Spiele zum Neujahrsfest

  • Das Opfer schien sich ewig zu ziehen. Normalerweise war Anthi ja sehr gewissenhaft was Opfer betraf, schließlich war er nominell ein Priester des Musen und des Apoll, aber heute kam es ihm vor als würde es ewig dauern. Er wollte endlich wirklich beginnen. Er wollte zeigen das sich sein Training gelohnt hatte und dass er sich mit den besten Sportlern des Imperiums erfolgreich messen konnte.


    Das heute würde sein Tag werden, da war er sich sicher. Und er war sich noch sicherer, dass Penelope bei den Wettkämpfen endlich alles zeigen würde, dass sie die beste Musikerin in Alexandria war.

  • Als der Leib nicht mehr zuckte und der Blutstrom verebbt war, zerlegten die Opferhelfer das Tier in Teile, die sie jeweils zu zweit oder zu vier tragen konnten. Der Torso wurde in das Heiligtum geschleppt, die übrigen Teile in angrenzende Räumlichkeiten.


    Der Altar wurde noch nicht gereinigt und es wurde noch kein neuer Sand auf den Vorplatz gestreut. Die Zuschauer des Opfers mussten sich noch eine Weile gedulden.


    Manchen mochte es wie eine Ewigkeit vorgekommen sein, ehe der Gymnasiarchos das Heiligtum verließ und einen günstigen Ausgang* des Opfers verkündete. Währenddessen wurde das, was vom Stier übrig war, von einigen Staatssklaven und beflissenen Metzgern zerlegt und in einem Vorratsraum aufgehängt. Das Fleisch würde am Ende des Festtages feierlich gemeinschaftlich verspeist werden; Knochen, Fett, Eingeweide in einem Brandopfer verwendet.


    Erst, als der Hermes- und Herakles-Priester seine Zustimmung gegeben hatte, wurden die Überreste der Opferung beseitigt. Nachdem sich das Verfahren am Herakles-Altar wiederholt hatte, konnten die Spiele beginnen.




    Sim-Off:

    *Ich behaupte das mal, damit wir vorankommen. Ich hoffe, Hermes sieht das mit dem günstigen Ausgang ebenso ;).

  • Der Mittag war bereits überschritten, als den Regeln der Opferzeremonien genüge getan war und der Gymnasiarchos zu einer Eröffnungsansprache vor dem ungeduldigen Publikum ansetzte. Sie war nicht so brilliant wie manche andere Rede aus seinem Mund. Es hatte ihn viel Überwindung gekostet, so viele Schmeicheleien in ihr unterzubringen, dass die Rede von diesen gewissermaßen überquoll. Im Vergleich dazu, wie seine Stimme einst über die Reihen des Theatrons hinweggedonnert war, klang sie an diesem Tag dünn und an manchen Stellen schrill (als spräche er lauter, als sein Organ es eigentlich erlaubte). Der Gymnasiarchos hatte ein hohes Maß an Selbstbeherrschung, dies nicht zu deutlich sichtbar und spürbar werden zu lassen, aber er war von seiner Krankheit und von der ständigen Aufregung in der vergangenen Zeit geschwächt, was man ihm durchaus ansehen konnte, kannte man ihn näher.


    "Alexandriner, Römer und fremde Gäste! Es ist mir eine große Freude, den hochverehrten Stellvertreter des göttlichen Basileus, den ehrenwerten Dekios Germanikos Korvos begrüßen zu dürfen, der auch bei dieser Veranstaltung in seiner Wohltätigkeit seine Hand schützend über die Polis Alexandreia hält und uns allen seinen Segen spendet, den er großzügig austeilt, wie er im ganzen Wesen freigiebig und mildtätig ist.


    Auch eine Freude ist die Begrüßung des ehrenwerten Führers der in Nikopolis stationierten tapferen römischen Soldaten, Appios Terentios Kyprianos. Nicht zuletzt bin ich sehr erfreut, Gäste aus fernen Reichen, wie den edlen Bazeb aus Aksum im Namen der Polis Alexandreia willkommen heißen zu dürfen, sich an den Künsten der Athletik oder der Musik zu erfreuen, oder wie der ehrenwerte Bazeb selbst ihr Können in den Künsten unter Beweis zu stellen. Eine besondere Ehre ist es der Polis auch, dass unter den antretenden Athleten Soldaten des römischen Stratos sind.


    Euch alle, und alle anderen ebenso, empfängt die Polis - ich bin so frei, dies zu behaupten- mit offenen Armen und in Freundschaft und in Frieden.


    Mögen diese Wettstreite in Frieden und in Freundschaft ausgetragen werden und zu Ehren der Götter und zum Wohl der Polis Alexandreia und aller Poleis und aller Ethnoi, deren Vertreter unter den Teilnehmern sind. Begrüßen wir gemeinsam ein neues, gutes Jahr, das über die Oikumene hereinbricht und erbitten wir gemeinsam den Beistand der unsterblichen Götter.


    Ich darf mich ein weiteres Mal freuen, nämlich darauf, nun das athletische Agon zu eröffnen und es in die Hand meines verehrten Kollegen Cleonymus, dem Kosmetes dieses Gymnasions zu legen.


