Weisheit oder Schönheit

  • Serrana schlenderte langsam über die Trajansmärkte und war wie berauscht von all der geschäftigen Unruhe um sie herum. Zwar hatte Großmutter Lavinia sie ab und zu mal mit zum Markt nach Nola genommen, aber das war kein Vergleich zu der Vielfalt an Menschen, Farben, Klängen und Gerüchen gewesen, von der sie hier umgeben war. Serrana wusste gar nicht, die Auslagen welcher Händler sie sich zuerst anschauen sollte, die Auswahl war einfach zu groß.
    Da ihr neues Leben in Rom bislang so vielversprechend verlaufen war, hatte sie beschlossen, sich zur Feier des Tages etwas besonderes zu kaufen, was sie vielleicht auch in späteren Zeiten immer an ihre ersten Tage in dieser Stadt erinnern würde.
    Vor ein paar Minuten hatte sie schon etwas vielversprechendes entdeckt: in den Auslagen eines Buchhändlers war sie auf eine Schriftrolle gestoßen, die eine historische Abhandlung über die lang vergangene Zeit der Republik und die wichtigsten Familien dieser Epoche enthielt. Serrana war sich sicher, dass dort auch von den Iuniern die Rede sein würde, denn schliesslich hatte ihre Gens schon deutlich bessere Zeiten gesehen und einst große und unvergessene Namen hervorgebracht.
    Am liebsten hätte Serrana direkt mit dem Lesen begonnen, aber dann entschied sie, sich noch ein paar weitere Stände anzusehen.
    Sie ging an Händlern vorbei, die Kosmetik, kostbare Stoffe und Schmuck anboten, als ihr Blick plötzlich von einem goldenen Armreif angezogen wurde, der in der Sonne funkelte. Serrana trat näher an den Stand heran und nahm auf ein zustimmendes Nicken des Händlers hin, den Armreif in die Hand um ihn näher zu begutachten. Der Reif war mit einem Blütenmuster verziert und so filigran, dass er gut zu ihren schmalen Handgelenken und kleinen Händen passte.
    Nachdem sie den Händler nach dem Preis gefragt hatte, warf Serrana einen Blick in ihre nicht übermässig gut gefüllte Börse und seufzte auf. Sowohl die Schriftrolle als auch der Armreif waren ziemlich teuer, und sie würde sich definitiv nur eins von beiden leisten können. Aber wofür sollte sie sich entscheiden?
    Serrana legte den Armreif fürs erste zurück und begann ratlos zwischen den beiden Ständen hin und herzulaufen. Irgendwann war sie so frustriert, dass sie mitten auf dem Platz stehen blieb und ärgerlich mit dem Fuß aufstapfte. Vielleicht sollte sie es ganz aufgeben und einfach wieder nach Hause gehen.

  • Calvena konnte sich wirklich glücklich schätzen, sie gehörte nicht nur einer einflußreichen Gens an, sondern auch einer Reichen und im Grunde blieb ihr kein Wunsch unerfüllt. Was wohl auch daran lag, dass sie derzeit das einzige weibliche Wesen in der Casa war und sie meist nur langweilte, wenn ihre Anverwandten sich mit der Politik oder den familiären geschäften beschäftigten. Ihr Unterricht im Lesen und Schreiben fand nun noch selten statt, denn sie hatte diese Hürde gemeistert. Von daher hatte sie viel Zeit für sich und wusste nicht immer was sie mit sich anstellen sollte. Viele Freundschaften hatte sie noch nicht geschlossen und Romana, war den Vestalinen beigetretten und konnte ihr nur wenig Zeit erüberigen. Um sich auf andere Gedanken zu bringen, hatte sie kurzer Hand ihrer Sklavin Elissa befohlen, mit ihr die Casa zu verlassen und ein wenig auf dem Markt bummeln zu gehen. Kaufen wollte sie nicht wirklich etwas, aber sie wollte sich auf andere Gedanken bringen und auch die ersten Ideen für ein Fest sammeln, welches sie veranstallten sollte. Es soll ein Musikabend werden, in dem das Thema Politik erst einmal beiseite geschoben werden sollte. Vorallem aber wollte sie die jungen Leute Roms einladen und einen Abend voller Musik, Lyrik und anderen schönen Künsten veranstalten.


