Skavenunterkunft | Böses Erwachen

  • Natürlich hatte ich mir Sorgen gemacht! So war es dann auch selbstverständlich, daß ich am nächsten Morgen gleich nach ihm schaute. Ich hatte mich sogar herabgelassen und einen Aufguß für ihn zu brauen. Das war eine wahre Herausforderung für mich gewesen, denn in diesen Dingen war ich nicht sehr bewandert. Mit dem dampfenden Becher in der Hand, bewegte ich mich vorsichtig zur Sklavenunterkunft der männlichen Sklaven. Ich erwartete nicht, daß noch jemand dort schlief, denn die fünfte Stunde war bereits angebrochen. Lediglich meinen Sklaven vermutete ich dort. Doch zu meiner Enttäuschung fand ich ihn dort nicht vor.
    Für mich war der Besuch der Sklavenunterkunft eine Premiere. Niemals vorher hatte es mich hierher verschlagen und ich mußte gestehen, daß es mich zukünftig wohl auch nicht mehr hierher verschlagen würde. Die abgestandene Luft und dieser Gestank drehten mir den Magen um. In diesem Moment war ich froh, daß ich nicht in diesem Gemäuer hausen mußte.
    Enttäuscht und doch erleichtert, nicht länger in der Sklavenunterkunft verweilen zu müssen, ging ich wieder. Wahrscheinlich hatte ich mir umsonst Sorgen gemacht. Chimerion hatte sich wohl schnell wieder erholt und genoß nun seine freien Tage. Vielleicht war er mit einigen seiner Standesgenossen in die Stadt gegangen. Ich gönnte es ihm. Doch um sicher zu gehen, wollte ich mich am Abend noch einmal vergewissern.

  • Nach Einbruch der Dunkelheit versuchte ich mein Glück erneut. Wieder führte mich mein Weg zu den Unterkünften der Sklaven. Am Abend im Schein der Öllampe, sah es dort noch unwirtlicher aus. Erneut hatte ich diesen widerlichen Geruch in der Nase, der mir auch schon am Morgen unangenehm aufgefallen war. Wie konnte man hier nur jahrelang sein Leben fristen? Nun ja, es waren Sklaven, die hier schliefen. Die meisten von ihnen waren nichts Besseres gewohnt. Warum zerbrach ich mir also meinen Kopf? Es würde immer Sklaven geben und in der Villa Flavia gab es Dutzende davon. Es verstand sich von selbst, daß diesem Heer aus Sklaven kein besserer Schlafplatz geboten werden konnte, wollte man nicht im Armenhaus landen.
    Mittels der Öllampe leuchtete ich den miefenden Raum aus, um Chimerion zu entdecken. Doch auch dieses mal schien meine Mission nicht von Erfolg gekrönt. Doch fand ich einen anderen Sklaven vor, den ich nach Chimerion fragen konnte. "He du! Weißt du zufällig, wo sich Chimerion aufhält?" Der Sklave, ein alter weißhaariger Mann, der bereits lange jenseits der fünfzig war, starrte mich unverhohlen an und grinste. "Chimerion? Tut mir leid, domina. Den hab ich schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Der ist bestimmt mit den anderen in der Stadt." Diese Antwort machte mich dann doch sehr stutzig. So kannte ich meinen Sklaven gar nicht. Saturnalien hin oder her, er hätte es mich wissen lassen, wäre er für einige Tage in der Stadt unterwegs, zumal er sich am Vorabend nicht besonders wohl gefühlt hatte.
    Ein unangenehmer Gedanke beschlich mich. Was, wenn ihm auf dem Nachhauseweg etwas zugestoßen war? Nicht auszudenken! Eine Unruhe bemächtigte sich meiner. Der Stall! Ich mußte zum Stall, um nachzusehen, ob Sirius, der schwarze Hengst noch da war, den ich ihm geschenkt hatte.
    "Ich weiß, wir haben Saturnalien. Aber könntest du mich trotzdem in den Stall begleiten?" Der Alte nickte mir zu und zog sich einen Mantel über. "Gehen wir, domina!"
    Als hätte ich geahnt, was ich im Stall vorfinden würde, blieb ich vorerst ganz ruhig, als ich feststellte, daß Sirius nicht da war. Das war äußerst merkwürdig! Allmählich verschärfte sich mein Verdacht, daß Chimerions Verschwinden nicht mit rechten Dingen zugegangen war. "Domina, es fehlen noch einige andere Pferde!" Der Sklave deutete auf einige Boxen die leer standen. Sein Grinsen war ihm längst vergangen, als hätte er bereits ahnen können, was geschehen war.
    Mein Gesicht war wie versteinert. Es war doch offensichtlich, auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, noch nicht.
    Ohne noch ein Wort zu verlieren, begab ich mich auf mein Zimmer. Die Nacht wollte nicht enden. Eine einzige Frage stellte sich mir immer und immer wieder. Warum? Jedoch blieb mir die Antwort verwehrt.
    Der Morgen war noch jung, als das böse Erwachen zur Gewissheit wurde. Mein Sklave war geflohen! Geflohen! Er hatte mich verlassen, nach allem was ich für ihn getan hatte. Ich konnte es einfach nicht länger verleugnen! Noch mehr als das Warum, quälte mich die Frage was nun? Was sollte ich jetzt tun? Was tat man, wenn der eigenen Sklave geflohen war? Keine Frage, ich wollte ihn wieder haben! So schnell wie möglich! Und dann, dann...

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