Via Appia | Crucifixio! Das Ende einer Flucht und eines Sklavendaseins

  • Es war noch im Morgengrauen, dass die Bewohner der Villa Flavia erwachten, um einem Spektakel der ganz eigenen Art beizuwohnen. Alle Sklaven mussten und jene Bewohner der Villa, die sich dazu bemüßigt fühlten, durften der Kreuzigung des Sklavens beiwohnen, der vor wenigen Wochen ausgebrochen war und die Ehefrau des Aristides geraubt hatte. Und da jener aus der flavischen Sklavenlinie entstammte, hatte er auch nicht mit der Gnade der Flavier, und ganz besonders seinem Herrn, zu rechnen. Die Sänfte wartete bereits im Innenhof, die die patrizischen Corpi zu der Via Appia tragen sollten, ebenso der große und massive Holzbalken, an den Hannibal am heutigen Tage gebunden wurden, und auch jene Sklaven, die unter der Aufsicht des Sklavenjägers die Flüchtigen eingefangen hatten, die natürlich mitkamen, damit sie nicht doch noch in letzter Sekunde entkommen konnten. Langsam verfärbte sich der Horizont heller, die Sonne kroch hinter den sieben Hügeln von Rom hervor. Unten wurde der Carcer aufgesperrt, in dem sowohl Hannibal als auch noch Cassim gehalten wurden in jener Zeit. Einer der Sklaven zog den fiebernden Hannibal auf die Beine und stieß ihn nach draußen, damit dieser taumelnd die Treppen nach oben erklomm. Der Sklave war nur noch aschfahl im Gesicht. Es schwärte an seiner Wunde und sein Körper zitterte immer wieder im fiebrigen Frost. Nur mühsam schaffte er den Weg bis zum Innenhof, wo ihm die Beine weg knickten und er mit seiner dreckigen und blutigen Sklaventunika auf dem staubigen Boden landete. Er stöhnte leise und vor Schmerz, nahm aber inzwischen kaum noch etwas von seiner Umgebung wahr.


    "Auf die Beine mit Dir und nimm das Kreuz!" Hannibal versuchte sich wieder zu erheben, schaffte es jedoch nur als einer der Männer den Strick um seine Hände ergriff und ihn hoch hievte. Seine Finger glitten glitschig über das Holz, das er noch nicht mal einen Finger breit in die Höhe bewegen konnte. Ermattet und völlig am Ende seiner Kräfte sank er wieder neben dem Holzkreuz zusammen. Einer der Sklaven starrte kalt auf den zum Tode Verurteilten herunter und griff dann nach dem Balken, um ihn hoch zu heben. Schritte ertönten von weiter hinten, Hannibal hörte die Stimme seines Herrn, die zum Aufbruch rief. Er wusste, dass ihn viele der Sklaven anstarrten und weder beneideten, aber auch nicht bemitleideten. Er war zwar einer von ihnen, aber sie teilten sein Schicksal nicht und er als ehemaliger Günstling hatte sowieso wenig Freunde in der Villa. Der Zug setzte sich in Bewegung und zwar aus der Villa hinaus und in Richtung der Via Appia. Wie eine Marionette taumelte Hannibal mit und nur wie Schemen aus einer anderen Welt, glitt Rom an ihm vorbei. Er sah die Menschen nicht, die stehen blieben, um dem Kreuzigungszug hinter her zu starren. Er stand schon jetzt mit halbem Fuß im Jenseits und es war überhaupt ein Wunder, dass er die Tage überhaupt überlebt hatte.

  • Dieses Ereignis wollte ich mir auf gar keinen Fall entgehen lassen! Die Nacht hatte ich in der Villa Flavia verbracht, da ich ursprünglich am Morgen Chimerions Bestrafung vorgesehen hatte. Hierfür hatte ich alle meine Sklaven herbeordert, damit allen ein für allemal klar war, was mit ihnen geschah, würden sie ein ähnliches Unternehmen planen. Natürlich durfte auch Chimerion bei diesem Spektakel nicht fehlen! Für ihn würde es so etwas wie ein Vorspiel werden und eine klare Ansage, für den Fall, daß er noch einmal einen Fluchtversuch wagen sollte. Nun saß ich in meiner Sänfte und wartete darauf, daß es endlich los ging.


    Der Sklave saß noch immer in seiner dunklen, engen Zelle unten im Keller und wartete wahrscheinlich schon auf seine Strafe. Am Abend zuvor hatte ich mich dazu entschlossen, ihm das Leben zu lassen, ihn nicht kreuzigen zu lassen, so wie Aristides Sklaven.
    Ich hatte den beiden custodes, die mich am Abend zu Chimerions Zelle begleitet hatten, aufgetragen Chimerion zu holen und ihn bereit zu machen.
    Die beiden stiegen hinab zu dem Sklaven und öffneten die Tür zu seiner Zelle. Nacheinander betraten sie den carcer. Wenn Chimerion jetzt noch nicht wach war, so wurde er spätestens jetzt von den Tritten des einen custos geweckt. "He, steh auf! Der Barbier wartet schon auf dich!", witzelte er ihm zu, zog seinen Kopf nach oben und hielt ihn fest, so daß er sich nicht wehren konnte. Der andere zauberte, scheinbar aus dem Nichts eine Schere hervor. Dann begann er sein Werk und trennte das lange Haar des Sklaven ab. Dabei nahm er keinerlei Rücksicht, ob er seine Kopfhaut verletzte. Schließlich war das Haar bis auf eine minimale Länge reduziert. "So, und jetzt geht´s zur Kreuzigung!", meinte der andere custos feixend.
    Die beiden schoben den Sklaven aus der Zelle und legten ihm wieder Fesseln an. Danach brachten sie ihn nach oben in den Hof. Der Kreuzigungszug hatte sich bereits in Bewegung gesetzt.
    "Mal sehen, ob die für dich auch noch ein Kreuz übrig haben!", meinte der eine grölend zu ihm und stieß ihn an, damit er dem Zug folgte.

  • Düstere Wolken, sie herrschten zwar nicht am frühen Morgenhimmel, dafür um Marcus' Gemüt, der in jenen Tagen sicherlich unerträglicher Natur war und der auch die halbe Nacht nicht geschlafen hatte, so lange, bis der Wein, den er sich in zu vielen Krügen genehmigt hatte, ihn endlich in einen traumlosen Schlaf schickte. Dennoch erwachte er schon früh und als er sich erhob war es gerade Morgengrauen, dunkelblau erstrahlte der Himmel und Marcus trat an die Waschschüssel, um sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen; er starrte düster in den Spiegel, der sein Gesicht verzerrt und wellig wieder gab: dunkle Augenringe, eine ungesunde Hautfarbe und schwarze, dicke Bartstoppeln im Gesicht. Marcus griff nach der Schale mit Öl und dem Rasiermesser, wie er es jeden Morgen doch selber tat und zauderte, er legte das Messer zurück und auch das Öl, nein, heute würde er sich nicht rasieren, es war ein Zeichen, denn selbst wenn er erkaltet war gegenüber dem Sklaven, der heute starb, war er doch einst mal sein Freund gewesen, selbst wenn es Jahre her zu sein schien. Marcus kleidete sich in eine einfache Tunika, gürtete diese und zog sich seine alten und schweren Stiefel von der Legion an. Erst dann verließ er den Raum und marschierte zum Innenhof, als er nach draußen trat, krochen die ersten Sonnenstrahlen über den bergigen Horizont jenseits der villa, Marcus blieb einen Moment stehen, während um ihn herum die Sklaven hin und her wuselten, um den Aufbruch vorzubereiten und die Sänften in die Mitte zu tragen. Unter all den Männern hätte Marcus in seinem einfachen Aufzug doch selber wie ein Sklave gewirkt, aber womöglich erkannte man ihn an der Haltung die er einnahm, an der Selbstsicherheit, die er ausstrahlte und der befehlsgewohnten Ausstrahlung, die er vom Militär noch mitgenommen hatte.
    „Guten Morgen, Celerina.“
    , grüßte er seine Anverwandte, nachdem er neben ihre Sänfte getreten war. Marcus bemühte sich, sie kurz anzulächeln, doch es war ein Schatten von dem, was er sonst zeigte. Seine Augen wanderten über die Sklaven und er streifte auch kurz Hannibal, doch ohne Mitleid oder Mitgefühl zu zeigen.
    „Auf geht's! Age!“
    , rief er und blieb selber außerhalb jeder Sänfte, da er gedachte, heute zu Fuß bis zur via appia zu laufen.


