Innenhof | Interkontinentales Beschnuppern

  • Als Phraates näher hinsah, merkte er, dass doch nichts schlimmes passiert war. Welch Glück. Erleichtert atmete er auf. Doch ihr Knie schien zu schmerzen. Er blickte dorthin, doch konnte er in der Dunkelheit nur wenig sehen. Es schien aber zu bluten.
    Bevor er etwas dazu sagen konnte, ergriff sie das Wort. Er hörte ihr aufmerksam zu. Wie war das zu verstehen? Mögen? Lieben? Und sie fand dies schlimm? Phraates blickte nicht mehr durch, er blickte sie nur verständnislos an. Ihre letzte Botschaft aber drang knallhart zu ihm durch.
    Er hätte ihr liebend gerne widersprochen. Er hätte am Liebsten ihr gesagt, sie solle sich nicht so anstellen, es würde schon in Ordnung kommen. Er hätte ihr am Liebsten zum wiederholten Male vorgeschwärmt von den Wundern Parthiens, dem Reichtum des Landes, des angenehmen Lebens dort. Dem Geruch der Freiheit.
    Doch alles, was ihm aus dem Mund kam, war ein stockendes: „Ich... bleibe bei dir.“ Es war sogar richtiges Latein. Er senkte den Blick und biss sich in die Unterlippe. Nie hatte er es für möglich gehalten, dass er einmal sein Leben wegwerfen würde für eine Frau. Doch dies tat er gerade.
    Leidvoll seufzte er. Er konnte es nicht zurückhalten. Was für eine elende Situation! Er blickte Charis traurig an, bevor er sie an sich heranzog und fest umarmte, seinen Kopf in ihrer rechten Schulter vergrabend.

  • Der Schein des Mondes erlaubte es Charis ein wenig die Physiognomie des Parthers zu erahnen. Aber selbst wenn sie nicht gesehen hätte, wie sehr er mit sich kämpfte und schließlich nur für sie seinen Plan, die Freiheit wieder zu erlangen, aufgab, hätte sie es spätestens in seinen klaren Worten herausgehört.
    Charis war nicht weniger traurig als er, denn sie wußte, was er für sie aufgeben wollte. Aber sie wusste nun auch, daß er es Ernst meinte, als er ihr seine Liebe gestand. Endlich umarmte er sie wieder und sie konnte wieder seine Wärme spüren.
    "Laß uns wieder hineingehen. Morgen ist ein langer Tag.", meinte sie irgendwann, als sie sich langsam wieder von ihm löst und sich erhob. Das Knie schmerzte noch ein wenig.
    "Phraates, bleib bei mir heute Nacht. Wenn wir uns ruhig verhalten, wird niemand merken, wenn du in meiner Kammer bist," flüsterte sie ihm zu, nicht um sich bei ihm zu revanchieren, vielmehr weil sie es von ganzen Herzen wollte.

  • Fast hätte er losgeheult, so viele Emotionen schwirrten in seinem Kopf herum. Da bist du also, armer Phraates. Der Aussicht auf Freiheit für immer entzogen. In Rom, einer Stadt, von der dir die Leute beigebracht hatten, dass du sie hassen solltest. In den Armen einer Frau, in der du deinS chicksal gefunden hast, jedoch niemals imstande sein wirst, es zu genießen.
    Er hielt die Tränen jedoch zurück. Es war nicht die Zeit zu weinen. Es war niemals die Zeit zu weinen für einen Mann seiner Abstammung, seiner Familie, seines Standes... halt, Stand? Er war Sklave in Rom. Wie konnte er sich noch Kataphrakt nennen? Durch seine Worte hatte er seinen großkönig verraten. Durch sein Versprechen, nicht zu fliehen, bei Charis zu bleiben, hatte er die Möglichkeit, zurückzukehren, für sich begraben. Und damit sein Treuebündnis an den prächtigen monarchen gebrochen.
    Phraates‘ Herz stockte, als er sich dieser Tatsache bewusst wurde. Wieder musste er sich die Tränen verkneifen. Es gab heute Abend nur noch eines.
    Trost in den Armen der Frau zu suchen, derentwegen er dies alles tat. Derentwegen er sein bisheriges Leben aufgab. Bislang hatte er sich kataphrakt des Reiches nennen können. Doch dies war nun nicht mehr möglich. Er hatte all dem nun abgeschworen. Jetzt war er nur noch... ein Nichts.
    Das Nichts in Form von Phraates nickte nur kläglich, als Charis ihm anbot, in ihrem Zimmer zu übernachten. Stumm war sein Einverständnis. Er ergriff ihre Hand und drückte sie, nicht zu fest, aber warm.

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