Casa Germanica - Cubiculum Calvena

  • Verdutzt sah Avarus sie ihn und brauchte augenscheinlich einen Moment um die kommenden Ereignisse sich in Erinnerung zu rufen. Er war eben doch nicht mehr der Jüngste, aber meistens bekam man das nicht mit, weil er entweder außer Haus war oder sich auch eben ziemlich rege am Familienleben beteiligte. Manches konnte man schnell vergessen oder einfach nur übersehen.


    „Ja, die Hochzeit“, bestätigte sie ihm. Noch ging sie nur von ihrer eigenen aus und konnte ja nicht ahnen das Sedulus bereits andere Pläne hatte und ihre ganzen Vorbereitungen durcheinander wirbeln würde. Es war eben nicht leicht eine Braut zu sein. Die nächste Frage folgte. Kam es ihr nur so vor, oder verlief das Gespräch ausgesprochen zäh? Kurz legte sie den Kopf schief und versuchte zu erahnen, was Avarus nun dachte. Er hatte sich erstaunlich ruhig verhalten, wenn das Thema auf ihre Verlobung und Hochzeit zu sprechen kam. Zunächst hatte er ja nur wenig Begeisterung gezeigt. Doch wie stand er nun zu den Dingen. Ob es wirklich eine so gute Idee war hinter seinem Rücken, seine Frau einzuladen? Bisher hatte sie immer den Eindruck gehabt, das er sie vermisste und seinen Sohn, aber er sprach selten darüber. Sollte sie ihn darauf ansprechen? Sollte sie ihn komplett in ihre Pläne einweihen?


    „Mit einem Teil“, sagte sie dann. „Die Gästeliste ist wohl einer der wichtigsten Punkte!“

  • Calvena sprach die Wahrheit gelassen aus. Natürlich war die Gästeliste mit das Wichtigste, wenn man es genauer betrachtete, dann kam man vielleicht auch auf die Idee dieser Ansammlung von Namen den wesentlichsten Teil der Vorbereitung zuzugestehen. Denn mit dem Gast stand oder fiel ein Fest. Mit dem Geladenen legte sich ein Niveau fest. Mit dem Hospitant gelangte die Feierlichkeit zu einem gelungenen Abend oder versackte in der Langeweile. Es war wichtig genau diese Dinge zu bedenken, lud man Besucher zu sich ein. Schon von Vornherein konnte man eine Menge richtig oder falsch machen, setzte man Namen auf die Liste, deren Inhaber sehr speziell waren. In Rom gab es davon Dutzende.


    "Wirst du sie mir zeigen oder möchtest du, das ich aus dem Bauch heraus meine Vorschläge dir unterbreite?"


    Avarus lächelte sie an, denn er nahm an, das Calvena aus irgendeinen Grund so zögerlich in dieses Thema einstieg. Durchaus konnte dies auch mit seiner Überraschung zusammen hängen, aber im Idealfall suchte man die Gründe immer ersteinmal bei den Anderen, als bei sich selbst.

  • Als Avarus nach der Liste fragte, nickte sie und erhob sich dann um diese von der Komode zu holen, wo sie diese griffbereit hingelegt hatte. „Natürlich darfst du sie sehen“, erklärte sie.



    Gästeliste


    Aurelius Ursus
    Tiberia Septima – Pronuba???
    [strike]Decimus Verus[/strike]
    Decimus Livianus
    Decimus Mattiacus
    Aelius Quarto
    [strike]Vescularius Salinator[/strike]
    Vinicus Lucianus
    [strike]Octavius Victor[/strike]
    Terentius Primus – Classis Misenis
    Purgitius Macer
    Tiberius Durus
    Flavius Gracchus
    Hadrianus Subdolus
    Claudia Romana
    Iunia Serrana
    Octavius Macer
    Furia Calliphana
    Iulius Centho
    Tiberia Arvinia



    „Sie ähnelt der Gästeliste zu den Fontinalien. Octavius Victor hat sich aus Rom zurück gezogen“, wusste sie zu berichten und erklärte warum einige Namen durchgestrichen waren. „Decimus Verus ist irgendwo in Germanien verschollen und den PU würde ich nicht zwangsläufig als Gats zu meiner Hochzeit haben wollen...“, ob er von den Gerüchten gehört hatte, welche sich eifrig erzählt wurden. „Wen würdest du noch einladen?“

  • Avarus überflog die Liste, dabei hielt er den Daumen drauf und schob die Hand sanft mit nach unten. Alles recht bekannte Namen. Bis auf einige weibliche Gäste, die wahrscheinlich zu Calvenas Freundinnenschaar gehörten. Spontan sagte Avarus:


    "Hm meine Frau, aber sie fühlt sich in Gallien ja wohler als hier."