    Der Zug wälzte sich aus der villa und durch die Straßen, auf denen schon längst das morgendliche Leben ausgebrochen war. Sie würden noch ein gutes Stück durch die Stadt müssen, ehe sie die Tore zu appischen Straße erreichen würden. Immer wieder blieben Leute stehen und starrten eine Weile auf die flavische Kolonne, manche mit einiger Sensationslust, ein paar wenige schloßen sich ihnen sogar an, um der Kreuzigung und dem 'Spektaktel' beizuwohnen. Schleppend ging es voran, da der zum Tode verurteilte seine arge Not mit dem Weg hatte und immer wieder auf die Beine gezogen werden mußte. Natürlich konnte er da das Kreuz nicht selber tragen, ein Umstand, den Marcus wiederum duldete und nicht darauf beharrte, es wäre sowieso unsinnig gewesen, denn der Sklave war von seinen Wunden deutlich zu geschwächt. Endlich, nach einer schieren Ewigkeit tauchte das Tor der Stadt auf, und dahinter jene Straße, an der schon lange die Kreuze aufgestellt wurden.

  • Diese erste Nacht im Kerker schien endlos zu sein. Cassim hatte kaum Schlaf gefunden. Immer wieder horchte er auf, sobald er ein Geräusch hörte. Auch Hannibals Röcheln trug dazu bei, dass es so war und er mehr als einmal besorgt aufschaute. Dabei störte er sich nicht an dem Geräusch als solchem, vielmehr waren es die Szenen des vorangegangen Abend, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließen. Er verstand die Welt nicht mehr! Hannibal würde eh bald sterben. Weshalb dann noch die Kreuzigung? Warum ließ der Römer ihn nicht kreuzigen? Er hatte sich doch in allen Punkten für schuldig erklärt. Er war doch die Wurzel allen Übels. Somit war auch er letztendlich am Tod des Gefährten schuldig. Wahrscheinlich hatte der Römer dies geahnt und wollte ihn deshalb weiterleben lassen, weil der Parther dann für den Rest seines Lebens mit dieser Schuld weiterleben musste.
    Cassim brachte es nicht übers Herz, Hannibal anzusprechen. Wären ihm nicht die Hände gebunden gewesen, hätte er ihm die Gnade eines schnellen Todes gewährt. Doch selbst das konnte er nicht für den Freund tun, der langsam dahinsiechte und spätestens am nächsten Tag sein Leben am Kreuz aushauchen sollte.


    Am frühen Morgen war Cassim schließlich doch noch eingenickt, weil ihn die Müdigkeit einfach übermannt hatte. Sein Schlaf währte aber nicht lange. Als die Tür zu ihrem Gefängnis aufgerissen wurde und man Hannibal an seinen Füßen herauszog, erwachte auch Cassim und blinzelte in den hellen Lichtschein, der zur Tür herein fiel. Kurze Zeit später holte man auch ihn aus dem Loch und brachte ihn nach oben. Dort herrschte schon geschäftiges Treiben. Alle waren schon auf den Beinen und liefen aufgeregt umher. Als er in den Hof hinaustrat, spürte er, wie alle Blicke plötzlich auf ihn richteten und man zu tuscheln begann. Die Sklaven, die ihn bewachen sollten, machten ihre Späße über ihn und auch über den zum Tode verurteilten Hannibal, dem man einen schweren Holzbalken aufbürden wollte, den er aber unmöglich tragen konnte, weil er dafür längst zu schwach war. Cassim war kurz stehen geblieben, als er den Gefährten so sah. Dieses Bild würde sich für immer in seinem Gedächtnis einbrennen. Den halbtoten Hannibal, den man in Kürze wie ein Stück Vieh durch die Straßen trieb und dadurch bei den Passanten auch noch so etwas wie Belustigung, zu mindestens aber Sensationsgier hervorrief. Genau das war der Grund, weshalb er weiterleben musste! Nun erkannte er die wahre Perversion in dem Urteilsspruch des Römers! Cassim war damit endgültig an seine Grenzen gestoßen. Er musste anerkennen, dass er in diesem Kampf der Unterlegene war. Als er das tat, fühlte er sich dadurch nicht etwa besser doch glaubte er, ihm sei eine große Last genommen worden.
    Von hinten drängten ihn die Sklaven, weiterzugehen und sich in den Zug einzureihen. Er wandte sich an einen seiner Aufpasser, der ihm dicht auf folgte. "Lasst mich doch das Kreuz für Hannibal tragen!" Wenigstens das konnte er noch für ihn tun.

  • Der Morgen hätte für Chimerion nicht schlimmer beginnen können. Er hatte am Abend zuvor erfahren, welches Schicksal Hannibal drohte. Anfangs war er erleichtert zu hören, dass Hannibal noch am Leben war, zwar mit einer schwärenden Wunde, aber immerhin noch am Leben. Als ihm aber eröffnet wurde, dass sie den Halbtoten nun auch noch kreuzigen wollten, hatte er die ganze Nacht kein Auge mehr zugetan. Eigentlich hatte er Hannibal nie ganz vertraut und immer die Befürchtugn gehabt, er würde sie verraten. Das es aber dessen eigenes Fleisch und Blut war, das sie alle dem Tod übereignet hatte, das schien Hannibal schlimmer verletzt zu haben als der Dolch des Sklavenjägers. Während der Nacht hatte er für Hannibal gebetet, die Götter sollten Erbarmen mit ihm haben und ihn sterben lassen. Doch scheinbar brachte der Morgen nicht die Erfüllung seines Wunsches. Im Gegenteil. Die Wärter kamen, um ihn abzuholen und schnitten ihm als erstes ohne viel Federlesen die Haare ab. Ohnmächtig vor Zorn sah er seine Haarpracht fallen, bis keine Strähne mehr auf seinem Kopf war. Dann wurde er nach draußen gefüht, begleitet von zwei Wächtern mit dicken Knüppeln.


    Als sie den Hof erreichten, blendete ihn das Licht der Morgensonne und er musste sich die Hand vor die Augen halten. Erst nach Augenblicken erkannte er die Menschenmenge, die auf eine Gestalt in der Mitte deuteten. Hannibal, der mehr tot als lebendig war, musste den Kreuzbalken tragen und schaffte es nicht. Er wurde verspottet und schließlich setzte sich der Zug doch in Bewegeung. Ob Hannibal den Balken selber trug konnte er nicht erkennen, er folgte mit gesenktem Blick dem Zug.

