Hortus - der Garten

  • Zuversichtlich sah sie ihre Freundin an. „Ich bin ja auch noch da. Wenn du mich brauchst, dann bin ich sofort da!“ versprach sie ihrer Freundin. Serrana war ja einige Jahre Jünger wie sie und von daher rührte wohl auch ihre Unsicherheit. Dennoch hatte sie sich bereits verändert, als sie sich kennen gelernt hatten, war Serrana noch ziemlich eingeschüchtert von ihrer Großmutter gewesen. Mittlerweile bot sie dieser auch die Stirn.


    „Naja… ich hab mich von meinen Ziehbrüdern anstiften lassen. Wir haben einen Esel an einen wackligen Stand gebunden und dem armen Tier einen Klapps auf den Hintern verpasst. Der Esel trottete los, riss den Stand um und rannte mitten hinein in den Wagen eines Farbmischers...“, sie musste grinsen, als sie daran dachte. „Der Wagen kippte um und der Platz war knallrot, wir aber auch! Du siehst, wirklich brav war ich nicht,“ meinte sie und strich sich kurz über das Kleid.


    „Darauf trinke ich“, lächelte sie und hob ihren Becher: „Das wir immer Freundinnen bleiben und uns nie für allzu lange Zeit trennen müssen!“ Ein Tropfen ging an die Götter ehe sie ihren Becher leerte. Viel war nicht mehr drin gewesen.


    „Ich bin heute noch mit Valerian verabredet. Leider muss ich dann auch schon so langsam aufbrechen… Was hältst du davon, wenn du nächste Woche bei mir vorbei kommst und wir die Köpfe zusammen stecken. Du weißt schon..“, sie zwinkerte ihrer Freundin zu. Gemeinsam wollten sie ja Laevina eine kleine Falle stellen.

  • "Ja, das weiss ich doch, ich danke dir." entgegnete Serrana mit einem Lächeln und drückte kurz die Hand ihrer Freundin. Dass diese Bereitschaft, der Freundin jederzeit beizustehen, ebenso für sie gültig war, betonte sie nicht nochmal extra. Calvena würde hoffentlich längst wissen, dass sie sich uneingeschränkt auf sie verlassen konnte.


    "Oje, der arme Esel." Kurz überkam sie Mitgefühl bei dem Gedanken an das Tier, das sich sicher furchtbar erschreckt hatte, aber dann musste sie bei der Vorstellung des eingefärbten Marktplatzes doch lachen. "Hat man euch denn nicht erwischt? Die Händler müssen doch furchtbar wütend gewesen sein..."
    Als Calvena ihren Becher hob, tat Serrana es ihr nach und vergoss nun ihrerseits einen Tropfen auf den Boden, bevor sie einen erneuten Schluck trank.


    "Ja, mögen die Götter uns gnädig sein, und uns noch viele gemeinsame Jahre schenken." fügte sie dann hinzu und warf Calvena dann einen bedauernden Blick zu, als diese ankündigte schon wieder aufbrechen zu müssen.


    "Du musst schon wieder gehen? Das ist aber schade...Aber wenn du zu Valerian willst, dann kann ich das natürlich verstehen." Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte sich Serrana nicht vorstellen können, dass man sich so auf das Beisammensein mit einem bestimmten Mann freuen konnte, aber inzwischen wurde sie immer mehr eines besseren belehrt.
    Die geplante Falle für Laevina hatte sie in der Zwischenzeit fast schon wieder vergessen, aber sie war sofort Feuer und Flamme und kicherte. "Ja, natürlich, das werde ich machen. Und du weisst ja, je geheimer sich das Ganze anhört, desto sicherer wird meine Großmutter davon angezogen werden. Das ist einfach ein Naturgesetz, wie bei den Bienen und dem Honig...."

  • Ihre Kindheit war wirklich ziemlich wild gewesen. Sie hatte wesentlich weniger Regeln gehabt, als andere Kinder und sie hatte es auch genutzt. Aber die Aktion mit dem Esel und der Farbe hatte ihr wirklich Ärger eingebracht, nicht nur von ihren Zieheltern, sondern auch von dem Händler. „Wir wurden erwischt“, erklärte sie ihr und zog eine kleine Grimasse. „Das waren die schlimmsten Prügel die ich bekommen hatte und wir mussten den Marktplatz säubern und die Scherben auflesen... Es war wirklich ein gelungener Spaß, aber den Ärger war es dann eigentlich nicht wert“, kicherte sie. „Aber erzähl das ja nie meinen Kindern!“ zwinkerte sie ihr zu.


    Sicher würden die Götter ihnen gnädig sein, sie waren Jung und das Leben mit unter sehr kurz. Gute Freunde waren wichtig. Sie war froh darüber Serrana damals kennen gelernt zu haben. Es hatte ihr viel von ihrem Schmerz genommen. Sie sah in der Iunia auch so etwas wie eine Schwester. Niemals wollte sie dies missen.


