[Tempel] Isis und Mater Magna


  • Der Gallus sah die Lägionäre fragend an. Der Kultbezirk der Magna Mater wurde nur selten von Soldaten besucht. Diese hielten sich eher an den Mithraskult.


    Salvete, mein Name ist Claudius Atticus. Ich bin der Gallus, der Oberpriester des Heiligtums der Magna Mater. Ihr sucht den Jungen Kaeso? Nun, er hat einige Zeit hier im Dienst der großen Mutter verbracht. Nach den Saturnalien jedoch hat er eine Ausbildung bei dem Chirurgicus der Gladiatorenschule angetreten. Ich würde an eurer Stelle im Ludus nachfragen.

  • Da habe ich doch richtig vermutet, er ist also ein Priester, dabei fällt mir ein ich sollte auch noch mal zum Tempel.
    "Ich danke dir Claudius Atticus für deine Auskunft".
    Dieser Kaeso ist fast wie ein glitschiger Fisch und fluscht mir ständig aus den Händen.
    Gut dann gehen wir zuerst noch mal zur Casa Acilia.

  • Die Zeit verging wie im Flug. Schon war es Martius und das große Frühlingsfest der Kybele - die Hilaria standen an. Aus diesem Grunde hatte Claudius Atticus, der Gallus des Tempels der Magna Mater, seine zwei Hauptakteure zu sich eingeladen. Mit einem freundlichen Lächeln bedachte er beide.



    Wie schön euch beide heute bei mir zu haben. Das Frühlingsfest der großen Mutter steht an und damit für euch beide sehr wichtige Ereignisse. Für dich, liebe Phryne, die Weihe zur Priesterin der Kybele und für dich, Kaeso, die Aufnahme in die Kultgemeinschaft - die Initiation mittels des Tauroboliums. Dann wollen wir die Feierlichkeiten einmal theoretisch durchgehen.


    Er blickte von einem zum anderen.


    Beginnen wir mit dir, Kaeso. An den Iden des Martius beginnen die Feierlickeiten mit dem "Canna intrat", einer Prozession mit Schilfrohren, die an Attis erinnern sollen. Du wirst einer der Cannaforoi, der Schilfrohrträger sein. Natürlich benötigst du für die Prozessionen ein passendes, langes Gewand mit Glöcken, Troddeln und Amuletten. Ich kann dir gerne dabei helfen ein geeignetes Gewand zu schmücken.


    Der Gallus strahlte bei der Vorstellung an Kaeso Maß zu nehmen.


    Am Abend nach der Prozession ist das Stieropfer vorgesehen und damit dein Taurobolium. Du hast sicherlich schon einen Stier bestellt, nicht wahr?


    Atticus fragender Blick ruhte auf Kaeso.

  • Man merkte Claudius Atticus die Vorfreude auf das kommende große Frühlingsfest an. Gewiss hatte der alternde Priester des Kybele Kultes, schon oft Vorbereitungen für dieses Fest getroffen, dennoch konnte ich keine Abnutzung seiner Hingabe erkennen. Eher im Gegenteil, mir war als ob es ihm nach wie vor große Freude bereitete. Oder liegt es an den Hauptakteuren, fragte ich mich als mir wieder einmal der Blick des Glaucus auffiel, als er mich betrachtete. Irrte ich mich? Nein das konnte nicht sein. Doch es war so, ich bemerkte seine Vorfreude darauf, mir bei dem Gewand und seiner Ausschmückung behilflich zu sein. Ein leichtes lächeln und nicken von meiner Seite sollte ihm zu verstehen geben, dass ich sein Angebot dankbar annehmen würde.
    Verlegen schaute ich zu Phryne, als der Glaucus mich fragend anschaute. „Ja Phryne hat alles in die Wege geleitet. Du wirst, wie sie versicherte, zufrieden sein.“


  • Entzückt wertete der Gallus Kaesos Lächeln und Nicken als Einverständnis, ihm persönlich beim Einkleiden behilflich zu sein. Das hob seine Stimmung zusehens.


    Anschließend an das Taurobolium, dessen dunkles und blutiges Ritual dich an die Pforte des Todes führen wird, wo dich die Große Mutter in ihrer unendlichen Güte erneut ins Leben holt, so du ihr mit reinem Herzen wahrhaft dienst. Du musst hoch und heilig im Namen der Großen Mutter schwören, dass du die Riten, die in dieser Nacht stattfinden niemals jemandem erzählst. Alles, was im Heiligtum der Großen Mutter im Zuge deiner Initiation und der Feierlichkeiten der Hilaria stattfindet, muss auf ewig geheim bleiben. Leg deine Hand auf dein Herz und schwöre. Schwöre, Kaeso!