    Wir dürfen uns sehr auf die großen Leistungen ruhmreicher Athleten und später ebenso ruhmreicher Dichter freuen! Freuen wir uns in Eintracht und in Freundschaft!"


    Er nickte Cleonymus zu und trat einige Schritte zurück. Ihm schwindelte. Die langen Vorbereitungen, das laute Sprechen und eine gewisse innere Anspannung hatten ihn sehr erschöpft.

  • Er ging nicht weiter auf den Statthalter ein, es war sinnlos und zum anderen hatte Appius keine große Lust das verhältnis noch zu kitten. Er war nicht wirklich darauf angewiesen und politisch war es auch nicht mehr nötig. Von daher nickte er dem Statthalter nur noch höflich zu und setzte sich. gespannt darauf, was ihm wohl nach der Rede des Griechen erwartete.

  • Nach ein wenig Hin und Her war dann auch ein Sitzplatz gefunden, und Axilla hörte sich die Ansprache von Nikolaos an. Hätte sie die Griechen in nunmehr über einem Jahr nicht schon gut kennengelernt, sie hätte die Ansprache vielleicht zu kitschig gefunden. Da sie aber schon das ganze Leben hier in Alexandria in sich aufgesogen hatte, fand sie sie gerade richtig, fast schon dezent für den Gymnasiarchos. Zusammen mit den vielen um sie herum jubelte sie, als Nikolaos das Wort an Cleonymus abgab, damit dieser den athletischen Teil der Spiele eröffnete.
    Sie selbst war eigentlich viel mehr auf den musischen Teil gespannt. Axilla mcohte Musik und Dichtung sehr gerne. Außerdem sah sie die schwitzenden Athleten jeden Tag bei der Arbeit, da verlor es irgendwie mit der Zeit seinen Reiz, ihnen zuzuschauen. Verstohlen und heimlich, versteht sich. Aber dennoch würde sie hier wohl kaum etwas sehen, was sie im Gymnasium nicht gesehen hatte, daher war es nun nicht ganz so aufregend. Bei Musik war das aber anders, davon konnte man nie genug hören. Ein gutes Lied konnte man auch Tausend Mal hintereinander hören und mitsingen. Daher freute sie sich schon, wenn dieser Teil der Spiele stattfinden würde. Auch wenn griechische Musik nicht unbedingt immer leicht und fröhlich war.


    Aber im Moment folgte ihr Blick Nikolaos, der von der Bühne getreten war. Kurz wurde ihr Blick etwas besorgt. Sie kannte ihren Chef nun ja schon eine ganze Weile, und auch wenn er nicht gleich danach aussah, als würde er zusammenklappen, war er wohl ein wenig erschöpft. Ob sie einfach zu ihm hingehen sollte, um ihn etwas aufzuheitern? Was natürlich die frage aufwarf, ob sie ihn überhaupt aufheiterte, oder er mittlerweile von dem ganzen Chaos, was sie so „im Vorbeigehen“ fabrizierte, mittlerweile schon gestresst war.
    Nun, egal, ihr war langweilig, hier sitzen bleiben wollte sie nicht, und Nikolaos bot sich an, weil sie ihn kannte und gern hatte. Und den ganzen Tag hier allein rumsitzen wollte sie nicht, da konnte sie ihn auch gleich begrüßen. Wenn sie zu ihm durchkam, hier das.
    “Ich sag mal Nikolaos hallo“ plapperte sie noch fröhlich und hatte sich schon erhoben, noch ehe der arme Leander überhaupt richtig reagieren konnte, schnurstraks auf ihren Arbeitgeber zu.

  • Cleonymus hatte sich, nachdem die Priester die feierlichen Opfer erfolgreich beendet hatten, ebenfalls neben Nikolaos eingefunden um im Anschluss an seine kleine Rede, selbst auch ein paar Worte zu sagen und um ganz offiziel den athletischen Teil der Spiele zu eröffnen. Als nun die Rede des Gymniasarchen in den letzten Rängen verhallte war Cleonymus nicht der einzige der dem Gymniasarchos durch einen leisen Applaus seinen Respekt zollte, doch nun war er selbst an der Reihe und trat an die Stelle an der eben noch Nikolaos gesprochen hatte und blickte freudig in die Runde der vielen Besucher und Teilnehmer ...


    "Wie der ehrenwerte Gymniasarchos es schon so richtig sagte, ist es auch mir eine Freude hier so viele bekannte, wie auch unbekannte, Gesichter zu sehen. Jeder einzelne so verschieden und doch alle aus einem einzigen Grunde hier versammelt ... um gemeinsam mit uns anderen das neue Jahr zu begrüßen und den wohl besten Athleten, Musikern und Poeten des Imperiums die Gelegenheit zu geben ihr Können unter Beweis zu stellen. Wir alle werden in den nächsten Tagen gebannt mehrere Disziplinen und Wettstreite verfolgen, angefangen beim gymnischen Pentathlon welches schon in wenigen Minuten beginnen wird!
    Also erkläre ich hiermit die Spiele für eröffnet, mögen die besten Athleten und Künstler den Sieg davontragen!"