    Dann blickte er nochmal drauf.


    "Hast du die Soldaten schonmal angeschrieben, nicht das ich ihnen so ein schönes Fest nicht gönnen würde, aber sie werden bestimmt für so einen Tag nicht bis nach Rom kommen können."


    War schon ein zwei Tagesritte weg, das Misenum. Aber vielleicht wußte Calvena was sie tat und Avarus wäre der letzte, der eigene Klienten auslud.

  • Anscheinend hatten sie und Avarus doch ein und denselben Gedanken gehabt. Nun würde es ja gar keine Überraschung mehr werden, wenn sie seine Frau einlud.


    „Das dacht ich mir schon. Ich werde ihr recht bald einen Brief schreiben. Von Gallien nach Rom ist es ja ein ganzes Stück!“ meinte sie und würde sich wohl noch heute an den Brief setzen. „Willst du ihr dann auch noch ein paar Zeilen schreiben?“ fragte sie dann noch.


    Bei der nächsten Frage schüttelte sie den Kopf. „Nein, noch nicht. Die Gästeliste hab ich erst vor ein paar Tagen zusammengestellt.“

  • Sein Blick wurde steinernd, Avarus dachte an die Geschehnisse, die Lucillas letzte Briefe beinhaltet hatten. Aber er wollte ganz sicher nicht, das Clavena dazu kam seine Zeilen an seine Frau zu sehen.


    "Hm ich glaube kaum, das sie Rom besuchen kommt. Ist sie hier kommt sie nicht mehr weg. Lucilla hat da ihren ganz eigenen Kopf."


    Und der rannte auch durch die Wand, wenn nötig war. Ganz Decima Hispania eben. 8)


    "Hast du meinem Neffen Sedulus schon die Liste gezeigt?"


    Ein Name kam ihm nämlich noch verwunderlich vor.

  • Leicht zuckte sie mit den Schultern. Das war wohl eine Sache zwischen Avarus und seiner Frau. Sie würde sich da nicht einmischen. Auf die Idee seinen Brief zu lesen, würde sie nicht kommen. Dennoch eine Einladung würde sie Lucilla zu schicken.


    Also widmete sie sich wieder dem Thema Gästeliste zu.


    „Gezeigt noch nicht, aber er meinte zu mir, ich soll die Gästeliste zu den Fontinalien übernehmen!“

  • Verwundert sah sie Avarus an und überflog die Liste. „Im Grunde ja. Sedulus wollte noch Terentius Primus dabei haben“, erklärte sie und sah dann Avarus etwas ratlos an.
    Worauf wollte er hinaus. Er hatte doch die Gästeliste zu den Fontinalien selbst in den Händen gehalten und dann einige Namen hinzu gefügt... Einige waren nicht gekommen, aber bei bestimmten Persönlichkeiten hatte sie es erwartet. Wohlweislich hatte sie Tiberius Durus gleich gestrichen, der wollte ja nichts mit den Germanicern zu tun haben.
    Flavius Furianus würde auch niemals kommen, der stand auch mehr oder weniger mit den Germanicern auf Kriegsfuß und sie würde niemals auf die Idee kommen Flavius Piso auf die Liste zu setzen. Dem wünschte sie einen schmerzhaften Tod.
    Fragend sah sie den Großonkel an.

  • Als würde der Senator heute noch wissen, was er damals für Namen durch seine Finger hatte gleiten sehen. Naja diese Schwäche behielt er für sich. Wie jede Andere auch, Männer hatten nunmal keine Schwachstellen.


    "Du hast einen Senator Tiberius Durus auf dieser Liste stehen, wenn er schon zu den Fontinalien eingeladen war, dann hat es ihn nicht getrieben unser Fest zu besuchen. Es wäre taktisch unklug ihn ein zweites Mal einzuladen. Das sähe so aus als müßten wir uns seiner Person versichern. Nein streiche ihn runter, der Mann ist eh biedern und ohne Freudigkeit auf die Welt gekommen."


    Postneumodern würde man wohl Spaßbremse dazu sagen.

  • Kurz sah sie noch einmal auf die Liste. Oha, da hatte sie tatsächlich den Tiberius übersehen. Sie nahm den Griffel zur Hand und Strich den Namen durch.


    „Soweit ich weiß ist er derzeit eh auf dem Lande mit seiner Frau!“ meine sie nachdenklich und zuckte dann mit den Schultern. War sowieso unwichtig.


