Captio Extraordinaria

  • Auf Befehl des Pontifex pro Magistro waren Vorbereitungen getroffen worden, die Captio einer neuen Vestalin in Misenum vorzunehmen. Zwar hatte sich der traditionalistische Pontifex darüber geärgert - schließlich waren die Vestalinnen Priesterinnen Roms und nicht Misenums, doch letztendlich hatte er sich gefügt.


    Da Misenum nicht über eine eigene Regia verfügte, war der Tempel der capitolinischen Trias ausgewählt worden, um die Zeremonie dort zu vollführen. Leider konnten natürlich keine Vestalinnen anreisen - mit Ausnahme von Pomponia Pia, der Virgo Vestalis Maxima, doch dafür würde so zumindest der Pontifex Maximus selbst aktiv werden können.


    Im Tempel war alles vorbereitet: Die höchsten Priester der Stadt hatten sich versammelt, um dem Kaiser und den Vestalinnen die Ehre zu erweisen, sonst war alles jedoch relativ schlicht gehalten.

  • Pomponia Pia


    Die Virgo Vestalis Maxima war tatsächlich angereist, allerdings nicht sehr begeistert gewesen: Es war höchst unüblich, dass eine Vestalin Rom verließ, dennoch war es unumgänglich, denn sie hatte nicht das Recht, den Pontifex Maximus zu kritisieren und musste sich seinem Wort beugen.


    So hatte sie sich mit einer Schar von Dienern aufgemacht und in Ostia auf Staatskosten ein Schiff bestiegen, das sie im Morgengrauen im Hafen von Misenum abgeliefert hatte. Sie hatte bei einem Freund ihrer Familie Unterkunft gefunden und sich dort erholt, ehe sie nun hierher aufgebrochen war.


    So betrat sie den Tempel in ihrer langen, weißen Tracht, das Gesicht unter einem Schleier verhüllt - ein Bild von einer Vestalin! Der Imperator war noch nicht erschienen, daher begrüßte sie die anwesenden Priester und hielt einen knappen Plausch mit ihnen - im Grunde interessierte es sie nicht, was in diesem Provinznest vor sich ging, sie wollte zurück nach Roma!




  • Etwas später als die oberste aller Vestalinnen erschien auch der oberste aller römischen Priester. Valerianus ließ sich vonm einigen Beamten begleiten und war in einige Toga gekleidet, wie er sie für öffentliche Opfer zu tragen pflegte. Zwar hatte er in Rom auch einige Togen gehabt, die speziell nur für Zeremonien mit den Vestalinnen vorgesehen waren, aber diese hatte man nicht mit nach Misenum gebracht. Andererseits störte das aber praktisch gar nicht, denn eine Toge war nun einmal eine Toge und bedurfte keiner speziellen Vorschrift für die Begegnung mit den vestalischen Jungfrauen.


    "Seid gegrüßt. Virgo Vestalis Maxima, meine Tochter, ich danke dir, dass du hierher gekommen bist wie ich es gewünscht habe."


    Die respektvolle Begrüßung der obersten Vestalin war ihm wichtig, denn man hatte ihm zu verstehen gegeben, dass die Durchführung der Captio in Misenum statt in Rom nicht überall auf Zustimmung gestoßen war.

  • Wer aus dem Tempel, aus der Türe, herausschaute, konnte sehen, wie eine Gestalt plötzlich im Türrahmen erschien. Natürlich konnte man, da man im Tempel vermutlich vom Licht, welches zur Tür reinströmte, etwas geblendet war, nicht sofoert sehen, wer dies war. Doch nachdem die Gestalt, die entweder ein Mann oder eine sehr große Frau war, ein paar Schritte getan hatte, konnte man sehen, dass es sich um Letztere handelte. Es war die, um derentwegen man diesen ganzen Zirkus veranstaltet hatte.


    Es handelte sich um die Claudierin. Romana. Sie spürte die Blicke der auf sich lasten. Sie blickte vorsichtig um sich. Priester waren versammelt. Beamte verschiedenster Art. Die Obervestalin. Und der Kaiser.