    Damit trat auch Cleonymus wieder einen Schritt zurück und lies dem Moment seine Freiheit, während er seinen Gehilfen ein Zeichen gab, worauf hin diese die Athleten, die nun antreten würden, über die bevorstehende Disziplin informierten ...

  • natürlich verfiel auch Emilía in Applaus, als die Rede zu Ende war und die Spiele offiziell eröffnet. Welch eine Aufregung! Das Hochgefühl, dass die Einwohner und Beobachter ergriffen hatte, war fast greifbar und machte sich in Beifallsbekundungen, Applaus und lauten Zurufen Luft. Das war natürlich was ganz anderes als die kleinen Feste, die Emi noch aus ihrer Heimat kannte. Das hier war groß, immens, erstaunlich und überragend. Und sie war ein Teil davon! Nike und sie würden als Richterinnen auftreten! Emi, als kleine Zunge an der Waagschale über Sieg oder Niederlage. Sie grinste. Lustige Vorstellung. Aber sie freute sich sehr und war stolz, dass Nikolaos sie dafür vorgeschlagen hatte. Er musste viel auf sie halten, wenn er ihr das schon zutraute.


    Aber nun trat Cleonymus nach vorne und sagte noch ein paar Worte, bevor er die ersten Wettkämpfe ankündigte. Emi nickte freudig, jetzt würde sie ein paar Athleten beobachten können. Sie grinste. Gymnischen Pentathlon - lecker.

  • Ehrfurchtsvoll und mit großem Interesse hatte der fremde Mann aus dem Süden das Opferritual verfolgt. Man sollte die Götter, in deren Land man sich gerade befand und die Menschen, deren Gastfreundschaft man gerade genoss, nicht erzürnen. Als der Gymnasiarchos Wazebs Namen nannte, nickte Wazeb seinen Nachbarn freundlich zu, ehe ein Mann - offenbar einer der Gehilfen des Cleonymus - auf den baldigen Beginn des Speerkampfbewerbs aufmerksam machte.
    Mithilfe seiner Begleiter traf er sogleich seine Vorbereitungen: Das lange Gewand war und der unbequeme Hut war schnell abgelegt und brachte eine knapp geschnittene Tunika zum Vorschein.
    Nun wartete er auf den Beginn der Wettkämpfe.

  • Ich wusste schon, warum ich Opfer nicht mochte. Das war mir alles zu blutig und irgendwie taten mir die Tiere leid. Ich schaute dennoch hin und verfolgte das Spektakel, beobachtete Tier und Mensch, in der Hoffnung, es irgendwann gelassener zu sehen.
    Wenigstens ging alles gut, wie es schien. Nicht auszudenken, wäre etwas Unvorhergesehenes geschehen. Ich dachte an all die Athleten und Künstler, die heute antreten wollten und daran, dass sie wohl lockerer sein und Besseres leisten könnten, wenn sie wussten, dass die Spiele unter einem guten Zeichen standen.
    Ich dachte aber auch an die Vertreter der anderen Religionen und fragte mich, wie wohl unsere Opfer in ihren Augen wirkten. Vielleicht barbarisch, vielleicht aber war es auch eine Faszination. Wie auch immer, das Wichtigste war sowieso, dass alle in Frieden miteinander auskamen. Besonders in diesen Tagen, die für Alexandria so wichtig waren.


    Nach einer Weile schaute ich zu Timos. Er war ruhig und sprach nicht viel, aber das traf auch auf mich zu und so ließ ich mich von dieser Tatsache nicht weiter stören.
    Vielmehr freute ich mich, als ich hörte, dass die Wettkämpfe nunmehr beginnen sollten. Natürlich stand ich auf Ánthimos Seite und hoffte, dass er zeigen konnte, was er beherrschte. Es wäre sicher eine schöne Freude für das gesamte Haus, wenn er einen Sieg erringen konnte - und nicht nur er, sondern auch seine Frau, Penelope, von der ich wusste, dass sie später bei den künstlerischen Wettstreiten antreten würde.


    Wo war eigentlich der Rest von uns? Suchend blickte ich mich um - und entdeckte Emilía, die nun ganz alleine stand. "Ich werde deiner Cousine etwas Gesellschaft leisten." sagte ich, an Timos gewandt, sobald Cleonymus in seiner Rede geendet hatte. "Dann kannst du dich ein wenig mit den Athleten und den anderen Männern unterhalten." .. und wir uns über sie, dachte ich, doch diese letzen Worte sagte ich nicht laut.
    Ich verabschiedete mich mit einem Lächeln und wandte mich Emilía zu.

  • Ànthimos hatte sich seiner Kleider entledigt und stand schon bereit zur ersten Disziplin: Dem Speerwurf. Wazeb hatte sich nicht ganz entkleidet, aber das störte Anthi nicht besonders. Wenn er daran dachte wie dick Marcus Achilleos beim Training angekommen wär, hätte er breit grinsen können. So etwas wie Scham war ihm bei diesem Thema völlig unbekannt, Schließlich war er nicht missgestaltet und zudem völlig enthaart. Seit Jahren trieb er nackt Sport mit anderen Männern, und bei Wettkämpfen waren eben auch Frauen anwesend-so einfach war das eben. Allerdings war bis her die einzige Frau die ihn wirklich interessierte nicht anwesend. Wo war nur Penelope? Hatte sie Angst ihm zuzusehen? Das hatte sie schon oft gesagt und ihn gebeten nicht beim Faustkampf und dem Pankration anzutreten. Ob sie deswegen wirklich nicht kam? Sicher verstand er sie, auch wenn er das bisher immer geleugnet hatte, aber das waren nunmal seine Disziplinen, was sollte er da nur machen? Aber nun war es an der Zeit solche Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen und sich endlich zu konzentrieren.