    „Wir sehen uns ja sehr bald wieder!“ versicherte sie ihr und umarmte sie dann kurz. „Vale, Serrana. Mögen die Götter über dich wachen. Und Laevina wird sich noch wundern!“ lachte sie zum Abschied und drückte sie noch einmal. Sie freute sich auf Valerian, aber eine Freundschaft wie die ihre war fast wichtiger. Schließlich machte sie sich auf den Weg. Direkt zur Casa Quintilia.

  • So, wie es aussah, schien dieser ungewöhnlich kalte Winter allmählich zuende zu gehen und dem Frühling Platz zu machen. Kaum war Serrana in den Hortus hinausgetreten, da schloss sie für einen Moment die Augen, um die Ende Februar noch etwas schwache Sonne auf ihrem Gesicht und ihren Armen und Händen zu geniessen, bevor sie begann, langsam zwischen den Blumenbeeten und den beiden Brunnen im Garten auf- und abzugehen. Unter einem der griechischen Bäume blieb sie stehen und lächelte, als sie die neuen grünen Triebe an dessen Zweigen entdeckte.
    Einen Moment lang genoss Serrana noch die friedliche Stille um sie herum, dann drehte sie sich zu Adula um, die ihr im Abstand von einigen Schritten gefolgt war.


    "Adula, geh zu domina Axillas Cubiculum und frag sie, ob sie einen Augenblick Zeit hat, um herzukommen und mit mir zu sprechen. Ich werde hier auf sie warten." Adula nickte und verschwand im Haus und Serrana ließ sich seufzend auf einer der steinernen Bänke nieder. Eigentlich hätte sie ihre Cousine genauso gut direkt in deren Zimmer aufsuchen können, aber seit jener Nacht vermied sie diesen Raum, so weit es nur irgendwie möglich war. Ob Axilla wohl kommen würde? Serrana graute ein wenig vor dem bevorstehenden Gespräch und den Dingen, die darin vermutlich zur Sprache kommen würden. Aber wenn sie nicht in knapp sechs Wochen nicht nur dieses Haus sondern auch eine der letzten engen Verwandten, die ihr noch geblieben waren, wie eine Fremde zurücklassen wollte, dann war es höchste Zeit für ein paar offene Worte.

  • Natürlich kam Axilla, als Adula sie in den Garten bat. Schon allein, weil sie so perplex war, dass die Sklavin gesprochen hatte. Adula hatte noch nie mit Axilla gesprochen, und in ihrer Naivität hatte Axilla angenommen, sie sei gar nicht fähig, zu sprechen. Aber sie hatte sie in ruhigen Worten gebeten, zu Serrana in den Garten zu kommen, und zwar verwirrt, aber dennoch freundlich, hatte Axilla auch zugestimmt.


    Es war schon wieder wärmer, wie Axilla bemerkte, als sie den Garten betrat. Frühling lag in der Luft. Bald würde es sicher anfangen, zu blühen. In nichtmal acht Wochen waren auch die Ludi Florales, wenn alles in voller Blüte stehen würde. Axilla freute sich schon darauf, sie hatte die Nase voll vom Winter und den Regentagen.
    “Salve, Serrana. Du wolltest mich sprechen? Ist etwas passiert?“ Offen und neugierig wie immer ging Axilla auf ihre Cousine zu. Auch wenn diese die letzten Tage und Wochen Abstand gehalten hatte, nahm Axilla ihr das keineswegs krumm. Sie hatte eben auch ihre Zeit gebraucht, um über das Geschehene hinweg zu kommen. Wenn es nach Axilla gegangen wäre, hätte sie es ja auch nie erlebt. Aber es war nunmal geschehen. Das war aber kein Grund für sie, deshalb nun Animositäten gegenüber Serrana zu haben. Unbekümmert setzte Axilla sich einfach zu ihr auf die Steinbank und sah sie offenherzig an.

  • Als Axilla den Garten betrat, sah Serrana auf und registrierte zu ihrer nicht geringen Erleichterung, dass ihre Cousine von Tag zu Tag gesünder aussah und auch ihr Gesicht endlich wieder Farbe bekommen hatte. Wenn man daran dachte, in welch elendem Zustand sie noch vor wenigen Tagen gewesen war, dann grenzte diese Erholung schon fast an ein Wunder.
    Axilla setzte sich zu ihr und Serrana rutschte automatisch ein Stückchen zur Seite, um ihr ein bisschen mehr Platz auf der Bank zu machen.