  • Alle meine Sklaven, auch die, die mich am Vorabend nicht begleitet hatten, waren bereits hier und scharten sich um meine Sänfte. Ich konnte eine gewisse Anspannung in ihren Gesichtern ablesen, was ich durchaus nachvollziehen konnte. Mir ging es nicht anders. Auch dann nicht, als ich Chimerion entdeckte, den man aus dem Carcer geholt hatte und der nun auch der Kreuzigung beiwohnen sollte. Sein Anblick ließ mich erschrecken. Die kurzen Haare, sein elender Anblick, das alles war sehr gewöhnungsbedürftig.
    Marcus´ knappe Begrüßung lenkte mich ab. Er versuchte mir zuzulächeln, aber auch er stand mächtig unter Druck, den man nicht einfach so vertuschen konnte.
    "Guten Morgen, Marcus", erwiderte ich genauso und sah ihm nachdenklich nach, als sich dann auf seinen Befehl hin der Zug in Bewegung setzte. Als meine Sänfte das flavische Anwesen verließ zog ich den Vorhang zurück, damit mich die neugierigen Augen des Pöbels nicht trafen. Das sanfte Schaukeln der Sänfte ermüdete mich. Ich hatte nicht besonders gut schlafen können. Das rächte sich jetzt. Ab und an fielen mir die Augen zu und ich nickte kurz ein, obwohl ich krampfhaft versuchte, wach zu bleiben. Dann sah ich wieder meinen Sklaven vor mir, wie ich ihm am Abend zuvor gegenübergestanden hatte. Ich wünschte, dieser Tag wäre schon vorüber, denn im Grunde hatte ich nicht viel übrig für Hinrichtungen, Gladiatorenkämpfe und dergleichen. Doch nicht so bei dieser Hinrichtung!

  • "Na macht schon! Es ist doch nur ein Loch!"
    Unablässig trieb Catubodus die beiden Sklaven an, die man ihm mitgegeben hatte um ein Loch zu schaufeln in welchem das Kreuz Halt finden würde. Zwei Mal hatten sie neu beginnen Müssen, da sie auf die Überreste von Löchern gestoßen waren, die schon einmal diesem Zweck gedient hatten. Unglücklicherweise hatten sie an deren Ränder begonnen zu graben, wodurch Catubodus eine Destabilisierung ihres eigenen Vorhabens befürchtete.
    Natürlich hatte auch Catu Spitzhacke und Spaten geschwungen. Sie waren vor allem deshalb zu dritt, damit sie sich abwechseln konnten. Einer lockerte,was gelockert werden musste, er zweite schaufelte das gelockerte und mit Schotter vom Straßenbau durchsetzte Erdreich zur Seite, während der dritte sich erholen konnte. Schon im ersten Licht des Tages hatten sie begonnen und bald würden sie eine ausreichende Tiefe erreicht haben. Seile um das fertige Kreuz ganz am Ende der bevorstehenden Prozedur mit Heringen zu sichern lagen bereit, ebenso welche um den zu Marternden an der Holzkonstruktion zu befestigen. Auf grausamere Methoden verzichtete man wohlweislich, nachdem Catu darauf hingewiesen hatte, dass weitere Verletzungen die Qualen des ehemals Flüchtigen eher verkürzen würden. Und bei diesem Delinquenten kannte Catubodus ebenso wenig Gande wie die Auftraggeber. Bereitwillig hatte er sich für ein bescheidenes Endgeld dazu bereit erklärt die Hinrichtung durchzuführen. Tief saß in ihm der Groll darüber, dass dieser kleine Wurm nicht nur die Flavier sondern auch ihn darin getäuscht hatte, was er im Umgang mit Waffen anzurichten vermochte. Dies hatte den kleinen Kelten einen der ihn unterstützenden Custodes gekostet. Ein Missgeschick, dass er sich nicht verzieh und dem Italiker umso höher in Rechnung stellte.
    Er drehte das Fußholz in den Händen herum, sah sich um und stellte wiederholt fest, dass auch Hammer und Nägel bereit lagen um dieses zu befestigen. Ebenso das Metallblech, das dazu bestimmt war, die beiden verkämmten Rundhölzer ebenfalls mit Nägeln aneinender zu fixieren und zu stabilisieren. Dann spuckte er das Stück Süßholz aus, das er schon den ganzen Morgen in seinen Pausen mit den Zähnen malträtiert hatte. Dem folgte der Rest des sich davon in seiner Mundhöhle konzentrierten Saftes. Er spähte in Richtung der Stadt und in der Tat tauchte bei den Außenbezirken, die gerade eben noch in klarer Sichtweite waren der Zug auf, auf den sie warteten.
    "Sie kommen. Lasst mal sehen wie weit wir sind." Er trat an das Loch und seine Prüfung ergab, dass es tief genug war. Während sie die Gruppe näher kommen sahen ebneten sie den Boden noch ein wenig und befreiten ihn von losen Steinen auf denen der senkrechte Pfahl unnötig herum wackeln würde. Das kontrollierten sie auch noch eben und Catubodus warmit ihrer Arbeit durchaus zufrieden. Dann war alles endgültig bereit und nur noch wenige perticae fehlten, bis die Flavier mit ihrem Anhang eintreffen würde.

  • Blei- schwer und wie Klötze fühlten sich die Beine des flavischen Sklaven an, als er sich den Weg in Richtung Via Appia schleppte. Hätte man ihm vor einigen Jahren dieses Schicksal prophezeit, dann hätte Hannibal laut gelacht über jenen, der den Orakelspruch verkündete. Er hätte den Kopf geschüttelt und es als Nonsense abgetan. Doch was nicht alles in einigen wenigen Jahren passieren konnte. In wenigen Tagen wäre er vierzig Jahre alt geworden, nur einige Wochen jünger als sein Herr war Hannibal. Doch den Tag würde er wohl nicht mehr erleben. Welch Hohn die Parzen doch mit ihm veranstaltet hatten. War das der Lohn, dass er immer ihren Willen vollführt hatte? Zumindest bildete es sich Hannibal ein, der seine eigenen grausamen Taten damit rechtfertigte. Grau waren die Menschen, die an ihm vorbei zogen. Er hatte das Gefühl als ob ein nebliger Vorhang zwischen ihm und dieser Welt stand. Vielleicht war er schon lange tot? Vielleicht träumte er das auf dem Weg in das Unterreich? Der Zug hielt kurz an, ein Sklave murmelte was leise nebem ihm. "Wenn Du willst!" Die Worte ergaben bei dem Sklaven keinen Sinn, er sah auch nicht, dass Cassim den Balken, an den er gebunden werden sollte, übernahm.


    Irgendwann zeigten sich dann die Stadtmauern, selbst wenn der ehemalige flavische Leibsklave nicht den fiebrigen Kopf hob, sondern sogar gestützt wurde, damit er die letzten Schritte bis hinaus und zu dem mauernahem Stück der Straße ankam. Einer der Sklaven zerrte ihn nach vorne und stieß ihn in Richtung von Catubodus, und den Männern, die er für das Graben des Lochs erhalten hatten. "Hier, jetzt könnt ihr euch um den Wicht kümmern." Hannibal taumelte und sackte in die Knie. Er spürte all zu deutlich den trockenen und sandigen Boden unter seiner Haut. Hier waren die berühmt berüchtigten Sümpfe von Rom nicht mehr, hier hatte der Mensch bereits den Sieg über die Natur errungen. Es war das Empfinden an seinem Körper, das ihn für den Moment aus seinem Dämmerzustand wieder zurück holte. Seine Lungen versuchten rasselnd Luft zu schöpfen und er hob den Kopf, den er zu dem Zug neben sich um wandte. Dabei erheischte er kurz seine Mitflüchtlinge. Chimerion sah auch reichlich übel aus, ein Schatten von dem einstig stolzen Mann. Hannibal sah ihn kurz ernst an und nickte ihm zu. Ehe er Cassim erblickte, den er erst jetzt richtig zu erkennen schien. " Danke...Cassim!", murmelte er leise, so dass der Parther es hören konnte.


    Hannibal, der nicht wie ein Feigling sterben wollte, kämpfte gegen den Körper, der ihn jetzt im Stich lassen wollte, und kam mit eigener Kraft wieder auf die Beine. Er wandte den Kopf zu Catubodus und seine dunklen Augen bekamen trotz des Fiebers einen kühlen Ausdruck. " Dann, Sklavenjäger, solltest...Du das beenden, was Du vor einigen Tagen... nicht... konntest." Hohn und tiefe Verachtung sprachen aus den wenigen Worten von Hannibal.