    Erstaunt blieb sie stehen, als sie eine andere junge Frau entdeckte, welche sie wie ein kleines KInd gebärdete und frustriert mit dem Fuß aufstampfte. Es war ein recht amüsanter Anblick und sie gab sich einen Ruck, die andere Frau anzusprechen.


    "Salve!" lächelte sie und grüße höflich. "Kann ich dir irgendwie helfen... du wirkst etwas.... unglücklich!" sagte sie zögernd und hoffte, ihrem gegenüber dadurch nicht zu nahe zu tretten.


    "Ich bin Germanica Calvena!" stellte sie sich eilig vor.

  • Serrana war überrascht, als sie plötzlich angesprochen wurde, doch dann wurde ihr klar, was wohl die Aufmerksamkeit der jungen Frau geweckt hatte, die jetzt lächelnd vor ihr stand.


    "Oh ihr Götter", dachte sie, als sie wieder einmal spürte, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg. "Ich schaffe es doch immer wieder peinlich aufzufallen, wie soll das denn nur weitergehen?"


    Jetzt blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als Haltung zu bewahren und zu versuchen, den schlechten Eindruck den ihr kindisches Verhalten zweifellos hinterlassen hatte, irgendwie wieder gut zu machen.


    "Salve" sagte sie dann und lächelte etwas verlegen zurück. "Nein, unglücklich bin ich eigentlich nicht. Ich bin nur furchtbar wütend, weil ich mich einfach nicht entscheiden kann.
    Ich bin Iunia Serrana, und wenn ich's mir recht überlege,könnte ich wirklich deine Hilfe gebrauchen. Sonst stehe ich heute nacht vermutlich immer noch hier."

  • Ein leicht entsetzter Gesichtsausdruck trat auf die Züge der anderen Frau, als diese festellte, dass ihr Verhalten wohl ziemlich auffällig gewesen war und Aufmerksamkeit hervorgebracht hatte. Doch Calvena sah das nciht so eng. Seltsames Verhalten schien in Rom Alltag zu sein und kaum jemand störte sich daran. Es gab schlimmeres, als eine junge aufgebrachte Römerin. Von daher nahm sie es eher mit Humor.


    Neugierig hob sie eine Braue an. "Wobei kannst du dich nicht entscheiden... zwischen zwei jungen Männern?" zwinkerte sie ihr amüsiert zu.


    "Es freut mich dich kennen zu lernen. Hoffentlich kann ich dir helfen und bring dich nicht noch mehr auf!" meinte sie recht gut gelaunt.


    "Ich halte es für keine gute Idee, heut Nacht noch hier zu stehen.... Rom Straßen sind für junge hübsche Frauen zeimlich gefährlich...!" witzelte sie und hoffte so das Eis zu brechen und die peinliche Situation, in der sie die andere vorgefunden hatte, nun zu überspielen.

  • "Mich freut es auch" antwortete Serrana und lächelte.


    "Im Grunde ist es eine ganz alberne Geschichte. Ich würde mir gern etwas besonderes kaufen, aber es gibt zwei Dinge, die mir gut gefallen und ich weiss einfach nicht, was ich nehmen soll."


    Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihre Geldknappheit schmeichelhaft umschreiben sollte und entschied sich deshalb für die Wahrheit.


    "Mein Geld reicht leider nicht für beides, und deshalb muss ich mich irgendwie entscheiden."Da Calvenas Interesse aufrichtig schien, wagte Serrana einen kleinen Vorstoß.