    "Salve, Axilla." erwiderte sie den Gruß ihrer Cousine und überlegte dann fieberhalft, wie sie am besten fortfahren konnte, ohne dass ihre Cousine sich angegriffen fühlte und gleich wieder aufstand und ging. "Ich... ähm....wollte gern mit dir sprechen wegen dem, was in jener Nacht geschehen ist, als du....ähm...du weißt schon..." Ein wenig unsicher sah sie Axilla an und wartete auf deren Reaktion. Je nachdem, wie die auf diese vorsichtige Einleitung reagierte, konnte sie vielleicht eher absehen, wie deutlich sie im weiteren Verlauf des Gesprächs noch werden konnte oder musste.

  • Irgendwie wirkte Serrana nervös, und Axilla hatte schon ein ungutes Gefühl im Bauch. Sie war ja nicht blöd und merkte natürlich, dass Serrana nach wie vor etwas bedrückte, und so naiv war sie nun doch wieder nicht, zu glauben, dass das nichts mit den vergangenen Ereignissen zu tun haben würde. Daher war sie nicht wirklich überrascht, als Serrana angefangen hatte, darüber zu reden. Ihr selbst wäre es zwar durchaus recht, es einfach totzuschweigen, aber sie konnte es der Cousine nicht antun, diese jetzt mit einer schnippischen Bemerkung abzuwürgen. Vor allem, da Axilla die meiste Zeit nicht aufgebracht genug war, um mal schnippisch zu sein, bei Serrana sowieso nicht.
    Axilla sah hoch in die zweige des Baumes. Noch war da nicht wirklich was zu sehen, aber bald würden aus den braunen Knubbeln an den Zweigen grüne Knospen werden, und dann Blüten und Blätter. An ein paar Stellen war sogar schon das erste Grün zu sehen.
    “Ja... es tut mir leid, ich wollte gar nicht, dass du davon was mitbekommst. Aber Leander hat da einfach... naja, es tut mir leid.“
    Axilla wusste nicht, was sie da sagen sollte. Sie hatte nicht gewollt, dass Serrana das mitbekam, schon gar nicht auf diese Weise. Sie hatte das eigentlich allein für sich ausmachen wollen. Und jetzt war erst alles umsonst.

  • Serrana war sich nicht sicher gewesen, wie Axilla auf ihre Eröffnung reagieren würde. Mit einer Entschuldigung hatte sie allerdings überhaupt nicht gerechnet und daher sah sie ihre Cousine mit einer Mischung aus Überraschung und Fassungslosigkeit an.


    "Du wolltest nicht, dass ich etwas davon mitbekomme? Axilla, du bist in jener Nacht fast gestorben und wolltest nicht, dass ich etwas davon mitbekomme?" Sie schüttelte ungläubig den Kopf. "Das begreif ich einfach nicht. Es gibt Situationen, da ist doch einfach alles andere egal. Oder hast du dich so sehr geschämt wegen....wegen des Kindes?"


    So, jetzt war es endlich heraus. Weder Crios, noch Axilla oder Leander hatten jemals offen von einer Schangerschaft bzw der Fehlgeburt gesprochen, aber selbst für die unbedarfte Serrana waren die Anzeichen deutlich genug gewesen.

  • Noch immer sah Axilla nach oben, so dass sie von dem entgeisterten Gesichtsausdruck nur die Hälfte mitbekam. Erst, als Serrana das Kind ansprach, seufzte Axilla einmal leise und wandte ihren Blick der Cousine zu. Unbewusst wanderte eine ihrer Hände zu ihrem Bauch und legte sich dort ganz sanft hin, als wolle sie es abschirmen. Denn dass es noch d war, wusste Axilla ja inzwischen...
    “Naja, es war ja nicht geplant, dass es so schlimm wird. Ich meine... das hätte eigentlich gar nicht so sehr bluten sollen.“ Es fiel Axilla schwer, mit Serrana darüber zu sprechen. Aber auf die Idee, Serrana könne noch gar nicht wissen, dass dieser Abbruch absichtlich geschehen war, kam sie nicht. Also redete sie ganz normal, wenngleich etwas beschämt nuschelnd. “Und natürlich hab ich mich geschämt. Ich meine... ich hab keinen Mann, nicht einmal einen Verlobten... Du weißt ja, wie die Leute reden. Und was hätte ich denn sagen sollen? Nein, es ging ja gar nicht anders.“
    Axilla sah wieder beiseite und betrachtete das vorsichtig herausblitzende Grün in einem nahen Beet. Sie hatte keine Ahnung, was dort für Blumen gepflanzt waren, und noch war nicht zu erkennen, was es werden würde.
    “Und du un Sedulus... das hätte ja auch für euch Gerede bedeutet, und das wollte ich erst recht nicht. Habt ihr jetzt schon einen Termin?“ Dass sie verlobt waren und Sedulus bei Silanus sogar um Erlaubnis gefragt hatte, hatte Axilla inzwischen mitbekommen. So groß war das Haus nicht, und nicht jeden Tag angelte sich eine Iunia einen Senator.

