Es war noch im Morgengrauen, dass die Bewohner der Villa Flavia erwachten, um einem Spektakel der ganz eigenen Art beizuwohnen. Alle Sklaven mussten und jene Bewohner der Villa, die sich dazu bemüßigt fühlten, durften der Kreuzigung des Sklavens beiwohnen, der vor wenigen Wochen ausgebrochen war und die Ehefrau des Aristides geraubt hatte. Und da jener aus der flavischen Sklavenlinie entstammte, hatte er auch nicht mit der Gnade der Flavier, und ganz besonders seinem Herrn, zu rechnen. Die Sänfte wartete bereits im Innenhof, die die patrizischen Corpi zu der Via Appia tragen sollten, ebenso der große und massive Holzbalken, an den Hannibal am heutigen Tage gebunden wurden, und auch jene Sklaven, die unter der Aufsicht des Sklavenjägers die Flüchtigen eingefangen hatten, die natürlich mitkamen, damit sie nicht doch noch in letzter Sekunde entkommen konnten. Langsam verfärbte sich der Horizont heller, die Sonne kroch hinter den sieben Hügeln von Rom hervor. Unten wurde der Carcer aufgesperrt, in dem sowohl Hannibal als auch noch Cassim gehalten wurden in jener Zeit. Einer der Sklaven zog den fiebernden Hannibal auf die Beine und stieß ihn nach draußen, damit dieser taumelnd die Treppen nach oben erklomm. Der Sklave war nur noch aschfahl im Gesicht. Es schwärte an seiner Wunde und sein Körper zitterte immer wieder im fiebrigen Frost. Nur mühsam schaffte er den Weg bis zum Innenhof, wo ihm die Beine weg knickten und er mit seiner dreckigen und blutigen Sklaventunika auf dem staubigen Boden landete. Er stöhnte leise und vor Schmerz, nahm aber inzwischen kaum noch etwas von seiner Umgebung wahr.
"Auf die Beine mit Dir und nimm das Kreuz!" Hannibal versuchte sich wieder zu erheben, schaffte es jedoch nur als einer der Männer den Strick um seine Hände ergriff und ihn hoch hievte. Seine Finger glitten glitschig über das Holz, das er noch nicht mal einen Finger breit in die Höhe bewegen konnte. Ermattet und völlig am Ende seiner Kräfte sank er wieder neben dem Holzkreuz zusammen. Einer der Sklaven starrte kalt auf den zum Tode Verurteilten herunter und griff dann nach dem Balken, um ihn hoch zu heben. Schritte ertönten von weiter hinten, Hannibal hörte die Stimme seines Herrn, die zum Aufbruch rief. Er wusste, dass ihn viele der Sklaven anstarrten und weder beneideten, aber auch nicht bemitleideten. Er war zwar einer von ihnen, aber sie teilten sein Schicksal nicht und er als ehemaliger Günstling hatte sowieso wenig Freunde in der Villa. Der Zug setzte sich in Bewegung und zwar aus der Villa hinaus und in Richtung der Via Appia. Wie eine Marionette taumelte Hannibal mit und nur wie Schemen aus einer anderen Welt, glitt Rom an ihm vorbei. Er sah die Menschen nicht, die stehen blieben, um dem Kreuzigungszug hinter her zu starren. Er stand schon jetzt mit halbem Fuß im Jenseits und es war überhaupt ein Wunder, dass er die Tage überhaupt überlebt hatte.