Herumstromern am Markt

  • Der Markt hatte sich in Pisos Zeit in Rom zu einem seiner Lieblingsorte entwickelt. Dies war nicht der Fall, weil er einkaufssuechtig und auf neue Sachen, welche man sowieso nur ein paar Tage mochte und dann wegwarf, versessen war.
    Nun, er koennte es sich leisten, alles zu kaufen, was ihn behagte. Er war Primicerius a libellis. Er war Patrizier. Er hatte Grundbesitz.
    Aber dies tat er aus zwei Gruenden nicht. Erstens, er brauchte so viel Zeug nicht... vieles gab es schon in der Villa Flavia. Er wusste, er wuerde den Ruf des "Unnuetzen" nicht abschuetteln, so lange er vom Reichtum der Villa Flavia lebte. Doch er wollte spraen. Er hatte schon Grosses mit dem Geld vor. Vor allem wollte er ein Geschaeft aufmachen. Alles deutete auf eine Fischerei hin. Er erwartete sich grosse Eintraege davon. Er erwartete sich Geld, Einfluss und wirtschaftliche Bedeutsamkeit. Das waere doch einmal etwas Schoenes.
    Nein, er genoss einfach das Treiben und das Leben hier. Auf den ersten Blick schien alles Chaos zu sein, doch gab es eine subtile, den Augen von Banausen verschlossen bleibende Aesthetik. Die Aesthetik der Arbeit, und die des Lebens.
    Fast jeden Tag, wenn seine Arbeit vorbei war und sich der Tag dem Ende neigte, wie es nun auch hier der Fall war, begab Piso sich also auf den Markt. Er hatte immer ein bisschen Geld dabei, im Falle, dass er etwas sah, was ihm gefiel. Dies geschah, wie gesagt, nicht so oft, wie man es erwarten wuerde von einem Mann, der den Markt so sehr schaetzte. Vielmehr schaetzte er es, einfach durch die Staende zu gehen und sich die verschiedenen Sachen, welche im Angebot waren, anzusehen. Farbenfrohe Federn aus Nubien, eiserne Ziergitter aus Syrien, Bernsteine aus Germanien und Honig aus Anatolien... sogar Seide aus Indien und Felle von wilden Tieren aus Skythien. Was es in Rom am Markt nicht zu kaufen gab, das gab es nicht auf der Welt.
    Er blieb kurz vor dem Fellstand sehen. Seine Hand glitt kurz ueber das weiche Fell, welches frueher einen Wolf gehoert hatte. Das Fell brauchte er nicht. Eigentlich brauchte er gar nichts. Aber er wollte noch ein bisschen am Markt bleiben, das Leben und Treiben hier geniessen.
    Er drehte sich also um, bereit, woanders hin zu gehen, da stand er ploetzlich einer Person gegenueber. Er wollte schon einen Seitschritt amchen, um sie vorbeizulassen, da blickte er ihr ins Gesicht und erkannte sie sofort wieder. Er laechelte erfreut und rief aus: "Du?", als ob er es gar nicht fassen konnte.


    Sim-Off:

    Reserviert...

  • Von Vaters Geld hatte Serrana nichts angerührt, nicht eine einzige Sesterze! Lediglich hatte sie den Beutel mit den Münzen in ihrer Truhe verwahrt. Es schien ihr verwerflich, sich mit dem "Schweigegeld" etwas Schönes zu kaufen. Lieber hätte sie auf alles verzichtet. Dass sie damit ihrem Vater Unrecht getan hatte, erfuhr sie erst Tage später, nach einem aufschlussreichen Gespräch im hortus der Casa. Da nun das vermeintliche Schweigegeld keines mehr war, sondern alleine nur eine liebevolle Aufmerksamkeit ihres Vaters, konnte sie es ja auch ohne Weiteres verwenden. Serrana wusste aber auch, dass nun ein paar entschuldigende Worte an ihren Vater angebracht waren. Einen Brief hatte sie schon aufgesetzt. Sie musste ihn nur noch abschicken. Vielleicht sollte sie ihn auch einmal besuchen. Serrana hatte von der wunderschönen Landschaft Campanias gehört. Außerdem waren auch Baiae und Puetoli nicht weit entfernt von Misenum gelegen. Während sie dabei war, Pläne für die nähere Zukunft zu schmieden, schlenderte sie über den Markt und warf flüchtig ihr Augenmerk auf die vielen, teils exotischen Waren, die feilgeboten wurden. Für Serrana waren die Marktbesuche immer auch Reisen in fremde Länder zu fremden Kulturen. Natürlich spielten sich diese Reisen nur in Serranas Kopf ab. Aber trotzdem wollte sie diese Besuche nicht missen.
    Sie überlegte, was sie sich alles kaufen wollte. Einen seidenen Schal, eine neue Tunika, Sandalen oder lieber Kosmetik und Schmuck. Das Letztere verwarf sie ganz schnell wieder. Wofür brauchte sie denn Kosmetik und Schmuck? Sie saß doch sowieso nur zu Hause und hatte kaum Gelegenheit, sich für eine besondere Gelegenheit herauszuputzen. Die Hochzeit kürzlich, ja! Das war etwas ganz besonderes gewesen, auch wenn sie damit einige ungute Erinnerungen verband. Von dem Flavier, den sie dort kennengelernt hatte, oder sollte sie besser sagen, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte, hatte sie nichts mehr gehört. Sie persönlich hatte sich auch keine großen Hoffnungen gemacht, jemals wieder etwas von ihm zu hören. Aber sie war ja noch jung und es gab viele Mütter mit jungen hübschen Söhnen!
    Serrana blieb an einem der Stände stehen und schaute sich die ausgestellte Ware etwas genauer an. Nein, das war doch nicht für sie! Wieder ging sie weiter, bis sie plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes in die Arme einer ihr nicht ganz unbekannten Person lief.
    "Oh! Du?" Das konnte kein Zufall sein! Das war höhere Fügung.

