Ein Auftrag in Rom

  • Nachdem Bashir das Castellum und schließlich auch Mantua hinter sich gelassen hatte, atmete er tief durch. Das hier war fast so etwas wie Freiheit. Zumindest konnte er sich kaum vorstellen, daß irgendwer sich freier fühlen konnte, als er in diesem Moment. Das Wetter war trocken, sonnig und nicht zu heiß. Die Straße war auch nicht zu voll. Bashir ritt ohnehin meist eher neben der Straße, wo er Hektor in einen leichten Trab fallen ließ. So kam er schnell vorwärts, ohne das Pferd zu sehr zu ermüden.


    Seine Reise verlief ohne besondere Ereignisse. Er nächtigte in Gasthöfen, wo er sich für gewöhnlich einen Schlafplatz im Stall zuweisen ließ. Das war günstiger und da er nicht wußte, was er noch an Geld brauchte, wollte er mit seinen Mitteln lieber sparsam umgehen. Außerdem hatte er die Hoffnung, daß sein Herr ihm den Rest schenken würde, wenn er etwas mit zurück brachte.


    Mantua war allerdings weiter von Rom entfernt, als Bashir sich das vorgestellt hatte. Und so dauerte auch die Reise länger, als er vorher gedacht hatte. Aber hatte sein Herr nicht gesagt, daß er sich Zeit nehmen sollte? Dort lag nun die größte Stadt der bekannten Welt: Rom. Das letzte mal, als er diese Stadt gesehen hatte, war sie ihm wie ein Monster vorgekommen. Doch heute lag sie strahlend in der Sonne! Verlockend und einfach wunderschön, so aus der Ferne betrachtet.

  • Die Rückreise leiß sich viel weniger schön an als die Hinreise. Rusticus schien nicht gerade einer der gesprächigsten und so schwieg auch Bashir erst einmal. Es machte gar nicht mehr so viel Freude, die Gegend zu betrachten. Auch konnte er sich nun nicht mehr selbst die Pausen einteilen oder das Tempo bestimmen. In allem mußte er sich an seinen Begleiter halten. Er seufzte innerlich. Das war wohl einfach das Schicksal eines Sklaven. Daß die Momente der Freiheit noch kürzer waren, als man vorher gehofft hatte. Sie hatten Rom nun hinter sich gelassen und folgten der Straße, über die Bashir gestern erst gekommen war. Das würde bestimmt eine gefühlt ewig lange Reise werden, wenn es so still zwischen ihnen blieb, wie es im Moment war.





    Edit nach Rücksprache mit dem Mitreisenden

  • Sie waren schweigend aus dem 'Haupt der Welt' herausgetrabt und Mamercus fragte sich gerade ob die Via Flaminia in diesem Fall als Zunge zu interpretieren war und wenn ja was das bedeuten mochte, als sich ein anderer Gedanke aufdrängte. "Woher kommst du?" fragte er seinen Begleiter ohne sich nach diesem umzusehen. Da sie ziemlich direkt nebeneinander einher ritten, sollte dieser kein Problem haben ihn zu verstehen. Wie üblich wollte Mamercus mehr wissen, als seine Frage offenbarte. Es ging ihm in der Tat um die Lebensgeschichte des Sklaven und um die Beantwortung der Frage wie ein augenscheinlicher Östling in den Besitz seines Vaters geraten war.
    Besonderes oder gar freundschaftliches Interesse hatte er zwar nicht an der Lebensgeschichte Bashirs, vielmehr versprach er sich eine kurzweilige Abwechslung von seinen heute doch recht sonderbaren Gedanken.

  • Das schlimmste für Bashir war ja, daß Rusticus darauf bestanden hatte, Hektor zu reiten. Sicher war es auch angemessen, daß der junge Herr das bessere Pferd ritt. Aber... der arme Hektor hatte es mit seinem Reiter nicht ganz leicht. Mehr als einmal mußte sich Bashir auf die Lippe beißen, um nicht doch etwas zu sagen, wenn Rusticus aus Versehen dem Pferd ein Signal gab und sich dann wunderte, wenn es Dinge tat, die es nicht tun sollte.