  • Nicht zum ersten Mal während einer Unterhaltung mit ihrer Cousine brauchte es ein Weilchen, bis der Sinn ihrer Worte richtig bei Serrana angekommen war und mit jedem Stückchen, durch das sich das Bild weiter vervollständigte, entglitt ihr der eigene Gesichtsausdruck ein wenig mehr.


    "Was meinst du mit "es hat nicht so sehr bluten SOLLEN?" fragte sie in der stillen Hoffnung, sich vielleicht verhört zu haben, und ihre Stimme wurde deutlich lauter. Kurz erinnerte sie sich wieder an Calvenas Erklärungen und schüttelte sich unwillkürlich, bevor sie ihre Cousine verzweifelt ansah. "Axilla, bitte sag mir, dass du das nicht absichtlich getan hast. Du hast doch nicht wirklich dein Kind umgebracht, oder?" Serrana sprang von der Bank auf und ging aufgebracht ein paar Schritte auf und ab um sich ein bisschen zu beruhigen bevor sie weitersprach und sich größte Mühe geben musste, um nicht allzu wütend zu werden.
    "Und was heißt überhaupt, du hast keinen Mann und noch keinen Verlobten? Das wusstest du doch schon vorher, also bevor du....äh...du weißt schon. Ich kann gar nicht fassen, dass du das nach der Geschichte in Ägypten nochmal getan hast. Oder hat er dich etwa vergewaltigt?" So schlimm das auch sein mochte, im Moment konnte sich Serrana tatsächlich nicht entscheiden, welche Vorstellung schlimmer für sie war: dass ihre Cousine Opfer einer Vergewaltigung geworden war oder sich bewusst ein weiteres mal als unverheiratete Frau mit einem Mann ins Bett gelegt hatte. Axillas letzte Frage ging in Serranas aufkeimender Empörung völlig unter, wie konnte sie aber auch nur auf die Idee kommen, in so einem Moment nach dem Termin für die Hochzeit zu fragen?

  • Ein bisschen verständnislos schaute Axilla zu ihrer Cousine, als diese sich auf einmal so aufregte. “Na, wie ich's gesagt habe...“ war ihre erste, verwirrte Erklärung, aber Serrana schnitt ihr auch schon das Wort ab mit ihrer beinahe verzweifelt klingenden Frage. So wie sie das sagte, konnte man ja fast glauben, sie hätte ein kleines, lebendiges, atmendes Kind eigenhändig erwürgt! Sie hatte doch nur eines abgetrieben! Naja, versucht, aber selbst wenn, da war doch nichts dabei! Diese ganze Ansicht, dass Kinder vor ihrer Namensgebung, also am 8. oder 9. Tag nach der Geburt, einen eigenen Genius, eine Seele, besaßen, das war christliches Geschwafel, was ja sowieso niemand ernst nahm. Vor allem bei der ohnehin schon enormen Kindersterblichkeitsrate. Warum Serrana da so wütend wurde, verstand Axilla wirklich beim besten Willen nicht.
    “Natürlich war das Absicht, was denn sonst...?“ fragte sie also mehr als verwirrt und konnte die Reaktion ihrer Cousine nichtmal im Ansatz nachvollziehen. “Hätt ichs denn einfach bekommen sollen?“ Gut, die Frage war vielleicht etwas überflüssig, vor allem, da das Kind noch da war, aber dennoch. Serrana fing ja schon beinahe an, so wirres Zeug wie Crios zu reden. Axilla saß einfach nur da und glotzte auf die sich echauffierende Serrana wie ein Kalb auf den Mond.
    Als Serrana sie dann aber angriff, weil sie an die Schwangerschaft vorher hätte denken müssen, reagierte Axilla dann doch etwas eingeschnappt. Serrana hatte zwar recht, aber das war ja noch lange kein Grund, das auch so zu sagen! Vor allem mit dieser Anklage darin! Axilla wusste ja, dass es falsch war, aber... sie war ja nicht absichtlich schwanger geworden! Eine beißende Antwort lag ihr schon auf der Zunge, als Serrana plötzlich anfing, von Vergewaltigung zu reden.
    “Verge...? Nein. Nein! Also... er hätte nie... also, wirklich, Serrana, was denkst du nur? Denkst du, ich wär mit ihm noch befreundet, wenn er...? Also, bitte!“ Wie konnte sie nur so von archias denken? Wobei, Moment! Wusste sie denn überhaupt, dass es Archias war? Skeptisch schaute Axilla Serrana an und zog dabei eine Augenbraue fragend nach oben. “Wen meinst du denn überhaupt?“ fragte sie nochmal nach. Immerhin war Vergewaltigung ein wirklich schlimmer Vorwurf. Und grade von einer Iunia würde man in so einem Falle durchaus einen ehrenvollen Selbstmord erwarten, nachdem die ehrenwerte Lukrezia mit dieser Tat quasi die Gens weltberühmt gemacht hatte.