    Ernst sah der Oberpriester Kybeles den Initianten an.

  • Was für eine Frage, natürlich wollte ich der großen Mutter dienen. Gleich legte ich meine Hand auf mein Herz, hob die Schwurhand hörte dabei die drängende Aufforderung des Gallus zu schwören. Ohne jeden Zweifel sprach ich: „Von den Riten, die in dieser Nacht stattfinden, werde ich niemals jemandem erzählen. Alles, was im Heiligtum der Großen Mutter im Zuge der Initiation und der Feierlichkeiten der Hilaria stattfindet, wird auf ewig geheim bleiben. Das schwöre ich bei der großen Mutter.“
    Leicht benommen von dem großen Augenblick, lauschte ich dem Nachhall meiner Worte, solch einen feierlichen Moment hatte ich noch nie erlebt. Es war bestimmt ergreifender, als die Schwüre der Soldaten.


  • Claudius Atticus nickte zufrieden.


    In dieser Nacht wirst du vom Profanus, dem einfachen Gläubigen, zum Fanaticus - einem "Diener der Großen Mutter". Wenn du nach dem "hieros gamos" mit der Großen Göttin aus dem Tempel zurückkehrst wirst dir Milch gereicht und dir wird ein Kranz aufgesetzt werden. Dann musst du im Kreis der Profani und anderen Fanatici die Bekenntnisformel sprechen. Präge sie dir gut ein!


    Der Gallus machte eine bedeutsame Pause, dann intonierte er die Initiationsformel.


    „Vom Tympanon habe ich gegessen, aus der Zymbel hab ich getrunken, den Kernos habe ich getragen, in das Gemach bin ich hinabgestiegen, ich bin ein Myste des Attis.“


    Der Priester wartete, dass Kaeso probeweise den Satz sprach, der seine Aufnahme in die Kultgemeinschaft besiegeln würde.

  • Zwischendurch schaute ich immer wieder zu meiner Göttin. Was würde das für ein Fest werden. Sie eine Priesterin der Großen Mutter und ich ein Diener. Ich sollte aufgenommen werden. Es war mein erster Erfolg hier in Germanien, und wem hatte ich es zu verdanken? Wer hatte mich hierhin gebracht, meine Göttin. Es kostete mich große Mühe, nur mit großer Anstrengung hielt ich mich zurück, weil es wie ich meinte gerade unangebracht war, sonst hätte ich sie auf der Stelle in meine Arme genommen und mindestens geküsst.


    Mit klopfendem Herzen hörte ich zu und stellte mir vor was der Priester zu dem weiteren Verlauf der Initiation berichtete. Eingenommen von dem Bericht wiederholte ich die Formel.
    „Vom Tympanon habe ich gegessen, aus der Zymbel hab ich getrunken, den Kernos habe ich getragen, in das Gemach bin ich hinabgestiegen, ich bin ein Myste des Attis.“
    In meiner Aufregung wiederholte ich sie gleich ein zweites Mal, nur um ganz sicher zu sein.
    „Vom Tympanon habe ich gegessen, aus der Zymbel hab ich getrunken, den Kernos habe ich getragen, in das Gemach bin ich hinabgestiegen, ich bin ein Myste des Attis.“
    Danach schenkte ich der künftigen Priesterin ein strahlendem Lächeln.

  • Phryne sah Kaesos strahlendes Lächeln. Sie war gespannt, wie er die Initiation dann wirklich empfinden würde. Denn bisher ahnte er wohl nicht recht welch ekstatisches Spektakel ein Taurobolium war.



    Der Gallus strahlte ebenfalls.


    Nach diesem Festauftakt bist du einer der Fanatici und darst das rituelle Gewand tragen. Von da an nimmst du als festes Mitglied unserer Kultgemeinde an den Prozessionen und Feierlichkeiten teil.


    Er machte ein Pause, dann begann er fortzufahren, wie das Frühlingsfest weiterging.


    Es folgen 7 Tage des Brotfastens und dann die eigentlichen Feiern der Hilaria. Am 11. Tag vor den Kalenden des Aprilis setzen wir das Fest mit dem "arbor intrat" fort. Wir tragen eine Pinie als Symbol des Attis in die Stadt und das Nemeton. Diese schmücken wir mit Veilchen und begraben sie hier. Am kommenden Tag trauern wir um den verstorbenen Attis. Wir fasten, klagen und singen.