    "Ich möchte dich nicht mit langen Erklärungen langweilen, aber vielleicht hast du ja kurz Zeit und könntest mit mir einen Blick auf die Sachen werfen. Ich wäre dir wirklich dankbar für deinen Rat."

  • Die interesantesten Begegnungen im Leben waren meist ein Zufall und dies konnt eman wohl auch in diesem Falle, zumindest hatte es den Anschein. Denn schnell wurde aus Serranas Verlegenheit, ein offenes Eingeständnis. Das begeisterte sie, denn sie mochte es, wenn die Menschen offen waren und sich nicht hinter Lügen oder Halbwahrheiten versteckten.


    Nachdenklich nickte sie und konnte auch ein wenig nachvollziehen, wo das Problem lag. "Was sind das für Dinge zwischen denen du dich nicht entscheiden kannst... Ich werd versuchen dich zu beraten... aber ich verspreche nicht!" lächelte sie.


    ""Wir werden schon das Richtig für dich finden!" meinte sie recht überzeugt und auch Elan geladen. Es freute sie, ihr zu helfen und vorallem weil sie nun eine neue Bekanntschaft hatte. Bisher war es nicht gerade leicht, andere jungen Frauen kennen zu lernen. Sie hatte fast gar keine Freundschaften in Rom und so auch niemanden, der sie in die Gesellschaft einführen konnte.

  • "Das ist sehr lieb von dir, ich danke dir sehr" freute Serrana sich und führte ihre neue Bekannte zuerst zu dem Schmuckstand, wo der Armreif immer noch einladend glitzerte.


    "Da ist einmal dieser Armreif, ich hab ihn gesehen und fand ihn sofort wunderschön. Ich besitze nicht besonders viel Schmuck und gestern habe ich einen meiner Ringe Minerva als Dankopfer dargebracht. Deshalb könnte ich etwas neues gut gebrauchen."


    Serrana wandte den Blick von dem Schmuck ab und zeigte hinüber zu dem Stand, an dem der Buchhändler noch immer seine Schriftrollen anpries.


    "Naja, und dort gibt es eine Schriftrolle, die mich sehr interessiert, weil sie meine Familie betrifft. Ich hab immer schon viel gelesen und bin furchtbar neugierig, was in dieser Abhandlung steht. Ich hab schon einiges darüber gehört, aber ich hatte noch nie die Gelegenheit sie zu lesen..."


    Ob irgendein anderer ihr Dilemma überhaupt verstehen würde? Vielleicht fand Calvena ihr Problem einfach nur albern, aber es bestand immerhin die Möglichkeit, dass sie ihr die Entscheidung einfacher machen konnte.


    Serrana sah Calvena gespannt an: "Was meinst du?"

  • "Nicht zu danken.. es freut mich, dir aus deinem Dillema helfen zu können!" beteuerte sie und folgte Serrana zum Schmuckstand. Sofort fielen auch ihr einige wunderbare Schmuckstücke in die Augen, welche wirklich verlockend im Sonnenlicht glitzerten. Jede Frau liebte Schmuck.


    Bewundernd betrachtete sie den feinen Armreif und nickte anerkennend, ein wirklich wunderbares Stück. "Wunderschön!" stimmte sie ihrer neuen Bekanntschaft zu. "Ich kann verstehen, warum es dir so gefällt... es würde wunderbar zu dir passen!" meinte sie offen.


    Schließlich folgte sie dem Fingerzeig und runzelte die Stirn. Es hieß also, entweder die familiäre Vergangenheit oder aber ein Schmuckstück. "Hast du zu Hause shcon einmal nachgesehen ob ihr eine Kopie des Schriftstückes in eurer eigenen Biblioteca habt?" hackte sie nach um der jungen Frau ihre Entscheidung einfacher zu machen.


    "Um was handelt es sich denn bei dem Text genau?" fragte sie nach. Vielleicht hatte sie es selbst schin durch Zufall in den Händen gehabt, während ihres Leseunterrichtes... dann könnte sie es ihr vielleicht leihen oder aber abschreiben lassen und zukommen lassen... Zwar kannte sie die andere Frau noch gar nicht, aber es ließ sich einfacher Freundschaften machen, wenn man wirklich jemanden weiter helfen konnte.