  • Ein langer und nicht ganz einfacher Weg hatte sie hierher geführt...


    Eine in einen dunklen Mantel gehüllte Gestalt stand ein wenig abseits der Prozession des flavischen Hauses. Trotz der Wärme war die Kapuze des Umhanges tief ins Gesicht gezogen. Nur wenig der hellen Haut war erkennbar. Der bodenlange Stoff verhüllte auch die darunterliegende Tunika. Voller Entsetzen beobachtete die Frau das Geschehen. Anhand der zierlichen erscheinung war zumindest das Geschlecht klar bestimmbar. Den Mann, der hier gekreuzigt werden sollte, war ihr nie begegnet. Dennoch wuchs das Mitleid zusehens. Eine geschundene Gestalt eines einst so stolzen Mannes. Gehört hatte sie viel von ihm. Lange Zeit vorher. In bestimmten Bereichen war er in aller Munde und auf seinen Spuren war sie schon gewandelt. Kurz, für einen kleinen Moment. Aber dennoch verband sie beide etwas. Wie war sie hierher gekommen? Die Geschichte des nicht so ganz einfachen Weges...


    Ihr Auftrag war einfach gewesen. Zumindest für sie und in der Theorie. Das Theorie und Praxis ziemlich häufig weit auseinander liegen, durfte sie schmerzlich erfahren. Durch ganz Roma war sie gewandert um schließlich hier zu landen. Das Haus der Flavier hatte sie aufgesucht, war leider nicht so voran gekommen wie sie es gern gewollt hätte. Nicht einmal bis zur Porta war sie gekommen. Danach hatte sie sich an ihre alte Spur von damals geheftet. Diese weiter verfolgt und war mehr oder minder durch Zufall hier vorbeigekommen um wenige Menschen zuvor zu erfahren, wer hier heute an dieser Stelle gekreuzigt werden sollte. So hatte sie sich das Finden nicht vorgestellt. Nein, ganz und gar nicht.


    Celeste war ein stiller Beobachter einer gigantischen Grausamkeit geworden. Die Kreuzigung eines Menschen war für die Keltin ein Verbrechen unmenschlichen Ausmaßes. Dass Sklaven durchaus wie Dinge behandelt wurden, war ihr schon zu Ohren gekommen. Doch dieses hier? Nein, das hier durfte nicht geschehen und dennoch tat es das. Die vielen Kreuze rechts und links des Weges zeigten deutlich die Wahrheit. Betroffenheit, Ergriffenheit und Traurigkeit erfassten die Keltin in diesem Moment. Celeste würde hier bleiben und verharren.

  • Die ganze Gruppe kam an, begleitet von einigen Schaulustigen und für Catubodus und die Sklaven ging damit die Arbeit weiter. Der Querbalken wurde wie vorgesehen an dem Pfahl befestigt und das Fußholz in der richtigen Höhe angenagelt. Dann wurden die Stabilierungstaue am Querholz befestigt. Sie würden zwischenzeitlich dabei helfen, das Kreuz in eine aufrechte Position zu bringen. Auch brachten sie über der Stelle, wo sich die Balken kreuzten eine Tafel an, auf der deutlich sichtbar geschrieben stand: SERVVS FLAVIUS FVGVS ERAT*. Dies alles taten die Sklaven und Catu begnügte sich damit auf Hannibal zu achten, der allerdings kaum in der Lage war noch größere Scherereien zu machen. Allerdings war er erstaunlicherweise in der Lage sich aufzurichten. Nichts desto trotz war er keine Gefahr und so ließ der kleine Kelte es geschehen und blickte ihm mit einem harten Ausdruck auf dem Gesicht in die Augen.
    Eigentlich hatte er fast erwartet angespuckt zu werden oder desgleichen, doch es war nur Spott, der dazu gedacht war ihn zu treffen. Doch davon unberührt ließ er sich zu einer Antwort herab: "Das hätte ich gekonnt, hätte ich gewollt. Aber es war ja nicht nötig, hat dich doch deine eigene Tochter umgehauen." Eigentlich war derart unnötige Grausamkeit eher etwas für sein alter ego Callianax von Lugdunum, aber wer ihn mit Hohn bedachte musste eben mit dergleichen Häme rechnen. Damit war eigentlich alles gesagt, doch er kam nicht umhin den Satz des Hannibal zu einer Antwort gleich dessen Ausspruches zu formen, denn alles war nun bereit: "Dann, Sklave, solltest du das erleiden, was du vor einiger Zeit schon hättest sollen."
    Mit diesen Worten zerrte er ihn zum Schandpfahl, an dem er ihn in Zusammenarbeit mit den Helfern ordentlich fest band und verzurrte. Vor dem Loch stehend achtete er darauf, dass der Pfahl sich hierin versenkte, während die beiden Sklaven diesen anhoben und weitere aus dem Gefolge der Flavier ab etwa der Hälfte der Höhe sachte an den Seilen zogen. Schließlich sackte das Kreuz in das Loch, das anschließend mit dem Aushub zugeschüttet und festgestampft wurde. Blieben noch die Seile, die schlussendlich fixiert wurden.
    Nicht unbedingt stolz aber zufrieden betrachtete Catu erst sein Werk und trat dann zu dem Flavier, der ihm ein guter Auftraggeber war. "Nun hängt er da." kommentierte er beiläufig das Ergebnis und wartete, ob dieser etwas dazu zu sagen hatte.


    *Flavischer Sklave der geflohen war

    Sim-Off:

    Für bessere Übesetzungsvorschläge wäre ich dankbar

  • Voller kaltem Ingrimm und brütendem flavischen Zorn marschierte Marcus an der Seite der flavischen Sänfte seiner Anverwandten durch die Straßen. In seiner einfachen Tunika fiel er im Zug auch kaum auf und die meisten Blicke richteten sich sowieso auf denjenigen, der heute zum Tode verurteilt war; Marcus runzelte die Stirn als der Zug einmal verharren mußte und sah mißbilligend in Richtung des parthischen Sklavens, der den Balken übernehmen wollte, doch nach einem kurzen Zögern ließ Marcus es zu und wandte den Blick wieder mit übler Laune von den Sklaven ab, um weiter den Weg zu beschreiten. Es war das erste Mal auch für Marcus, daß er einen Sklaven ans Kreuz binden ließ, aber gewiß nicht zum ersten Mal, daß er einer beiwohnte. In Baiae waren einige Sklaven derart gestorben oder auch auf andere Art und Weisen, ob den Löwen vorgeworfen oder in der Arena als Kämpfer und Tierhatzopfer, wenn sie sich derartige Verfehlungen erlaubt hatten. Seine Familie war nun mal nicht gnädig mit derartigen Sklaven und diejenigen, die aus der speziellen Linie kamen, konnten erst recht nicht mit Gnade rechnen. Und in jenen diesen Tagen war in Marcus nichts von dieser übrig, die er seinem einstigen Freund schenken würde. Von der jovialen Ader des Flaviers fand man augenblicklich nichts mehr und er schien ein grimmiger Eisblock zu sein, zumindest zeitweilig. Darum verzog er auch nicht das Gesicht als sie endlich vor den Toren und an Ort und Stelle ankamen. Kühl betrachtete er, wie der Sklave taumelte, unbeteiligt den kleinen Wortwechsel zwischen seinem Jäger und ihn.
    Marcus überlegte einige Herzschläge, ob er Hannibal noch etwas sagen sollte. Doch es war zwischen ihnen alles gesprochen, was nötig war. Seine Augen verfolgten, wie der Sklave angebunden und schließlich in die Höhe gezogen wurde. Marcus verschränkte die Arme vor der Brust und seine dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen und warfen eine tiefe und grimmige Furche zwischen ihnen. Genauso sah er auch zu dem Sklavenjäger als dieser zu ihm trat. Schweigend sah er ihn an und wandte wieder den Kopf zu Hannibal.
    "Ja."
    , war sein einziges Zugeständnis an 'Höflichkeit', was er noch erübrigen konnte. Wieder starrte er zu dem, der heute sterben sollte und seine Lippen preßten sich etwas fester zusammen. Erinnerungen überkamen ihm mit einem Mal. Zeiten, in denen sie - er und Hannibal - kaum zu trennen waren und dieser immer sein Kumpan bei allerlei Streichen, Lausbubgeschichten und Abenteuern gewesen ist, was auch nicht endete, als sie junge Männer wurden und Marcus anfing, sich für das schöne Geschlecht zu interessieren. Die Kälte wurde für einen Atemzug in seinen Augen verdrängt, doch ehedem ihn noch weiter die Erinnerungen überkamen und die Melancholie womöglich noch erweichen ließ, wandte sich Marcus abrupt um.
    "Laß' mindestens die zwei Sklaven hier, damit ihn niemand abbindet. Die anderen Sklaven sollen noch ein wenig zu schaun und daraus lernen. Er wird jedoch nicht abgebunden, wenn er tot ist, ehe ich hier war."
    , befahl Marcus mit dunkler Stimme und machte sich bereit, erstmal den Ort der Kreuzigung wieder zu verlaßen. Er würde gewiß nicht in die villa gehen, sondern eine Taverne aufsuchen und sich reichlich Wein gönnen.