    Atticus machte ein unglückliches Gesicht. Er lebte seine Religion.


    Der 9. Tag vor den Kalenden ist der "dies sanguis". Hier erfolgt ein neuerliches blutiges Opfer. Phryne wird eine Ziege und die Kultgemeinschaft einen Widder opfern. Das Blut spielt hier eine große Rolle. Wir geißeln und ritzen uns bis aufs Blut. Es ist ein wildes Fest mit Musik und Tanz, mit Ekstase und Trance.


    Die Augen des Alten leuchteten.


    Zunächt sind wir noch unglücklich doch in der Nacht wandelt sich alles. Er lächelte Phryne wissend zu. Der kommende Tag gehört der Feier, dem Fest des Freude und Heiterkeit. Wir feiern die Hilaria mit einem großen Festessen. Hast du noch Fragen bevor ich den Abschluss der Festlichkeiten beschreibe?

  • Bewegungslos lauschte ich den weiteren Ausführungen von Claudius Atticus zu dem Frühlingsfest. Plötzlich zuckte ich unmerklich zusammen, noch ehe ich wirklich realisierte, was ich da gehört hatte. Dann kam es mir, „Wir geißeln und ritzen uns bis aufs Blut.“ Bisher hatte ich nur an tierisches Blut bei der Opferung gedacht aber nun hörte ich, es würde auch schmerzlich und blutig für die aktiven des Kultes, für mich werden. Wollte ich das? Mich geißeln? …. Ja ich wollte, wenn es nur auf diese Art ging zur inneren Gemeinschaft zu gehören. Ja ich wollte so der Großen Mutter dienen und zu einem Fanatici werden.
    Anstrengend, kräftezehrend, ja schmerzhaft würde es werden. „Hast du noch Fragen bevor ich den Abschluss der Festlichkeiten beschreibe?“ Ja ich hatte noch Fragen eine Unmenge von Fragen. Sollte ich sie stellen? Ich beschloss es zu lassen. Würde ich sie stellen, dann kamen vielleicht doch Zweifel auf. Mich würde vielleicht der Mut verlassen. Nein, ich wollte ein Diener der Großen Mutter werden.
    Außerdem wenn ich das Leuchten in den Augen des alten Priester sah, der dieses Fest bestimmt Jahrzehnte erlebt hatte, konnten einen diese Rieten nur im Glauben bestärken. Alle Unsicherheit geheime Ängste glitten wieder ab. Wieder an Sicherheit für mein Vorhaben gewonnen, schüttelte ich mit dem Kopf. „Nein“, kam nur kurz aber deutlich meine Antwort.

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    Der Gallus bemerkte wohl die Angst vor dem Unbekannten und dem Schmerz in Kaesos Augen. Der Junge würde erst noch erfahren wie erregend Schmerz sein konnte, wenn er in göttlicher Ekstase zugefügt wurde. Atticus war sich sicher, dass Kaeso ebenso von der Glut der rituellen Ekstase davongetragen würde wie er es immer wieder erlebte. Um so zufriedener konstatierte er das "Nein" des jungen Mannes.


    Dann fahre ich nun fort. Nach dem Pannychis, der Fackelprozession am Abend, der Trauer, die in die ekstatische Fröhlickeit umspringt und dem festlichen Mahl am Hilaria genannten Hauptfesttag, legen wir einen Ruhetag ein - Requieto. Der darauffolgende Tag ist dann der Reinigung gewidmet. Die Statue der Göttin wird in einer großen Prozession zum Hafen getragen und dort gewaschen. Dabei werden auch wir uns rituell reinigen, nach dem großen Fest.


    Atticus sah beseelt aus, als er gedanklich das Fest nachempfand.


    Es ist soweit alles besprochen. Ich sehe dich am Tag vor den Nonen des Martius damit wir gemeinsam mit einigen anderen Profani und Fanatici die Schilfrohre schneiden gehen. Im Anschluss daran schmücken wir dein Prozessionsgewand, das du nach der Initiation überreicht bekommst. Bringe ein farbenfrohes langärmliges und langes Gewand mit. Um die Glöckchen, Troddeln, Borten und Amulette kümmere ich mich. Oder willst du das übernehmen, Phryne?


    Die Schauspielerin lächelte.