    „Wen willst du einladen?“ fragte sie dann.

  • Der Flur war zu einem Problem geworden. Im matten, zuckenden Schein der Lampen waren die Mosaike und Skulpturen zu Leben erwacht und hatten ihn mit aufgerissenen Mündern angestarrt und ihn mit ihren leeren Blicken verfolgt, bis ihn das rettende Schwarz eines fremden Zimmers verschluckte.


    Er kannte die Tür, durch die er sich beinahe mucksmäuschenstill stahl, ohne vorher angeklopft zu haben. Drinnen empfing ihn Dunkelheit und Stille. Eigentlich war es hier nicht weniger furchterregend, doch lag der vertraute Geruch einer gemochten Person in der Luft, der die Schrecken der Finsternis mühelos vertrieb.
    Sie schlief bestimmt. Er lauschte kurz konzentriert und hörte, wie sich jemand herumdrehte. War sie erwacht? Nein, offenbar nicht, zumindest hatte sie ihn dann nicht bemerkt. Also trat Pius näher an das Bett heran. Nun konnte er die Person erkennen, die dort schlief.

  • Unruhig schlief sie in dieser Nacht. Wälzte sich unter den Lacken und Decken von einer Seite zur anderen um ihren Träumen zu entkommen. Je länger sie nun in Rom lebte, in den sicheren Wänden der Casa, um so seltener waren ihre Alpträume geworden. Die Ängste langsam vergessen und die seelischen Wunden langsam verblasst. Doch in manchen Nächten kehrten die Nachtmahre lautlos zurück, schlichen sich in ihren Schlaf und ließen ihr keinen Frieden. Mit Klauen und Zähnen zerrten sie die düsteren Bilder hervor, die sie vergessen suchte. So nicht in dieser Nacht...


    Ihr Atem ging stoßartig, panisch und gehetzt. Es war eine sternenlose Nacht, finster und voller düsterer Schatten. Äste schlugen ihr ins Gesicht, zerrten an ihrer Kleidung, zerkratzen ihr die Arme. Ein spitzer Schrei gelte durch die Nacht, flackerndes Feuer und Kampfgeräusche verfolgten. „Lauf!“ rief ihr eine tiefe Stimme hinter her. Sie schluchzte, denn Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie hatte Angst. Eine Wurzel brachte sie zum straucheln, sie stürzte, schrammte sich die Handflächen auf. Mühsam rappelte sie sich auf. Ein Ast knackte hinter ihr. Panisch drehte sie den Kopf. Ein angstvoller Schrei stieg ihr in der Kehle auf. Sie rannte weiter, tiefer in die Nacht hinein. Suchte Schutz hinter dicken rauen Stämme. Ein dämonisches kaltes Lachen verfolgte sie... Wieder schluchzte sie heiser. „Du entkommst mir nicht!“ kalt und hohl klang die Stimme. Rennen, nur rennen... Einen Fuß vor den nächsten setzten. Fliehen vor dem Tod, dem Feuer und der Angst...


    Leicht drehte sie sich im Schlaf. Kalter Schweiß bedeckte ihre Haut und jagte ihr kalte Schauer durch den Körper. Murmelnd wandte sie den Kopf. Ehe sie tiefer in die Kissen sich kuschelte. Schutz suchend.


    Wieder dieses heiseres Lachen. Er war hinter ihr. Sie drehte sich auf der Stelle herum. Ihr Herz pochte wild in der Brust. Wo war er, sie wusste dass er sie verfolgte. Sie hatte ihn bis eben noch gehört. Wieder spürte sie einen erstickten Schrei in der Brust. „Hab ich dich“, eine schwere Hand legte sich auf ihre Schulter...

  • Der Knabe betrachtete das Gesicht der Schlafenden genauer. Es hatte nichts Friedliches an sich. Es schimmerte kaum merklich und die Nasenflügel hoben und senkten sich unregelmäßig. Die feinen Augenbrauen zuckten einmal deutlich, dann verharrten sie wieder in vollkommener Ruhe. Sie kuschelte sich noch tiefer in ihre Kissen.
    Träumte sie etwa? Dann war das aber wohl kein schöner Traum. Ihr Atem ging immer härter und sie murmelte sogar etwas, das er jedoch nicht verstehen konnte. Ob sie sich gerade fürchtete, wie er sich eben noch?