  • Wie konnte man nur so leichtfertig ein Menschenleben wegwerfen. Sollten wirklich die vielen Peregrinen und Sklaven Recht haben, die über die Römer so schlecht sprachen und meinten, dass diese ein Menschenleben einfach fortwarfen, ihnen das Leben anderer nichts bedeutete?


    Das was Celeste hier gerade mit ansehen musste, versetzte ihr einen tiefen Stich ins Herz. Er war ein Sklave gewesen, hatte wohl einen Fehler gemacht und wurde nun auf diese Art und Weise bestraft. Das hatte jedoch keiner verdient. Offensichtlich ist er dazu noch vorher mishandelt worden. Wie konnten Menschen nur so grausam sein. Für die Keltin war es schon eine Überwindung jemanden zu schlagen oder mit dem Dolch zu drohen. Doch sie würde dies tun wenn sie es müsste. Mit ihrer Schwester gemeinsam hatte sie die Opfer nur betäubt, ihnen aber nie wirklich Schaden zugefügt. Jemanden schwer verletzen oder gar töten, würde sie auch nie. Das verstieß gegen alles was sie sich je geschworen hatte.


    Noch einmal blickte sie auf zu Hannibal. Die Kapuze rutschte etwas herunter und für einen winzigen Augenblick kam ihr Gesicht zum Verschein in welchem Tränen ihren Weg über die Wangen suchten und im Mantelstoff ihr Ende fanden. Bisher hatte sie es geschafft solchen Momenten zu entgehen, nicht zuschauen zu müssen wir jemand starb. Am liebsten wäre sie auch gegangen. Aus unerfindlichen Gründen, wollte sie dies aber nicht. Alle anderen standen hier weil sie gezwungen wurden oder es ihnen befohlen wurde. Celeste würde hier ausharren, weil sie es wollte. Im Gegensatz zu allen anderen, wollte sie dem Sklaven bei stehen. Es würde grausam werden, das wusste sie. Es würde ein Anblick werden, den sie so schnell nicht vergessen würde. Egal was der Mann dort oben getan hatte, er würde nicht allein bleiben bei diesen Hyänen. Auch wenn sie ihm nicht wirklich beistehen konnte, so würde sie ihren inneren Protest mit dem Verharren hier deutlich machen. Kein Mensch sollte so sterben und wenn man es nicht verhindern konnte, dann eben nicht allein.


    Die Kapuze wurde wieder tiefer ins Gesicht gezogen. Abseits stand wieder nur eine Peron in einem dunklen Mantel...



    /edit: Rechtschreibung

  • Cassim nickte kurz und übernahm dann den Balken. Im Gegensatz zu Hannibal verfügte er noch über einiges mehr an Kräften. Als das schwere Holz auf seinen Schultern lastete, wurde ihm wieder schmerzlich bewusst, dass er hier eigentlich zur Hinrichtung hätte geführt werden müssen. Nicht nur der Balken war es, auch sein Gewissen drückte ihn nach unten. Hätte er beschreiben sollen, was in ihm vorging, er hätte keine Worte dafür gefunden.
    Der Zug setzte sich wieder in Bewegung, vorbei an den Schaulustigen, die ihren Weg säumten. Der Parther schaute kein einziges Mal zur Seite Es war seine Reue und auch der Schmerz, der mit jedem Schritt wuchs und seinen Blick zu Boden zwang. Nur ein einziges Mal sah er auf, als er seinen Namen hörte. Dabei erblickte er das fahle Gesicht seines Gefährten, der ihm dankte. Hannibal so sehen zu müssen versetzte ihm einen heftigen Schlag, so dass seine Füße beinahe ihren Halt verloren hätten. Er strauchelte, senkte wieder verbittert seine Augen, schluckte seinen Schmerz. Sie hatten ihr Ziel erreicht.
    Am Ort der Hinrichtung hatten Sklaven ein Loch ausgehoben, in welches das Kreuz versenkt werden sollte. Es erstaunte Cassim keineswegs, als er die Stimme des Sklavenjägers vernahm, der auf sein Opfer gewartet hatte. An diesem Ort wurde er nun endgültig zum Handlanger des Todes.
    Cassim setzte den Balken von seinen Schultern ab. Doch eine wirkliche Entlastung konnte er dadurch nicht feststellen. Einer der Sklaven, der ihn begleitet hatte und darauf achten sollte, dass er nicht wieder entkam, schob ihn grob zur Seite und meinte nur sarkastisch, er solle nun gut aufpassen!
    Gezwungenermaßen beobachtete er jeden Handgriff der Richtknechte, wie sie Hannibal an das Kreuz banden und ihn letztendlich hoch zogen. Spätestens jetzt erstarb das allerletzte Fünkchen Hoffnung in ihn. Tränen rannen an seinen Wangen herab. Er begann zu weinen, zum ersten Mal, seit er ein kleiner Junge gewesen war, damals in Parthien. Zu tiefst bestürzt sah er zu dem Gekreuzigten auf, an dessen Stelle er eigentlich hätte hängen müssen. Von weitem vernahm er die verhasste Stimme des Römers, der seine Anweisungen gab und dann wie ein Feigling verschwand.
    Ich werde dich rächen! Er soll dafür bezahlen..., hallte es plötzlich wieder und wieder in seinem Kopf. Eines Tages, wenn er nicht mehr damit rechnet...

