Hortus | Arbor felix, der „heilige“ Baum

  • Ein Winter war ins Land gegangen und der Baum hatte geschlafen.
    Dann war der Frühling gekommen, dass Leben kehrte zurück und der Baum hatte neu getrieben.
    Junge, frische, grüne Blätter hatten sich entfaltet und empfingen das Licht der langsam wieder stärker werdenden Sonne.
    Jetzt war Frühsommer und der kleine, aber alte Baum hatte wie in jedem Jahr sein dichtes Blätterdach entfaltet, das seinen Stamm beschattete.


    Doch eine Lücke war geblieben, dort, wo vor nunmehr einem halben Jahr der furchtbare Blitz eingeschlagen war und einen Ast herausgeschlagen hatte. War es göttlicher Zorn gewesen? Summanus' Zorn? Oder war es ein Zeichen des Wohlwollens, von einem über- oder wohl doch besser gesagt unterirdischen Wesen, dass seine Liebe nur roh und gewalttätig, glühend heiß oder bitterkalt zeigte?
    An der Wunde, die das gleißende Himmelsschwert dem Baum damals geschlagen hatte, machte sich im Frühjahr ein schwarzer Specht zu schaffen. Er hackte mit seinem spitzen Schnabel in das verbrannte, geschwärzte Holz und hieb eine Höhle hinein. Doch er blieb nicht. Eines Tages war er fort und kehrte nicht mehr zurück.
    Doch dann, eines Nachts im Iunius, war der Ruf eines Käuzchens zu hören. Es hatte sich in der Höhle sein Nest gebaut. Von nun an saß es in den Zweigen des alten Baumes, sobald die Sonne untergegangen war und sich Dunkelheit über die Tiberstadt legte. Es hatte von dem Baum Besitz ergriffen. Ein Vogel der Nacht, von dem manche sagten, er sei eine Kreatur des schwarzen Gottes.

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