    Und nun auch noch diese Frage. Woher kommst Du? Diese Frage konnte er natürlich einfach mit dem Namen seines Heimatdorfes beantworten, doch das würde Rusticus sicher als Beleidigung auffassen. "Ich stamme aus Parrthien, Herrr. Aus derr Nähe von Assurr am Tigrris. Ich kämpfte als Soldat bei der Schlacht um Edessa. Dorrt wurrde ich verrwundet und gerriet in Gefangenschaft." Er wußte ja nicht, wie genau Rusticus es wissen wollte und hielt sich daher eher kurz. Daß sein Begleiter unterhalten werden wollte, ahnte er ja nicht.

  • Das war nun nicht eben die ausführliche Antwort, die ihm Kurzweil verschaffen konnte. Da hatte er sich doch tatsächlich ein paar Worte zu viel gespart, als er den Sklaven zum Sprechen aufgefordert hatte. Dies zwang ihn nun zum Erreichen seines Zieles nochmals seinen Mund aufzutun. Doch er kam vorerst nicht dazu. Hektor hatte es sich nicht nehmen lassen, wiederholt vom Wegesrand zu naschen und Mamercus wollte ihm nur beiläufig einen Riegel vorschieben. Er zog Hekors Kopf mit dem Zügel weg von dem saftigen Happen, den dieser sich gerade gönnen wollte. Soweit so gut, aber hatte dabei einen Fehler gemacht. Zu heftig war der Ruck am Zügel und Hektor reagierte darauf wie es sich für ein gut trainiertes Armeepferd gehörte. Unversehens beschrieb sein Gang eine Kurve zur Mitte der Straße hin, doch da war etwas im Weg. Bashir und dessen einfacher Mietgaul. Gerade noch rechtzeitig brachte Mamercus ihn wieder auf die richtige Spur.
    "Verdammt!" zischte dieser und meinte mehr sich selbst as das Tier. Er wusste das seine unzureichenden Fähigkeiten im Reiten an derlei Missverständnissen schuld waren und dass Bashir vermutlich der bessere Reiter für Hektor war. Es wäre allerdings nicht angemessen ihn deshalb auf dem besseren Tier reiten zu lassen, oder doch? Mamercus schob die Frage erst einmal auf und tat was er vor dem Schlenker hatte tun wollen:
    "Erzähl mir deine Geschichte, komplett." meinte er zu Bashir und der Tonfall seiner Stimme lies vermuten, das ein redseliger Mensch 'Wir haben einen langen Weg vor uns.' hinzugefügt hätte.


    [SIZE=6]edit: Warum sieht man Fehler immer erst wenn der text abgeschickt ist?[/SIZE]

  • Bashir betrachtete die kleine Aktion mit traurigem Blick. Hektor war ein ausgezeichnetes Pferd. Und man konnte förmlich sehen, wie das arme Tier immer mehr verwirrte. Bashir gab seinem Pferd zu verstehen, daß es etwas schneller gehen sollte, so daß er ein klein wenig vor Rusticus ritt. Dann ließ er einen leisen Pfiff hören, mit dem er Hektor immer von der Weide rief. Mit etwas Glück würde er es als Aufforderung betrachten sich einfach an Bashir zu halten. Ob das funktionierte, stand in den Sternen, so hatte er das mit Hektor nie trainiert.


    "Bitte verrzeih, daß ich Dich falsch verrstanden hatte", sagte Bashir etwas zerknirscht, als er begriff, daß der junge Herr die sehr ausführliche Version wollte. Wohl, damit die Reise etwas interessanter wurde. Für ihn zumindest. Und Bashir mußte sich dafür die Kehle heiser reden. Na, dann viel Vergnügen. Nach einem innerlichen Seufzer fing Bashir also an zu berichten. Komplett. Er begann bei seiner Kindheit in dem kleinen Dorf am Tigris, damit, daß sein Vater seinen Lebensweg vorherbestimmte, obwohl er selbst lieber Pferde gezüchtet hätte. Von seinem Leben als Soldat, von seinen Waffenkenntnissen, von denen nur Bogenschießen wirklich gut war. Und natürlich von der Schlacht, die seine erste und seine letzte gewesen war. Die Erinnerung daran hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt. Und ihm abermals klargemacht, wie wenig er eigentlich Soldat sein wollte.

