Nova Discipula pro Vero

  • Als sich Callistas Lehrer auch am Treffpunkt einfand und die beiden sich begrüßt hatten, gab sie ihm stolz ihre Hausarbeit, welche er in alle Ruhe und Genauigkeit las. Je mehr Worte seine Augen aufnahmen, desto mehr nickte er und desto größer wurde sein zufriedener Blick.


    "Das hast du wirklich sehr schön gemacht Callista. Ich bin sehr zufrieden, du kannst diese Ausarbeitung genauso zu deinen Unterlagen nehmen, aus denen du später für deine Prüfung lernen sollst. Am besten du bindest alles zu Hause zu einem kleinen Heft zusammen." es war immer gut alles kurz und bündig auf einem Fleck zu haben, dann musste man nicht auf tausend Papieren kramen, die vermutlich auch noch unvollständig waren.


    "So, dann möchte ich jetzt mit dir über das Rech der Götter sprechen, weißt du was ich meine?" fragend zu ihr blickend wartete er ihre Antwort ab.

  • Hah! Alles richtig! Callista lächelte glücklich, als Verus sie lobte und nickte freudig. Sie würde sowieso sehr sorgfältig mit ihren Unterlagen umgehen, aber die Tatsache, dass er dieses Schriftstück für so gut hielt, machte sie Stolz. Anscheinend hatte sich das nachdenken, nachschlagen und sauber abschreiben gelohnt und sie nahm sie Rolle wieder an sich.


    "Meinst du das Recht der Götter?" fragte sie interessiert und blickte ihren blonden Lehrer an. Bald schon würde sie mit ihm verwandt sein.

  • Callista schien es große Freude zu bereiten, wenn Phelan sie lobte. Nun, war er nicht genauso gewesen, als sein Lehrer ihn lobte? Aurelius Orestes hatte immer noch nicht seinen Brief erwidert, was ihm in diesem Moment wieder in den Sinn kam, ob alles in Ordnung war?


    "Das Recht?" der junge Lerher stutzte. :huh:


    Ohje, er hatte sich mal wieder versprochen, das passierte schonmal, Latein war eben nicht seine Muttersprache.


    "Oh entschuldige, ich habe mich versprochen .. jaja .. Latein." schmunzelte er "Ich meinte das Reich, nicht das Recht. Kannst du damit etwas anfangen?" auf ein Neues :D.

  • "Ach so" Callista schmunzelte, Verus lenkte schnell von dem Versprecher ab und sie schüttelte den Kopf "nein, leider nicht." Sie verstand nicht ganz worauf er hinauswollte, denn im Gegensatz zur griechischen oder auch germanischen Götterwelt fehlten der römischen eine eigene komplexe Mythologie, ein anthropomorphes Pantheon, ein Jenseits und eine ewige göttliche Wirklichkeit. Römische Götter waren weder verheiratet noch verwandt untereinander und lebte nicht an einer bestimmten Stelle, wie dem griehischen Olymp.

  • "Ich spreche von dem mehrdeutigen Begriff 'Olymp'."


    Phelan setzte sich aufrecht und fing mit den Händen an zu erzählen.


    "Nun, zum einen meint das Wort Olymp wirklich den selbigen, wir sehen dieses Gebierge oft wolkenverhangen und so kann man sich vorstellen, dass jenes der Eingang zum Reich der Götter ist. Das betrifft selbstverständlich nur die Dii Consentes, wenn du verstehst. Zum anderen hat das Wort Olymp eine ganz andere und viel wichtigere Bedeutung. Wir wissen ja, das die Götter nicht so präsent anwesend sind wie wir Menschen. Wir beide sitzen gerade hier und können uns sehen, riechen und hören. Die Götter allerdings, sehen wir nicht, wir können nicht sagen, wo sie sich gerade befinden. Präsent sind sie erst indirekt durch die Kultbilder in den Tempeln, welche eben diesen Zweck erfüllen sollen. Aber ihre wirkliche Präsenz ist numen. Jedoch erfahren wir ihre Gegenwart anders, nicht in Fleisch und Blut, sondern in einer höhren Macht. Egal in welcher Lebenslage wir uns befinden, Freude, Trauer, Schmerz, Angst, ob wir im sterben liegen oder gerade das größte Glück erfahren, wir können hier und da die Anwesenheit der Götter um uns herum spüren. Und immer wo wir diese spüren ist der Olymp. Kannst du dir das vorstellen? Du hast sicher schoneinmal ihre Gegenwart gespürt, nicht wahr?