  • Die Gesichter der Menschen um Chimerion herum zogen an ihm vorbei, ohne von ihm wahrgenommen zu werden. Die Gaffer am Straßenrand, die dem Zug Platz gemacht hatten, sahen interessiert hinterher und riefen Schmährufe. Offenbar war es für sie eine Genugtuung zu sehen, wie die römische Gerechtigkeit mit einem entflohenen Sklaven verfuhr, sollten doch alle wieder in Gedächtnis gerufen bekommen, wer die wahren Herren waren. Das einzige was Chimerion wahrnahm war die Kühle des Schattens, als sie das Torhaus der Via Appia passierten und man nicht weit entfernt schon Kreuze stehen sah, leer, aber doch den Reisenden mahnend.
    Völlig unvermittelt hielt der Zug und nun konnte Chimerion auch wieder etwas sehen. Cassim lud den Kreuzbalken von seinem Rücken und sogleich machten sich eifrige Hände daran, ihn mit dem Längsbalken zu verbinden. Chimerion spürte, wie sich die Faust eines Wächters von hinten in seinen Rücken bohrte und ihn nach vorne schob, in die erste Reihe, damit er auch ja nichts verpasste. Hannibal schien bereits jetzt am Ende seiner Kräfte zu sein, die Wunde musste ihm schwer zu schaffen machen, auch wenn sie notdürftig verbunden war. Chimerion blickte zurück, suchten die Augen seiner Herrin. Ob er sie bitten sollte, man möge ihn selber nehmen und Hannibal verschonen? Zeifelnd wandte er sich wieder um und sah den Verurteilten schwankend aufrecht stehen und etwas zu dem Mann sagen, der scheinbar das Kommando über die Kreuzigung hatte. Erst auf den zweiten Blick erkannte er Catubodus, dessen kleine Gestalt ihn an eine Ratte erinnerte, ein Geschwür, eine Pestbeule. Hass regte sich wieder in ihm und drohte, ihm den Atem zu nehmen. Was hätte er darum gegeben, diesem Mann einen Dolch ins Herz zu rammen, ihn büßen zu lassen für Menelaos und auch für Hannibal? Doch an seiner Seite standen die Custodes und hatten stets ein Auge auf den Daker.
    Mit Tränen in den Augen musste er tatenlos mit ansehen, wie Hannibal ans Kreuz gebunden wurde, dann wurden die Seile angezogen und langsam stellte sich das Kreuz auf und stand schließlich, um allen Vorbeiziehenden sein Opfer zu zeigen. Voller Abscheu wollte sich Chimerion abwenden, doch er konnte einfach nicht wegsehen. Seine Lippen bewegten sich stumm, als er wie in der Nacht zuvor für Hannibal betete und die Götter um einen schnellen Tod anflehte.
    Hatte Hannibal ihnen nicht allen Hoffnung gegeben auf ein besseres Leben, ein Leben in Freiheit, hatte er ihnen nicht seinen Plan erläutert und sich gute Chancen ausgerechnet, dass er gelingen konnte? Chimerion konnte die Hoffnung in seinen Augen sehen, das Glühen, als sie sich dem Hafen genähert hatten und die tiefe Verzweiflung auf der Rückreise, als Hannibal klar wurde, dass sein eigen Fleisch und Blut ihn ans Messer geliefert hatte....
    Lange stand er da und blickte zum Kreuz hinauf. Hannibal hatte ihm vorher zugenickt, dieses Nicken erwiderte Chimerion nun. "Stirb schnell, guter Freund, stirb schnell", murmelte er und ein gequältes Stöhnen drang aus seiner Brust, als die Trauer ihn zu überwältigen drohte.

  • Die Sänfte zog an geschäftig vorübergehenden Passanten und Umherstehenden, die nach dem Delinquenten Ausschau hielten, vorbei. Gelangweilt sah ich nach draußen, damit ich meinen Augen etwas Abwechslung bieten konnte und sie nicht wieder vor Müdigkeit zufielen. Den Göttern sei Dank, war es noch nicht so heiß und schwül.
    Von den Strapazen des zum Tode Verurteilten bekam ich recht wenig mit, außer wenn einmal wieder die Sanfte ins Stocken geriet. Allerdings störte mich das herzlich wenig.
    Schließlich passierten wir das Stadttor. Am Straßenrand kündeten einige gekreuzigte Kadaver davon, was an dieser Straße Usus war. Dementsprechend schlecht war der Geruch an Ort und Stelle. Meine Nase war in diesen Dingen sehr empfindlich. Aber ich hatte vorgesorgt. Meine Sklavin hatte mir am Morgen ein in wohlriechende Essenzen getauchtes Tuch gereicht, welches ich mir nun vor die Nase hielt. Ich gab den Sänftenträgern die Anweisung, meine Sänfte so abzustellen, damit ich alles sehen konnte, ohne mein Fortbewegungsmittel dafür verlassen zu müssen. Das war um ein Vielfaches bequemer. Außerdem haßte ich es, vom Pöbel begafft zu werden.
    Von weitem erkannte ich auch den Sklavenjäger wieder, der sich nun als Henker nützlich machte. Auch eine Art, sein Geld zu verdienen! Doch eines mußte man ihm lassen, er machte seine Arbeit zuverlässig und es gab kaum Grund zur Klage.


    Endlich zogen sie das Kreuz mit dem daran festgebunden Sklaven nach oben. Für wahr, kein schöner Anblick, doch es verschaffte mir Genugtuung. Es war nur zu hoffen, daß Marcus auch den Parther gleich nebenan kreuzigen ließ. Doch offensichtlich hatte er anderes mit ihm vor. Womöglich war der Parther für die Löwen bestimmt. Ich vertraute da ganz auf meinen Verwandten, der schon wußte, was zu tun war.
    Auch wenn es mir auf die Dauer lästig wurde, verharrte ich noch eine Weile an der Hinrichtungsstelle. Marcus hatte sich verständlicherweise absentiert. So lag es an mir, die Sklaven wieder nach Hause zu führen. Doch heute wollte ich ihnen genügend Zeit einräumen, sich wieder auf die wesentlichen Dinge ihres Daseins zu konzentrieren.

  • Die Sonne blendete Hannibal als er mitsamt des Kreuzes in die Höhe gehoben wurde. Den Sklavenjäger bedachte er mit keiner Aufmerksamkeit mehr. Auch die anderen Anwesenden übersah Hannibal. Weil vor seinen Augen wieder alles zu verschwimmen begann. Das Fieber hielt ihn gefangen und benebelte seinen Kopf. Glasig starrte er nach vorne, spürte den Schmerz der durch seinen Körper ging als sein Gewicht jetzt auf den Seilen um seine Hände und seine Beine drückten. Sein Atem ging jetzt schon flach und er schloß die Augen um dem blendenden Gelb der Sonne zu entweichen. Schon dämmerte er hinweg. Schwarze Punkte bewegten sich vor dem Licht, das selbst seine Augenlider durch drang. Die Minuten verstrichen und Hannibal dämmerte einfach stumm, bis sein Körper sich gegen das Hängen am Kreuz zu wehren begann. Schmerz zuckte durch seinen Körper und weckte den Sklaven aus dem Fieber auf. Er blinzelte und öffnete ganz langsam die Augenlider. Verwischte Schemen starrten ihm entgegen. Augenpaare, die gafften. Einige lachten? Weinten sie? Stöhnte er? Durst brannte in seinem Mund. Doch schon wurde es wieder schwarz vor seinen Augen. Zeit? Keine Bedeutung. Hannibal wurde von dem nächsten Schmerz aus seinem Dämmern gerissen. Er schmeckte Blut in seinem Mund, fühlte die aufgerissenen Lippen, die nach Wasser verlangten, doch keiner reichte es ihm. Wo war er überhaupt?


    Glotzende Totenschädel, die ihn ansahen. Knochenkörper, die ein grausiges Reigen begannen. Eine lachende Frau. Sie hob die Hand und deutete anklagend auf Hannibal. "Siehst du es? Jetzt erkennst du es. Das ist die Strafe für das, was Du mir angetan hast. Du wirst dafür büßen und für alle Ewigkeit im Tartaros leiden. Der Mörder gesellt sich zu seinen Opfern. Nicht die Götter haben die erwählt, es war Pluto, der dich zu seinem Werkzeug machte. Siehst du es, Hannibal. Es ist die Strafe für all das." Stiche, heiße und kalt zu gleich, fuhren in Hannibals Herz als das Blut nur mit Mühe durch seinen Körper pulsierte. "Romana....du hast...es verdient.", flüsterte der Sklave. Die Totenschädel lachten höhnisch. Romana verschwand zwischen den Knochenbergen. Hannibals Augenlider fielen herab. Schwärze.