    Das übernehme ich gerne, wenn du die Einkleidung übernimmst, Atticus. Ich glaube das ist in deinen Händen besser aufgehoben.


    Der alte Priester nickte lächelnd.


    So sei es denn. Nehmt denn den Segen der Großen Mutter. Bis bald.

  • Phryne war an diesem Tag sicher ebenso nervös wie Kaeso. Oder dachte sie das nur? Der Gallus hatte alles mit ihr durchgesprochen. Noch nie war ihr die Ehre zugekommen beim großen Frühlingsfest einen Profanus zum Fanaticus zu machen.
    Schon früh am Vormittag standen die Profani und die Fanatici am Flussufer in der Nähe des Hafens. Sie hatten am Tag zuvor die Schilfrohre geschnitten, die sinnbildlich für Attis standen, der selbst mit dem Messer Hand an sich gelegt und sich entmannt hatte.
    In einer feierlichen Prozession, begleitet vom Klang des Tympanon, der Zimbeln und Doppelflöten bewegten sich die Kultangehörigen auf die Stadt und den Tempelbezirk der Magna Mater zu. Die Fanatici in ihren bunten Gewändern mit Glöckchen, Amuletten und Troddeln, die Profani in einfachen bodenlangen Gewändern mit langen Ärmeln.


    Zu diesen gehörte Kaeso. Phryne genoss den Anblick. Er sah wundervoll aus mit seinen vor Aufregung geröteten Wangen. Wie stolz er das Schifrohr trug. Sie selbst war aufwändig gekleidet, sollte sie doch die Vertreterin der Großen Mutter darstellen. In einem langen Gewand mit vielen Falten trug Phryne einen zarten Schleier über dem Haar und war gekrönt von einer glänzenden Mauerkrone. Das Material war nicht sehr edel, doch wirkte es dennoch majestätisch. Sie thronte auf einem Wagen, dem die Schilfträger vorangingen. Natürlich wurde der Wagen nicht von Löwen gezogen, wie es die Legende besagte, sondern von Ochsen. Dennoch war die Prozession ein Schauspiel für die Menschen, die sich zu so früher Stunde schon auf den Beinen befanden. Mit neugierigen Blicken verfolgte man die Gruppe. Hinter dem Wagen führten Diener einen prächtigen rotbraunen Stier. Auch er war über und über geschmückt mit Bändern und Amuletten.


    Der Gallus führte die Prozession an. Er trug ein malvenfarbenes langes und langärmliges Gewand mit vielen Amuletten, Metallplättchen und Glöckchen behängt. Auf dem Kopf einen Schleier und einen mit Bändern verzierten Kopfputz, der an eine phrygische Mütze erinnerte. Um diese war ein Kranz mit Frühlingsblumen gelegt. Auf der Brust des Priesters prangte ein auffälliger Halsschmuck mit zahlreichen Bildtafeln aus Metall iin die kunstvoll Szenen aus dem Kybele-Attis-Mythos eingearbeitet waren. Weitere Ketten lugten aus dem faltenreichen Gewand hervor und Armreife blitzen an den Handgelenken. Ein Szepter wies Claudius Atticus als Oberpriester des Kybelekultes in Mogontiacum aus, ein Aspergillum diente zum Segnen der Gläubigen.


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    Langsam setzte sich die Prozession in Gang. Die Frauen und Männer musizierten, sangen und tanzten. Die Schilfträger, die man Cannephoroi nannte, marschierten ernst in ihrer Formation auf das Heiligtum der Magna Mater zu. Die Feierlichkeiten würden sich bis zum Einbruch der Dunkelheit hinziehen. Dann erst fand die Initiation Kaesos mit dem großen Stieropfer - das Taurobolium - statt. Wenn er in den Kreis der Fanatici aufgenommen war, würde ein Festschmaus folgen.