    Trotzdem suchten seine Blicke die Zuschauerreihen ab. Er sah einige bekannte Gesichter, wie etwa Iunia Axilla, und winkte ihnen zu, während er darauf wartete, dass es endlich losging. Dabei trat er dann neben Wazeb von Aksum.


    "Ich wünsche dir viel Erfolg. Auf das wir unseren Städten und unseren Trainern alle Ehre machen!"

  • Als die Athleten zum Pentathlon antraten, verschlechterte sich Nikolaos Laune. Von seinem Platz aus konnte er die Männer sehr genau betrachten. Die Götter schienen es nicht gut mit ihm zu meinen. Gerade Ánthimos, der Arzt, Demagoge, Ehemann, Athlet und Künstler hätte für letztere Profession auch ein ausgezeichnetes Heraklesmodell abgegeben. Kein Wunder, dass ihm die berühmteste Kitharödin Alexandrias verfallen war. Nur das, was Nikolaos' Lieblingsfeind in der Scham wuchs, war etwas zu groß, als dass es dem hellenischen Schönheitsideal entsprochen hätte. Nun, seine Gattin hatte sicher ihre helle Freude daran... . Keine hundert Talente Silber konnten Nikolaos an diesem Tag darüber hinwegtrösten, dass er klein, mager wie ein halbverhungertes Huhn (obgleich er gut zu speisen pflegte) und in seinen Augen hässlich war. Warum wuchs Ánthimos nicht einmal ein dickes Geschwür am Rücken - das wäre das Mindeste gewesen, um Nikolaos zu trösten. Oder wenn Ánthimos wenigstens dumm wie ein Esel wäre, ein törichter Säufer, einer, der sich von hinten schänden ließe*, ein Prasser, ein Stotterer oder einfach jemand mit einem schlechten Ruf wäre. Nikolaos hatte das Gefühl, die Alexandriner verziehen dem Bantotaken das Emporkommen mehr, als sie es Nikolaos verziehen hatten. Ob es daran lag, dass er für seine Polis auch im Stadion kämpfte und den strahlenden Helden abgab? Ob es an seiner Frau lag-? Nikolaos wurde übel vor Neid. Seine kindlichen Fluchten in den Aberglauben hattten, wie erwartet, keine Wirkung gezeigt. Ein Narr war er, ein armer Narr.


    Als Axilla auf ihn zukam, hellte sich sein Gesicht etwas auf. Am liebsten hätte er ihr in diesem Augenblick alles mitgeteilt, was ihn bedrückte. Aber die Blöße vor seiner Schreiberin wollte er sich nicht geben.


    "Äh, khaire, Iunia Axilla... Äh... bist du schon gespannt auf die Wettkämpfe?", sagte er leise. "Ich hoffe sehr, dass unsere Athleten ihr bestes geben und der Polis Ruhm und Ehre bringen, und dass-"


    Seine Stimme stockte. Beinahe hätte er irgendetwas in Bezug auf die Römer gesagt und auf seine Angst, die römischen Soldaten könnten Randale machen, wären sie nicht erfolgreich bei den Wettkämpfen. Auch die beinahe provokant große und schwerbewaffnete Leibwache des Legionspräfekten ließ ihn fürchten.



    Sim-Off:

    *Bedeutsam, um Objekt des Spottes zu werden, ist "passiver Partner beim gleichgeschlechtlichen Sex" in Verbindung mit "erwachsen (und vielleicht gar verheiratet)". Das Konzept von Hetero - und Homosexualität gab es in der Antike nicht. Das ist schließlich eine Erfindung des 19. Jahrhundert (die vielleicht in der Tradition des "Sodomie-"Konzeptes (d.h. zusammenfassend für alle Spielarten von Sexualität, die gesellschaftlich unerwünscht waren, ohne Differenzierung) der Khristianer steht, welches die wiederum aus den Gesetzen des alten Testaments übernommen haben.


    Übrigens blieb es beim Spott. (Wie im allgemeinen Hellenen und Römer mit gesellschaftlich unerwünschter Sexualität "toleranter" umgegangen sind; die Todesstrafe beim Ehebruch im klassischen Griechenland rührte wohl nicht von einer Sexualmoral her, die die (unerwünschte) sexuelle Handlung an sich verteufelte, sondern allein die Tatsache, dass dem Vater beziehungsweise Ehemann die Tochter beziehungsweise Frau "geraubt" wurde). Tabuisierung von sexuellen Praktiken als solchen entstammen im europäischen bzw. vorderasiatischen Kulturraum meist einem schriftlich fixierten religiösen Recht, das gleichzeitig als ziviles Recht dient. Wenn man also auf Länder mit den Finger zeigt, die ein Scharia-Recht haben, muss man gleichzeitig bedenken, das im "Abendland" soetwas auch lange gang und gebe war (zu Zeiten, als der "orientalische Kulturkreis" das religiöse Recht (das dort ja auch Geltung hatte) wesentlich ziviler und maßvoller auslegte; ein Dichter wie Hafis wäre im "Abendland" zu seiner Zeit sicher mitsamt seiner Werke verbrannt worden).