  • Auf die Idee, in der Casa Iunia nach besagter Abhandlung zu suchen, war Serrana überhaupt nicht gekommen und ihr Gesicht hellte sich auf.


    "Dass ich nicht von allein auf die Idee gekommen bin, erst einmal zuhause nachzuschauen! Ich weiss, dass in unserer Bilbiotheca etliche Schriften liegen, aber ich bin noch gar nicht dazu gekommen, sie mir näher anzuschauen."


    Sie sah Calvena dankbar an. "Vielleicht sollte ich einfach schnell nach Hause gehen und nachschauen, aber was mache ich, wenn in der Zwischenzeit ein anderer den Armreif kauft?"
    Serrana seufzte und warf erneut einen sehnsüchtigen Blick auf das Schmuckstück.

  • Man konnte regelrecht sehen, wie sich die Mine von Serrana aufhellte. "Wenn es sich um etwas handelt, das sich um deine Familie dreht, dann müsstet ihr doch eine Abschrift haben... so ist das doch eigentlich meistens!" meinte sie nachdenklich. "Zumindest ist das bei uns so, ich hab in unserer Bibliotca jede Menge Schriften von meinen Verwandten oder Ahnen gefunden!" berichtete sie.


    Calvena freute sich, ihr weiter helfen zu können. Anscheinend war sie erst kürzlich in Roma angekommen, sonst hätte sie sicherlich schon einmal die Biblioteca ihrer Gens durchstöbert.
    "Du bist noch nicht lange in Rom, oder?" fragte sie nach. Sie konnte die Sehnsucht in Serranas Augen sehen, nur zu gern würde sie sich das Schmuckstück gönnen, doch die Furcht es könnte nicht mehr da sein, wenn sie jetzt kurz nach Hause eilte um nach zusehen, ob es eine Abschrift von besgatem Schriftstück gab.


    "Schick deine Sklavin nach Haus!" schlug sie ihr vor. "Sie soll nachsehen, ob ihr eine Abschrift habt, in der Zwischenzeit kannst du hier bleiben und verhindern, dass dir jemand dein Schmuckstück wegkauft!" brachte sie ein und hoffte so ihre Begleiterin aus der Zwickmühle zu helfen.

  • "Ja, das ist eine gute Idee" sagte Serrana erfreut und sah ihre Sklavin Adula an. Die nickte wortlos und machte sofort kehrt, wobei sie den einen oder anderen Passanten, der ihr im Weg stand unbekümmert zur Seite schuppste.


    "Im Grunde frage ich mich, wozu ich mir überhaupt Schmuck kaufen soll" seuftze Serrana dann. "Vor den Sklaven daheim brauche ich nicht damit anzugeben und andere Leute sehen mich ohnehin nicht damit.
    Eigentlich kenne ich hier so gut wie niemanden und bin noch auf keiner gesellschaftlichen Veranstaltung gewesen, ich könnte den Armreif vermutlich eh nur auf dem Forum und in den Straßen spazierentragen."


    Sie betrachtete ihre neue Bekannte und war beeindruckt, wie selbstbewusst und weltgewandt diese wirkte.


    "Bei dir ist das sicher anders, du wirkst so, als wäre das alles hier dir schon sehr vertraut"

  • Serranas Sklaven machte sich wortlos, aber mir einer grimmigen Miene auf den Weg, sie schien wenig begeistert von diesem Vorschlag zu sein, aber es stand ihr nicht zu, sich zu beschweren. "Du hast eine ganz schön feurige Sklavin!" meinte sie amüsiert. Sie nahm daran keinen Anstoss, sie selbst sah ja in Elissa mehr eine Freundin, als eine Sklavin. Sie vertraute ihr eine Menge Dinge und Geheimnisse an und war recht froh, solch eine Vertraute zu haben.


