[Brautzug] Prudentisch - Duccische - Eheschliessung, Der Komödie zweiter Teil - deductio

  • Die Nacht war hereingebrochen und mit ihr die Erkenntnis, dass der Hochzeitstag bald sein Ende finden würde. Doch vorher gab es da natürlich noch ein Bisschen römisches Brauchtum, dass erfüllt werden wollte.


    So trat die Hochzeitsgesellschaft im letzten Licht des Tages und im ersten Licht der unzähligen Fackeln, vor die Tür der Casa Prudentia. In Ermangelung einer lebenden Brautmutter, musste auch diesmal wieder Vespa einen Teil der Aufgaben übernehmen. So bezogen Balbus und seine Frau, gemeinsam mit Thalna und Callista, direkt vor der Tür Aufstellung, während sich die Gäste drumherum verteilten.
    Die deductio, also der Brautraub, der nun folgen würde, war zwar nur ein symbolischer, aber dennoch fühlte es sich für die meisten Eltern, die in diesem Moment ihre kleinen Töchter verloren, doch sehr echt an. Und so hatte auch Balbus ein unschönes Gefühl, als er beobachtete, wie sich Callista darauf vorbereitete von ihrem Gatten aus Vespas Armen geraubt zu werden.

  • Das ausgiebige Festessen war geschafft und Callista wurde von Freude und Wehmut gleichzeitig gepackt. Sie wußte sehr wohl, was jetzt geschah und so begab sie sich mit ihrer kleinen Familie vors Haus. Die meisten Gästen folgten in einigem Abstand und irgendwo hinter ihr war auch Marsus, Witjon, mit seiner Familie. Der sie gleich rauben würde. Sie lächelte etwas und schaute zu, wie eingie Sklaven die aus Weißdornholz gefertigten Fackeln entzündeten und an die Gäste verteilten. Dieses Holz galt als glücksbringend und schützte gegen böse Zauber, weswegen man es vor dem Ehepaar trug. Wenn die Sklaven klug waren, gaben sie einige davon den Ducciern, denn die kannten den Weg und würden sicherlich gerne vorlaufen. Callista bemerkte auch schon die drei Knaben, die sich in ihrer Nähe herumdrückten, ohne wirklich auffallen zu wollen. Auch sie würden das Ehepaar begleiten und drückten mit ihrer Jugend die Vitalität aus, die man auch der Braut wünschte. Sie waren gut erzogen, sich nicht in den Vordergrund zu drängeln. Die rothaarige Prudentia drehte sich um und blickte kurz zu Witjon, den sie zwischen all den Feiernden erst auf den zweiten Blick ausmachen konnte. Sie lächelte ihm kurz zu und wandte sich dann an ihre Familie. Da war ihr Onkel Balbus, den sie eigentlich vom ersten Moment ins Herz geschlossen hatte, der für sie ein liebevoller Vater gewesen war in den Monaten in Rom und dem sie viel zu verdanken hatte. Und da war Vespa, seine Frau, Nichte des Kaisers und - viel wichtiger - ihre Brautmutter. Auch ihr brachte Callista den größten Dank entgegen, hatte sie doch auf ihrer Hochzeit schon soviel geholfen, auch am Vorabend und ihre GEspräche hatten der jungen Braut viel Hilfestellung gegeben. Und nicht zuletzt ihre Großtante Thalna, die Cousine von Balbus, aber in ihrem Alter. Sie waren Freundinnen geworden, seit diese in Rom ankam und die wenigen Wochen ohne sie waren recht trostlos für Callista gewesen, allerdings hatte sie genug Ablenkung gehabt. Noch wußte Calli nicht, dass Thalna hier in Mogontiacum bleiben und ebenfalls Priesterin werden würde, diese Überraschung konnte noch warten.