    So, jetzt habe ich auch genug kluggeschissen ;). Aber ich hielt es für angebracht, das hier zum besseren Verständnis auszuführen. Auch wenn ich vielleicht Dinge hier schreibe, die den meisten ohnehin bekannt sein dürften. Aber gerade der Exkurs mit dem Orient war mir gerade ein Bedürfnis.

  • Von dem Neid und den bösen Gedanken merkte Axilla nichts. Sie hatte zwar schon mitbekommen, dass Ánthimos und er einander nicht grün waren, aber mehr aufgrund der Tatsache, dass beide, wenn das Gespräch auf den jeweils anderen kam, dann plötzlich zögerlicher wurden und mehr blinzelten als sonst. Axilla hatte schon immer eine feine Beobachtungsgabe besessen, nur meistens ignorierte sie die Anzeichen oder deutete sie so, wie sie es haben mochte. Doch in diesem Fall war es zu auffällig, als dass Axilla es auf andauernde Nervosität hätte schieben können, jedoch dachte sie sich heute rein gar nichts dabei.
    Nikolaos schien angespannt zu sein, aber als er sie sah, wirkte er etwas fröhlicher. Das Opfer musste wohl sehr anstrengend gewesen sein, und sie wusste nicht, wie gut er die letzten Tage bei den ganzen Vorbereitungen geschlafen hatte. Allerdings traute sie sich auch nicht, ihn danach zu fragen, das klang ihr doch zu neugierig.
    “Chaire, Nikolaos“ flötete sie also fröhlicher, als sie sich eigentlich fühlte, aber darin hatte sie auch viel Übung. Gerne hätte sie ihm gesagt, dass die Wettkämpfe plötzlich hohl und leer ihr erschienen, da sie ohnehin gerade an Timos und die Frau an seiner Seite denken musste. Aber dann hätte er sich gefragt, warum das so wäre und wäre noch zu den falschen – oder schlimmer, zu den richtigen – Schlüssen gekommen.
    “Ach, so sehr, wie alle trainiert haben in den letzten Wochen, werden sie das bestimmt. Man konnte ja im Gymnasion kaum mehr über den Hof laufen, ohne einem Athleten auszuweichen“, kam es also leichthin aus ihrem Mund und lächelte Nikolaos an. Höchstens ihre Augen konnten vielleicht verraten, dass ihr anderes noch auf der Seele lag.
    “Aber wenn ich ganz ehrlich bin, freue ich mich fast mehr auf die Musik. Ich liebe Gedichte, und wenn sie schön gesungen werden… das wird sicher toll.“ Hierbei war ihr Lächeln nun zum ersten Mal ganz offen und ehrlich, auch wenn man sie gut kennen musste, um den Unterschied zu bemerken. Doch auf die Musik freute sie sich wirklich mehr als auf die Wettläufe und das Ringen. Sie hatte beileibe nichts gegen das Kämpfen, aber ein schöner Anblick war ein Pankration-Kampf nicht unbedingt. Und sie hatte wohl wirklich die letzten Wochen zu viele Übungen gesehen.
    “Und du? Musst du noch viel machen, oder hast du jetzt Zeit, die Spiele zu genießen?“
    Als sein Scriba sollte sie das eigentlich wissen, fiel ihr nachdem sie das gesagt hatte ein, aber jetzt war es schon zu spät.

  • Die Festivitäten sind nicht zu verfehlen. Auf den letzten Stadien des Weges lässt sich Lycidas nur mehr im Strom der Menge treiben. Ein buntes Menschengemisch. Reiche, die ihre Leiber in kostbare Stoffe gehüllt haben. Satte Bürger. Hohläugige Arme. Sie riechen sauer. Widerliche Ausdünstungen gehen von ihnen aus. Lycidas hält den Atem an als er ihnen begegnet. Alle wollen zum Fest. So viele Menschen. Zu viele Menschen. Lycidas wäre verloren ohne den Meroer.


    Sie sind ein seltsames Paar. Hell und geschmeidig die Glieder des Jünglings, gülden sein Haar. An seiner Seite, ihn um zwei Köpfe überragend der massige Schatten, schwarz wie Ebenholz. Lycidas ist in fliessende Elfenbein- und Silberfarben gewandet. An seinem Hals schimmert das Halsband von Gold und Aquamarin. Der Meroer in schlichtem Dunkelblau. Grobe Fäuste. Der Ring um seinen Hals ist aus Eisen. Er lässt sich nicht als Schmuck missdeuten.