    Ihr Puls war eindeutig erhöht ob der intimidierenden Atmosphäre, unter der viele andere Mädchen schon eingeknickt wäre. Romana aber konnte sich beherrschen, was durchaus von ihrer Willenskraft zeugte. Tief atmete sie aus und ein. Dann sagte sie zu den Anwesenden: „Salvete. Ich bin Claudia Romana.“ Dies war eigentlich unnötig zu erwähnen. Sie blickte kurz in die Richtung des Kaisers und vollführte einen tiefen Knicks vor ihm. Ihren Blick ließ sie kurz unter den anwesenden Priestern schweifen, bis er auf der anwesenden Vestalin verharrte, der einzigen, die hier war. Es musste Pomponia Pia sein. Mit einem fast hilfesuchenden Blick schaute sie auf die Obervestalin, von der sie hoffte, dass sie ihr jetzt erklären würde, was nun auf sie zukam.

  • Die oberste aller Vestalinnen fasste sich jedoch nur recht kurz und zog es vor, erst dem Pontifex Maximus zu antworten und danach nach einer sehr kurzen Erklärung des weiteren Vorgehens zu schweigen. Immerhin war es bei Weitem nicht ihre erste Captio und so fehlte ihr etwas die Muße, sich in lange Erklärungen zu ergehen. Zumal ihr ohnehin jede Begeisterung für die Extratour nach Misenum fehlte und jedes länger Gespräch nur die Rückkehr verzögert hätte. Dafür wandte sich dann der Pontifex Maximus direkt an die kommende Vestalin.


    "Sei gegrüßt. Schön, dass du dich für den Dienst im Haus der Vesta entschieden hast, nachdem die Göttin dir ein so eindeutiges Zeichen gesendet hatte."


    In der realtiven Enge des Raumes klang seine Stimme fester und kräftiger, als sie es bei Auftritten im Freien tat, aber gelöst wirkte er auch hier nicht. Ein kurzes Gebet sprach er nicht ohne Blick auf eine Vorlage, bevor er dann die Übernahme der Patria potestas zelebrierte.


    "Vesta, Göttin des Herdfeuers, Bewahrerin des Wohls unseres Staates. Dein Kult war uns heilig, schon bevor eine deiner Priesterinnen zur Mutter von Romulus und Remus wurde. Dein heiliges Feuer werden wir ewig hüten und dieser Pflicht gegen alle Widrigkeiten nachkommen. Daher verpflichte ich nun Claudia Romana für den 30jährigen Dienst im Kreise deiner Dienerinnen, entreiße sie ihrer Familie und stelle mich als ihr Pater Familias zur Verfügung. Sie wird in deinem Haus ihren neuen Platz finden."


    Er schritt auf sie zu, legte seine schwere Hand auf ihre Schulter und zog sie an sich. Einen Moment verharrte er schweigend. Jegliche Verabschiedung von der Familie hatte sich durch die Reise nach Misenum offensichtlich ohnehin schon erledigt, was die rituelle Entreißung noch weniger spektakulär machte als sie ohnehin schon war.

  • Pomponia Pia


    Sim-Off:

    Oh, hatte ganz übersehen, dass der Kaiser schon gepostet hatte!


    Als der Kaiser eingetreten war, hatte Pomponia ihn der Tradition entsprechend mit einem Kuss begrüßt. Dann hatte sie ihm kurz von Roma berichtet und der eintretenden Kandidatin erklärt, dass der Kaiser sie nun ihrer Familie entreißen würde. Und schon begann die Zeremonie.


    Unter dem strengen Blick der Virgo Vestalis Maxima ergriff der Pontifex Maximus das Mädchen und entriss sie damit der Gewalt ihres Vaters - und machte sie zugleich zur Vestalin. Als diese Zeremonie geschehen war, trat sie ihrerseits vor. Leider konnte sie das Mädchen nicht sofort der Obhut einer Vestalin übergeben, doch das würde in Roma nachgeholt werden.


    Claudia Romana, Amata Minor, unsere Schwester. Folge mir nach Roma, wo man dich alles lehren wird, was du für den Dienst der Vesta wissen musst"


    Diese Abwandlung von der traditionellen Formel hatte sich Pia auf der langweiligen Schiffsreise ersonnen, doch sie schien ihr angemessen.




  • Sofort wandte sich der Pontifex Maximus an sie, als sie eintrat und sich vorstellte. Romana hatte schon einiges gehört über den Kaiser. Ein schwacher Mann, der das Imperium nicht regieren konnte, und seine Kompetenzen an die Kanzlei, den Senat und den Praefectus Urbi verteilt hatte, weil er mit seinen Amtsgeschäften nicht klar kam. Romana, die wusste, dass oftmals Büsten Personen alles andere als wahrheitsgetreu darstellten, und oft nur den Zweck hatten, den Auftraggeber zu schmeicheln, hatte sich, obwohl sie schon eine solche Abbildung des Kaisers gesehen hatte, den Imperator als dick, träge und schwachbrüstig vorgestellt.