  • Es war soweit, die Feierlichkeiten zum Großen Frühlingsfest sollten heute beginnen. Fertig eingekleidet, stand ich, innerlich vor Aufregung zitternd, neben meiner Göttin. Ist es wirklich nur Aufregung, hatte ich mich schon mehrmals gefragt. Meine Sicherheit, die ich am Tag meines Schwurs gezeigt, hatte ich schon lange nicht mehr.
    In den letzten Nächten hatte ich kaum geschlafen, wenn doch, war ich schon bald in Schweiß gebadet aufgewacht. Mehrmals hatte ich die Versuchung nieder gerungen, Alpina auf zu suchen und mit ihr über meine Ängste zu sprechen. Ich hatte geschworen, mit niemanden überdies zu sprechen und den Schwur wollte ich nicht brechen, auch wenn bis jetzt noch nichts geschehen war.
    Meine Sorgen und Ängste hatten ein Rückblick auf die Einweisung zu dem Ablauf der Feierlichkeiten ausgelöst. Abends wenn Ruhe eingekehrt war und ich in meinem winzigen Raum im Ludus alleine, versuchte mich in Gedanken vorzubereiten kamen mir immer wieder, bestimmte Teile der Beschreibung des Gallus in den Sinn. Zuerst war es nur die Vorfreude. Ich der Profanus, der einfachen Gläubige, sollte zum Fanaticus , einem "Diener der Großen Mutter" werden. Meine Aufnahme in die Kultgemeinschaft, die Initiation mittels des Tauroboliums. Ich konnte es immer noch nicht glauben.
    Plötzlich erinnerte ich mich an mehr. Wie hatte Claudius Atticus der Oberpriester gesagt? „Dessen dunkles und blutiges Ritual dich an die Pforte des Todes führen wird.“ Was soll das bedeuten, überlegte ich angestrengt, dann erinnerte ich mich an Attis. In dem Augenblick unterdrückte ich gerade noch einen Aufschrei, wobei ich kerzengerade in meinem Bett hochschoss. Die werden doch nicht..... nein das nicht.....nicht das sie es mir vorhergesagt hätten, …. dazu hätte ich doch mein Einverständnis geben müssen.... Nein, dann könnte ich doch nicht die restlichen Tage durchstehen....aber irgendetwas musste doch daran sein.
    Die ersten Tropfen des Zweifels, der Angst waren gefallen. Grübelnd saß ich in meinem Bett. „Wenn du nach dem „hieros gamos" mit der Großen Göttin“ hatte Atticus gesagt. Was sollte das heißen wie würde das von statten gehen? Oh was war ich nur für ein Einfaltspinsel gewesen, warum hatte ich nicht nachgedacht? Warum nicht nachgefragt? Ich hatte doch die Möglichkeit dazu.
    Dann war da noch die Opferung der Ziege, wobei wieder Blut eine große Rolle spielen sollte, genauso wie das geißeln und bis aufs Blut ritzen.


    Selbst als ich mit den anderen, an der Seite Phrynes beim Schilf schneiden war, hatte ich nicht über meine Fragen, Sorgen und Ängste gesprochen. Nein für mich stand fest, ich würde das durchstehen und meinen Mann stehen, komme was wolle. Außerdem war da noch die Große Mutter, sie würde mir beistehen.


    Nun lächelte ich noch kurz meiner geliebten Göttin, mit einem maskenhaftem Lächeln zu, ignorierte meine weichen Knien und mein hämmerndes Herz, trug trotz allem voller Stolz meine Schilfrohre vor dem Festwagen her.
    Langsam spürte ich wie sich die Umklammerung der Zweifel und Angst legte und begann sich in dem Festrubel aufzulösen. „[SIZE=7]Danke Große Mutter“[/SIZE] hauchte ich.

  • Die Prozession hatte auch ein paar Neugierige angelockt. Während üblicherweise die Treffen und Feste der Kultgemeinde unter Ausschluss der Öffentlichkeit abliefen, waren die Hilaria ein Fest für die gesamte Bürgerschaft. Man musizierte, tanzte und sang. Es gab leckere Kleinigkeiten und Wein für alle. Man trank aus der Zymbel und speißte vom Tympanon.


    Im Innenhof des Heiligtums war ein Holzgestell aufgebaut, auf das eine Rampe führte. Der Unterbau war stabil, die Oberfläche glich einem Gitter. Man hatte Planken ausgelegt, damit der Stier nicht in die Spalten trat und sich verletzte.


    Als sich die Sonne dem Horizont zuneigte, entzündeten die Profani und Fanatici Fackeln und Feuerschalen. Die Athmosphäre wurde mystisch und feierlich. Der Stier begann unruhig zu brüllen. Er ahnte wohl, dass sein Ende nahte.


    Claudius Atticus nahm Kaeso beiseite.



    So, mein Junge, nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem du das Taurobolium vollziehen musst.


    Unter Rezitationen von Gebeten und Anrufungen der Großen Mutter reichte der Gallus Kaeso ein Messer. Jetzt wurde es gefährlich. Er würde mit dem Stier auf das Podest steigen und ihm die Hoden abschneiden müssen.
    Kräftige Männer standen bereit um das Tier zu führen und zu halten.