    Schweigend begleitet der Schwarze den Jungen, bahnt ihm wenn nötig den Weg. Vom Rande des Platzes aus verfolgen sie die ferne Opferhandlung. Distanziert ist Lycidas. All diese Menschen sind ihm vollkommen fremd. Er nimmt nicht mehr Anteil an ihrem Schicksal als wenn sie alle Seeanemonen wären. Sie sind fremdartig. Er kann sie beobachten aber nicht anfassen. Keine Worte mit ihnen austauschen. Real ist ihm nur das Raunen, welches sich erhebt als das Opfer sein Ende gefunden hat… die Erleichterung der Masse, das Klatschen welches den Platz überrollt. Da verspürt Lycidas eine Gänsehaut auf seinen Unterarmen. Es ergreift ihn und zögerlich klatscht er mit den anderen.


    Die Masse ist wieder in Bewegung geraten. Als würden Ströme von Treibsand ineinanderfließen, wechseln sie ihre Positionen. Lycidas findet sich auf der Straße vor der Palästra wieder. Und sieht sich einer Versuchung ausgesetzt. Eine Schlange. Von Menschen, die sich vor einem Tisch aufgereiht haben. Dahinter sitzt ein Mann von offiziellem Äußeren. Manche der Wartenden tragen Musikinstrumente. Andere Masken. Laut wird verkündet: hier muss man sich anmelden, um seine Kunst mit anderen zu messen.


    Lycidas bleibt stehen. Sieht länger hin. Sieht wieder weg. Sieht auf zu dem Meroer. Dessen Miene wirkt stumpf. Undurchschaubar. Hilft ihm keineswegs bei der schweren Entscheidung. Gedankenvoll berührt Lycidas den Lyrakasten. Er trägt ihn an einem Riemen über der Schulter.
    Der Herr hat es nicht verboten. Schüchtern tut Lycidas einen Schritt auf die Schlange zu. Aber er hat es auch nicht befohlen. Lycidas verharrt erneut. Er kann nicht mehr singen und wird es niemals wieder können. Die Sänger werden über ihn spotten. Aber seine Lyra kann ihm Stimme sein.
    Und die Freien werden sich nicht mit einem Sklaven messen wollen. Lycidas weicht wieder zurück. Entsinnt sich jedoch, dass der Sklave eines Claudiers weit mehr wert ist als ein dahergelaufener Freier. Aber was wenn es den Herrn erzürnt?


    Die freie Entscheidung, die hier zu treffen ist überfordert den jungen Lyder bei weitem.
    Zaghaft legen sich die schlanken Finger an die Wange. Die rechte Wange. Die mit dem Makel. Sachkundig hat Lycidas Kosmetika aufgetragen um das Übel zu vertuschen. Man sieht kaum etwas. Aber Lycidas weiß dass es noch immer da ist. Dass es in der Tiefe brodelt. Talgig hervorbrechen will aus seiner zarten Haut. Hässlich. Dass es nur darauf lauert, ihn zu entstellen. Ihn endgültig seiner Position zu berauben.


    Vielleicht ist dies hier ein Weg, die Gunst des Herrn zurückzugewinnen. Durch ein gutes Abschneiden. Tief holt Lycidas Atem. Und trifft eine seiner allermutigsten Entscheidungen! Mit einer Geste bedeutet er dem Meroer zu warten. Sodann tritt er auf den Tisch des Grammateos zu. Um sich anzumelden.

  • Kaum das er seine Rede beendet hatte und seine Leute die Disziplinen angekündigt hatten, war Cleonymus auch schon auf dem Weg zum Stadion, schließlich war er der oberste der Schiedsrichter und vorallem auch einer der Trainer ...

  • Irgendwie schien ihm auch Axilla nicht ganz unbelastet zu sein von Sorgen. Zwar lächelte sie, doch das Lächeln fand in ihrem Blick keine Fortsetzung. Jedoch war Nikolaos zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich darum näher zu kümmern. Er sprach leise, um die Ansprache seines Kollegens nicht zu stören und damit niemand außer Axilla seine Worte hörte.


    "Ich freue mich in der Tat auch mehr auf den Dichterstreit als auf den der Athleten.", sagte Nikolaos und versuchte, auch zu lächeln. Der Versuch sah ein wenig hilflos aus. "Allerdings sollte das keiner von den Athleten erfahren." Er lachte. Sogar echt war das Lachen in diesem einen Moment. "Ich? Ich werde gleich bei den Wettkämpfen wichtigen Zuschauern Gesellschaft leisten und ein bisschen arschkriechen."


    Eine solche Ausdrucksweise war für den Gymnasiarchos ganz und gar untypisch. Es schien, als sei er es leid, seine Maske aufrecht zu erhalten. Zumindest vor Axillla, die sich schließlich ihrerseits nicht durch Taktgefühl auszeichnete. Oder war er gar ein wenig verbittert?


    "Möchtest du mitkommen?"