  • Falsch gedacht. Anscheinend. Denn er sprach tatsächlich vom Olymp und Callist hörte aufmerksam zu. An manchen Stellen, die ihr eindeutig erschienen, nickte sie. Dann, als sein kleiner Monolog zu ende war, blickte sie ihn scheu an.


    "Ja, gespürt habe ich die Götter schon mal. Einmal ganz besonders intensiv, das war, als meine Mutter starb. Der ganze Raum war auf einmal ... ich weiß nicht recht ... schwer zu beschreiben. Aber es fühlte sich einfach so an, als wäre da noch jemand, jemand sehr großes und liebevolles. Später habe ich nicht mehr viel darüber nachgedacht, weil die Trauer keinen Platz dafür ließ."


    Callista durchlebte diesen Augenblick noch einmal, direkt nachdem unumstößlich klar war, dass ihre Mutter sie verlassen hatte und gestorben war. Sie erinnerte sich an ihren Schmerz, an den Schock und an die heißen Tränen, die sie geweint hatte - aber auch daran, dass sie sich gut aufgehoben gefühlt hatte. Fast so als hätte irgendjemand sie trösten wollen. Komisch, dass sie sich erst jetzt wieder daran erinnern konnte, wo Verus sie daran erinnert hatte.

  • "Siehst du, du hast ihre Präsenz gespürt. Es ist nicht ungewöhnlich in so einer Situation die Präsenz zu spüren, zum einen hat deine Mutter oft für Iuno und Minerva gebetet und dich hat das auch nicht unberührt gelassen. Es tut mir Leid, dass deine Mutter nicht mehr unter den Lebenden weilt. Aber, es gibt Schicksal, ob man daran glaubt ist eine umstrittene Frage. Ich denke es war alles Schicksal, dass wir jetzt hier sitzen, das du diese Ausbildung angehst. Ich denke du wirst eine gute Priesterin werden, eine, die nicht nur die Institution sieht, sondern auch den Willen hat den Göttern zu dienen."


    Eine kleine Motivationsrede konnte nicht schaden, vor allem weil das junge Mädchen sehr traurig dreinschaute.

  • "Danke." Callista lächelte etwas scheu, sie war es nicht gewohnt, dass man sie so frei heraus lobte. Vor allem weil Verus sie ja noch gar nicht lange kannte, wie wollte er da beurteilen können, ob sie wirklich so geeignet war? Allerdings war er schließlich ihr Lehrer und würde schon wissen, was er da sagte. Er machte es ihr jedenfalls einfach, sich ihm zu öffnen und er motivierte sie ungemein. Schließlich hatte sie den Vorsatz gefasst seine allerbeste Schülerin zu werden und da tat so ein Lob wirklich gut.


    "Ja, den Göttern will ich gerne dienen. Wenn man von sich heraus versucht den Göttern zu dienen, dann fällt es einem viel leichter alles zu lernen und zu begreifen. Anstatt nur eine vorgeschriebene Rangfolge von Handlungen abzuspulen. Ohne mit dem Herzen dabei zu sein, meine ich. Das merken doch auch die anderen, die, die zugucken. Und die Götter merken es selbstverständlich auch."

  • Es war wirklich tiefgründig, was Callista mit ihren Worten ausdrückte. Durch ein Nicken verziert mit einem freundlichen Lächeln antwortete er.


    "Gut dann machen wir mal weiter." er überlegte kurz, welches Thema sich jetzt am besten anbieten würde. Entweder alles um Iuno oder doch eine kleine Denkaufgabe.. nein, Iuno sollte es sein.


    "Discipula, da ich bald ein Opfer an Iuno halten werde, wo du mir natürlich assistieren wirst.." wie sehr hatte sich Phelan damals über genau dieselben Worte gefreut, als sie aus dem Mund seines Lehrers gekommen waren "..möchte ich mit dir über Iuno sprechen." immerhin wollte Callista Iunopriesterin werden und Iuno war nunmal die höchste Göttin.