    "Ich weiß was du meinst. Mir geht es nicht anders... für mich ist vieles noch sehr neu und Ungewohn!" matt lächelte sie. "Auch wenn es nicht so wirkt, ich hab immer Angst etwas falsches zu sagen oder zu tun...!" gab sie mit einem schiefen Lächeln zu.


    "Ich kenne bisher nur sehr wenige hier, auf Veranstalltungen war ich bisher nur einmal.... zu einer Hochzeit, doch da bin ich nicht aufgefallen...." erzählte sie und war froh, dass es nicht nur ihr so ging. "Es ist schwer Leute kennen zu lernen...." fügte sie hinzu. "Aber das ändert sich mit der Zeit und dann kansnt du deinen Schmuck auch richtig ausführen... außerdem.:" sie grinste breit, "kennst du zumindest jetzt eine Person, nämlich mich!" lachte sie. "Und wer weiß, was daraus noch alles entstehen wird!" zwinkerte sie.

  • Serrana blickte Adula hinterher, die in der Menschenmenge bereits eine beachtliche Strecke zurückgelegt hatte.


    "Ich weiss, Adula wirkt sehr ruppig auf Fremde, aber eigentlich ist sie sehr lieb und vor allem sehr loyal. Sie spricht nur nicht sehr gern..."
    Dass die so schöne und selbstsicher wirkende Calvena ihr jetzt gestand, unter ähnlichen Ängsten zu leiden wie sie selbst, überraschte Serrana und eine Welle der Zuneigung überflutete sie.


    "Es wäre wundervoll, wenn wir mal etwas gemeinsam unternehmen könnten" sagte sie und strahlte ihr Gegenüber an.
    "Mit jemandem an meiner Seite würde ich mich in der Öffentlichkeit viel wohl fühlen, vor allem, wenn er so nett und hilfsbereit ist wie du" fügte sie mit leichter Verlegenheit hinzu.


    Von ihrem Großvater einmal abgesehen, hatte es bislang kaum einen Menschen gegeben, dem sie sich wirklich zugetan gefühlt hatte, und deshalb tat sie sich mit dem Äußern von Gefühlen ein wenig schwer.

  • Auch sie blickte der Sklavin noch einen Augenblick nach, ehe sie sich wieder Serrana zuwandte. "Sklaven sind nun einmal auch Menschen, sie haben Stärken und Schwächen, das sollten wir neimals vergessen!" meinte sie nachdenklich.


    Anscheinend schien es Serrana zu beruhigen, dass auch sie noch ziemlich Unsicher war und zwar eingelebt hatte, ihr aber Kontakte und Freundschaften fehlten. Es war eben nicht leicht, als junge römische Bürgerin. Vorallem wenn die meisten Männern, denen man begegnete, erst einmal nur den familiären Stand betrachteten und sich fragten, ob man denn nun eine gute Partie war oder nicht.
    "Es wäre wirklich schön, wenn wir uns zusammen schließen können... es ist nicht einfach, wenn man sich allein durchschlagen muss! lächelte sie. Anscheinend hatte sie eine neue Freundin gefunden.


    "Nicht alle sind so nett.. leider, aber viele. Man muss sich nur die Mühe geben sie näher kennen lernen zu wollen.... und vorallem sollte man hinter die aufgesetzten Fassaden blicken!"


    Nachdenklich betrachtete sie die ausgelegten Schmuckstücke.

  • "Ja, ich glaube, du hast recht. Im Augenblick fehlt mir sicher noch die Gewandtheit, um die Leute um mich herum richtig einzuschätzen, aber Rom ist sicherlich der richtige Ort um es zu lernen."


    Serrana ließ den Blick noch einmal zum Stand des Buchhändlers schweifen, den man in einiger Entfernung erkennen konnte und sah dann wieder den Armreif an. Sie spürte, dass sie plötzlich zu einem Entschluss gekommen war, und das nicht nur in Bezug auf den Kauf irgendeines Erinnerungsstückes.