    Kurzentschlossen streckte sich eine Kinderhand nach Calvenas Schulter aus, berührte sie dort ganz sacht und zog sie dann gleich wieder weg. Er fand den Gedanken ganz unerträglich, dass seine Calvena sich fürchtete. Er wollte nicht, dass sie Angst hatte, wollte nicht, dass ihr irgendetwas zustieß – und war es auch nur in ihren Träumen. “Calvena?“ wisperte der Kindermund kaum hörbar dabei, weil er sie nicht erschrecken wollte.

  • … mit einem lautlosen Schrei auf den Lippen schreckte sie hoch. Sah sich mit wildem Blick um und atmete stoß weise. Ihr Traum war plötzlich Realität geworden, als jemand sie leicht berührte hatte. Die Decke war ihr bis zu den Hüften gerutscht als sie sich mit wild pochendem Herzen aufgesetzt hatte. Nur ein Traum. Calvena beruhigte sich und sah dann ziemlich verdutzt ihren nächtlichen Besucher an. „Marcus?“ fragte sie verwundert und strich sich einmal kurz über das Gesicht. „Was machst du denn hier?“ fragte sie ihn. Leicht fröstelte sie. Ihr Blick glitt zu dem Kohlebecken. Es war erloschen. Kurz raufte sie sich die Haare. Sie hatte bisher noch nie nächtlichen Besuch gehabt, besonders von keinem Mann. Wobei man von ihrem Verwandten noch nicht wirklich von Mann reden, er war noch ein Kind. „Kannst du nicht schlafen?“ fragte sie ihn und setzte sich auf die Bettkante. Sie zog sich ihre Decke über die Schultern und seufzte tief. Sie fror in ihrem Nachthemd und noch war der Frühling nicht wirklich da. Das würde wohl noch einige Wochen dauern. Was machte sie denn jetzt mit dem Jungen? Ratlosigkeit zeigte sich kurz auf ihren Zügen.
    Der Junge hatte ihr einen ganz schönen Schreck eingejagt. Wer erwartete auch schon, dass plötzlich aus einem dunklen Traum, Realität wurde. Bisher hatte sie noch niemand aus ihren Träumen geweckt. Meist erwachte sie von allein oder aber sie sank tiefer in den Schlaf und herrliche Finsternis verdrängte die düsteren Visionen. Irgendwie brachte sie ein etwas mühsames Lächeln zustande, dass in dem dunklen Zimmer kaum zu erkennen war. „Was mach ich denn jetzt mit dir?“

  • Sie schreckte hoch und er mit ihr, wie als hätte ihn die plötzliche heftige Bewegung angesteckt. So, wie er sich erschreckt hatte, sah er sie erst einmal einen ganzen Moment wie erstarrt an. Nachdem der erste Schrecken verdaut war, wartete er ab, ob es ein Donnerwetter geben würde, denn er wusste eigentlich, dass man nicht des Nächtens einfach in irgendwelche Räume spazierte, in denen jemand schlief. Gerade nicht bei Frauen.


    Aber Aculeo war in Ostia – zu wem hätte er also sonst gehen können? Calvena war ihm von all den neuen Verwandten am meisten ans Herz gewachsen. Neben Sabina, aber die schlief immer viel zu fest, als dass er sie hätte aufwecken können, ohne gleich das ganze Haut mit aufzuwecken.


    Er schüttelte leicht den Kopf, als sie ihn fragte, ob er nicht schlafen konnte, und entledigte sich gleichsam scheinbar mit der Befangenheit, die ihn kurzzeitig ergriffen hatte. “Es ist so dunkel und ich bin nicht müde“ flüsterte er und sah Vena zu, wie sie sich aufsetzte. Er setzte sich kurzerhand neben sie und hob die Füße vom Boden. Sie waren eiskalt. Von der Seite her sah er sie wie ein treuer, trauriger Welpe mit großen Äuglein an. “Du könntest mir eine Geschichte erzählen. Oder ich erzählte dir eine, aber ich glaube, du kannst das besser.“