  • Tatsaechlich. Es war Decima Serrana. Er hatte sich ihr Gesicht eingepraegt, jede Feinheit. Es war nicht so, dass Piso besonders gut war, wenn es darum ging, sich Gesichter zu merken, Namen behielt er viel leichter fuer sich. Doch das Gesicht Serranas hatte sich in ihm festgesetzt. Es war nun schon 2, vielleicht 3 Wochen seit der Hochzeit, und Piso hatte seither jeden einzelnen Tag sicher ein- oder zweimal das Gefuehl gehabt, das er sich selber eine Ohrfeige geben koennte, weil er es aus falschem Anstaendigkeitsgefuehl nicht ueber sich gebracht hatte, sie einzuladen, oder etwas auszumachen. Auch Verus hatte er nicht mehr gesehen, er wuerde erst nach diesem Gespraech mit ihm in Kontakt kommen und dann nach einen Kurzurlaub in Misenum machen.
    Und nun begegnete er ihr, jener Frau, welche zu treffen er sich gar nicht mehr erhofft hatte, wieder. Wie war das zu verstehen? Als Hoehepunkt vom 2 erfolgreichen Wochen? Zuerst die Ernennung zum Primicerius a libellis. Dann der Artikel in der Acta Diurna, der sein zerstoertes Selbstvertrauen wieder aufgebaut hatte. Und dann - dies hier. Ihr einfach so ueber den Weg zu laufen, per Zufall, in der groessten Stadt der Welt. Das musste das Werk der Goetter sein - eine rationale Erklaerung hatte er nicht.
    "Serrana!", machte er. Er war etwas verwirrt ueber diesen unwahrscheinlichen Zufall und war kurz unschluessig, wie er vorgehen sollte. Nach ein, zwei Sekunden des Anglotzens entschloss er sich, etwas zu sagen, sonst waere er noch ob der Unwirklichkeit jener Situation in ein wahrhaft unaesthetisches Glucksen und wohl auch relativ unmaennliches Kichern ausgebrochen, und das wollte er Serrana doch nicht antun.
    "Ja... dass wir uns wieder begegnen! Unglaublich!", lachte er und warf seine Haende hoch, um seine Erfreutheit in einer Geste zu verdeutlichen. "Wie geht es dir denn so? Alles in Ordnung? Hast du den Hochzeitstag noch gut ueberstanden?", fragte er in Hinblick auf das grosse Essen und Trinken, was dort ueber die Buehne gegangen war.

  • "Flavius Piso!", bemerkte sie richtig. Fast war es so, als hätte sie einen Geist gesehen. Besonders beängstigend war es, da sie gerade noch an ihn gedacht hatte und jetzt stand er leibhaftig vor ihr. So als hätte Serrana ihn sich herbei gewünscht, wie in einem Kinderspiel, das sie als kleines Mädchen mit ihren Freundinnen gespielt hatte.
    Das Erstaunen wollte nicht aus ihren Gesichtszügen weichen, was auf ihren Betrachter wohl sehr lächerlich wirken musste. Hätte man ihr einen Spiegel vorgehalten, sie hätte sich wahrscheinlich auf der Stelle in ein Erdloch verkrochen und hätte sich erst wieder heraus getraut, wenn sie in Sicherheit war. Aber so viele Fluchtmöglichkeiten bot ihre derzeitige Lage nicht. Außer die Flucht nach vorne vielleicht!
    "Oh, ja! Das ist wirklich unglaublich." Wäre ihr Vater in der Stadt gewesen, hatte sie ihn hinter dieser Unglaublichkeit vermutet. Doch der war wieder nach Misenum zurückgekehrt und war demzufolge unschuldig.
    "Äh, danke es geht mir gut. Ja, alles Bestens. Äh ja!", beantwortete sie etwas ungeschickt das Fragenbombardement und bemerkte erst nach einigen verstrichenen Atemzügen, wie unhöflich es war, sich nicht nach seinem Befinden zu erkundigen. Ein verlegenes Lächeln, gepaart mit auftretender Schamesröte zeichnete sich bei ihr ab. "U..und wie geht es dir?"
    In ihrem jugendlichen Leichtsinn war sie ohne sklavische Begleitung losgezogen. Wie sehr bereute sie das nun! Das war unschicklich. Zu spät!

  • Fuer einige Sekunden mussten beide, nachdem sie seinen Namen gesagt hatte und sich nun anstarrten, ausschauen wie zwei Wachsfiguren aus dem Kuriositaetenkabinett von Madame Tussaudia. Titel der Figuren: Personen, die bloed aus der Waesche schauen. Erhaeltlich als Maennlein und Weiblein.
    Doch die Starre wich, und sie versuchte, mit seinen Fragen klarzukommen.
    In der gleichen Sekunde, in der er seine letzte Frage stellte, tat es ihm schon Leid, so viele Fragen an die Arme abgefeuert zu haben. Sie wirkte eingeschuechtert, als ob sie mit der Situation heillos ueberfordert waere.
    Dass Verus etwas damit zu tun hatte, draengte sich auch in Pisos Hirn auf, wusste er doch nicht, dass er in Misenum war. Doch er waere ihm nicht boese gewesen, war dies doch eine so angenehme Ueberraschung.
    Waehrend Serrana sich wunderte, wieso sie Piso gerade getroffen hatte, als sie an ihn gedacht hatte, wunderte sich Piso, wieso er sie gerade an einem Moment getroffen hatte, in welchem er nicht an sie gedacht hatte. Solche Momente waren rar gewesen in den Tagen seit der Hochzeit des Aurelius Corvinus und der Flavia Celerina.
    "Schoen, dass es so ist!", meinte Piso, auch wenn die Antwort etwas tollpatschig und nicht hundertprozentig glaubhaft daherkam. Doch Piso wollte sie jetzt einmal nicht darauf ansprechen.
    Auf die Frage nach seinem Wohlbefinden antwortete er - natuerlich - mit einem veritablen Wortschwall. "Danke! Mir geht es ausgezeihnet, Decima Serrana! Mir ging es schon gut, als ich hier alleine am Markt war - weisst du, es ist mein Lieblingsplatz hier in Rom! Doch jetzt, wo ich dich so ganz zufaellig sehe, geht es mir noch einmal so grossartig. Es ist wundervoll, dich zu sehen, vor allem... nun... nun, hier." wuergte er die Flut von Woertern, die aus seinem Mund stroemten, ab. Er hatte gehoert, Frauen mochten Maenner nicht, die zuviel ueber sich selber quatschten.
    "Sag, wuerde es dir etwas ausmachen, wenn ich dich etwas ueber den Markt begleiten wuerde?", schlug er vor. Vielleicht fand er ja auch etwas Angemessenes fuer sie... was vielleicht gut ankommen wuerde, so hoffte er.