    Brennendes Feuer. Es griff nach jeder Faser seines Körpers. Brannte durch seine Adern, griff nach seinem unstetig schlagendem Herzen. Verzehrte jeden Muskel und brachte unsägliche Pein. Wimmernde Gestalten krochen über den Boden. Braune Augen starrten auf diese hinab und sahen die zerschmetterten Körper, die von Dolchstichen durchbohrt waren. Sah das Leid, das gesät wurde. "Büssen wirst du, Hannibal. Büssen!" Männergesichter verschmolzen mit denen von Frauen. Alle sahen ihn anklagend an. "Vertraut habe ich Dir....aber ich hab dich doch geliebt...warum hast du micht getötet...warum verlassen....du hast uns betrogen." Ein Kanon aus anklagenden Stimmen erhob sich. Hannibal wollte sich die Ohren zu halten, doch seine Hände waren gefesselt. "Lasst mich...", flüsterte er kraftlos. Rannen Tränen über seine Wangen? Über sich oder über die, die er hintergangen hatte. In seinem Glauben das Richtige zu tun und immer nur den falschen Pfad gegangen zu sein. Schmerz und Qual. Dann Schwärze.


    Eisige Kälte. Schwarze Schatten umhüllten ihn. Er öffnete die Augen und doch sah er nicht. Aber er spürte ihre schwarzen Arme überall um sich. Sie drückten ihm die Luft ab. Sie verschlossen ihm den Mund, sie drückten gegen seinen Brustkorb, sie zwangen seine Hände gegen Holz. Er konnte sich nicht rühren. "Du hast schon immer etwas von einem Philosophen gehabt, Hannibal." Er hörte die kalte Stimme seines Herrn, sah ihn jedoch nicht. "Für Platon ist der Tod das höchste Ziel eines Philosophen. Das Schauereregendste aller Übel, der Tod, betrifft uns überhaupt nicht, wenn wir sind, ist der Tod nicht da; wenn der Tod da ist, sind wir nicht. Ich habe es dir doch gesagt, eines Tages wird das passieren. Aber nimm es mit Fassung. Wir haben es eigentlich viel schlechter als Du, wir müssen weiter leben. Für Dich ist es bald zu Ende. Du glaubst doch sowieso nicht an die Götter. Stimmt es nicht? Nun, Du wirst bald sehen, ob Du in Deinem ganzen Leben lang geirrt hast oder Recht. Finis. Sterbe wohl, mein Freund." Wieder Schwärze. Fortwährende Dunkelheit. Kälte, die ihn weiter umfasst hielt. Ein Herz, das immer langsamer schlug. Stöhnen und schweres Atmen. Poch...Poch....das Herz, es schlug immer langsamer. Der Atem versiegte und ein letztes Mal glitt das warme Hauchen über die blutigen Lippen.


    Wieviel Zeit verging? Stunden, womöglich weit mehr, doch die Qualen des Kreuzes hielten den Sklaven lange gefangen. Immer wieder stöhnte er Namen, von Menschen, denen er vielleicht einst Unrecht getan hatte, die er ermordete, die seine Freunde waren, die er geliebt hatte. Bis er gar nichts mehr sagte und sein Kopf auf seine Brust gesunken war. Und so starb Hannibal, Sklave der siebten Generation einer flavischen Zuchtlinie. Einer der vielen, die verrückt im Kopf waren und dennoch lange den Flaviern treu gedient hatte. Im Jahr 106 nach jenes Heilandes, der auch am Kreuze starb.

  • Der Geruch nach Schweiß mischte sich mit den Dämpfen der Garküche, dem Geruch nach fauligen Weinfässern, die eher davon sprachen, was für eine herunter gekommene taberna er sich ausgesucht hatte, aber er hatte das Nächstbeste am Wegrand der via appia nach dem Tor gewählt, das die Stadtgrenzen markierte. Und nun saß er schon seit einigen Stunden hier, verharrte und hob den Becher mit dem billigen und eher säuerlichem Wein zu seinen Lippen. Unzählige Becher mit Wein hatte sich Marcus bringen lassen und viele davon schon gelehrt. Seine Augen starrten auf die dreckige Wand vor sich, deren weißer Kalkputz schon lange von den Dämpfen und den Gästen einen gräulich-bräunlichen Ton angenommen hatte. Irgendwann, die Sonne war schon weit über den Horizont gewandert und es begann langsam zu dämmern, merkte Marcus schon nicht mehr den üblen Geschmack des Weines, der seine Zunge ganz pelzig machte. Es war um die Zeit, als er einige Münzen auf den Tisch legte, wohl eindeutig etwas zu viel, und sich erhob; die Welt drehte sich für einige Herzschläge lang und er musste sich an der rauhen Wand abstützen, ehedem er die Schenke verließ und sich wieder zu dem Ort begab, wo er seinen einstigen Freund und Weggefährten zu dem Tod am Kreuz verurteilt hatte. Die Abendsonne glühte von der Rückseite auf das Kreuz und färbte die Gestalt des Sklaven schwarz. Schweigend blieb Marcus stehen und sah erst dann zu einem der Sklaven.
    „Ist er...?“
    Der Sklave hob seinen Speer und stieß gegen den Körper des Toten.
    „Laß das!“
    , raunte Marcus ihn darauf an, der Speerträger zog erschrocken seine Lanze zurück; Marcus, der sah, daß von dem Körper keine Regung mehr zu sehen war, preßte fest die Lippen aufeinander; mit einem Mal und mit Wucht überkam ihm die Erkenntnis, daß der Sklave tot war, ein für alle mal und endgültig – durch ihn dazu verdammt.
    „Sollen wir ihn abbinden und in die Gruben werfen, Herr?“
    , fragte einer der anderen Sklaven vorsichtig; was Marcus erst mit einem weiteren und grimmigen Schweigen quittierte; nach einer schier endlosen Pause schüttelte der Flavier den Kopf.
    „Nein, bindet ihn ab. Sein Körper wird verbrannt und seine Asche in einer Urne gesammelt, er wird sich zu seine Familie gesellen.“
    Erstaunte Blicke wurden zwischen den Sklaven ausgetauscht, doch es war Marcus egal; zumindest das hatte sich der Sklave mit seiner früheren Treue verdient, selbst wenn er ihn – Marcus – in den letzten Jahren mehrmals verraten hatte. Marcus wartete, bis sie den Körper abbanden, einige Sklaven verschwanden und es wurde schon dunkel, bis am Stadtrand ein Scheiterhaufen aufgeschichtet worden war. Kein Weihrauch, kein Opfer und natürlich auch kein Priester wurde gerufen, doch der Körper wurde auf den Scheiterhaufen gelegt und kurze Zeit später knisterten die Flammen zwischen dem Gehölz, leckten empor in die Dunkelheit und gierten nach dem toten Körper, den sie bald in einem gelbfeurigen Schleier einhüllten. Der Geruch nach verbranntem Fleisch breitete sich aus, die Flammen schlugen in die Höhe und versprühten Funken. Es dauerte, bis das Feuer wieder herab gebrannt war, doch Marcus blieb all die Zeit stehen, mit einem verschlossenen Gesicht und nicht gewillt, jemand anderes um sich herum zu bemerken. Als die Asche noch glühte, begannen die Sklaven die Überreste in einen tönerne Urne zu packen. Es graute bereits wieder am Nachthimmel, als sie fertig waren und sich der Zug von den wenig übrig gebliebenen in Richtung der Stadt bewegten und auf die villa Flavia zu.