    Der Gallus nickte Kaeso zu.


    Nur Mut, Junge.

  • Für meine Zeit, als Profani, war ich mit einem grasgrünes Gewand bekleidet, wie in der Zeit, die ich in Kontemplation im Tempel verbracht hatte. Es war eine heitere und erwartungsvolle Stimmung, die sich mit dem allmählich nähernden Sonnenuntergang in eine von mir nie gekannte Stimmung verwandelte. Nachdem wir die Fackeln und Feuerschalen angezündet hatten, spürte ich, nicht allein durch die Unruhe des Stiers etwas auf mich zukommen. Was mir dann auch die Worte von Claudius Atticus bestätigten.
    Den Blick auf das Messer, welches sich plötzlich in meiner Hand befand, gerichtet, schluckte ich mehrmals. Unsicher schaute ich zu dem Stier, dann zu den Männern, würden sie ihn halten können? Zögernd, langsam näherte ich mich ihm. Vorsichtig streckte ich meine Hand aus um ihn schon einmal im Vorfeld zu berühren. Ich spürte seine Wärme, sein starkes Leben, und ich soll ihm seiner wichtigen Teile berauben. Würde dieses Tier, seine Wildheit in seinem Schmerz nicht an mir auslassen. Oh große Mutter, verleihe mir Mut und Stärke, flehte ich. Hier musste ich alleine durch. Fuß vor Fuß setzend näherten der Stier und ich mich dem Podest, das Messer in der Hand. Mein Blick wanderte zu seinen Hoden. Das ist kein Mann das ist ein Stier, dementsprechend ihre Größen, Kaeso renn weg, sagte mir eine einflüsternde Stimme.
    Die Zähne zusammenbeißend machte ich die letzten Schritte. Schaute auf die Männer, stark sahen sie ja aus. Ich schloss meine Augen, flehte, Mutter hilf mir.
    War es die Mutter oder die Erfahrung der Vergangenheit? Vor meinem Auge sah ich Publius Gavius Balbus, den Chirurgicus des Ludus. Er arbeite nicht zögerlich sondern schnell und präzise mit seinem Messer. So muss es sein, redete ich mir selber zu. Der Stier darf nicht lange leiden, es muss schnell gehen, so dass er erst zu sich kommt und den Schmerz empfindet, wenn alles geschehen ist.
    Noch näher an den Stier herantretend streichelte und klopfte ich ihm die Seite, seinen schnaubenden Atem ignorierend schloss ich abermals die Augen um mich zu sammeln. JETZT! Befahl ich mir selber.
    Woher ich den Mut, die Geschwindigkeit und die Kraft genommen hatte, konnte ich im nachhinein nicht mehr sagen. Ich kam zu mir, weil ich überall warme Flüssigkeit an mir herunterrennen spürte. Es war Blut, das Blut des schreienden Stiers.

  • Das schmerzerfüllte Brüllen des Stieres war ohrenbetäubend. Die Männer hatten alle Hände voll zu tun, dass Tier zu halten. Festgebunden am Gestell und zudem am Kopf festgehalten musste der Stier die Qual erleiden.



    Claudius Atticus wartete mit dem Kernos, dem Gefäß, in welchem die Stierhoden aufbewahrt wurden, darauf, dass Kaeso vom Gestell stieg. Er empfing den jungen Mann mit einem zufriedenen Lächeln.
    Hervorragend, Kaeso! Hervorragend!


    Nachdem Kaeso die Hoden des Stiers in den Kernos gebettet hatte, öffnete der Gallus ein Tor im Unterbau des Opfergestells.


    Nun tritt ein in die Unterwelt. Übersteige die Schwelle zwischen Leben und Tod. Fühle wie es Attis ging als er starb und wieder erweckt wurde durch die Gnade der Großen Mutter. Stirb auch du, Kaeso und bete zu Kybele um die Gnade der Wiedergeburt.


    Tiefes Dunkel umfing den jungen Initianten als er den Raum unter dem Stier betrat. Das Brüllen des gequälten Tieres, die Blutstropfen der Kastrationswunde, der Geruch nach dem Schweiß und dem Blut des Stieres... mit all diesen Eindrücken war Kaeso nun allein.
    Draußen tosten die Tympanontrommeln, die Becken der Zymbeln klangen scheppernd und die Flöten begleiteten das Geschehen mit einer wilden Melodie. Bis zum Höhepunkt.