  • Es entging Mamercus nicht, dass Bashir sich ein Wenig von ihm absetzte, doch was der Pfiff zu bedeuten haben mochte wollte sich ihm zunächst nicht erschließen. Doch als Hektor daraufhin mit einem freudigen Wiehern kurz anzog um seine Position zu dem anderen Pferd wieder einzunehmen dämmerte es ihm. Zumal sich Hektor in der Folge nur noch dann am Grün bediente, wenn es ihm förmlich ins Maul wuchs, was verhältnismäßig selten vorkam. Auch wenn er auf Hektor ritt, so gehorchte dieser vielmehr Bashir und solange es kein Außenstehender mitbekam war es ihm auch einerlei.


    Die Meilen flogen geradezu dahin, während er der Erzählung lauschte, nur unterbrochen von gelegentlichen Pausen, die Bashir brauchte um sein Sprachorgan mit Flüssigkeit zu benetzen. Dann und wann legten sie auch eine Rast ein, hauptsächlich Mamercus brauchte öfters eine und auch der Mietgaul konnte ebenso wenig mit Hektor mithalten wie der Artorier mit dem Sklaven. Während ein anderer Herr das zum Anlass für Trübsinn oder gar Wut und Strafe genommen hätte, so war sich Mamercus seiner Schwächen durchaus bewusst und ein vorzüglicher Reiter musste man als guter Römer nun nicht unbedingt sein.

  • Es funktionierte besser, als Bashir erwartet hatte. Doch ganz konnte Hektor natürlich seiner angeborenen Gefräßigkeit nicht widerstehen. Rusticus schien es erstaunlich gelassen zu nehmen, daß er nicht vollständig die Kontrolle über sein Reittier hatte. Was Bashir doch ziemlich erleichterte, er hatte schon halb mit einem Donnerwetter gerechnet.


    Sie machten ganz gut Tempo und es war Bashir vergönnt, hin und wieder einen Schluck zu trinken. Rast machten sie auch in erfreulicher Regelmäßigkeit. Ganz so übel schien Rusticus also doch nicht zu sein. Bashir redete und redete. Nachdem er von der Schlacht berichtet hatte, kam seine Verwundung dran. "Ich wurrde bewußtlos, was vielleicht eine Gnade warr. Als ich aufwachte, warr ich gefangen. Meine Wunde warr verrsorrgt worrden, aberr die Schmerrzen in meinem Bein warren höllisch." Er war nicht der einzige verwundete Gefangene. Und er mußte mit ansehen, wie immer wieder gute Männer starben, weil sie nicht gut genug gepflegt werden konnten. Die Reise nach Rom kostete wieder einige Leben. Es war mehr ein Wunder, daß Bashir überlebte. "Von Rom hatte ich nicht mehr gesehen als die Straße zum Sklavenmarkt und den Markt selbst. Drei Tage lang versuchte der Händler, mich zu verkaufen. Dann verkaufte er den kläglichen Rest - und dazu gehörte ich - für wenig Geld an einen Händler, der in Germanien sein Glück versuchen wollte. Ich erinnerre mich mit Grrauen an die Rreise dorrthin. Es ging mirr nicht gut, mein Bein schmerrzte furrchtbarr. Trrotzdem mußte ich laufen. Mehrr als einmal dachte ich, das ist das Ende. Aberr immerr ging es doch irrgendwie weiterr." Aber auch in Germanien wollte ihn zunächst niemand kaufen. Erst eine junge Frau zeigte Interesse an ihm, weil er nicht viel kostete. "Sie warr nicht rreich, aberr sehrr frreundlich. Ich warr ihrr einzigerr Sklave und sie warr gut zu mirr. Sie ließ sogarr einen Medicus kommen wegen meines Beines. Leiderr mußte sie mich dann doch wiederr verrkaufen. Sie wollte aberr, daß ich in gute Hände komme, daherr ging sie nicht einfach mit mirr zum Marrkt. Dein Vaterr hörrte davon, daß ich zu verrkaufen warr und sprrach mit meinerr Herrrin. So wechselte ich also wiederr den Besitzerr. Ich diene Deinem Vaterr gerrne. Wirr Sklaven werrden gut verrsorrgt und err forrderrt nichts unmögliches."