  • Serrana begriff beim besten Willen nicht, wie Axilla derart ruhig bleiben konnte. Völlig entspannt saß sie auf der Steinbank und plauderte von ihrer Abtreibung, als hätte sie nur mal eben einen Kirschkern aus dem Fenster gespuckt. Natürlich war die Vorstellung, als unverheiratete Frau ein Kind zur Welt zu bringen, für die brave Serrana nahezu unvorstellbar, aber Axilla redete ja so unbekümmert daher, als machte ihr das Ganze rein gar nichts aus.


    "Nein, natürlich nicht einfach so." antwortete sie ärgerlich und mit wachsender Ungeduld. "Aber vielleicht hätte es ja auch ein andere Lösung gegeben, nicht so....so....radikal... Warum hast du nicht mit mir darüber geredet, gemeinsam wäre uns bestimmt etwas eingefallen."


    Serrana ließ sich wieder neben Axilla auf der Bank nieder, schüttelte den Kopf und vergrub ihn kurz in den Händen, bevor sie sich wieder aufrichtete und ihre Cousine eindringlich ansah, bevor sie weitersprach. "Nimm es mir bitte nicht übel, Axilla, aber ich begreife einfach nicht, wie du denkst. "Was heisst denn für dich, mit einem Mann befreundet zu sein? Dass man mit ihm schlafen muss? Meine Großmutter hat mal gesagt, Frauen, die solche Freundschaften mit Männern unterhalten sind Fl.... sind leichte Mädchen. Axilla, ich weiß ja, dass du das nicht bist, aber wenn du weiterhin solche Sachen machst, dann wird man dich in Rom früher oder später dafür halten." Bis zu diesem Tag hätte Serrana nie vermutet, dass sie derartige Dinge jemals einem anderen Menschen ins Gesicht sagen würde, noch dazu, wenn es sich dabei um ein liebgewonnenes Familienmitglied handelte. Aber in diesem Fall ging es einfach nicht anders, wenn sie ihrer Cousine heute nicht ins Gewissen redete, würde sie sich immer und ewig Vorwürfe machen. Mittlerweile hatte sie sich ganz schön in Rage geredet, aber Axillas Frage brachte sie dann doch aus dem Konzept und sie sah sie verwirrt an. "Wen ich meine? Wen soll ich schon meinen? Deinen Germanen natürlich, wen denn sonst? In den warst du doch vor ein paar Monaten noch unsterblich verliebt, oder etwa nicht?"

  • Je mehr Serrana sich aufregte, umso mehr geriet Axilla selber in Rage. Was war denn nur los, dass alle Welt auf einmal meinte, ihr Ratschläge erteilen zu müssen, was sie tun und was sie lassen sollte? Das war verdammtnocheins ihr Körper, über den alle fröhlich redeten, als wäre er Gemeineigentum und jeder könne darüber bestimmen, was das beste wäre. Und solange das Kind in ihrem Körper steckte, konnte sie damit tun und lassen, was auch immer sie wollte! So!
    Dass Serrana sie für ein Flittchen hielt, tat aber weh, und Axilla stand demonstrativ auf, um ein paar Schritte von ihr wegzugehen, als sie sich wieder zu ihr setzte. Sowas ließ sich Axilla nicht sagen, von niemandem. Auch – oder vielleicht erst recht nicht – von ihrer Cousine. “Nein, ich steig nicht mit jedem Kerl ins Bett, der mir über den Weg läuft“, schnappte sie ungehalten und wandte sich gerade schon schmollend ab, als Serrana auf Vala zu sprechen kam. Da drehte sie sich doch nochmal um und schaute verwirrt. “Vala? Du... du denkst, Vala wäre? Götter, nein! Vala hat nie auch nur versucht, mich zu drängen.... also, wirklich, Serrana! Du solltest dich echt was schämen, so von ihm zu denken! Hat er dir denn irgendwas getan, dass du...? Also wirklich! Vala ist der ehrbarste und aufrechteste junge Mann, den ich kenne, und er würde niemals etwas so niederträchtiges tun, wie du es vorhin angedeutet hast. Nie!“ Und damit spielte Axilla auf die Unterstellung mit der Vergewaltigung an, die wirklich schon sehr unerhört in ihren Augen war. “Er hat mich immer sehr nett und tugendhaft behandelt. Und mit dem hier...“ Hierbei wanderte eine Hand auf ihren Bauch und blieb dort liegen “...hat er überhaupt nichts zu tun.“


    So, nachdem das geklärt war, soltle Axilla vielleicht mal noch ein paar Dinge klarstellen, hatte sie das Gefühl. “Und was hätte ich denn anders machen sollen? Es gibt in dem Fall nur zwei Möglichkeiten, und das Kind zu bekommen war definitiv keine Option. Dann wäre ich wirklich als Flittchen verschrien, wenn das rauskäme... Und jetzt ist es sowieso egal, was gewesen wäre wenn...“
    Dank Crios wusste Axilla ja schon, dass es nicht funktioniert hatte. Sie mochte sich gar nicht vorstellen, was Archias am nächsten Tag dazu sagen würde...