    Stille


    Dann ein letztes Aufbrüllen des Stieres bevor er ins Herz getroffen niedersank. Ein Opferhelfer hatte das Stieropfer vollzogen. Das warme Blut ergoß sich durch den gitterartigen Boden in die Kammer, in der Kaeso auf seinen rituellen Tod wartete.

  • Es war als ob ich alles Folgende, das Schreien des Stieres, den Geruch des Blutes, den wartende Gallus mit dem Kernos, nicht wirklich wahrnehmen würde, als würde ich es als Zuschauer erleben. Ja ich sah mich mit staksenden Schritten auf Atticus zu gehen und die blutigen Hoden in das Gefäß legen. Wie durch eine Nebelwand hörte ich seine Worte, und folgte wie fremdgesteuert seiner Aufforderung.
    Dann plötzlich Dunkelheit, das entsetzliche Geschrei des Stieres, laute, zu laute zu wilde Musik, Blut was von der Decke herunter tropfte. Oh Muter lass doch den Lärm aufhören, damit ich meine Sinne in der Dunkelheit einsetzen kann.
    Ich bin alleine, ist das nun das Ende? In meiner Not rieb ich mir durchs Gesicht.
    In diesem Augenblick wurde es still. Noch einmal hörte ich das Brüllen des Stieres.
    Jetzt rann warmes, dampfendes Blut von oben auf mich. Lauschend tastete ich umher, was würde noch hier unten geschehen. Sollte jetzt nicht das "hieros gamos" kommen? Was mochte meine Liebesgöttin machen?
    Ich besann mich und versuchte mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

  • Gebannt verfolgte Phryne das Geschehen und fragte sich, wie es Kaeso in der Dunkelheit unter dem Stieropfer wohl gehen mochte. Hatte er Angst oder empfand er ein Hochgefühl?
    Sie selbst hatte fürchterliche Angst gehabt, damals in Rom, als man sie zum Taurobolium führte.


    Es tat einen dumpfen Schlag als der Stier tötlich getroffen niedersank. Opferdiener kümmerten sich um alles weitere. Später würden alle von dem zubereiteten Fleisch zu essen bekommen. Die angehende Priesterin, deren Weihe erst in einigen Tagen anstand und der Gallus standen neben dem Gestell und sahen zu wie sich das Blut seinen Weg ins Innere suchte. Sie mussten Kaeso noch eine Weile sich selbst überlassen. Die Dunkelheit, die Einsamkeit und Angst sowie das Ausgeliefert-sein gehörten zum Leben-Tod-Leben-Ritual. Kaeso musste im Inneren der Erde, unter dem Fruchtbarkeit spendenden Regen des Stierblutes seinen persönlichen Tod erleiden, bevor sie als Verkörperung der Kybele ihn wieder erwecken durfte.


    Düstere Melodien und monotone Trommelschläge versetzten die Kultgemeinde in die mysthische Stimmung, die den Reiz der Initiation ausmachte. Klagende Singstimmen weinten um Kaeso, der wie einst Attis den blutigen Tod gestorben war. Eine kleine Ewigkeit dauerte die Trauerzeremonie. Dann folgte wieder Stille. Phryne glaubte Kaesos Herz schlagen zu hören und seine Angst zu spüren.


    Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, gab der Gallus Phryne das Zeichen, den Kranz und den Becher mit Milch aufzunehmen.
    Der Priester ging an das Gestell und öffnete die Pforte, damit der blutbesudelte Myste als neuer Fanaticus aus der Unterwelt steigen konnte.


    Als Kaeso blass und zittrig erschien, atmete Phryne auf. Ein befreites Lächeln zauberte sich auf ihre Lippen. Im langen, bunten Gewand mit dem Schleier und der Mauerkrone sollte sie ihm die Große Mutter sein.



    Claudius Atticus wartete bis Kaeso vor ihm stand. Dann gab er ihm den Kernos in die Hand.


    Sprich nun die Einweihungsformel, Kaeso! Dann nehmen wir dich auf in den Kreis der Fanatici!