  • Aufmerksam lauschte Mamercus den Erzählungen des Sklaven. Nicht nur, weil er sich generell für alles interessierte, das man wissen konnte, sondern er gedachte nebenbei auch nützliche Informationen zu erhaschen über Taktiken und Schwächen eines Feindes, den zu bekämpfen man ihn möglicherweise einst als Soldat entsenden würde. Aber er erfuhr in dieser Beziehung kaum mehr als er ohnehin wusste oder sich anderweitig hätte denken können. So blieb der Monolog denn auch hauptsächlich ein angenehmer Zeitvertreib für Mamercus.


    Allmählich näherte sich die Sonne der hora undecima und in das nächste Gasthaus am Wegesrand würden sie sich zum nächtigen begeben. Schließlich erschien auch ein solches in ihrem Blickfeld. Es war ein einfaches Haus, aber sauber und ordentlich. Auch der Preis schien einigermaßen akzeptabel, nachdem Mamercus ein wenig gefeilscht hatte. Da er nicht der Anbieter war, musste er ja nun nichts anderes tun als seine Preisvorstellung zu nennen und nichts anpreisen. So ließ es sich leicht in seiner wortkargen Art verhandeln. Während Bashir es sich nicht nehmen lies sich selbst um Hektor zu kümmern, nahm Mamercus ein leichtes Mahl zu sich und begab sich schon bald zur Nachtruhe. Sie hatten noch einen weiten Weg vor sich und er gedachte mit Kräften und Sitzfleisch gut hauszuhalten.

  • Viel Erwiderung kam ja nicht auf Bashirs Erzählung hin. Der Sklave war ein wenig enttäuschst, daß Rusticus so gar nichts im Gegenzug erzählte. Aber natürlich hatte er als Sklave auch nicht den geringsten Anspruch darauf, etwas über den jungen Herrn zu erfahren. Das war ihm auch klar gewesen. Aber es schmerzte doch, so deutlich vorgeführt zu bekommen, wo man stand. Als sie am Gasthaus ankamen, kümmerte sich Bashir erst einmal um Hektor. Zum Glück war Rusticus müde, so daß an ihn keine weiteren Ansprüche gestellt wurden und auch er früh schlafen gehen konnte.


    Am Morgen war der Sklave früh auf den Beinen. Nach einem kurzen, einfachen Frühstück machte er sich sogleich daran, die Pferde fertig zu machen. Während der junge Herr beim Frühstück saß, packte er die Sachen und verstaute sie sicher auf den Pferden, füllte die Wasserschläuche auf und ließ sich in der Küche ein paar Lebensmittel für unterwegs einpacken. Schließlich stand er abreisebereit vor dem Gasthaus und wartete nur noch auf den jungen Herrn.

  • Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, als Mamercus eine Kleinigkeit zu sich nahm. Er machte sich dabei einige Gedanken und als der Wirt, dessen restliche Kundschaft noch schlief, wieder zu Bett ging konnte er seinen Entschluss auch sofort umsetzten. Bashir stand mit den Pferden bereit und ohne weitere Erklärung gab MAR seine Anweisung: "Nimm Hektor." Es war nur vernünftig, wenn der bessere Reiter das bessere Pferd ritt. Sie würden damit nicht langsamer werden und Hektor stand nicht länger in Gefahr durch seinen ungeübten Reiter Schaden an seinem Charakter zu nehmen.