  • Serrana lächelte befangen. Niemand hatte sie darauf vorbereitet, wie man sich korrekt in Gegenwart eines jungen Mannes verhielt, der im Begriff stand, sich für sie zu interessieren, damit sie nicht wie eine dahergelaufene einfältige Göre wirkte. Das schlimmste was sie nun machen konnte, war wie ein kleines Mädchen zu kichern. Zum Kichern war ihr aber gar nicht zumute. Im Grund freute sie sich ja, ihn wieder zu sehen, denn er war ein netter Kerl, so ganz anders, als sie sich einen Patrizier vorgestellt hatte. Nicht so aufgeblasen und von sich selbst eingenommen. Wäre da nur nicht ständig dieses Gefühl gewesen, sich Fehl am Platz zu fühlen.
    Piso antwortete auf ihre Frage nach seinem Befinden mit einem Wortschwall. Ein Satz nach dem anderen quoll nur so aus ihm hervor und es schien, als wolle er gar nicht mehr aufhören.
    "Schön!", antwortete sie und lächelte weiter, währenddessen sich eine Art Vakuum zwischen ihnen bildete, in dem nur die Hintergrundgeräusche des Marktes und der vorbeiziehenden Menschenmassen zu hören war.
    Piso durchbrach irgendwann die Stille und fragte, nein er bat schon fast darum, sie begleiten zu dürfen. Diese Frage traf sie sehr unvorbereitet, was der Grund dafür war, weshalb sie ihn erst etwas erstaunt anstarrte, als habe sie soeben die Sprache verloren. "Äh, ja aber gerne doch!", sagte sie schließlich. Was sprach schon dagegen? Sie war sich sicher, im Sinne ihres Vaters zu handeln.

  • Piso konnte ein netter Mensch sein, wenn er es wollte. Ja, im Grunde seines Herzens war er eigentlich ein guter Kerl, auch wenn eine Fraktion der Menschheit nicht allzu viel davon mitbekam. Doch zu jener Gruppe wuerden roemische Buerger nie gehoeren, und schon gar nicht, wenn sie so bezaubernd waren wie jenes Maedchen vor ihm. Seltsamerweise musste er ploetzlich an Archias denken, seinen guten alten Freund. Wann er wieder von ihm hoeren wuerde? War etwa einer seiner Briefe verloren gegangen? Hmm... und wie dessen Verlobte wohl war? Wenn Seiana, die ja auch aus der decimischen Sippe war, nicht nur im Namen, sondern auch im Aussehen und der Art Serrana aehnelte, war es kein Wunder, dass Archias sich so grenzenlos in sie verliebt hatte.
    Wie es zu erwarten war, irritierte sie die Art und Weise, wie er freudig in einen Worterguss ausbrach, was auch der Grund war, wieso er ihn abgebrochen hatte. Sie erwiderte nur irgendetwas, was Piso nur am Rande vernahm. Irgendwie schien auf einmal alles weit weg und irrelevant, das ganze Treiben am Markt. Seine Frage hatte er gestellt, gerade rechtzeitig, um ein moegliches Gefuehl des Unbehagens im Keim zu ersticken. Doch es entstand jetzt erst gerade, als sie ihn anstierte, als ob er ihr einen Heiratsantrag gemacht haette.
    Sie war goldig, fand er und liess ein feines Laecheln seinen Mund umspielen - bloss nicht losgrinsen! Die Reaktion von seiner syrischen Sklavin hatte ihm zweifelsohne klar gemacht, dass sein breites Grinsen, welches er so lange gepflegt hatte, nicht gut ankam.
    "Wunderbar. Gut. Aeh, ja. Gut.", meinte er auf ihre Anwort hin, aesserst erfreut. genau so gut haette sie "Lieber nicht" oder gar "Verschwinde" sagen koennen. Aber nein.
    Im Gegensatz zu Serrana war sich Piso sicher, nicht im Sinne seines Vaters zu handeln. Gnaeus Flavius Aetius, ha, der wuerde toben, wuesste er, auf wen Piso sein Auge geworfen hatte. Aber weil der Gute in Ravenna weilte und auch nur sehr allgemeine, nichts sagende Briefe von seinem Sohn bekam, wuerde er auch nie etwas herausfinden.
    "Wohin willst du gehen? Ich bin gerade von dort gekommen. Sie bieten dort lauter absolut exotische Sachen an. Ich glaube, weiter hinten ist auch ein Gehege mit wilden Tieren!" Seine Augen glommen vor Begeisterung, weniger wegen der Viecher, sondern eher wegen seiner Begleitung.