  • Hatte er das nun ganz wirklich gesagt? Axilla blinzelte kurz etwas irritiert, mit diesen wenigen Worten hatte Nikolaos sie schon ein wenig aus dem Konzept gebracht. Sonst war er immer so bedacht und drückte sich so gewählt aus. Das grade war ein recht ungewohnter Ausrutscher.
    Nicht, dass Axilla solche Ausdrücke nicht vertragen würde. Gerade, wenn ihr Vater seinen Schwertbruder Castricus Tegula zum Essen eingeladen hatte, vielen häufiger noch viel blumigere Worte. Ihre Mutter schaute dann zwar immer streng, aber Vater meinte dann nach so einem Besuch nur, Soldaten seien eben so.
    Aber Nikolaos war alles andere als ein Soldat. So dauerte es eine kurze Sekunde, ehe sich Axilla wieder ganz gefangen hatte und Nikolaos ein wenig verlegen anlächelte. Sie fühlte sich ein wenig ertappt und wusste nicht einmal genau, wieso. Schließlich hatte sie eigentlich gar nichts angestellt. Zumindest heute nicht.


    “Ja, gerne. Also, wenn du mich gerne dabei haben möchtest.“
    Wichtige Zuschauer treffen, das klang doch nach was! Nungut, das einschleimen würde sie besser Nikolaos überlassen, zum einen konnte sie das sowieso nicht gut, da sie viel zu direkt dafür oftmals war. Und zum anderen war sie eine Iunia, ihr Vorfahr war erster Konsul der Republik gewesen und hatte den letzten Etruskerkönig erschlagen, da schleimte man nicht (wenn es nicht absolut nötig war. Und den anderen berühmten Vorfahr, der ebenfalls Brutus gerufen wurde, ließ man auch besser unerwähnt.)
    Nikolaos hatte es tatsächlich geschafft, sie ein wenig abzulenken und ihre Laune dadurch aufzuhellen. Sie mochte ihren kleinen Chef, wirklich.

  • Zitat

    Original von Jakobus
    Die beiden diskutierten noch einige Zeit, dann schien Simeon überredet zu sein, sich das ganze zumindest einmal anzusehen. Jakobus war zufrieden - er war bereits gespannt, wer alles antreten würde!


    Während sie draußen warteten, dass das Opfer beendet war, erklärte Jakobus seinem Freund die Regeln des Wettkampfes, sowie auch die Disziplinen. Simeon klang nach einigem Erzählen doch ganz interessiert und schließlich hörte man die Rede, die die Spiele eröffnete. Da der erste Wettkampf jedoch der gymnische Pentathlon war, brauchten sie das Gebäude gar nicht zu betreten, sondern schlossen sich dem Strom an, der sich in Richtung des Stadions außerhalb der Stadt schob.


    "Wenn ich das gewusst hätte, hätten wir ja auch direkt da hingehen können!"


    bemerkte Simeon noch, doch Jakobus zuckte einfach mit den Schultern. Wer hatte denn schon ahnen können, dass Simeon sich so gegen ein Opfer sperrte, das jemand anderes abhielt?

  • Wo ist der Meroer? Als Lycidas von der Anmeldung zurückkehrt, kann er die grosse schwarze Gestalt nicht mehr ausmachen. Erschrocken sieht Lycidas sich um. Mit einem Schlag wandelt sich die Szene. Alles gewinnt eine bedrohliche Dimension. Der Obsthändler, der lauthals seine Waren anpreist, kommt auf ihn zu. Aufdringlich. Immer näher. Fast scheint er Lycidas etwas tun zu wollen. Oder möchte er ihm nur Melonen verkaufen? Lycidas flieht vor den grellen Worten, den wirbenden Händen. Festgäste streben dem Stadion zu. Eine breite Schulter stösst den sublimen Jüngling achtlos zur Seite. Lycidas taumelt. Seine Knie sind weich als er rasch weitergeht. Auf der Suche nach seinem Beschützer.


    Schließlich erblickt er ihn. Weit weg. Am Ende der Straße. Lycidas rennt ihm nach. Fasst ihn am Ärmel. Der Meroer bleibt stehen. Dreht sich um. Ärger blitzt in den schwarzen Augen. Menschen umdrängen die beiden. Menschen allenthalben. Ein Meer von Menschen. Gewächse der See. Schimmernde Tentakel wiegen sich im Wellengang. Träumerische Tiefe.
    Verstört zeigt Lycidas in Richtung des Odeions. Der Meroer schüttelt den Kopf. Lycidas versteht nicht. Er lässt sich beiseite nehmen, von den großen schwarzen Händen. In dem Eingang zu einem Hof, im Schatten kühler Ziegelmauern, sagt der Meroer:


    „Ich komme nicht mit.“


    Er spricht Koine. Ein kehliger Akzent. Eine tiefe ruhige Stimme. Sonst hat er selten einen Laut von sich gegeben. Lycidas wusste nicht, das der Schwarze diese Sprache beherrscht. Niemand wusste davon.


    „Ich gehe fort.“


    Die Furcht wächst. Beherrscht Lycidas als er heftig den Kopf schüttelt. Weitet die dämmerblauen Augen zu starrem Schrecken.


    „Das solltest du auch tun.“


    Niemals. Niemals! Lycidas will nicht enden wie Sabef.


    „Gestern hörte ich, wie Claudius mit einem späten Besucher sprach. Einem Iatros.“


    Was ist dabei? Seit der Krankheit des Herrn wimmelt die Villa von Ärzten. Auch gestern war einer bei ihm. Lycidas hörte davon. Hat ihn aber nicht gesehen. Seit der Entdeckung des Makels hat der Herr Lycidas nicht mehr zu rufen lassen.