    Sie umarmte alle drei nacheinander, lang und liebevoll und flüsterte ihnen allen jeweils ein "Danke" ins Ohr. Sie war sehr glücklich eine solche Familie gefunden zu haben und dankte den Göttern für die aufopfernde Unterstützung die die drei ihr entgegenbrachten. Dann löste sie sich von ihnen, blieb aber dicht bei ihnen. Schließlich sollte Witjon sie rauben und sie nicht mit ihm gehen. Sollte er also ruhig den größten Teil des Weges zurücklegen, dachte sie und wartete. Je länger sie wartete und ihn ansah, desto nervöser wurde sie. Der Fackelschein zauberte warme Farbspiele auf ihr Gesicht und ließ ihre Augen funkeln, in denen sich unbemerkt kleine Tränen gesammelt hatten.

  • Entgegen ihrer eigentlichen Art hatte sich Thalna sehr zurück gehalten, denn noch immer fühlte sie sich recht matt und erschöpft von dem leichten Fieber, dass sie heimgesucht hatte. Wahrscheinlich war ihr das viele Reisen nicht bekommen und auch das Kratzen im Hals wollte nicht recht nachlassen. Sie aß recht wenig und hatte viel geschlafen und sich auch sonst zurück gezogen, doch die Hochzeit wollte sie nicht verpassen, auch wenn sie die neuerliche Reise sehr angestrengt hatte.
    Nun standen sie vor der Tür und ein mulmiges Gefühl wollte sie beschleichen. Die ganze Zeit über hatte sie schon daran gedacht, dass auch sie eines Tages heiraten musste, doch im Grunde war sie froh, dass es noch nicht so weit war. Ihren Blick hielt sie auf Callista geheftet und sie war sich sicher, dass sich mit dieser Heirat wieder einmal etwas in ihrem eigenen Leben verändern musste. Trotz allem lächelte sie und umarmte Callista, die sich bei ihnen bedankte. Sonderbar war es, wieder eine Familie gefunden zu haben und irgendwie erschein es ihr, als würde sich diese alsbald auch schon wieder auflösen, auch wenn es sicher Unsinn war. Wissen konnte man es aber dennoch nie und so entschloss sie sich, einfach den Moment zu genießen. Gleich würde man die Braut rauben und vielleicht kamen daher ihre seltsamen Gedanken zu denen der Fackelschein noch beitrug. Alles wirkte ein wenig unwirklich und verstohlen schaute Thalna nun zwischen Balbus und Vespa hin und her. Es war ergreifend. Noch ein Grund? Es lag ihr einfach nicht, rührselig zu sein und es passte ihr nicht, dass ein solches Gefühl nun aufkam. Vielleicht lag es an den Nachwehen der fürchterlichen Erkältung. Ja, ganz sicher tat es das. Leise und verhalten räsuperte sie sich und versuchte das alles einfach zu verbannen, während sie beobachtete, was weiter geschah.

  • Die Feierlichkeiten im Hause der Prudentier hatten ein ende gefunden und nun stand der Brautraub an. In diesem Moment fühlte sie die Aelierin fast wirklich wie eine Mutter. Ihre Nichte war ihr in der kurzen Zeit doch sehr ans Herz gewachsen. Nun stand sie hier und nahm die Dankesworte ihrer Nichte an, nickte nur kurz und machte sich bereit Callista fort zugeben. Ihr neuer Neffe würde Callista ihr fast aus den Händen reißen müssen. Darauf sollte man gefasst sein.


    Die Stimmung war gut auch wenn die Feiernden hauptsächlich aus den beiden Familien und einigen wenigen Gästen bestanden. Gemäß den Ritualen wurden die Fackeln entzündet und alles andere war bereit. Es fehlte nun nur noch der Einsatz des Ehemannes.

  • Brautraub. Alleine schon bei dem Wort lief es Lando kalt den Rücken runter. Die Römer schienen es wirklich für eine schöne Tradition zu halten, die wohl irgendwas mit der Geschichte der Stadt zu tun hatte, aber Lando sah es vor allem aus dem germanischen Blickwinkel, und der besagte: Brautraub war ein Verbrechen.


    Brautraub bedeutete nichts anderes, als eine Frau gegen ihren Willen von ihrer Sippe zu entfernen, und ihr die Würde als Jungfrau zu nehmen. In den germanischen Stämmen wurde Brautraub normalerweise mit Eheverbot bestraft, bei einigen sogar mit Friedlosigkeit für den Räuber, was selten glimpflich ausging. Und jetzt musste Witjon hier offiziell Callista rauben? Lando war alles andere als Wohl bei der Sache, klammerte sich dementsprechend an seinen Becher mit Bier, und versuchte nicht allzu besorgt dreinzuschauen.