  • Serrana zweifelte noch ein wenig, ob das alles Wirklichkeit war, was da gerade geschah. Wenn es nicht so dumm ausgesehen hätte, dann hätte sie sich selbst einmal in den Arm gekniffen, um zu überprüfen, ob sie auch nicht träumte. Es beschlich sie aber das Gefühl, der Flavier könne das alles Ernst meinen, was er sagte und wie er sich gab. Ansonsten hätte er ein sehr guter Schauspieler sein müssen. Aber das war er mit Sicherheit nicht. Seine Freude war echt!
    Das bewirkte bei ihr, dass sie lockerer wurde. Eine zentnerschwere Last fiel langsam von ihr ab. Es war am einfachsten, wenn sie sich nicht ständig in Erinnerung rief, wen sie da vor sich hatte, sondern was: Einen netten liebenswürdigen jungen Mann, der sich für sie zu interessieren schien. Was wollte sie also noch mehr?


    Serrana hatte noch nicht viel vom Markt zu sehen bekommen. Einige Stände mit Kleidern, ein wenig Kosmetik hatte sie sich angeschaut. Zu mehr war sie noch nicht vorgedrungen. Die wirklich interessanten Dinge hatte sie auch noch nicht entdeckt.
    Alleine das Wort exotisch, rief ihre besondere Aufmerksamkeit hervor. Sie mochte alles, was aus fremden Ländern kam, auch wenn sie es sich nicht kaufen konnte. Wenigsten anschauen wollte sie es, geheimnisvolle Düfte erleben und atemberaubende Dinge kennen lernen. Er schien von einer Sache ganz eingenommen zu sein, von den Gehegen mit den wilden Tieren. So etwas hatte Serrana natürlich auch noch nie gesehen. Außer den gewöhnlichen Haus- und Hoftieren kannte sie nichts weiter. Sie hatte einmal einen Fuchs gesehen, als sie noch ein Kind gewesen war. Aber damit erschöpfte sich auch schon ihre Liste mit wildlebenden Tieren.
    "So, wilde Tiere gibt es dort? Die würde ich wirklich gerne sehen. Wenn es dir nichts ausmacht, dort noch einmal hinzugehen. Du hast auf deinen Reisen bestimmt viele exotische Dinge gesehen und vieles erlebt!" Sie sah ihn voller Bewunderung an und freute sich auf das, was er ihr noch alles offenbarte.

  • Zwar hielt sich Piso, beseelt vom Gesit der Ästhetik, nicht nur für einen begnadeten Musiker, sondern auch für einen ziemlich talentierten Schauspieler, was hieß Schauspieler, Mime, nein, durchaus ein wahrer Jünger Thespians! Und dies ungeachtet der Tatsache, dass man ihn im Hobbyschauspielerverein von Ravenna damals schon nach 2 Wochen freundlich darum gebeten hatte, Begabteren Platz zu machen. Welche Kleingeister, Piso ärgerte sich heute noch darüber. Er war ein guter Schauspieler, nur wusste es niemand. Doch was er nun tat, war nicht geschauspielert. Es war echt, so, wie Serrana es schon vermutete. Es gab eigentlich wenig Gründe wieso Piso das schauspielern sollte. Hätte er sich nicht ernsthaft für sie interessiert, hätte er ihr, der Plebejerin, kurz Salve gesagt, vielleicht hätte er sie nach ihrem Befinden gefragt, und wäre wieder seines Weges gegangen.
    Serrana schien von seinen Worten wie elektrisiert zu sein. Die große, weite Welt! Für eine einfache Ritterin aus Rom nicht leicht vorstellbar, dachte sich Piso, besonders, wenn man nur einmal im Leben eine richtige Schiffsfahrt gemacht hatte. Und er dachte sich, dass so ein Ausflug auf dem Schiff sicher etwas wäre, was sie interessieren würde.
    „Gut, alles klar, dann gehen wir dort hin!“, meinte er freundlich und wies in eine Richtung. „Ich habe schon einiges an wilden Tieren gesehen, ja... einen Löwen in Africa. Krokodile in Ägypten. Wisente in Gallien, Bären in Germanien... den Göttern sei Dank bin ich nie in eine wirklich gefährliche Situation gekommen!“, erzählte er. „Einmal habe ich sogar einen Elefanten gesehen, in Antiochia! Du kannst dir nicht vorstellen, was das für gewaltige Tiere sind!“, rief er begeistert aus. Ja, er war ein großer Elefantenfreund, es waren nette Tiere. „Ich bin auch auf ihm geritten, das war eine einzigartige Erfahrung. Das solltest du auch einmal machen!“, meinte er und in seinen Augen blitzte etwas auf. Vielleicht war es gar nicht so unwahrscheinlich, dass die Decimerin noch heute dazu kommen würde. Er hatte schon gehört davon, dass es einen Parther gab, welcher hier mit einem Elefanten war.