  • Mittlerweile schien nun auch Axilla wütend zu sein, aber Serrana war selbst so aufgebracht und voll von "heiligem Zorn", dass ihr die heftige Reaktion ihrer Cousine, die ihr normalerweise jeglichen Wind aus den Segeln genommen und sie verschreckt hätte zurückweichen lassen,in diesem Fall tatsächlich egal war.


    "Ich habe doch nie behauptet, dass du mit jedem x-beliebigen Mann schläfst." entgegnete sie ärgerlich und sah Axilla wütend an. So etwas wäre aber auch gar nicht notwendig gewesen, um Serranas strikte "schwarz-weiß-Sicht" in Tugendfragen aus der Bahn zu werfen. Für sie galt nach wie vor und unumstößlich die Formel Verlobung-Heiraten-Sex-Kinder und das Ganze selbstverständlich in genau dieser Reihenfolge. Schon Axillas ominöses Geständnis, ihre Jungfräulichkeit in Ägypten an irgendeinen mysteriösen Soldaten verloren zu haben, hatte Serranas Toleranz in diesen Dingen stark strapaziert, aber irgendwie hatte sie das noch unter jugendlicher Naivität und bösartiger Verführung auf Seiten des Mannes abhaken können. Aber das Ganze ein zweites Mal? Ob ihre Cousine in der Zwischenzeit nun mit nur einen oder auch mehreren anderen Männern geschlafen hatte, war für Serrana eigentlich fast schon egal, es war so oder so in ihren Augen einfach nur entsetzlich unanständig.


    Axillas glühende Verteidigungsrede zu Valas Gunsten war da allerdings schon etwas anderes und Serrana sah ihre Cousine überrascht an. "Wie jetzt? Vala war es gar nicht? Aber wer war es denn dann? Allmählich verstehe ich überhaupt nichts mehr..." Sie massierte sich kurz die mittlerweile schmerzenden Schläfen und sah ihre Cousine dann wieder verwirrt an. "Und was meinst du mit 'es ist jetzt sowieso egal'? Auch wenn das Kind weg ist, egal ist es bestimmt nicht, was in jener Nacht passiert ist. Was ist denn, fallls du jetzt für den Rest deinens Lebens keine Kinder mehr bekommen kannst? Sowas kann bei einer Abtreibung nämlich passieren, das habe ich vor kurzem erst gehört. Dann könnte dich dein späterer Ehemann ganz einfach wieder zurückschicken, das wäre doch schrecklich...."

  • “So hörte es sich aber an!“, kam postwendend als erste, giftige Antwort auf Serranas Verteidigung. Natürlich hatte sie nicht gesagt, das sie Axilla für eine Schlampe hielt, der unterschwellige Vorwurf war aber bei Axilla genau so angekommen, als hätte sie eben jenes gesagt. Und das ließ sich Axilla natürlich nicht sagen! Sie wusste um ihre Fehler, aber für sie wäre es kein Weltuntergang gewesen, dass sie keine Jungfrau mehr war. Natürlich war es ehrenvoller, wenn eine Frau sich für ihren ersten Mann aufsparte, aber in einer Gesellschaft, wo man sich einfach und unbürokratisch auch scheiden lassen konnte, und Ehen je nach den politischen Gegebenheiten auch mal schnell neu geschlossen wurden, war das nun wirklich nichts so überwältigend schlechtes. Also nahm Axilla das auch nicht so schwer. Solange eine uneheliche Beziehung nicht aufflog, war es eigentlich egal. Und solange niemand schwanger wurde...


    “Ich kann noch Kinder kriegen...“, murmelte Axilla mehr als Erwiderung auf Serranas Vorwürfe. So hatte sie sich das Gespräch sicher nicht vorgestellt, als sie vor einigen Momenten noch hier hergekommen war. Wenn sie das gewusst hätte, wär sie wohl auch nicht gekommen. Problembewältigung war nicht unbedingt Axillas Stärke.
    “Und überhaupt“, versuchte sie abzulenken, um auf die Fragen nicht antworten zu müssen, “man kann sich doch nicht immer mit einem 'was wäre, wenn' aufhalten. Ich kann auch aus der Tür gehen und von einem herabfallenden Dachziegel erschlagen werden. Oder von einem Räuber erstochen werden. Ich könnte beim Gang über den Markt verschleppt und vergewaltigt werden. Soll ich jetzt gar nicht mehr aus dem Haus gehen, weil das passieren könnte? Oh, aber im Haus bleiben geht auch nicht, denn die können einstürzen.“ Nun, dieses vielleicht nicht, aber in der Subura stürzte andauernd irgendwo eine Insula ein, weil sie mit zu dünnen Ziegeln zusammengebaut worden war. “Man kann nicht in Angst leben. Also versuch nicht, mir welche einzureden.“
    So, die Arme noch vor der Brust verschränkt, machte Axilla ihren Standpunkt wohl deutlich klar. Aber sie sah es auch gar nicht ein, sich da von Serrana irgendwelche Vorwürfe machen zu lassen. Die wusste ja gar nicht, was alles geschehen war, und Axilla wollte es ihr sicher auch nicht haarklein erklären.

