also unterstellen, dass es hier in dieser Runde Männer gibt, die besser zu den dunklen Geschöpfen der Subura passen als in diese Halle? Oder du hast Angst davor, von eben solchen um deinen Sitz gebracht zu werden? Falls du dich nicht damit lächerlich machen willst, empfehle ich dir, die nötige Größe zu besitzen und Namen zu nennen von jenen, die du für nicht würdig hälst, den Fuß auf die Schwelle der Curia Iulia zu setzen. Solange du das nicht kannst, halte ich deine Mutmaßungen und Ängste für lächerlich und albern." Dabei hatte Macer nicht einmal Zweifel daran, dass es im Senat tatsächlich Männer gab, die es nicht wirklich verdient hatten, hier zu sitzen und sich vor allem durch Schweigen oder wirre Reden hervor taten. Aber er war sich sicher, dass diese auch nicht verschwinden würden, wenn man den regelmäßigen Nachweis von Landbesitz einforderte.

  • So oder so er würde die nächten Monate einige Männer mehr brauchen, um unbeschadet über das Pflaster Roms zu gleiten.


    "Ich möchte mich nicht als feig verunglimpfen lassen. Wir alle wissen, das dieser Senat immer wieder durch Männer aufgefrischt wurde, die nie im Cursus Honorum dienten oder selbst wenn, dann nur mit größter Sorgfalt ihrer Gunstgeber in die Ämter gefunden haben."


    Sein Blick wußte wohin er streifen mußte, aber er traf auf ein spitz verzogenes Gesicht. Die dunklen Augen ließen ihn frösteln und ein Schauer jagte ihm über den Rücken. Natürlich wußten sie es, aber sie waren nie so dämlich gewesen es offen auszusprechen. Wiedermal hatte Avarus sich in diese Lage selbst manövriert, oder war dazu getrieben worden. Er konnte schon das hämische Grinsen im Rücken spüren. Dort wo andere ehemalige Praetoren saßen. Männer die es gelernt hatten das Maul zu halten oder wenn sie schon sprachen viele Worte um wenig Inhalt zu machen, um schnell wieder aus dem Blickwinkel zu geraten. Rom funktionierte nunmal anders. Es war nicht demokratisch, es war auch nicht politisch kühl austaxiert, hier regierten andere Dinge, die sich nur selten vieler Worte bemächtigten.


    Ohne Frage vorallem dieser Tremellius Narcissus, dessen Gesicht zu einer Messersschneide geformt war, würde mit seinen Mannen die nächste Zeit ein Auge auf ihn werfen und den rechten Moment abpassen. Erneut schauderte es Avarus. Er würde den Bezirk der Subura, wo einige der niedrigsten Senatoren hausten weiträumig meiden.


    "Ich...." es schnürte ihm regelrecht den Hals zu, Avarus fühlte seine trockene Kehle noch staubiger werden, das erste Wort dieses Satzes krächzte aus ihm heraus. Er versuchte seine Lippen mit dem restlichen Speichel zu belecken, aber viel kräftiger wurden die folgenden Worte nicht "...ich bin sicherlich nicht dazu berechtigt über das Sein und Nichtsein zu entscheiden, das muß der Imperator und die Götter tun."


    Es war eh zu spät. Er hatte einen neuen Block gegen seine Person zu einem Bündnis geschmiedet und es würde Monate brauchen ihn wieder zu erweichen. Schlaff wirkten jetzt seine Schultern. Avarus setzte sich ohne ein weiteres Wort zu verkünden. Er war erneut in eine taktische Falle geraten und ohne Frage er war wie die Maus zum Speck gehüpft.

  • Die Reaktion von Avarus überraschte Macer ein wenig. Seine Worte und Gesten konnte man durchaus als Schwäche auslegen und eine solche hatte er in Macers Augen bisher selten gezeigt im Senat. "Dann sollten wir es wohl auch dem Imperator Caesar Augustus in seiner Eigenschaft als Censor überlassen, ob er von Senatoren einmaligen oder dauerhaften Landbesitz verlangt oder sie aus anderen Gründen des Senats verweist", stellte er als sein persönliches Fazit dieser Antwort trocken fest und setzte sich. Mehr hatte er nicht erreichen wollen.

  • Zuerst wollte Durus etwas auf die unverschämte Antwort des Avarus erwidern, doch dann sprang ihm doch endlich einmal ein anderer Senator bei und kanzelte den Germanicer gewaltig ab. Ein genüssliches und zugleich hämisches Grinsen malte sich auf Durus' Gesicht, als er erkannte, welche Wirkung Macers Worte entfalteten. Wohl zum ersten Mal sah er echte Angst in den Augen seines Erzfeindes. Es war unmöglich, in dieser Situation eine Emotion zu verbergen! Vielleicht würde er ab heute ein paar mehr Verbündete gegen diesen Mann haben!

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