  • Das war alles unglaublich spannend. Serrana hatte sich ja schon auf den Besuch des Marktes gefreut, aber das es so aufregend werden würde, damit hatte sie am wenigsten gerechnet. Beeindruckend waren auch Pisos Berichte von seinen Begegnungen mit wilden Tieren. Sie staunte nur noch! Die verlockend klingenden Namen der Länder, die er bereits bereist hatte: Africa, Ägypten, Gallien, Germanien, das waren alles Orte, die unglaublich weit weg waren. Piso war wirklich zu beneiden. Der Reiz der Ferne hatte schon immer Serrana berührt. Ihre Reisen aber beschränkten sich lediglich auf Phantasiereisen und Träume, genährt von den Geschichten, die sie ab und an zu hören bekam oder in Büchern las. Sie bekam richtig Gänsehaut, als er von den mächtigen Elefanten erzählte. Unglaublich, dass Hannibal es einst geschafft hatte, mit diesem ungestümen Tieren die Alpen zu überqueren, auch wenn dies mit großen Verlusten verbunden gewesen war. Serrana sinnierte noch ein wenig darüber, wurde dann aber von Pisos Vorschlag überrascht. Sie sah ihn ungläubig von der Seite an und schüttelte leicht ihren Kopf. "Flavius Piso, du scherzt mit mir! Ich habe noch niemals in meinem Leben einen Elefanten gesehen. Meinst du wirklich, ich könnte das? Auf einem Elefanten reiten, ohne dass er mich vorher mit meinem mächtigen Füßen zermalmt? Und was, wenn ich es bis auf seinen Rücken geschafft habe, wie halte ich mich an ihm fest, damit ich nicht hinunter falle?" Ganz abgesehen davon, dass sie es sich wahrscheinlich gar nicht trauen würde, weil ihre Angst und ihr Respekt vor diesen Tieren überwog. Nein, ganz ausgeschlossen. Ein Ritt auf einem Elefanten, das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Ihr wurde es zugleich etwas mulmig, da sie die ernsthafte Befürchtung hegte, Piso würde ihre Ausflüche nicht gelten lassen und als unbegründet abtun.

  • Als er so dahinplauderte, ihr ausbreitete, wo er schon überall gewesen war, konnte man merken, wie Serrana darob erstaunte. Es waren ferne Plätze, welche man als Römer, wenn überhaupt, nur von der Landkarte kannte. Irgendwie überkam ihn plötzlich ein seltsames Gefühl. Es kam ihm plötzlich irgendwie... ungut vor, dass er schon an all diesen Plätzen gewesen war, und sie noch nicht. Irgendwie war es unfair. Hatte das Mädchen vor ihm nicht genau so ein Anrecht darauf, die Wunder der Welt zu sehen? Er nahm sich in diesem Moment vor: Wenn ich sie einmal heirate, dann werde ich ihr die Welt zeigen. Eine Sekunde später erschrack er. Was hatte er sich denn gedacht? Was für Gedanken hatte er da gerade vorhin gewälzt? Waren es welche, die man haben durfte? Äusserlich ließ er sich nichts anmerken von jenem inneren Schrecken, doch innerlich hätte er es am Liebsten gehabt, wenn er niemals diesen Gedanken gehabt hätte. Es war aber schon gedacht, jener Gedanke. Rückgängig machen ließ sich da nichts. Eine innere Stimme meinte: Es hat ja niemand etwas mitbekommen von jenem Gedanken. Und wenn sich dieser gedanke materialisiert... wäre dies dann so schlimm? Nein, musste da die Antwort lauten.
    Piso schob seine eigenen Gedanken beiseite. Sie waren verworren und machten wenig Sinn. Wie unästhetisch. Er würde seine Gedanken wieder auf dies richten, was vernünftigen Vorstellungen von Schönheit eher entsprach... zum Beispiel Decima Serrana.
    Er antwortete auf ihre Frage, ihr breit zurücklächelnd. „Sehe ich so aus, als ob ich Faxen mache? Jeder kann das. Sieh mich an. Traust du mir denn irgendetwas zu?“, lachte er. „Aber auf Elefanten habe ich mich trotzdem halten können. Es kommt alles ganz natürlich. Die Elefantentreiber zeigen dir, wie du es machen musst. Weißt du was? Ich habe eine Idee. Wir könnten ja einmal auf dem Markt nach Elefanten Ausschau halten. Dieser Tage gäbe es angeblich einen Elefanten hier am Forum. Dann kannst du es selber ausprobieren. Was denkst du?“, fragte er sie. „Wir können ja hingehen und ihn suchen. Wenn wir das Tier tatsächlich finden, und du willst nicht, dann lassen wir es einfach sein! Anzuschauen sind Elefanten ja auch ganz nett. Du kannst es dir ja nochmals überlegen, wie gesagt!“ Er zwinkerte ihr verstohlen zu und deutete in eine vage Richtung. „Dieser Weg schaut ganz gut aus. Was denkst du?“

  • Binnen weniger Sekunden bestätigten sich Serranas Befürchtungen. Nein, der Flavier sah nicht so aus, als würde er Faxen machen. Seine impulsive Art duldete keinen Rückzieher. Sie traute ihm viel zu, sehr viel sogar, denn er war ihr in vielen Dingen überlegen. Wer war sie denn schon? Ein Mädchen aus der Provinz, das seit einigen Wochen in der Stadt lebte und bis dahin nichts, aber auch rein gar nichts von der Welt gesehen hatte. Jetzt war sie, mehr durch einen Zufall, in eine Art Strudel geraten, dessen Ende noch gar nicht absehbar war. Der Vater, den sie auch erst vor wenigen Wochen kennen gelernt hatte, machte sich schon ganz konkrete Vorstellungen, was er mit seiner Tochter vorhatte. Und sie wollte eine gute Tochter sein. Eine, die ihrem Vater keine Schande bereitete und eine, die seinen Willen respektierte und letztlich auch befolgte. Hier ging es also um weitaus mehr, als um die Frage, ob sie sich traute, auf einem Elefanten zu reiten oder lieber ihren Gefühlen nachging und es sein ließ. Um den Wünschen ihres Vaters gerecht zu werden, war es die logische Folge, dem Flavier zu gefallen. Mit ihrem Unwissen und ihrer Unerfahrenheit hatte sie bei ihm nur schwerlich punkten können. Wahrscheinlich bedauerte er sie deswegen sogar. Aber damit war sie auf dem besten Wege, sich uninteressant zu machen. Irgendwann würde er sie wegwerfen, wie ein Spielzeug, dem man überdrüssig geworden war.
    "Ähm, ja. Wir können ja einmal schauen." Ein scheues Lächeln sollte ihre Bedenken, die sie ja immer noch hatte, überdecken. Eine diplomatische Antwort, die zumindest noch kein definitives nein war. Tief in ihr betete jedoch eine Stimme inbrünstig, dass sie nicht in die Verlegenheit kam, ihre Ängste vor ihm offen legen zu müssen.
    "Ja, lass uns dort hin gehen." Es kam fast automatisch aus ihrem Mund. Sie konnte sich nur noch über sich selbst wundern.