  • Die Zeit verann, zäh wie Baumharz. Mein Herzschlag steigerte sich von Minute zu Minute. Jetzt wusste ich erst wirklich was Angst bedeutete. Mir wurde kalt und ich begann zu zittern. Würde ich jetzt sterben? Wodurch würde ich sterben? Plötzlich ein Geräusch, ein seltsames klacken, dann spürte ich es. Es waren meine Zähne die aufeinander schlugen.
    Ich versuchte die Furcht zu stoppen. Nein das konnte so nicht enden, Atticus der Oberpriester hatte doch gesagt, anschließend an das Taurobolium, dessen dunkles und blutiges Ritual dich an die Pforte des Todes führen wird, wo dich die Große Mutter in ihrer unendlichen Güte erneut ins Leben holt, so du ihr mit reinem Herzen wahrhaft dienst.
    War ich reinen Herzens? Wenn nicht wäre es jetzt mein Ende. Aber ich wollte doch ein Fanaticus, ein Diener der Großen Mutter werden.
    Jetzt erst bemerkte ich, dass sich etwas verändert hatte, etwas fehlte was ich jetzt erst bemerkte, dass es da war. Die dumpfe Trommelschläge, der traurig klagende Gesang.
    Wieder entsetzliche Stille, in der ich jetzt das in aufspritzen der Blutstropfen in den Blutlachen hörte. Abermals ein neues Geräusch, die Türe wurde geöffnet, ein schwacher Lichtschein drang ein. Vorsichtig ging ich dem von Fackeln und Feuerschalen hervorgebrachtem Licht entgegen.
    Als erstes sah ich unseren Gallus in seinem malvenfarbenes Gewand mit welches noch mehr wie üblich mit vielen Amuletten, Metallplättchen und Glöckchen behängt war.
    Mir stockte danach fast der Atem, so schön, überirdisch, ja göttlich hatte ich sie noch nie gesehen. Wie würdevoll sie vor mir stand in ihrem langen bunten Gewand mit vielen Falten, dem zarten Schleier über dem Haar welches gekrönt von einer glänzenden Mauerkrone war. Meine Göttin, die ich bei diesem Anblick noch mehr begehrte und liebte.
    Vergessen waren alle Nöte und Ängste, befreit atmete ich tief ein und nahm den von Atticus gereichten Kernos und sprach in die erwartungsvolle Stille hinein die Einweihungsformel: „Vom Tympanon habe ich gegessen, aus der Zymbel hab ich getrunken, den Kernos habe ich getragen, in das Gemach bin ich hinabgestiegen, ich bin ein Myste des Attis.“

  • Sie hörte seine Worte. Sicher und ohne zu zögern sprach er sie aus. Phryne strahlte übers ganze Gesicht. Dann rief sie sich zu Besonnenheit. Der Gallus nahm den Kernos erneut aus den Händen Kaesos und übergab ihn einem der Opferdiener. Dann trat er zur Seite und überließ Phryne alias Kybele den Platz vor dem frisch Initiierten. Die Inkarnation der Magna Mater kränzte Kaeso und hielt ihm den Kelch mit Milch hin.


    Die Musik begann erneut. Flöten, Trommeln und Becken spielen fröhliche Weisen, die Mysten klatschten und lachten. Längst waren sie unter sich. Schon vor dem Stieropfer hatten die Zuschauer das Heiligtum verlassen müssen. Denn nur so blieb gewährleistet, dass der Kult mit seiner eigentümlichen Zeremonie und dem Eid vor den Augen der Göttin geheim blieb.


    Nachdem Kaeso getrunken hatte, nahm Phryne ihn bei der Hand. Sie führte ihn zum Podiumstempel der Magna Mater. Hand in Hand erklommen sie die Stufen unter den Klängen der Musik. Das Innere des Tempels war von Fackeln und Kerzen in eine atemberaubende Kulisse verwandelt worden. Vor dem Standbild der Kybele, die auf ihrem Löwenthron saß, mit Zepter und Mauerkrone versehen, stand eine Kline. Sie war mit weichen Decken gerichtet und mit Blumen bestreut.


    Phryne trat vor die Große Mutter und betete.


    Große Mutter Kybele. Ich bringe dir Kaeso, deinen neu aufgenommenen Diener. Er hat alle Prüfungen bestanden und sich als ebenso tapfer wie Attis, dein Geliebter erwiesen. Du siehst noch das Blut des Stieres an ihm haften. Schenke ihm deine Gnade und gib mir ein Zeichen, dass er würdig ist, als Inkarnation des Attis, den diesjährigen Hieros Gamos mit mir zu vollziehen.


    Mit diesen Worten warf Phryne einige Weihrauchkörner ins Feuer und sah zu wie sich die Rauchfahnen in sanften Wellen zum Tempeldach erhoben. Die Göttin hatte ihr Einverständnis gegeben. Sie würde mit Kaeso die heilige Hochzeit vollziehen.

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