    "Nenne mir doch die wichtigsten Aspekte und Attribute, die du über Iuno kennst."

  • Auch Callista freute sich immens über diese herausforderung, die bald auf sie zukommen würde. Es würde sicherlich nicht eifnach werden und es gab soviel zu beachten und zu wissen und zu bemerken, dass ihr beinahe schwindelig wurde, wenn sie daran dachte, wo sie überall einen Fehler machen könnte. Sie hoffte nur, dass Phelan wußte, was er da tat und er sich sicher war, dass sie das auch konnte. Dennoch lächelte sie. Es fühlte sich toll an, dass sie ihm helfen sollte, dass er sie dazu auserwählt hatte.


    "Iuno ist die höchste römische Göttin und sie vereint sehr viele Aspekte in sich. Als Iuno Regina ist sie die Schutzgöttin von Veii, als Iuno Caprotina wacht sie über das Kleinvieh. Man nennt sie auch Iuno Sospita, Seispes oder Sispita und da trägt sie ein Ziegenfell über dem Kopf, dessen wichtigster Bestandteil die Hörner sind. Iuno Sospita ist es auch, der Schlangen heilig sind und zu deren Ehren man die Schlangenfütterung begeht. In Rom, das habe ich mir angesehen, es war überwältigend."
    Hier lächelte sie kurz und sprach dann weiter. "Sie ist die Schutzherrin über die Ehe, der Familie und der Mütter. Als Iuno Pronuba führt sie die Braut, als Iuno Lucina wacht sie über die Geburt. Als Iuno Moneta war sie Göttin der Ratschläge, Erinnerungen und Mahnungen."

  • Wie immer war Phelan voll und ganz geplättet von seiner Schülerin, nicht das sie alles wusste, was er auch keinesfalls erwarten wollte, aber kannte schon imens viel über ihre favourisierte Gottheit. Zu schade, er hätte gerne ihre Mutter kennen gelernt, welche der Grund für ihren extrem Eifer auf diesem Gebiet gewesen sein musste .. nein, sicherlich war!


    "Callista, das einzige was du in meinem Unterricht nicht kennst, sind die Fragen die ich vorhabe zu stellen, falls du hellsehen kannst verabschiede ich mich hier." breit und vor allem sehr zufrieden grinsent schaute er sie an. Man verdammt und zu genäht, sein Vetter Witjon hatte eine tolle Frau. Klug und wissbegierig, eifrig und zielstrebig, wunderschön und atemberaubend. Wie sehr sehnte sich der junge Germane auch nach einer Frau. Bevor er allerdings an die ganze Kiste mit Decima Flava dachte verwarf er schnell den Gedanken und widmete sich wieder seiner Schülerin.


    "Prebonus discipula. Damit ich auch mal was erzählen kann, will ich dir schonmal etwas über die höchsten Göttin verraten was das Opfern betrifft."


    Er überlegte sich kurz einen Anfang und legte los.


    "Präg dir gut ein was ich jetzt sage, es gibt drei Regeln, die du nie bei einem Opfer brechen darfst, einmal gebrochen, ist das komplette Opfer für die Katz, die Gottheit wird das Opfer nicht annehmen und ist vielleicht sogar gekränkt und zornig." das was ihm in seiner Prüfung passiert war, was allerdings doch gut verlaufen war, würde seiner Schülerin nicht passieren. Ihr würde er alles so in den Kopf hämmern, dass sie diese Regeln in und auswendig im Schlaf können würde.


    "Wenn du einer männlichen Gottheit opferst, MUSS das Opfertier MÄNNLICHEN Geschlechtes sein, wenn du einer weiblichen Gottheit opferst MUSS das Opfertier WEIBLICHEN Geschlechts sein."


    Der Magister ließ ein bisschen Zeit verstreichen, damit sie sich diesen Satz voll und ganz einprägte.