    "Ich denke, ich habe mich entschieden" sagte sie dann leise. "Gleichgültig, was Adula mir auch berichtet, wenn sie aus unserer Bibliotheca zurückkommt, ich werde diese Schriftrolle nicht kaufen. Mir ist gerade klar geworden, dass ich seit Jahren in einer Traumwelt gelebt habe, weil ich das, was in all diesen Schriften beschrieben wird, immer soviel spannender gefunden habe als mein eigenes Leben."


    Obwohl sie einander noch kaum kannten, hatte Serrana das Gefühl, dass Calvena sie irgendwie verstehen würde, und fuhr deshalb fort:


    "Weisst du, ich war oft unglücklich, weil vieles in meinem Leben anders verlaufen ist, als ich es mir erträumt hatte, und auch jetzt könnte sicherlich einiges anders und schöner sein. Aber das ist nunmal mein Leben und ich denke, es wird Zeit, dass ich es einfach annehme, wie es ist und versuche das Beste daraus zu machen. Meine Vorfahren können mir dabei nicht helfen, aber dieser Armreif wird sicher dazu beitragen mich zu erfreuen "
    Serrrana fühlte sich plötzlich, als wäre eine alte Last von ihr genommen worden und sie lächelte Calvena erleichtert an.

  • „Gewandheit und auch Selbstsicherheit kommen mit der Zeit, schwierig ist nur herauszufinden, ob die Menschen es ehrlich mit dir meinen oder nur dich ausnutzen wollen…“ meinte sie nachdenklich. „Oft verstecken sich dir Menschen hier in Rom hinter einer Maske aus Freundlichkeit und Höflichkeit… ihre wahren Beweggründe verstecken sie gut!“ sagte sie. Sie wollte ihrer neuen Freundin keine Angst einjagen, aber so war Rom nun einmal. Sie selbst schätze es wenn die Leute ehrlich zu ihr waren, denn sie war es auch. Aber es gab viele die so vieles verbargen… Calvena musste sich selbst eingestehen das sie auch viele Geheimnisse hatte. Es war eben nicht leicht in Rom.


    Calvena folgte Serranas nachdenklichem Blick. Noch während sie die andere junge Frau beobachtete, stellte sich fest, wie ein Ruck durch sie ging und sie eine Entscheidung traf.
    „Eine Traumwelt ist nichts schlimmes, aber man sollte niemals die Realität vergessen… ich kenne das… ich habe auch in einer anderen Welt gelebt, ehe ich nach Rom kam… Es ist nie leicht, vor allem wenn deine Verwandten bestimmte Anforderung an dich haben und vor allem Vorstellungen davon, wie du zu sein hast!“ sie wurde leiser. „Aber das Leben ist wie es ist, wir können nicht davor weglaufen, sondern uns ihm nur stellen….“ sie wirkte etwas melancholisch, doch der Ausdruck in ihren Augen verschwand schnell.


    Ein warmes Lächeln lag auf ihren Zügen, als sie Serrana zustimmend zunickte. „Treffe deine eigene Entscheidungen… und wenn du das Schmuckstück haben willst, dann kauf es dir!“ sie lachte. „Und lass dich ja nicht aufhalten!“ ermunterte Calvena sie.

  • Während Calvena sprach, bemerkte Serrana, wie sich deren Blick für einen Moment verdunkelte. Es dauerte zwar nur einen kurzen Augenblick, aber Serrana hatte den Schmerz in Calvenas Augen deutlich sehen können. Ganz offensichtlich hatte sie irgendwann einmal etwas sehr trauriges erlebt, das auch heute noch Einfluss auf ihr Leben hatte. Serrana überlegte einen kurzen Moment lang, ob sie Calvena darauf ansprechen sollte, entschied sich aber dann noch ein wenig zu warten.Vielleicht würde sie es ihr davon erzählen, wenn sie einander erst etwas besser kannten, und dann würde ihr Serrana auch vielleicht in irgendeiner Weise helfen können.