    "Das ich sowas noch erleben darf...", grummelte er schließlich zu den seinen, "...ein legitimer und vor allem notwendiger Brautraub. Evax muss sich im Grab umdrehen."

  • Witjon räusperte sich unmerklich, er hatte Landos Worte durchaus mitbekommen. Er strafte den Nörgler - dessen Nörgeln aus germanischem Blickwinkel trotz alledem gerechtfertigt war - mit einem verzogenen Mundwinkel und gerunzelter Stirn. Dann trat er unsicher, aber nach außen hin selbstsicher auftretend, aus dem Schutz seiner Sippe hervor und zu Callista heran. Er bedachte sowohl Balbus, als auch Vespa mit einem knappen Nicken und einem Lächeln, das erst bei genauem Hinsehen erkennbar war; dann packte er so sanft wie in dieser Situation zulässig seine Braut bei den Armen und zog sie mit sich. In diesen wenigen Sekunden schlug ihm das Herz zum Hals, denn er wusste was seine Sippe von diesem Brautraub halten würde, wenn sie dieses Ritual denn überhaupt verstünden.

  • Ragin war gelinde gesagt verstört, als sich Witjon auf einmal Callista schnappte und abhaute. Was machte er nur, war er verrückt geworden? Hätte er nicht noch ein wenig warten können? Nur noch ein paar Stunden und er hätte sie haben können ohne eine Fehde zu riskieren. Aber nun schien er den Druck wohl nicht mehr aushalten zu können. Sicher würden die beiden in den nächsten Stall stürmen und es dort wie die Karnickel treiben. Das war ja furchtbar! Witjon schmiss seine ganze Karriere und die Freundschaft zu den Prudentiern weg, nur weil er seine Hose nicht im Griff hatte! Hätte Ragin das gewusst, hätte er auch in Alexandria einer hübschen jungen Dame beiwohnen können!


    "Aber, aber Witjoooon. Warte doch! Komm zurück! Sie wird sicher nicht schlecht bis nachher! Das gibt sicher Mordsärger!"


    Vor lauter Aufregung war er in die Sprache seiner Heimat verfallen, wobei es in diesem Fall wohl nur gut war, dass die Römer ihn so nicht verstehen konnten. Aber obwohl er dazu kam etwas zu rufen, stand er wie angewurzelt da-jetzt würde er sicher nicht mehr zum Tanzen kommen...

  • Er hatte darüber gelesen, er hatte davon gehört. Er war unter Römern aufgewachsen und hatte es trotzdem nie so richtig verstanden. Seinen Bruder nun dabei zu sehen, stürzte Arbjon in ziemliche Verwirrung. Was bei Hel hatte der Bengel vor?
    Ruckartig wechselte sein Blick zwischen dem sich entfernenden Brautpaar und Balbus, der das alles völlig gelassen und mit einem Lächeln bedachte...


    Und nur ganz ganz langsam sickerte in sein Bewusstsein, dass dieses seltsame Ritual bei den Römern einfach dazu gehörte...


    Seinen Schwestern schien es da ähnlich zu gehen, nur seine Mutter schien ein wesentlich ärgeres Verständnisproblem zu haben, denn sie heulte laut los und stammelte immer wieder halbe Sätze wie "Was macht der Junge bloß?"...