    "Jetzt zu Iuno an sich. In der Regel kann man ihr viel opfern. Die Größe des Tieres hängt vom Anlass ab, allerdings ist die Farbe wichtig, denn Iuno opfert man weiße Tiere. In meiner Prüfung habe ich damals eine wichtige Sache nicht bedacht und somit die Regel gebrochen, die ich dir gerade so nahegelegt habe. Meine Prüfung ist zwar trotzdem gut gelaufen, es hätte aber auch anders ausgehen können. Ich habe Iuno einen Eber geopfert, zum einen ist das Tier männlich gewesen und zum anderen nicht weiß sondern schwarz. Ein fataler Fehler, leider hatte mir mein Lehrer das nicht erklärt und da ich nunmal Germane bin, und den privaten Römerkult nicht kenne, konnte ich mir also nie bei meinem Vater abgucken wie man römischen Göttern opfert. Deswegen bedenke immer deine Auswahl des Opfertieres. Bei deiner Prüfung würde ich ein weißes Schaaf oder eine Ziege wählen, aber das überlasse ich dir."


    Nach diesem kleinen Vortrag konnte man das eigentlich gar nicht mehr falsch machen.


    "Klar soweit?" fragte er sie.

  • "Klingt logisch!" sagte sie knapp und nickte ernst. Weiblicher Gott, weibliches Opfer. Männlicher Gott, männliches Opfer. Sie nickte erneut und blickte ihn feierlich an, was soviel heißen sollte, dass sie verstanden hatte und er fortfahren konnte. Allerdings hatte er noch mehr zu diesem Thema zu sagen und sie schlug erschrocken die Hand vor den Mund, als er vom schwarzen Eber erzählte. Konnte er sich denn so geirrt haben? Und Iuno war dennoch zufrieden!? Sie schaute ungläubig und war gleichzeitig erleichtert, immerhin war Phelan hier und er war Priester geworden. Nochmal glück gehabt, sozusagen. Sie nickte noch ein drittes Mal und meinte dann zaghaft.


    "Ich hatte mir überlegt eine Gans zu opfern. Wenn es nichts ausmacht, werde ich Lando fragen, ob es etwas Platz im Stall für sie gibt. Dann kann ich sie selbst füttern und versorgen." Sie schaute schüchtern zu ihm. "Ich weiß, das ist unüblich und normalerweise kauft man ein Opfertier in der Nähe der Tempel. Aber da es doch für meine Prüfung ist, dachte ich, kann es nicht schaden, sich näher mit den tieren auseinander zu setzen."

  • "Bene." sie hatte es sich also hinter die Löffel geschrieben ;).


    Bei ihrem Gedanken bezüglich des Opfertieres schaute er sie an.
    "Nun Callista, dass ist deine Wahl, es ist deine Prüfung, also musst du es aussuchen, aber ich kann dir so viel sagen, dass es nicht schlimm sein wird, wenn du dich um sie selbst kümmerst. Im Gegenteil sogar, ich denke die Gans wird so gut von dir versorgt sein, dass du so eine niergends auf dem Markt finden würdest. Hauptsache sie ist weiblich und weiß." zwinkerte er ihr zu.


    "Iuno wird sich sicher über deine Gans freuen, apropos Iuno, so langsam sollten wir mal das Opfer vollziehen, bei dem du mir assistierst."

  • Ja, weiß und weiblich dürfte kein Problem sein. Sie nickte freudig und freute sich, dass er ihre Idee mochte. Und als er erneut auf das bevorstehende Opfre zu sprechen kam, siegte endlich ihre Neugier. "Für wen ist dieses Opfer denn? Für dich? Oder für jemanden aus der Stadt?"

  • "Es gibt einen Soldaten bei der Legio, Terentius Primus ist sein Name. Ich werde in den nächsten Tagen ein Opfer für ihn durchführen, allerdings eine etwas traurige Angelegenheit, daher muss ich ihn vorher noch fragen, ob es ihm Recht ist wenn meine Schülerin dem Opfer beiwohnt, aber ich denke das sollte kein Problem sein. Sollte es das doch, dann finden wir schon eine andere Möglichkeit."


    Seinen Sohn zu verlieren war nicht leicht, vielleicht wollten er und seine Frau alleine bei dem Opfer sein, aber das würde Phelan noch in Erfahrung bringen.

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