    Doch dies war nicht der Fall. Vor ihr offenbarte sich eine Figur, die sie sofort in ihrem Bann nahm. Vielleicht war es ja wirklich nur der Widerhall, der durch die Halle hier entstand, aber Romana war sofoert zutiefst beeindruckt von der Stimme des Kaisers, welche, wie sie fand, wahrhaft kaiserlich klang. Gebannt blickte sie auf ihn. Sie übersah die Tatsache, dass der Kaiser angespannt klang wie ein Nervenbündel, dass er seinen Text herunterlesen musste, dass diese Zeremonie in Misenum war und nicht in Rom. Nur das Wissen, dass dieser Mann von Göttern auserlesen war, über sie zu herrschen, war in ihren Gedanken präsent.


    Das Gebet war ausgesprochen, Romana wusste nicht, was sie sagen sollte. Vom ganzen Glanz und Gloria, von dem ganzen Brimborium, das gemacht wurde – nur für sie – hatte es ihr die Sprache verschlagen. Und, kein Wort an dieser Stelle wäre auch angebracht gewesen. So schwieg sie nur, blickte ehrfürchtig zum Kaiser hin, und ließ sich in seine Arme nehmen. Als sie so dermaßen von diesem heiligen Mann umarmt wurde, traten ihr vor Rührung fast die Tränen in die Augen. Sie hatte keine Ahnung, was nun der Brauch verlangte. Da niemand es ihr gesagt hatte, nahm sie auch an, dass nichts Spezielles getan werden musste. „Oh Majestät...“, flüsterte sie und legte ihre Hände ungeschickt auf die Seiten seines Bauches, sie wagte es nicht, ihn zu umklammern, wie er es mit ihr tat. „Imperator...“ Nur das eine Wort brachte sie nicht über ihre Lippen. Vater. Sie konnte ihn nicht so nennen... sie konnte nicht mit dem Gedanken umgehen, dass sie jemanden anderen als Herius Claudius Menecrates ihren Vater nennen sollte.


    Als sie die Arme des Imperators wieder von ihren Schultern sich lösen, spürte, zuckte sie mit ihren Armen hastig zurück, fast so, als ob es nun eine Erlösung wäre, nicht mehr in Berührung zu sein mit dieser Verkörperung des Glanzes von Rom. Fast schon krampfhaft musste sie ihre Augen von ihm abwenden, in die Richtung der Obervestalin, die sie nun ansprach, und die zusammen mit den anderen Priestern die Captio abgewartet hatte.


    Sie horchte den Worten der Vestalin zu und nickte sehr, sehr langsam, als ob sie berauscht wäre von der Wucht dieser Zeremonie. „Ja... ja, Obervestalin... meine Schwester.“, brachte sie hervor. Sehr eloquent bist du heute schon, Romi, an dir ist eine Senatorin verloren gegangen, bemerkte eine Stimme in ihrem Kopf spitzfindig. Sie konzentrierte sich darauf, sie nicht zu beachten. Heute waren keine Volksreden angesagt, sondern nur, dass sie sich anständig benahm. „Ich werde dir folgen.“ Gerade als sie dies sagte, kamen ihr die Sklaven in den Sinn, die noch immer auf sie in der Gaststätte warteten. Doch sie wollte diese nicht jetzt zur Sprache bringen, jetzt, wo noch immer die Augen aller auf sie ruhten.

  • Pomponia Pia


    Sim-Off:

    Damit war eigentlich eine symbolische Captio, ein "Raub" durch Ergreifen und an-sich-bringen gemeint, keine Umarmung :D


    Das Mädchen wirkte sehr beeindruckt. Doch auch Pomponia war an jenem Tage sehr beeindruckt gewesen und konnte es daher ein wenig verstehen - obwohl ihre Captio schon Jahre her war. So musste sie auch keine Gefühlsregungen mehr zeigen, sondern erwiderte nur


    "Du kannst mit mir das Schiff nach Roma besteigen. Wir treffen uns am Hafen, du wirst unser Schiff nach Roma leicht finden."


    Damit hatte sie das Mädchen eingewiesen und wandte sich an den Kaiser. Dieser machte bei näherem Hinsehen einen besseren Eindruck als damals in Roma. Vielleicht war die Seeluft Misenums wirklich gesünder...