    Es war nach Mittag, als Mamercus eine längere Rast an einem kleinen Kiefernhain einlegte, wo er im Schatten die Mittagshitze zu vermeiden suchte. Bashir hatte er es freigestellt Hekors Bewegungsdrang noch ein Wenig freien Lauf zu lassen, während er nun Im Schatten vor sich hin döste.
    Als er das knirschen der metallenen Reifen eines Karrens vernahm öffnete er träge die Augen und erblickte einen schwer beladeten Ochsenkarren der von einem hünenhaften Burschen geführt wurde. Dieser führte den Ochsen in den Schatten, spannte ihn aus und ließ in in dem Kleinen Flüsschen saufen. Er klopfte dem Tier gutmütig den Hals und wandte sich dann Mamercus zu.
    "Na, Freund? Wohin des Wegs?"
    Dem Angesprochenen stand der Sinn nun gar nicht nach einer Unterhaltung weshalb seine Antwort entsprechend Knapp ausfiel: "Mantua."
    "Eine schöne Stadt. Ich war ein Paar mal da. Und die schneidigen Jungs vom Militär, die da stationiert sind. Ein Wunder, dass die Parther nicht gleich aufgegeben haben. Willst du etwa zu den Adlern?"
    "Und wenn?"
    "Bist wohl nicht sehr gesprächig, was? Oder hälste dich für was besseres, zu gut um mit mir zu reden?"
    Er war ein einfacher mann, der selten einen einmal eingeschlagenen Weg wieder verließ. Das galt auch für Gedankengänge und je weiter er den soeben beschrittenen Pfad verfolgte umso sicherer war er sich in seiner Annahme und in gleichem Maße stieg sein Zorn.
    "Los machs Maul auf, oder ich lass meine Fäuste sprechen!"
    Als Handwerker hatte es gewissermaßen auch zu Mamercus' Ausbildung gehört, sich einer Handfesten Auseinandersetzung erwehren zu können. Allerdings war des hier eine geradezu grotesk-sinnlose Situation. Dennoch erhob er sich um im Fall der Fälle nicht allzu sehr im Nachteil zu sein.
    Sein "Du irrst dich." war allerdings nicht genug um den Burschen zu besänftigen. Überzeugt seinen Größenvorteil ausspielen zu können, kam dieser weiter auf ihn zu. "Von wegen. Jetzt glaubt der 'Herr' auch noch sich mit mir anlegen zu können, was?" Da die Lage ohnehin nicht mehr zu retten war, wie es schien, konnte sich MAR eine letzte Antwort nicht verkneifen. "Er kann!"
    Es dauerte einen Moment, bis der Fuhrknecht denn Sinn der Worte erfasste. So provoziert gab es für ihn kein Halten mehr und Mamercus schalt sich einen Narren, als er erkennen musste, dass sein Gegenüber, mit einem Dolch bewaffnet war, den dieser nun zog. Warum hatte er dies bloß übersehen?
    Ungeschickterweise war alles was als Waffe benutzt werden konnte außerhalb seiner Reichweite und endlos konnte er der durch die Luft sirrenden Klinge ja nicht ausweichen. Ohne in Panik zu verfallen suchte er nach einem Ausweg. Doch sein Gegner hielt sich geschickt zwischen Mamercus und dem Pferd, das dieser zur Flucht oder als Aufbewahrungsort seiner Bewaffnung hätte nutzen können. Auch der Mangel an einer kühlen Briese ließ die Hoffnung auf Abkühlung des erregten Gemütes dahin schmelzen.