  • Serrana sah ihre Cousine an, während diese sich aufregte und empfand zunehmend Ratlosigkeit.In den Wochen seit Axillas Ankunft in Rom hatte Serrana sich eingebildet, ihre Cousine ein wenig kennengelernt zu haben und sich ihr zunehmend verbunden gefühlt. Mit einem nicht unerheblichen Maß an Naivität war sie davon ausgegangen, dass das Vertrauen, das sie Axilla entgegenbrachte, auf Gegenseitigkeit beruhte und dass sie beide, wenn schon nicht die gleichen, dann doch immerhin ähnliche Wertvorstellungen besaßen. Dieses schön gezeichnete Bild begann jetzt jedoch nach und nach auseinanderzufallen, und Serrana hatte plötzlich das Gefühl, ihr Gegenüber gar nicht wirklich zu kennen und auch dessen Gedankengänge nicht nachvollziehen zu können.


    "Was redest du denn da nur für ein dummes Zeug?" fragte sie mit ungewohnter Heftigkeit. "Was hat denn deine Schwangerschaft mit einem Dachziegel oder einem einstürzenden Haus zu tun? Das sind schließlich Dinge, die uns Menschen einfach passieren, und auf die wir keinerlei Einfluss haben. Und das wird bei der Entstehung deines Kindes ja wohl nicht der Fall gewesen sein, oder willst du mir vielleicht erzählen, dass irgendein Gott im Schlaf über dich gekommen und ist und dieses Kind gezeugt hat?" Serrana schüttelte fassungslos den Kopf und war versucht, sich die Haare zu raufen, bevor sie weiterredete. "Wenn du nicht willst, dann brauchst du mir nicht zu erzählen, wer der Vater deines Kindes war, aber du solltest dir lieber nicht einbilden, dass ein späterer Ehemann ebenso erfreut über deine "Großzügigkeit" in diesen Belangen sein wird, wie dein sogenannter "Freund". Und ob du noch Kinder bekommen kannst oder nicht, wirst du wohl so schnell nicht erfahren, es sei denn, du hast vor, es gleich wieder darauf ankommen zu lassen." Mit verschränkten Armen und einem finsteren Seitenblick auf Axilla ließ Serrana sich wieder auf der Steinbank nieder. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal derart über einen anderen Menschen aufgeregt hatte.

  • Natürlich war es dummes Zeug, was Axilla redete. Aber ein 'Du hast recht, aber meine Meinung gefällt mir besser' klang bei weitem nicht so gut. Außerdem hätte Axilla dann eingestehen müssen, dass sie etwas unrechtes getan hatte. Zu dieser Selbstdiagnose zu kommen lag aber außerhalb ihrer kritischen Kapazitäten.
    “Natürlich nicht! Als ob die Götter nichts besseres zu tun hätten...“ Axillas Meinung zu den Göttern war eben keine besonders hohe. Zum Glück war das in der römischen Welt auch nicht weiter von Belang, ging es doch eher um die richtige Durchführung denn um irgendwelche Inbrunst.
    Bei den folgenden Worten knurrte Axilla einmal wütend, weil sie gar nicht wusste, was sie da hätte sagen sollen. Die meisten Männer erkannten den Unterschied doch nichtmal, wenn man sich nicht bescheuert anstellte. Grade bei arrangierten Ehen mit älteren Herren war es doch so, dass diese diese Feinheit meist verlernt hatten, da sie ihre Bedürfnisse ohnehin meist an sich wehrenden Sklavinnen stillten. Die Aussicht auf so eine Ehe war zwar alles andere als berauschend, aber die musste nicht besonders lange halten. Axilla würde wohl nie eine univira werden, aber das nahm sie nicht so ernst. Solange sie nur irgendwann einen Sohn hatte, der das Erbe ihres Vaters antreten konnte... das war ihr höchstes Ziel.
    Dennoch stapfte sie wütend einmal hin und her, ballte die Hände drohend zu Fäusten und mahlte mit den Zähnen aufeinander. Woher sie wusste, dass sie nicht unfruchtbar war? “Es ist noch da!“ maulte sie kurz und stapfte dann weiter, drehte sich von Serrana weg und blieb mit dem Rücken zu ihr stehen. So, jetzt war es raus. Jetzt konnte die Cousine denken, was immer sie wollte.