    "Pontifex Maximus, ich bitte Dich das Mädchen zum Tempel der Vesta bringen zu dürfen um ihre Ausbildung zu beginnen."


    Vielleicht hatte er noch ein paar Anweisungen mitzugeben, aber eigentlich ging sie nicht davon aus. Sie hatte auch, als der Kaiser in Rom gewesen war, wenig von ihm gehört.




  • Die Überwältigung, mit der die neue Vestalin reagierte war Valerianus nicht unbekannt und trotzdem beeindruckte ihn so etwas immer wieder. Aus seiner Zeit als Offizier kannte er Männer, die mit Begeisterung reagierten, aber seine religiösen Pflichten zeigten ihm andere Reaktionen, die er selten völlig richtig einordnen konnte.


    "Du darfst mich Vater nennen", lautete seine einfache Antwort.


    Dann wandte er sich wieder an die oberste aller Vestalinnen, die um die Erlaubnis zur baldigen Abreise bat. "Ich erlaube es und bitte sogar darum. Richte deinen Schwestern meine Grüße aus. Ich denke an euch in schließe den Gedanken an das heilige Herdfeuer in meine Gebete ein."

  • Sim-Off:

    ...ups. Wie schön, dass man so etwas auf die Ungeschicktheit des eigenen Chars schieben kann. :D
    Apropos, krieg ich noch die Passwörter für die Privatforen? *neugierig sei* Danke. ;)


    Romanas Überwältigung überstieg ihre, und vielleicht auch des Imperators, kühnste Träume. Es war irgendwie alles überhaupt wie ein Traum. Mit glühendem Eifer blickte sie zum Kaiser hin, als dieser ihr erlaubte, ihn Vater zu nennen. Vater! Einen Moment lang fühlte sie sich hin- und hergerissen zwsichen ihren Gefühlen zur eigenen, der claudischen, Familie, und ihrer neuen, welche die Vestalinnen als ihre Schwester und den Kaiser als Vater umfasste. Nach einem kurzen innerlichen Ringen gewann der religiöse Fanatismus, der bei ihr sogar noch ausgeprägter war als bei anderen Mitgliedern ihrer götterfürchtigen Familie. „Danke... Vater.“, krächzte sie also. Ihre Stimme war im Eimer, so aufgeregt war sie, soviel Adrenalin war durch ihre Adern gepumpt worden.


    Nur mit großer Mühe riss sie ihren Blick vom Kaiser los und blickte die Obervestalin an, welche gerade ihr Gespräch mit dem Kaiser... ihrem neuen Vater... zu beenden schien. „Das Schiff nach Rom.“ Mit einem Schiff war sie gekommen. Daran hätte sie auch denken können, dachte sich die frisch gebackene Vestalinnenschülerin. Dann hätte sie sich die Rumpelei auf dem Weg hierher erspart. „In Ordnung. Dann sehen wir uns beim Hafen, Schwester.“ Das letzte Wort kam ihr nur schwer über die Lippen, es klang ungewohnt. Ihre Stimme nahm langsam wieder ihren natürlichen Ton an. „Aber ich muss zuerst noch die Sklaven instruieren, die ich in meiner Kutsche mitgenommen habe. Erlaubst du mir, dass ich mich kurz entferne, um mich ihrer anzunehmen?“, fragte sie die Pomponierin vorsichtig. Sie wollte nicht, dass Saud, Nofretete, Kallonike und Giselher bis ans Ende ihrer Tage in Misenum festsäßen.

  • Pomponia Pia


    Mit einem knappen Nicken kommentierte sie die Anweisung des Pontifex Maximus. Dann lauschte sie dem Wort Romanas.


    "Es sei dir gestattet. Ich erwarte dich dann am Hafen."


    erwiderte sie und wartete, bis Romana den Raum verließ. Anschließend wechselte sie wenige Worte mit dem Kaiser und begab sich schließlich mitsamt ihrem Stab in Richtung Hafen, um bald wieder nach Rom zurückkehren zu können.




  • „Ich danke dir, Schwester Pomponia.“, erwiderte Romana ebenso knapp, etwas heiser ob der Aufregung, ebenso knapp wie die Obervestalin. Dann drehte sich die frisch gebackene Vestalinnenschülerin herum und verließ den Raum, ging wieder in ihre Herberge, um von dort aus zum Hafen sich weiter fortzubewegen.

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