    „Kalte Augen. Dieser Mann hat den Bösen Blick. Sie besprachen, wem von uns er die Stimme nehmen soll. Ich stand dabei. Brachte Wein. Sie sprachen offen. Ahnten nicht, dass ich verstand. Bis auf den Verwalter und zwei andere wollen sie alle neuen Sklaven verstummen lassen. Wie Saiten. Im…“


    Der Meroer fasst sich an den Hals. Oberhalb des eisernen Rings. An den Kehlkopf fasst er. Lycidas ist blass geworden. Er kennt diesen Iatros.


    “Hier. Wie Saiten, die schwingen, sagte der Iatros. Wie bei deiner Lyra. Er wird sie zerschneiden. Ist es das, was sie auch mit dir gemacht haben?“


    Ein abgehacktes Senken des Kopfes. Ja, das ist es was sie mit Lycidas gemacht haben. Der Iatros und der Herr, der ihm den Auftrag gab. Lycidas hasst diese beiden von ganzem Herzen. Ein reines Gefühl. Klar und schneidend. Zudem hat er ein wenig Mitleid mit dem Meroer. Und mit den beiden schönen Ägypterfrauen. Doch Lycidas weiß dass er nichts ändern kann. Sie werden es überstehen. Der Iatros versteht sein Handwerk. Er kam früher regelmässig auf die Insel. Nur sehr wenige starben bei oder in Folge der verstümmelnden Prozedur.
    Der Meroer scheint zur Flucht entschlossen. Das ist Wahnsinn. Er wird sterben wie Sabef. Und der Herr wird wütend auf Lycidas sein, der die Flucht nicht vereiteln konnte. Aus den Augenwinkeln späht Lycidas nach Hilfe. Nach Stadtwächtern, die den Meroer festhalten können.


    „Sie sprachen auch von dir, Lycidas. Der Iatros soll verhindern, dass Deine Schönheit vergeht. Indem er verhindert, dass du zum Mann reifst. Mit dem Messer. Ein Eunuch soll aus dir werden.“


    Kein Arg ist in der Stimme des Meroers. Kein Trug. Lycidas wird von einem Schwindel erfasst. Ringt nach Atem. Ihm wird schwarz vor Augen. Er findet sich auf den staubigen Boden niedergesunken.
    Der Meroer hockt vor ihm. Er hat ihm die Geldbörse abgenommen und teilt die Münzen in zwei gleichgroße Anteile. Zwei kleine Türme.


    „Für dich. Und für mich. Nutze die Gelegenheit, Lycidas, und tue es mir gleich.“


    Verzweifelt fasst Lycidas die Hand des Meroers. Klammert sich fest. Zeigt auf sich, auf den Meroer, dann gen Süden. Nimm mich mit! Der Schwarze schüttelt den Kopf.


    „Nein. Alleine komme ich schneller vorwärts.“


    Fassungslos sieht Lycidas einen der Münztürme in dem Gewand des Meroers verschwinden. Der Schwarze legt sich den Überwurf um die Schultern, dergestalt dass er den Sklavenring verdeckt. Erhebt sich.


    Sein „Viel Glück.“ scheint noch in der Luft zu schweben, als Lycidas langsam wieder auf die Füße kommt. Der Meroer ist fort. Im wogenden Gedränge spurlos verschwunden.

  • Was nun? Lycidas klopft sich den Staub der Straße ab. Gründlich. Bindet die Börse wieder an seinem Gürtel fest. Vergewissert sich, dass er das Steintäfelchen, welches er zuvor erhalten hat, noch bei sich trägt. Bringt die kleinen Dinge in Ordnung. Wie gut, dass seine Lyra gepolstert in ihrem Kasten liegt. Ihr ist nichts passiert.
    Was tun? Er ist allein inmitten unzähliger Menschen. Und was er niemals in Betracht zu ziehen wagte, scheint mit einem Mal unvermeidbar. Flucht. Nein. Fliehen ist Irrsinn. Lycidas Kopf ist wie leergefegt. Er weiß nur noch eines, doch das sehr genau: Nie wieder wird er sich jenem Iatros ausliefern. Dessen Messer an sich herum schneiden lassen. Nimmermehr.


    Doch Fliehen?


    Wahnwitz. Ausgeschlossen. Die Welt ist zu gefährlich. Der Herr zu grausam. Lycidas zu ängstlich.


    Und wenn der Meroer gelogen hat?!


    Doch warum sollte er?


    Und wenn er sich verhört hat?


    Doch was er erzählte, klingt ganz typisch für den Herrn.


    Und wenn es Lycidas gelänge, den Claudier umzustimmen?


    Doch wie?


    Und wenn Lycidas einen Fürsprecher fände? Besser: eine Fürsprecherin. Noch viel besser: eine schöne Fürsprecherin.


    Doch wo? Die Parzen haben ihm ein böses Schicksal gesponnen. Lycidas ist ratlos. Weiß nicht weiter. Will dies alles nicht wahrhaben. Er legt die Arme um den Lyrakasten. Trostsuchend. Und schlägt, in Ermangelung eines Auswegs, einen bekannten Weg ein. Den zum Odeion. Bald wird der musische Wettstreit beginnen.

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