    "Dass es hier viele Heuchler und Speichellecker gibt, glaube ich dir sofort. Von denen gab es schon daheim auf dem Land eine ganze Menge, und so eine riesige Stadt wie Rom ist vermutlich von ihnen überschwemmt.
    Bislang war ich immer so damit beschäftigt, mir Sorgen zu machen, dass ich alles richtig mache, dass ich auf kaum etwas anderes geachtet habe.
    Ich habe keine Ahnung, ob ich es erkennen werde, falls mir jemand mal etwas Böses will, aber ich hoffe einfach, dass es mir gelingen wird mich zu wehren."


    Wieder glitt ihr Blick zu den Buchhändlern hinüber und ihre Augen begannen zu funkeln.


    "Schließlich habe ich ja das Blut eines Tyrannenmörders in mir" sagte sie dann lächelnd.

  • Calvena kannte nur wenige, die nie Verlust erfahren hatten, oder Schmerz. Im Grunde trug jeder seinen Kummer und die Narben auf seiner Seele herum, manche zeigten sie offen, andere verbargen sie aus Furcht, erneut verletzt zu werden. Sie verbarg ihre verheilten Wunden, denn würden so einige pikante Details ihrer Vergangenheit öffentlich werden, würde dies wohl ein Skandal ungeheueren Ausmaßes heraufbeschwören und auch Unannehmlichkeiten für die Gens. Und auch wenn sie sich noch etwas unsicher war, was die Gesellschaft Roms anging, so wusste sie doch, das Ehre, Einfluss und die Familie an oberster Stelle standen, welche gewahrt und geschützt werden mussten.


    „Ich bin mir sicher, dass du dich nicht so schnell hinters Licht führen lässt… aber ich rate dir dennoch: Gebe deine Schwächen nicht Preis, nur den Menschen, denen du wirklich vertraust. Denn ein falsches Wort im falschen Ohr und schon könnte es eine Katastrophe geben!“ meinte sie leise. Sie hatte Serrana gern und wollte ihr nichts Böses.


    Leise lachte sie. „Dann sollte ich mich wohl auch vor dir in Acht nehmen!“ scherzte sie.

  • Bislang war Serranas Leben derart unspektakulär verlaufen, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass irgendjemand sich dafür interessieren oder gar Anstoß an etwas nehmen könnte.
    Trotzdem spürte sie, wie sich bei Calvenas Warnung plötzlich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufrichteten und ihr einer eisiger Schauer den Rücken hinunterlief. War das etwa ein Zeichen? Serrana schob den Gedanken beiseite und sah Calvena in die Augen.


    "Nein, du wirst vor mir sicher nie etwas zu befürchten haben." sagte sie dann ernst. "Du hast mir völlig uneigennützig deine Hilfe angeboten, und so etwas vergesse ich nicht."

  • Calvena hatte Serana keien Angst einjagen wollen und sie auch nicht verunsichern wollen. Anscheinend hatte sie mit ihrer gut gemeinten Warnung etwas übertrieben. "Entschulide, ich wollte dich nicht erschrecken... ich will nur nicht, das du am Ende verletzt wirst!" sagte sie eilig und hoffte damit ihre harschen Worte wieder gut machen zu können. "Es ist eben auch für mich noch nicht so leicht!" fügte sie mit einem schiefen Lächeln dazu.


    "Ich helfe gern... zumal ich auf diese Weise dich kennen gelernt habe!" meinte sie.


    Ihr Blick fiel wieder auf die wunderbaren Schmuckstücke. "Nun denn, Serrana, dann solltest du wohl mal deinen Schatz dir auch kaufen!" zwinkerte sie. "Nicht das dir jemand zuvor kommt!" lachte sie und ermunterte sie nun zur Eitelkeit.

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