  • Irgendwie herrschte Aufbruchstimmung, als der Abend hereinbrach, und vor allem die Römer schienen auf etwas zu warten. Dann fing Lando an, etwas sehr merkwürdiges zu sagen. Brautraub? Elfleda schaute sich bei dem Wort fast reflexartig skeptisch um. Wer könnte Callista denn auf ihrer eigenen Hochzeit rauben wollen, noch dazu, wo beide Sippen anwesend waren? Der Mann musste schon selten dämlich sein, wenn er dachte, hier dann lebend herauszukommen. Nur was Lando mit legitim in diesem Zusammenhang meinte, erschloss sich ihr ganz und gar nicht.
    Und plötzlich ging Witjon selber los und zog an Callista, die bei ihrer Familie stand und scheinbar auch nicht mitwollte. Elfleda war im ersten Moment so perplex, dass sie gar nicht wusste, was sie sagen sollte. Am liebsten würde sie ihren neuen Vetter anschreien! Was machte der Kerl denn da bloß? Selbst seine Mutter schien etwas aus der Fassung und sprach laut aus, was Elfi sich nur dachte.
    Aber das Erschreckendste an der ganzen Sache waren die Römer, die das ganze auch noch amüsant zu finden schienen. Sie sah unter den Gästen einige freudige Gesichter. Hatten die denn alle den Verstand verloren? Was freute sie so an der Tatsache, dass Witjon sich vollkommen ehrlos verhielt und seine eigene Braut – allein das schon ein Zeichen des Wahnsinns – entführen wollte, noch dazu auf der eigenen Hochzeit! Die paar Stunden, bis man ihn und seine Frau gebettet hätte, hätte er doch noch warten können?
    “Will ihn denn keiner von euch aufhalten?“ fragte sie etwas verständnislos die umstehenden Männer ihrer Sippe. Die konnten doch nicht zulassen, dass der junge Mann seine Ehre so sehr mit Füßen trat, dass er sich zu so etwas herabließ.

  • Vala war ausgelassener Stimmung, schließlich hatte er mit den anderen schon mehrere Humpen Bier vernichtet, und als er sich den anderen anschloss, um die Casa der Prudentii zu verlassen, dachte er sich nichts arges dabei. Sie nahmen vor der Casa Aufstellung, und auch er hörte Lando irgendwas von Brautraub faseln... Vala stockte. Brautraub? Hier und jetzt?
    Er spannte sich schon fast reflexhaft an, wollte er dem Räuber doch bei der ersten falschen Bewegung die Nase per Faust in den Schädel rammen, doch irgendwie tat sich niemand fremdes auf, der sich verdächtig verhielt.


    "Wo? WO??? WOOOO????", fragte er schließlich die anderen, vielleicht hatten die den unsichtbaren Feind ja schon ausgemacht. Die Braut schien sich auch schon Zuflucht suchend in die Arme der Kaisernichts begeben zu haben, und auch Witjon schien sich schützend zu ihr gesellen zu wollen. Oder auch nicht.
    Es dauerte einige Momente, bis Vala kapierte, um was es hier ging.


    "Sind die bescheuert?", entfuhr es ihm, als er begriff, dass dies ein Teil der Abendzeremonien war. Niemand hatte ihm erklärt, wie die Hochzeit ablaufen würde, und er war sich sicher: hätte ihm jemand versucht zu erklären, dass ein Brautraub legitimer und wichtiger Teil der Hochzeit gewesen wäre, hätte er protestiert. Wie einige andere aus seiner Sippe, wie es schien. Letztendlich blieb ihnen nichts anderes übrig, als mit finsterer Miene das Schauspiel zu beobachten, und ihren Ärger runterzuschlucken. Man würde später Lando dafür verantwortlich machen, dies zugelassen zu haben, dessen war Vala sich sicher. Dies würde ein Nachspiel haben!

  • Da war er! Witjon stand plötzlich vor ihr und sie sah wie er ihrem Onkel und dessen Frau zunickte, die den Part der Brautmutter übernommen hatte und sie schützend festhielt. Ob Vespa sie tatsächlich nicht hergeben wollte? Oder es als symbolischen Akt noch etwas herauszögerte? Damit Witjon sie tatsächlich raubte und sie ihm nicht einfach so folgte? Sie lächelte ihm zu, etwas zaghaft zwar, aber durchaus bestätigend. Er griff nach ihren Armen und sie, obwohl sie das gerne gewollt hätte, reichte sie ihm nicht entgegen. Es ging schließlich um einen Raub! Doch er zog sanft an ihr und Vespa ließ los, so dass Callista mit ihm ging. Erst nur einige Schritte, dann aber machte sich der komplette Zug auf den Weg. Zur Verwirrung von bösen Geistern würde man nun nicht direkt zur Casa gehen, sondern den ein oder anderen kleinen Umweg. Wie aus dem ncihts tauchten drei jugendliche Flötenspieler auf, die sich immer in der Nähe des Bräutigams hielten und die den Gesang der Festgesellschaft noch unterstrichen. Insgesamt sagen die Leute laut und riefen unterschiedliche Spottverse und natürlich ertönte immer und immer wieder der Ruf "Talassio".