  • Gemäß den Anweisungen des Flaviers hatte Catubodus den Auftrag zur Bewachung des Kreuzes weiter delegiert. Als dieser sich dann in Richtung der Stadt davon bewegte, war er ihm zunächst ein Stück gefolgt um von einem schattigeren Ort aus ein Auge auf die sich vollziehende Hinrichtung zu haben. Doch die Zeit kroch nur träge dahin und auch die kapuzenverhangene Gestalt, die dem sonst doch sehr aufmerksamen Kelten bisher entgangen war schien keinerlei Ambitionen zu haben, den Delinquenten abzunehmen oder anderweitig in Aktion zu treten. Er spuckte ein Stück geschmacklos gewordene Süßholzwurzel aus und winkte einen der beiden Bewacher zu sich heran.
    "Ihr solltet euch abwechselnd hier in den Schatten setzen."
    "Aber der Herr sagte doch,..." wollte der Sklave zögernd einen Einwand einbringen, ehe ihn Catu barsch unterbrach: "Das geht auf mich!"
    Jener Marcus Flavius Aristides, den der Sklave als 'Herr' bezeichnet hatte konnte ja schlechterdings Wert darauf legen weitere Sklaven durch Hitzschlag zu verlieren.


    Catubodus für seinen Teil betrat kurz darauf ebenfalls die schäbige Taverne, ließ sowohl den Bewachern, als auch den übrigen, noch immer draußen verharrenden Sklaven posca bringen und hatte aus einer ruhigen Ecke ein Auge auf seinen Auftraggeber. Zwar wurde er dafür nicht bezahlt und vermutlich war es nicht notwendig, doch das Urteil, das dieser gesprochen hatte und sich nun vollstreckte schien ihn zu belasten. Das warum und wie interessierte Catubodus nicht. Er sah nur, dass er womöglich gebraucht würde und hielt sich bereit.
    Die dahinziehenden Stunden des Tages verbrachte er mit Grübeleien über sich und seine eigene Art. Wie lange würde er in Gefangenschaft oder gar Sklaverei leben können, er, der er kaum etwas anderes kannte als ein freies, ungezwungenes Leben, ohne nennenswerte Verpflichtung. Würde er, der er seine Loyalität auf Zeit verkaufte einem dominus treu sein können? Entsprach er überhaupt dem Selbstbild eines Stolzen Kriegers, der sich deswegen mitunter unrechter Aufträge annahm, weil er seinen Stamm und damit die für ihn gültigen Regeln verloren hatte. Den die harte Schule des Lebens zu dem gemacht hatte derer war? Oder war vielleicht in dem Jäger in ihm auch der skrupellose Mörder immer angelegt gewesen?
    Einen Großteil dieser Fragen konnte er sich nicht zufriedenstellend beantworten, zumindest nicht ehe der Römer mit der mit Abstand aristokratischsten Haltung im Raum - wenn diese auch vom Weine arg in Mitleidenschaft gezogen war - sich wider von dem Platze erhob, den er vor Stunden eingenommen.


    Catu hatte seine Rechnung immer sofort begleichen müssen, wie die übrigen Gäste auch und so konnte er nun eiligst nach draußen entschlüpfen, wo seine Kontrollblicke immer seltener geworden waren. Die Abenddämmerung war am Hereinbrechen und zunächst fiel ihm auf, dass die vermummte Gestalt zwar noch an ihrer Stelle stand, aber irgendwie schien sie eine andere Haltung einzunehmen. Oder war das einfach die gesamte Stimmung, die sich geändert hatte? Dann stellte er zu seinem Erstaunen fest, dass alle Sklaven, so weit sie noch geblieben waren, wieder an ihren Plätzen waren. Sie hatten wohl den Schatten nur genutzt, solange die Kraft der Sonne sie bedroht hatte.
    Schnurstracks marschierte er zu der Stätte der Marter hin und wie er schon geahnt hatte, bestätigten ihm auch die Gesichter der Bewacher und ihr Nicken auf eine eindeutige Geste seinerseits hin, dass hier unlängst ein Mensch gestorben war.
    Catu hielt sich weiter im Hintergrund, als der Flavier wieder auf der Bildfläche erschien und in Anbetracht seines Weinkonsumes mit erstaunlich klarer Stimme seine An- und Zurechtweisungen erteilte. Catubodus beaufsichtige die Prozedur, gab wenn nötig knappe, einsilbige Ergänzungen und Erklärungen und wies den einzelnen Sklaven wo nötig ihre Aufträge zu. Kurzum: Er sorgte dafür, dass sich der Römer um die Details der Ausführung keine Gedanken machen musste. Auch er roch das verbrennende Fleisch und musste daran denken, wie es das kleine Mädchen gewesen war, die ihres Vaters Schicksal so eindeutig und unabänderlich auf dieses Ergebnis zugetrieben hatte. Dann drängte sich die Erinnerung an die verkohlten Überreste seines Dorfes in den Vordergrund und gedankenverloren berührte er das Amulett seines Vaters unter der Tunika. Wie anders hätte sein Leben verlaufen können, wenn nicht jene Räuber, vielleicht wie jener da entlaufene Sklaven, sein altes Leben so abrupt beendet hätten! Er schüttelte den Gedanken ab und starrte statt dessen in die Flammen, mit nichts Anderem beschäftigt als deren Spiel zu beobachten, das so sehr wie kaum etwas anderes die Vergänglichkeit der Welt symbolisierte.
    Als schließlich auch der letzte Rest dessen getan war, weshalb sie hier erschienen waren schloss sich Catu dem stark verkleinerten Zug zur Villa an, den er allerdings in der Stadt ebenso schweigend verließ wie er ihn begleitet hatte und seiner eigenen Schlafstätte zustrebte.


    [SIZE=7]edit: inhaltlichen Fehler beseitigt[/SIZE]

  • Es war ein grausames Schauspiel gewesen. Ein Drama an dessen Ende der Tod des Sklavens stand. Ein früherer Auftrag hatte ihm gegolten und ihr neuer wieder. Wie gern hätte sie sich mit ihm unter anderen Umständen getroffen. Doch es war ihnen nicht gegeben. Ihre erste Begegnung würde auch gleichzeitig die letzte sein und sehr prägend für die kleine Keltin, welche die letzte Zeit eines Mannes mit ihm teilte ohne sich zu kennen. Wut und Hass gegen die Römer flammten in ihr auf. Natürlich nicht gegen alle sondern gegen jene, die ihre Sklaven wie Tiere behandelten oder ihr Leben einfach nach gutdünken beendeten. Was auch immer dieser Mann getan hatte, würde ganz sicher nicht diese Strafe rechtfertigen.


    Er litt und Celeste mit ihm. An ihrem Standort hatte sie nichts verändert. Der dunkle Umhang, die Kapuze, welche ihre blonden Haare verhüllte, boten ihr den notwendigen Schutz. Ihr Entschluß stand fest und so verharrte sie bis Hannibal seinen letzten Atemzug tat. Der Kampf mit dem Tod beeindruckte sie. Nicht positiv wie man es vielleicht aus diesem Wort herausdenken könnte. Es ging ihr nah, bewegte ihr Herz und ihr Gemüt. Es waren Bilder, die sie nie vergessen würde, die sie für immer in ihrem Inneren mit sich tragen würde. Mit vielen Qualen nahm das Schicksal seinen Lauf und still betete sie zu den Göttern, dass sie sich diesem Manne annehmen würden. Ob man sie erhörte? Sie wusste es nicht, hoffte es um dieses Mannes Willen. Seine Seele sollte nicht ziellos umherirren. In die Totenwelt der Krieger würde seine Seele vermutlich nicht eingehen auch wenn er tapfer kämpfte. Die andere Welt sollte sich seiner annehmen, wo die vielen Seelen ein gutes Leben erfuhren.


    Etwas überrascht war Celeste dann von der Rückkehr des Herren und seine folgenden Worte. Scheinbar war dieser Mann doch nicht so herzlos wie es sein bisheriges Tun gezeigt hatte. Dennoch hasste sie ihn dafür. Ein wenig tröstete es sie, dass der Sklave zumindest eine normale Bestattung erhalten würde. Celeste ging erst lange nachdem die Prozession diesen Platz verlassen hatte. Mit weichen Knien und langsamen Schritten suchte sie den direkten Weg nach Hause. Celeste konnte nicht fassen was sie heute als Zeuge miterleben musste.

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