  • Serrana wälzte schwere Gedanken, was Piso niemals hätte einsehen können. Die Decima maß dem Elefantenreiten eine tiefere Bedeutung zu, als Piso es jemals hätte erahnen können. Obwohl, er wusste selber, dass das Elefantenreiten nicht der einzige Faktor, der hier im Spiel war. Hätte sie abgelehnt, wäre er enttäuscht und entmutigt gewesen. Es wäre vielleicht ein Symbol für generelle Ablehnung gewesen...
    Piso wusste es selbst nicht. Wer zum Henker kam denn noch klar mit Frauen? Wer sollte sie noch verstehen? Deswegen beschloss er auch, tiefgründige Gedanken zur Seite zu schieben. So emotionelle Details waren nicht wirklich sein Ding.
    Und trotzdem, es freute ihn immens, als Serrana sich einverstanden erklärte. „Dann gehen wir!“, lächelte Piso. Doch gleichzeitig sah sie auch, dass sie sich innerlich überwinden musste, und fast hätte er schon gewunschen, dass er es ihr nicht aufgeschwatzt hätte. „Komm schon!“ Er setzte sich in Bewegung. „Ich bin mir sicher, dir wird es gefallen.“, versuchte er sie zu beruhigen. „Was denkst du, was ich für einen Bammel gehabt habe, als ich den Elefanten gesehen habe? Ich wäre fast zu Boden gegangen und hätte Schutz gesucht, so erschrocken war ich!“, lachte er und wollte schon einen Arm um ihre Schulter legen, als er sich darauf besann, dass dies der Anstand unter Patriziern und vermutlich auch Plebejern nicht zuließ.
    „Es ist nicht weit, denke ich, gleich um die E...“ In diesem Moment bogen sie beide um die besagte Ecke und Piso erstarrte.
    Vor ihm sah er, auf einem kleinen Platz inmitten der Marktstände, einen grauen Koloss, welcher trompetete. So einen hatte er schon einmal gesehen. Weiße Elfenbeinzähne standen dem Tier vorne weg; darunter hatte sich ein kleiner Parther aufgebaut. Eine Anzahl von Menschen stand rundherum und beäugte den Elefanten, der nicht von der Masse der Leute beeindruckt war, sondern nur mit seinem Rüssel in den Taschen seines Herrn nach Erdnüssen suchte.
    „Sieh.“, meinte Piso zu Serrana flüsternd. „Ist er nicht prachtvoll?“

  • Eher schlecht als recht, ließ sie sich mitziehen. Piso gab sein bestes, um ihr die Angst zu nehmen und ihre Bedenken zu vertreiben. Aber der fahle Geschmack im Mund blieb. Die Schilderung seiner Erlebnisse wollten nicht den richtigen Effekt bei Serrana auslösen. Die Vorstellung, vielleicht auch zu Boden zu gehen aus so großer Höhe und sich dann alle Knochen zu brechen und eventuel von diesem Monster zu Tode getreten zu werden, trug nicht gerade dazu bei, sich entspannt zurück zu legen und erwartungsvoll auf die Begegnung mit ihrem ersten Elefanten zu hoffen. Wahre Horrorszenarios spielten sich in Serranas Kopf ab, so dass ih der blanke Angstschweiß ausbrach. Pisos Lachen unterstrich das ganz noch. Serrana suchte nach Ausflüchten, wie sie doch noch dem bevorstehenden Ereignis entgehen konnte. Doch die Götter schienen ihr an diesem Tag nicht wohl gesonnen zu sein.
    Kaum waren sie ein Stück gegangen, schon baute sich vor ihren ein mächtiges Tier mit einem Rüssel auf. Serrana blieb vor Schreck stehen. Sie riß ihre Augen ganz weit auf. Die Angst stand ihr mitten im Gesicht. Sie versuchte Worte zu finden, aber sie fand keine. Ihr Mund war wie ausgetrocknet.
    Der kleine Mann, der neben dem Elefanten stand, wirkte im Beisein des Tieres noch kleiner.
    Schemenhaft nahm sie Pisos Worte war. Prachtvoll war gar kein Ausdruck für dieses Tier! Gigantisch hätte es noch besser umschreiben. Gigantisch und Angst einflößend.
    "Ja…" brachte Serrana lediglich hervor und ließ ihren Blick nicht ab von dem Elefanten.

  • Piso war so zielstrebig auf den Elefanten konzentriert, dass ihm das Unbehagen, ja, man konnte sagen, die Angst seiner Begleiterin gar nicht wirklich auffiel. Sie suchte es ja gut zu verstecken, doch hätte sich der Flavier die Mühe gegeben, umzudrehen und einen Blick auf Serrana zu werfen, wäre ihm ohne Zweifel aufgefallen, dass Schweißperlen ihr Gesicht herunterannen. Seine eigene Unbekümmertheit, die sich im starken Kontrast zur Serranas Gemütszustand befand, überdeckte jedoch alle sonstige Bedenken in seinem Kopf, und führte dazu, dass er wirklich glaubte, er hätte die Decimerin von allen Sorgen befreit, was den Elefanten anging.
    Mit dieser Überzeugung stand er also vorm Elefanten, voller Bewunderung auf das mächtige Tier schauend. Es war noch größer als das, welches er in Antiochia gesehen hatte.
    Ihre Zustimmung drang an sein Ohr, die Halbherzigkeit darinnen entging Piso, der mit Gefühlszuständen nicht allzu vertraut war. Und weitere Überlegungen, was ihre Stimmlage zu bedeuten hatte, wurden zur Seite gewischt, als er den Parther hörte.
    Dieser war nämlich ein paar Schritte nach vorne gegangen und fing laut zu verkünden an: „Meine Damen und Chherrren! Ichh chheiße Rustam, und dies ist der mächhtige Elefant Mirza! Ein Rritt auf ihm, Damen und Chherrren, rrrund um den Marrrkt, kostet nurr 20 Sesterrrzen prrro Perrson!“ Sein harter parthischer Akzent klang in jedem Wort durch, und stechend blickte er in die Menschenmenge.
    Piso beugte sich zu Serrana hin. „Was denkst du?“, fragte er. Seine Augen funkelten vor Begeisterung.