    Callista brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen, dass man Rocken und Spindel hinter ihr hertrug, denn sie waren das Zeichen ihrer hausfräulichen Tätigkeit. Dennoch wandte sich ihr Blick von vorna - wo man Nüsse auf ihren Weg warf, die Fruchtbarkeit bringen sollten - nach hinten und sah die Verwirrung in den Blicken der Duccier. Hatte sie was falsches getan? Gesagt hatte sie schon länger nichts mehr, daran konnte es nicht liegen? Hatte sie sich zu sehr gesträubt? Oder hatte sie sich zuwenig gesträubt? Unsicher blickte sie zu Witjon, der irgendwie auch nicht mehr ganz so fröhlich aussah. Was war denn los? Sie machte gerade ihren Mund auf und wollte ihn fragen, schloß ihn aber. Durften sie reden? Hier auf dem Brautzug? Die junge Bruat beschloss, dass es in den allgemeinen Rufen und Singen nicht weiter auffallen würden und hielt sich noch etwas näher an Witjon.


    "Ist ... mhhh ... alles in Ordnung? Bist du ... also ... glücklich?" Sie schaute zaghaft an ihm hoch und biss sich vor lauter Unsicherheit auf die Unterlippe, es kam ihr dumm vor so direkt nachzufragen, als wenn er es sagen würde, wenn es nicht so wäre. Er hatte bisher immer den Eindruck gemacht, sie gerne heiraten zu wollen. Es machte Callista traurig, sollte sie sich darin getäuscht haben. Aber auch er war von seinem pater familias zu dieser Ehe vorgesehen worden, vielleicht nicht gezwungen, aber eine Wahl hatte er auch nicht gehabt. Vielleicht bereute er es jetzt? Callista versuchte in seinem Gesicht zu lesen und hoffte inständig, sie würde sich nur wieder mal zu viele Gedanken machen.

  • Erleichtert führte Witjon seine Braut durch die Gassen der Stadt. Die (römischen) Gäste sangen und scherzten, die Flötisten ergänzten heitere Klänge und Witjon sollte vor Freude Luftsprünge anstellen. Tat er aber nicht. Er hatte die entsetzten und verwirrten Mienen seiner Familie gesehen und war mit einem Mal besorgt. Offensichtlich hießen sie den Brautraub nicht im Geringsten für gut. Hatte er ihnen dieses Ritual denn nicht erklärt? Sie sahen diesen Akt der Aufnahme der Braut in die Sippe des Bräutigams doch nicht etwa als das Verbrechen an, das es im Sinne der alten Traditionen war? Seine Sorgen schienen sich auf Witjons Gesicht widerzuspiegeln, denn Callista fragte vorsichtig nach seinem Befinden. Er lächelte sanft und nickte. "Ich war nie glücklicher. Nur scheint meine Familie den...Brautraub nicht so...passend zu finden." Er lächelte einem Jungen zu, der neugierig zwischen zwei Fensterläden hervorlugte. "Aber mach dir darum mal keine Sorgen..." Er gab Callista einen Kuss und zwinkerte ihr zu.

  • "Den Brautraub nicht passend?" echote sie Witjons Worte und sah ihn einen Moment lang verwirrt an. Was konnten sie daran auszusetzen haben? Immerhin musste Witjon sie ja aus den Armen seiner Familie reißen, damit sie in seine Familie eintreten konnte. Callista selbst fiel nicht ein, dass hier das manchmal unscheinbare aber sich immer wieder bemerkbare Kulturenmischmasch griff. Der Gedanke, dass der Brautraub aus germanischer Sicht etwas schlimmes, sogar strafbares, sein konnte, kam ihr nicht - woher auch, sie kannte die germanischen Sitten ja nicht. Ihr Blick glitt zurück zu den Ducciern, die ihnen folgten. "Deine Mutter weint." sagte sie traurig und griff nach Witjons Hand. Sie war sich sicher, irgendetwas falsch gemacht zu haben.