  • Nimm Hektor. Bashir war sich einen Moment lang nicht sicher, ob er sich vielleicht verhört hatte. Doch es gab keinen Zweifel mehr, als der junge Herr an das andere Pferd herantrat. "Danke, Herrr!" Strahlend vor Freude schwang sich Bashir auf den Rücken des braven Tieres und schon ging es los. Das Tempo war eher gemächlich und war ein wenig langweilig. Auch Hektor zeigte mit dem Spiel seiner Ohren, daß er Lust hatte, zu laufen. Und fast schien es, als ob Rusticus Gedanken lesen könnte. Er hielt an für eine Pause und nachdem Bashir ihm einen kleinen Imbiß bereitgestellt hatte, schwang er sich wieder in den Sattel, um ziellos über eine weitläufige Wiese zu reiten. Er ließ Hektor weit ausgreifen und laufen, wie er wollte. Herrlich war es, sich den Wind so um die Nase wehen zu lassen. Auch dem Tier machte es Spaß, das war deutlich zu spüren. Nach einer Weile zügelte der Sklave das brave Tier. Pfirsichbäume waren hier angepflanzt und die Früchte sahen reif und saftig aus. Ein paar davon pflückte er, nachdem er sich vergewissert hatte, daß niemand in der Nähe war. Er verstaute sie in den Satteltaschen, dann lenkte er Hektor zurück zum Rastplatz des jungen Herrn.


    Ein leichter Trab brachte sie zügig über die Wiese zurück. Nichts ahnend von der Gefahr, in der Rusticus schwebte, hatte es Bashir nicht sonderlich eilig. Auch als der Karren ins Blickfeld kam, dachte Bashir noch nicht an Gefahr. Doch dann erblickte er die zwei Gestalten und ihre Bewegungen verrieten eindeutig, was sich dort abspielte. Der Sklave zögerte keine Sekunde. Er trieb Hektor zu höchster Geschwindigkeit an, gallopierte auf die beiden Männer zu. Noch während er sich näherte, sprang er ein wenig hoch, um auf dem Sattel zu knien. So hatte er einen sichereren Absprung. Dann sprang er zielsicher ab, um den Mann, der Rusticus unübersehbar mit einer Klinge bedrohte, hart zu Boden zu werfen.

  • Starr hielt Mamercus den Blick auf seinen Gegner und dessen Waffe gerichtet, obwohl er den Hufschlag Hektors vernahm. Wenn dieser schon die Bedrohung vorerst nicht wahrnahm, so sollte kein zufälliger Blick ihn nicht darauf aufmerksam machen. In dem Moment, als Bashir sich vom Rücken Hektors löste wollte er schon ebenfalls zur Offensive übergehen. Doch er entschied sich dagegen um sich nicht in Gefahr zu bringen. Wer wusste schon welche Wirkung der Aufprall wohl haben würde!
    Der Kutscher wurde unsanft von den Füßen gerissen und verlor darüber zwar nicht seinen Kopf, wohl aber den Dolch. Bashir kullerte, vom eigenen Schwung noch nicht gänzlich befreit noch ein stück weiter. Im Nu war Mamercus über dem Angreifer un brachte ihn mit einem Fausthieb gegen die Schläfe um das Bewusstsein. Dann sah er sich nach seinem Retter um.

  • Daß der Angreifer im Fallen seine Waffe verlor, konnte Bashir nicht sehen. Er hoffte es einfach nur. Sein eigener Schwung war noch zu groß, er war gezwungen, sich weiter abzurollen, bevor er wieder auf die Füße kommen konnte. Doch gelernt war gelernt und so stand der Sklave sehr schnell wieder auf seinen Füßen. In der Zwischenzeit hatte Rusticus sich den Burschen vorgenommen und ihre Blicke trafen sich. "Herrr, bist Du in Orrdnung? Was ist überrhaupt passierrt?" Er wußte ja gar nicht, wie es zu dieser Auseinandersetzung gekommen war. Hektor war nur wenige Schritte weitergelaufen, nachdem sein Reiter von seinem Rücken gesprungen war. Das Tier war darauf abgerichtet, dann gleich stehenzubleiben und zu seinem Herrn zurückzukehren. Dementsprechend brauchte Bashir nun nur noch seine Hand auszustrecken, um die Zügel zu ergreifen.

