Mittlerweile war es Nacht geworden und schon einige Stunden seit Serranas Ankunft im Haus ihrer Familie vergangen. Schon seit einer geraumen Weile lag sie in ihrem Bett und starrte in die Dunkelheit hinauf. Im Grunde war sie totmüde, aber die Ereignisse des letzten Tages gingen ihr immer noch im Kopf herum und sie konnte einfach nicht einschlafen. Ein leises Schnarchen von dem Lager neben der Tür verriet ihr, dass Adula offenbar deutlich weniger aufgeregt gewesen war. Serrana kicherte leise, als sie sich daran erinnerte, wie der Transport ihres Gepäcks in ihr neues Zimmer verlaufen war. Araros, der freundliche Haussklave hatte sich unter großen Anstrengungen und mit hochrotem Kopf mit einer etwas schwereren Truhe abgemüht, bis Adula sie ihm entrissen und ohne erkennbare Mühen durch die Korridore getragen hatte, woraufhin ihr Araros und einige andere Sklaven ihr völlig entgeistert hinterher gestarrt hatten. Adula löste häufiger derartige Reaktionen bei anderen Menschen aus.
Sie war sehr groß, größer als viele Männer, hatte einen kräftigen Körperbau und muskelbepackte Arme. Vor einigen Jahren hatte Serranas Großmutter eine Weile vergeblich versucht, aus ihr eine brauchbare Haussklavin zu machen, aber Adula hatte sich als vollkommen talentfrei bewiesen. Irgendwann hatte die Großmutter entnervt aufgegeben und Adula zur Strafe zur Feldarbeit abkommandiert, aber dort war sie wider Erwarten aufgeblüht und hatte hervorragende Arbeit geleistet. Am Anfang hatten einige männliche Sklaven noch versucht, sie unterzubuttern und zu piesacken, aber Adula hatte sich sehr schnell Respekt verschafft, indem sie ihnen zu dem einen oder anderen blauen Auge und in einem Fall sogar zu einem ausgeschlagenen Vorderzahn verhalf.
Nachdem sich nun Serrana partout nicht von ihrer Reise nach Rom abbringen lassen wollte, hatte Großmutter Lavinia beschlossen, ihr Adula als Leibsklavin mitzugeben. Als Ornatrix würde sie natürlich eine Katastrophe sein, aber andererseits war sie hervorragend geeignet, um Serranas Tugend zu bewahren, und das war in Lavinias Augen entschieden wichtiger.
Serrana seufzte und drehte sich zum wiederholten Mal auf die andere Seite. So viele Dinge waren in den letzen beiden Tagen passiert, und sie konnte vieles noch nicht wirklich einordnen. Allerdings war sie mittlerweile fest davon überzeugt, dass ihr Zusammentreffen mit Marcus Decimus Livianus vor der Casa Iunia nur ein gutes Omen gewesen sein konnte. Vielleicht wollte Fortuna ihr ja ein Zeichen geben, dass sie für Serrana etwas anderes vorgesehen hatte als ein langweiliges Leben in Nola unter der Fuchtel ihrer Großmutter und in den Armen des glitschigen Gnaeus Balbus.
Wenn sie doch nur jemanden hätte, mit dem sie über all dies sprechen könnte. Adula war als Gesprächspartnerin für derartige Themen denkbar ungeeignet und Serrana kannte sonst niemanden in Rom. Aber vielleicht würde sie ja bald neue Freundschaften schließen können, sie musste sich nur richtig umschauen. Serrana hatte keine Ahnung, was sie in Zukunft in Rom erwarten würde, aber trotzdem freute sie sich auf all die noch unbekannten Möglichkeiten und über diesen erfreulichen Gedanken schlief sie endlich doch noch ein.