  • Ein wenig hinter dem Brautpaar gingen die Mutter und Schwestern des Bräutigams. Albit hatte Ildrun in den Arm genommen, denn die Germanin weinte noch immer.


    [Blockierte Grafik: http://img.photobucket.com/albums/v477/skreet/Ildrun.jpg]|Ildrun
    Es war so eine schöne Feier und dann macht der Junge so etwas Dummes. Wie konnte er nur? Habe ich denn so sehr versagt? War ich eine so schlechte Mutter? Habe ich ihm denn nicht beigebracht, was Recht und was Unrecht ist?


    [Blockierte Grafik: http://img.photobucket.com/albums/v477/skreet/Albit.jpg]|Albit
    Aber Mutter, das ist doch nur eines dieser verrückten römischen Rituale. Nach ihrem Brauch musste er doch Callista ihrer Familie wegnehmen. Es ist doch alles in Ordnung, Mutter.


    Doch die tröstenden Worte zeigten nur wenig Erfolg...

  • Die Sache lag schwer wie Stein in Landos Magengrube. Er schritt mit bleischweren Beinen hinter der Hochzeitsgesellschaft her, hörte die seinen hinter sich zischeln, und wusste, dass er hier einen mittelschweren Skandal abgesegnet hatte. Das würde ihm kein zweites Mal passieren.


    "Das nächste Mal, wenn wir uns römisch verheiraten, wird dieser verdammte Brautraub das erste sein, das von der Liste gestrichen wird.", murrte Lando zu seiner Frau. Er hatte den Aufruhr, den dieser seltsame wie unverständliche Brauch auslösen würde, schlichtweg unterschätzt. Ein Blick zurück, und ihn trafen verwirrte, verängstigte und sogar wütende Blicke.
    Lando schluckte schwer, und schwieg... was sollte er schon großartig sagen? Es war Zeit die Augen zuzukneifen, und durch das Ärgernis durchzustolpern...

  • Nachdem Elfleda verstanden hatte, dass deshalb niemand einschritt, weil es zum Brauchtum unter den Römern gehörte, hatte sie sich beruhigt und dem Brautzug angeschlossen. Allerdings konnte sie in das freudige Rufen der römischen Gäste nicht einfallen. Es war falsch! Egal, was die Römer auch sagen mochten, es war schlicht und ergreifend falsch! Eine Frau zu rauben war ein Verbrechen, punkt, aus, basta. Daran gab es nichts zu rütteln, auch wenn es unter den Römern wohl ein spaßiger Brauch war. So oft wurden Frauen im Reich wirklich gegen ihren Willen verschleppt – zwar dann nicht unbedingt, um ihren Entführer wirklich zu heiraten, sondern meist, um weiterverkauft zu werden – da sollte man keine Scherze darüber machen.
    Elfleda sah, dass es ihrem Mann auch nicht wirklich passte, was hier geschah, aber besser konnte sie nicht in ihm lesen. Sie hörte seine knappen Worte und nickte dazu. Ja, dieser Brauch musste wirklich nicht bei ihnen Einzug halten. Eine Ehe sollte nicht mit einem Verbrechen beginnen.
    Das einzige, was Elfleda zu der ganzen Sache einfiel, war ein Satz, der durch einen übergewichtigen Kelten der Menschheit noch lange in Erinnerung bleiben sollte. Ganz leise – denn immerhin wusste sie nicht, wer sie verstand und wer nicht – raunte sie ihrem Mann zu: “Die spinnen, die Römer!“