  • Wieder strich sie sich durchs Haar. Die letzten Spuren ihres Alptraumes wichen, als Marcus ihr antwortete und sich neben sie setzte. Von der Seite her sah sie auf seinen Schopf und seufzte tief. Nun hatte sie also ihren ersten männlichen nächtlichen Besucher. Es war nicht der Mann, an den sie gedacht hatte. Leicht zupfte sie an ihrer Decke und legte sie nun auch um die Schultern des Jungen. Er sollte nicht frieren. Marcus sah sie aus großen Augen an. Sie sah ihm an, dass er nicht zurück wollte. Kurz ließ sie ihren Blick durch ihr Zimmer schweifen. Platz genug war ja, also konnte er auch hier bleiben. Sie würde ihn nicht raus schicken.
    „Eine Geschichte soll ich dir erzählen“, murmelte sie mehr zu sich selbst, als zu Marcus. Sie hatte noch die Bilder ihres Alptraumes im Kopf. Leicht schüttelte sie sich um die letzten Nachwehen zu verscheuchen.
    „Mach es dir erst einmal bequem“, sie deutete einladend auf ihr Bett und die zerwühlten Kissen. Kurz stand sie auf und kramte in der Truhe am Bettende. Sie förderte eine weitere Decke zu Tage, mit der sie den Knaben dann zudeckte. „Was für eine Geschichte willst du denn hören?“ fragte sie und lehnte sich an das geschnitzte Kopfende. Kurz schloss sie die Augen, die Müdigkeit war verschwunden, nun würde sie wohl auch Probleme haben einzuschlafen. Das würde wohl eine kurze Nacht werden.

  • Sein Charme tat das Übliche – er brachte einen Erwachsenen Menschen dazu, ihm seinen Wunsch zu erfüllen. Nicht allzu selten hatte er damit Erfolg. Nun durfte er nur nicht allzu deutlich zeigen, dass er sich dem sehr bewusst war. Aber auch darin war er geübt. So behielt er seinen unschuldigen Blick bei, lächelte dann aber, als Vena ihm eine Decke hervorholte und ihm dabei half, es sich bequem zu machen.


    Schließlich lag er eingekuschelt neben ihr und sah Vena aufmerksam an. Sie war einfach ein toller Mensch und so lieb. Sie war erst einmal streng mit ihm gewesen und das zurecht.


    “Ich weiß nicht recht“ überlegte er laut und stützte seinen Kopf auf eine Hand auf. “Vielleicht eine Geschichte von dir. Hast du eigentlich einen Bruder oder eine Schwester?“ Er überlegte. War es wohl gescheit, sie zu fragen, was sie geträumt hatte. “Oder du kannst mir erzählen, was du geträumt hast. Es war kein schöner Traum, richtig? Paullus sagt, wenn man seinen bösen Traum jemanden erzählt, vergeht die Angst ganz schnell.“

  • Marcus schien sich ziemlich wohl zu fühlen in ihrem Bett. Sie musste schmunzeln und daran denken, dass sie wohl bald selbst eigene Kinder haben würde. Dann würde sie so einige durchwachte Nächte mitmachen. Leicht lehnte sie den Kopf gegen das Holz des Bettes und schloss kurz die Augen. Wieder seufzte sie, es war eine Mischung aus Wehmut, Vorfreude, Müdigkeit und Schicksalsergebenheit.
    Seine Frage ließ sie dann ihre Augen wieder öffnen. Da der Alptraum noch so nah war, konnte sie eine etwas traurige Miene nicht verbergen. „Ich hatte Ziehbrüder und Schwestern“, antwortete sie ihm leise, tonlos. Sie blickte nachdenklich in die Dunkelheit und ließ es zu, dass die Erinnerungen sie durchfluteten. Es waren schöne Erinnerung an eine unbeschwerte, aber nicht immer einfache Kindheit. Sie verstand Marcus wohl besser als jeder andere im Haus. Sie hatte ein Vagabundenleben geführt. So etwas wie ein festes zu Hauses hatte es nie für sie gegeben. Für sie war zu Hause dort gewesen, wo ihre Familie war. Die Menschen die sie liebten. „Meine Mutter starb, als ich etwa in in deinem Alter war. Ich bin bei ihren Freunden aufgewachsen, die für mich meine Familie waren. Nicht immer besteht eine Familie aus Blutsverwandten, sondern eben aus den Menschen die man liebt...“, sie musste wieder an Valerian denken. Ein Lächeln legte sich auf ihre Züge. Sie zog ihre Beine an den Körper und legte ihren Kopf auf die Knie, während sie diese mit den Armen umschlang.
    Wieder seufzte sie, als Marcus seine nächsten Fragen stellte. „Nein, es war kein schöner Traum. Aber auch nicht mehr so schlimm wie früher“, leicht schüttelte sie den Kopf und sah ihn an. „Ich halte es für keine gute Idee dir davon zu erzählen. Dann würdest du nicht mehr schlafen können!“ sie lächelte sanft. „Es reicht, wenn einer von uns einen unruhigen Schlaf hat!“ Kurz schwieg sie. „Eine Geschichte“, murmelte sie. Sie konnte gut Geschichten erzählen, sie hatte eine klangvolle Stimme, die viele in den Bann schlug, wenn sie sang oder eben auch erzählte...

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