  • Bashir war schon wieder auf den Beinen, als der Römer sich nach im umdrehte. Allem Anschein nach hatte er sich bei dieser etwas waghalsigen Aktion nichts getan. Was konnte er auf die besorgten Fragen antworten? Seine körperliche Unversehrtheit bestätigte er mit einem Nicken. Was allerdings passiert war, das verstand er selbst nicht, also zuckte er mit den Schultern.
    Er überlegte kurz was weiter zu tun war. Zunächst entschied er den Dolch einzubehalten. Ein Mann wie dieser sollte nicht bewaffnet sein. Was aber sollte mit ihm selbst geschehen? Mamercus winkte den Sklaven zu sich um den Kerl zumindest in den Schatten seines Karren zu legen. Danach gedachte er sich vom Acker zu machen um einer weiteren Konfrontation aus dem Weg zu gehen.

  • Dieses Schweigen empfand Bashir geradezu als bedrückend. Der Sklave nahm das Nicken als Bestätigung, daß es Rusticus gut ging. Aber diese Wortlosigkeit machte ihm Sorgen. Der Bewußtlose war schnell in den Schatten seines Wagens geschafft, das mußte genügen. Der Kerl konnte froh sein, daß sie ihn nicht festnehmen ließen. Immerhin hatte er einen Bürger angegriffen.


    Dann machte Bashir die Pferde wieder abreisebereit. "Herr, möchtest Du vielleicht noch einen Schluck Wein auf den Schreck hin?" Das konnte helfen, falls der junge Herr einfach unter Schock stand. Zumindests glaubte der Sklave, daß das helfen könnte. "Oder kann ich sonst etwas für Dich tun?"

  • Da er der ganzen Angelegenheit weniger Bedeutung zumaß, als sie womöglich hatte, lehnte Mamercus das besorgte Angebot Bashirs ab un wurde stattdessen in seinem Entschluss bestärkt. Er musste sich dringend um die Fähigkeiten bemühen, die er benötigte um erstlicheres als eine Kneipenschlägerei zu überstehen. Gedankenversunken schwang er sich auf den Rücken des Pferdes und lies es antraben. Undenkbar wäre er schon auf dem Weg nach Rom oder sonstwie ohne Begleitung in derartigen Schlamassel geraten.

  • Also keinen Wein. Bashir verstaute nun die letzten Gegenstände, dann konnte es wieder losgehen. Der junge Herr schien es ja auf einmal sehr eilig zu haben. Der Sklave schwang sich auf den Rücken des braven Hektor und biß die Zähne zusammen. Erst jetzt, nachdem die eigentliche Gefahr vorüber und die Aufregung abgeklungen war, machte sich sein Knie bemerkbar. Der Sprung und das Abrollen hatten ihm nicht gut getan. Wie gut, daß er es beim Reiten ein wenig schonen konnte. Doch er wußte schon jetzt, daß in den nächsten Tagen sein Hinken etwas ausgeprägter ausfallen würde als sonst. Aber auch das würde vorbeigehen.


    Nach einer ganzen Zeit des Schweigens wagte Bashir es dann schließlich doch, den jungen Herrn anzusprechen. "Herrr, wirr kommen bald an ein Gasthaus. Wollen wirr dorrt überrnachten oderr möchtest Du errst das Nächste nehmen? Bis dorrthin wären wir sicherlich noch drrei oder vierr Stunden unterrwegs."

  • Mamercus überlegte. An und für sich hatte er es ja eilig um nach Möglichkeit seinen Bruder zur Raison zu bringen. Aber vielleicht war es geraten anlässlich des Zusammenstoßes mit dem Kutscher heute ausnahmsweise etwas früher Schluss zu machen. Zudem hatten sie ja keine Handpferde dabei und mussten besonders die Ausdauer des Mietgauls berücksichtigen. Dem zufolge nickte er Bashir zu und ausnahmsweise tat er selbst mal wieder den Mund auf: "Die nächste Herberge!"


    Eigentlich waren dies jeweils unnötige Ausgaben, da Mamercus prinzipiell kein Problem damit hatte unter freiem Himmel zu nächtigen, doch er war es seinem Sitzfleisch einfach schuldig, dieses so gut es ging zu entspannen. Wäre er zu Fuß unterwegs gewesen wäre hätte er gewiss nicht ein Gasthaus aufgesucht. Doch so reisten sie von Herberge zu Herberge bis sie schließlich in Mantua ankamen.

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