  • Callistas Miene sorgte nicht gerade für Entspannung in Witjons Gemütslage. "Den Brautraub nicht passend?" und "Deine Mutter weint." Das sagte seine Braut, während sie dahinmarschierten und Witjon drehte sich um und warf flüchtige Blicke über seine Schulter. "Verflucht..." grummelte er und spürte den Händedruck seiner Braut. Er sah sie an und verstand. Beruhigend legte er seinen Arm um ihre Hüfte und zog sie an sich, auch während sie gingen. "Denk dir nichts dabei. Du hast nicht falsch gemacht. Sie sind Germanen und verstehen den Brauch des Brautraubes nicht. Bei uns gilt der Raub einer Frau eben als Verbrechen." Witjon seufzte schwer und atmete tief durch. "Es ist meine Schuld. Ich hätte es ihnen besser erklären sollen..." Es war ja nicht so, dass Witjon nicht mitbekam was da in den hinteren Reihen gemurmelt wurde, was sein Gewissen nicht sonderlich beruhigte. Was für eine peinliche Vorstellung...

  • "Oh" sagte Callista zunächst und dann ein lauteres "OH!" als sie begriff, was er ihr sagte. Der Brautraub war eine Straftat bei den Germanen? Ein Verbrechen, so hatte es Witjon genannt, der sie nun tröstend umarmte. Kein Wunder, dass seine Familie so negativ reagierte, einige weinten, andere sahen böse aus und allen stand die Ablehnung ins Gesicht geschrieben - nur zeigten sie es nicht alle gleich stark. Callista nickte verstehend und legte von sich aus ihren Arm um Witjon, so wie er es bei ihr tat. Vielleicht würde das ja die Familie beruhigen? Wenn sie sah, dass es Callista nichts ausmachte und sie nicht wirklich geraubt wurde, sondern es einfach dazugehörte. Sahen sie denn nicht wie ruhig und besonnen Balbus war? Wäre das hier ein richtiger Raub gewesen hätte ihr Onkel sicherlich anders reagiert.


    "Es tut mir auch leid. Ich hatte nicht daran gedacht, dass man manches falsch auffassen könnte. Aber wir können es ihnen ja morgen oder übermorgen noch einmal in Ruhe erklären, oder? Vielleicht verfliegt dann die Aufregung etwas." Callista lächelte zuversichtlich und versuchte auch Witjon damit etwas aufzuheitern. Sie hielten sich immer noch eng umschlungen und die junge Braut sah einen Moment lang weg, ehe sie den Mut aufgebracht hatte wieder das Wort zu ergreifen. Allerdings waren ihre nächsten Worte ganz leise und nur für die Ohren ihres Ehemannes bestimmt. "Ich freu mich jedenfalls, dass du mich geraubt hast." Im Fackelschein mochte es vielleicht nicht so auffallen, aber ein wenig rot lief sie schon an. Schließlich war es für die Römerin noch nie leicht gewesen solche Dinge zu sagen oder überhaupt mal was zu sagen und sie wußte auch nicht, ob Witjon sich darüber freuen oder es als weibische Gefühlsduselei antun würde.

  • Balbus hatte die deductio schweigend beobachtet und natürlich auch die Reaktionen der Germanen bemerkt. Ein wenig missbilligend, wie er zugeben musste, denn bei aller Freundschaft und allem Respekt für die Duccier, war er der Meinung, dass sie durchaus eine gewisse Toleranz an den Tag legen sollten. Er hatte sich schliesslich auch dazu bereit erklärt der römischen Hochzeit germanische Elemente hinzuzufügen, auch wenn ihn speziell die Anrufung germanischer Götter im Haus seines Vaters nicht allzusehr behagte, noch davor mitten im Atrium und somit direkt vor dem Hausaltar. So ignorierte er das verhaltene Murren und auch das jammervolle Weinen der Germanen bezüglich dieses wichtigen und integralen Bestandteils der römischen Heiratstraditionen und erfreute sich stattdessen daran, dass er hier mit seiner geliebten Frau zusammen der deductio und dem Brautzug beiwohnen konnte.
    So war er auch recht ausgelassen, als der Brautzug sich durch die Strassen Mogontiacums bewegte und verdrängte sehr erfolgreich alle Gedanken an das, was an diesem Tag noch kommen würde und was er noch würde miterleben müssen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!