  • Im Angesicht der Bestie schwand nun Serranas letzter Mut. Das Tier war noch viel größer, als sie es sich vorgestellt hatte und es machte einen höllischen Lärm, auf das sie erschrocken zusammen fuhr. Piso war einige Schritte auf den Elefanten zugegangen und war nun wie gebannt von dessen Anblick. Serrana jedoch blieb wie angewurzelt stehen. Die Worte des parthischen Elefantenbändigers prallten einfach nur an ihr ab und erzielten keinerlei Wirkung.
    Nein! Nichts und niemand konnte sie zwingen, auf diesem Ungetüm zu reiten. In ihr begann sich der Widerstand zu manifestieren. Selbst wenn sie eines Tages als alte Jungfer enden würde oder ihr Vater sie vorher an einen unansehnlichen Greis verheiraten würde, sie würde auf gar keinen Fall auf diesem Elefanten reiten!
    "Piso... Piso!.... Piso!", rief sie leise und zaghaft, aber vergebens, denn der Angerufene war zu sehr verzaubert, als das er ihr Stimmchen hätte hören können.
    Dann endlich, ließen Pisos Augen von dem Tier ab und er wandte sich zu ihr. Seine Augen glänzten erwartungsvoll. Natürlich hoffte er sehnlichst, sie würde ohne zu zögern das Wagnis eingehen und eigentlich war sie ja auch so erzogen worden, das zu tun, was man von ihr verlangte. Jedoch ein kleines Fünkchen revolutionären Selbstgefühls bemächtigte sich Serranas Inneres und sie tat zum ersten Mal in ihrem Leben etwas, was man so noch nicht von ihr gekannt hatte.
    "Nein! Ohne mich! Es tut mir leid. Aber das kann ich leider nicht! Du kannst alles von mir verlangen, nur das nicht!", sprudelte es aus ihr.
    Selbst erschrocken über die Worte, die soeben aus ihrem Mund gefunden hatten, sah sie ihn überrascht an.
    "Aber vielleicht möchtest du mir ja dein Können demonstrieren, Piso." Dies klang nun wieder eher versöhnlich und vielleicht war es einfach nur ein gewitzter Schachzug, um die Aufmerksamkeit von sich auf ihn zu lenken.

  • Gebannt blickten zwei pisonische Augen auf das Tier, jenen Klotz, jenes Trum, welches durch bisher ungeahnte Transportmöglichkeiten nach Rom verschleppt worden war. Nun trompetete es sogar. Es war einfach wundervoll. Mirza, wie der Elefant hie war fürwahr das schönste Tier seiner Art, welches Piso jemals zu Gesicht bekommen hatte. Wie verzaubert verharrte sein Blick auf dem Tier. So überhörte er sogar seinen Namen, welcher von Serrana nicht nur einmal, nur nur zweimal, sondern sogar dreimal gerufen wurde. Erst als er sich ihr zuwandte, und sie fragte, was sie vom Tier hielt, und daraufhin eine negative Antwort bekam, bemerkte er, was vor sich ging.
    Er blcikte schnell auf das große graue Tier, bevor er wieder auf Serrana schaute. Kurz, für einen kaum merklichen Moment, zog er seine rechte Augenbraue hoch, bevor er seine Stirnmuskel mit voller Anstrengung dazu zwang, sich wieder einzurenken und normal dreinzuschauen.
    „...“
    Er hatte wirklich etwas sagen wollen, doch jener unerwartete Widerstand von einem Mädchen, dem er eigentlich nur eine Freude hatte berieten wollen, hatte ihn die Sprache verschlagen. Kurz flimmerte in seinen Augen etwas auf, was vielleicht von einigen als Enttäuschung interpretiert werden könnte, oder von anderen einfach nur als absolut neutrale Gefühlsregung.
    Dann rang er sich zu einem verständnisvollen Lächeln durch. „Weißt du was? Das macht nichts. Ich bin ja schon einmal auf einem geritten. Ich muss das nicht mehr machen. Ich hätte es sowieso nur für dich gemacht. Wenn du nicht willst, das macht doch nichts!“, verkündete er und strahlte sie an. „Ich habe nicht gedacht, dass... na ja. Es ist ja komplett egal!“ Er mochte Serrana, er wollte niemals ihr etwas aufzwingen, was sie nicht wollte. Er hatte einfach nur gehofft, sie würde es schätzen, wenn er ihr etwas bot, was sie sonst nie erleben würde.
    „Ohne dich hat es doch keinen Wert. Ich will nichts beweisen. Außer meine Bereitschaft, mit dir etwas zu unternehmen.“, meinte er einfach nur. „Dann gehen wir. Ganz einfach.“ Er drehte sich kurz zum Parther hin und warf ihm etwas zu, was man als bedauernden Blick bezeichnen konne. Dieser jedoch kümmerte sich nicht drum. Er war schon damit beschäftigt, einigen Leuten, welche Hannibal spielen wollten, beim Aufstieg zu helfen.
    „Gehen wir woanders hin. Wohin würde es dich heute ziehen, Serrana?“, fragte er. Sie war durchaus ein bemerkenswertes Mädchen, dachte er. Sie hatte ihre eigene Meinung. Sie ließ sich nicht immer was sagen. Vielleicht brachte es mehr, wenn er auf sie einging, und er sie nicht dazu veranlasste, auf ihn einzugehen.

  • Es war unschwer zu erkennen, welche grossartige Begeisterung dieses monstroese Tier in Piso ausloeste. Er hatte erst gar nicht auf Serranas rufen reagiert. Und als er es dann doch tat, war es noch offensichtlicher, wie ihn die Enttaeuschung uebermannte. Noch war Serrana sich ihrer Entscheidung sicher gewesen. Sie atmete erleichtert auf, als er ihr versicherte, er wolle ihr nichts aufzwingen. Doch seine intensiven Beteuerungen sprachen eine ganz andere Sprache, die Serrana sehr wohl verstand. Wieder sah sie sich ihrem schlechten Gewissen ausgesetzt. Nur wegen ihrer Feigheit und ihrem maedchenhaften Verhalten vermieste sie ihm nun seinen Spass.
    Seine Frage stuerzte sie in einen wahren Konflikt mit sich selbst, denn sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Ausgerechnet jetzt lies ihre Entschlussfreudigkeit sehr zu wuenschen uebrig. Nichts, aber auch rein gar nichts wollte ihr in den Sinn kommen. Dabei wollte sie natuerlich auch nicht den Eindruck eines einfaeltigen verwoehnten Maedchens erwecken. Das war sie naemlich nicht.
    Serrana sah sich hilfesuchend um und hoffte, jemand koenne ihr mit einem gutgemeinten Rat beistehen, oder noch besser, ihr den Ruecke staerken. Souffleusen waren aber an diesem Tag nirgends aufzutreiben. Dummerweise war sie auch noch allein losgezogen auf den Markt, ohne eine Freundin und nicht einmal mit einem Sklaven, der sie haette beschuetzen koennen. Spaetestens jetzt nahm sie sich vor, niemals wieder ohne eine Begleitung loszugehen.
    Nein, es half alles nichts. Sie war ihm noch immer eine Antwort schuldig und je laenger sie diese herauszoegerte, umso schneller wuerde sein Interesse an ihr schwinden.
    "Na gut!" Sie glaubte fast selbst nicht, was da ueber ihre Lippen kam. "Ich ueberwinde meine Angst und versuche es einmal. Aber nicht alleine! Nur mit dir werde ich auf diesem Elefant reiten!"
    Ihr Laecheln wirkte nicht sehr ueberzeugend, eher noch gequaelt. Innerlich war sie voellig aufgewuehlt. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen?

  • Piso trauerte innerlich dem Elefanten nach. Zu gerne wäre er auf dem Rücken gesessen, hätte den markt von oben gesehen, mit dem Palatin und dem Quirinal weiter hinten, mit Blick auf seine Arbeits- und Wohnstätte. Er würde dessen nun verlustigt gehen. Doch Serrana zuliebe wollte er nicht seinen Kopf durchsetzen, so schwer es ihm auch fiel.
    Sie überlegte lange und gut, wie er sehen konnte. Fast erweckte sie ihm den Einschein einer Maus, die in einer schmalen Ecke sich zusammenkauerte, von den tödlichen Pratzen einer fetten Katze bedroht, nach einem Ausweg Ausschau haltend, den es nicht gab. War er darin die Katze, dachte sich Piso sinnloserweise und unterdrückte den Drang, sich ratlos am Kopf zu kratzen wie ein Affe. Wer sollte denn noch aus Frauen schlau werden! Ich hätte sie wirklich für abenteuerlustiger gehalten, dachte er und ließ seine Schultern ein bisschen sacken... nur ein kleines bisschen...
    Doch sofort schossen sie wieder hinauf, als sie zu sprechen begann. Es wurde interessant! Zu dem gleichem Maße, in dem sie für ihn wieder interessant wurde. Er hatte es gewusst! Serrana war keine fade Nocken, die den ganzen Tag nur herumzickte, sie war eine Frau mit Substanz! Das war großartig! Piso hätte sich fast die Hände gerieben und dabei seine Unterlippe vollgeschlabbert, aber dies hätte wohl nur einen mäßig guten Eindruck erweckt. So ließ er es bleiben. Seine Augen begannen zu funkeln wie das Kind während der Saturnalien. Er schenkte ihr also nur ein dankbares Lächeln, bevor er sich umwandte. Er sah den Elefanten. Gerade stiegen zwei Personen vom Elefanten hinunter, Vater und Sohn, und der Parther blickte sich schon nach neuer Kundschaft um.
    Piso hob die Hand. „He! Hier!“, rief er mit grenzenloser Begeisterung in seiner Stimme. „Wir wollen aufsteigen!“ Er winkte Serrana mit einer freundlichen Geste zu sich, und ging dann auf den Parther zu, begab sich in den Schatten, den der Elefant warf. „Wieviel war das nochmal? Eine Runde über den Markt, für zwei Personen?“ „40 Sesterzen, Cherr.“, kam die rauhe Antwort. Piso fingerte die passenden Geldstücke aus seiner Börse und gab sie an den Parther weiter. „So!“, freute sich Piso. „Weißt du was? Ich gehe zuerst hinauf.“, schlug er in Richtung Serrana vor. „Dann helfe ich dir von oben!“ Er blickte hinauf, wollte schon an die Seilleiter, die seitlich beim Elefanten runterhing, fassen, doch im letzten Augenblick drehte er sich nochmal zur Decimerin hin. „Alles klar bei dir?“, fragte er, nun doch ein bisschen besorgt. Würde sie vielleicht doch noch ihre Meinung ändern, im letzten Augenblick?

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