  • Na immerhin in einem Punkt waren sie mal einer Meinung...Serrana hatte Zeit ihres Lebens einen derartigen Respekt vor den Göttern gehabt, dass ihr im Nachhinein sogar ihre eigene Bemerkung fast frevelhaft erschien und sie ein wenig über die Heftigkeit ihrer Reaktion erschrocken war. Aber irgendwie schien es Axilla zu gelingen, ihre Cousine mit ihren Anmerkungen aus der Reserve zu locken, das war bei ihrem ersten wirklich persönlichen Gespräch im Dezember auch nicht anders gewesen.
    Als Axilla ihr dann auch noch den Rücken zudrehte, war Serrana kurz davor, aufzustehen und wieder ins Haus zu gehen, doch dann murmelte ihre Cousine etwas vor sich hin, und Serrana blieb mit offenem Mund sitzen.


    "Was hast du gesagt? Es ist noch da? Was ist noch da?"schoss sie eine Frage nach der anderen ab, obwohl sie im Grunde sicher war, Axillas Bemerkung richtig verstanden zu haben und es nur nicht wahrhaben wollte.


    "Du sprichst von deinem Kind, oder?" hakte sie überflüssigerweise noch einmal nach, und spürte zu ihrem eigenen Entsetzen weder Erleichterung und Freude noch Empörung und moralische Entrüstung angesichts dieser Enthüllung sondern nur einen schier übermenschlichen Drang zu lachen. Einen kurzen Moment lang gelang es ihr noch sich zu beherrschen, aber dann konnte sie gegen das hysterische Kichern nichts mehr unternehmen und es brach einfach aus ihr heraus.


    Was für eine absurde Situation! Axilla war bei dem Versuch, ihre ungewollte Schwangerschaft zu beenden, nur um Haaresbreite einem elenden Tod entgangen und war nach wie vor nicht völlig wiederhergestellt und sie selbst litt seit jener Nacht unter Albträumen und Angstzuständen. Aber das Kind ihrer Cousine lebte immer noch...


    "Bitte glaub nicht, dass ich mich über dich lustig machen will, aber die Überraschung ist dir wirklich gelungen" stieß sie während zweier nur schlecht unterdrückter Kiekser hervor und beruhigte sich nur ganz allmählich wieder. "Aber ein deutlicheres Zeichen kannst du kaum erwarten. Dein Kind hängt ganz offensichtlich an seinem Leben, sonst hätte es diese Nacht bestimmt nicht überstanden. Und wenn es wirklich so zäh ist, wie es den Anschein hat, dann hat Fortuna vielleicht noch großes mit ihm vor."


    Serrana wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, ging die paar Schritte zu ihrer Cousine hinüber, die immer noch wie ein Häufchen Elend auf der selben Stelle stand und legte ihr sanft von hinten die Hand auf die Schulter. "Axilla, ich kann deine Handlungsweise beim besten Willen weder verstehen noch gutheissen, aber ich werde dir helfen, das versprech ich dir. Schließlich sind wir immer noch eine Familie."

  • Häuflein Elend? Wohl kaum. Axilla fühlte sich viel zu wütend, um elend zu sein. Wütend auf sich selber, wütend auf das Kind in ihr, wütend auf Serrana, die sich erlaubte, ihr Vorwürfe zu machen, wütend auf die Gesellschaft, die so strikte Regeln vorgab, wütend auf die Götter, die sich einen derben Spaß mit ihr erlaubten, einfach wütend auf alles.
    Serrana fragte erstmal nach, und Axilla riss sich zusammen, sich nicht zu ihr umzudrehen und sie niederzubrüllen. Ja, das verdammte Kind, das sie nicht hatte haben wollen, dieses Kind war noch da! Von genau dem redete sie! Wovon denn sonst?
    Und dann lachte Serrana! Axilla drehte sich kurz ruckartig halb zu ihr herum und starrte sie nur entgeistert an, wie sie dastand und lachte, kicherte und gluckste. Was war denn bitte daran lustig? Axilla hatte just in diesem Moment nicht wenig Lust, ihre Cousine, die sie sonst für so lieb und zart und rein hielt, blutig zu prügeln. Sie wandte sich von ihr ab und ging ein paar Schritte, um nicht in Versuchung zu geraten, eben jenes zu tun.
    Und erst die Aussage dann! Axilla verdrehte die Augen gen Himmel und starrte ins kalte Frühlingsblau über ihr hinauf. Fortuna hatte einen Plan mit dem Kind? Dann sollte doch bitte sie es bekommen. So ein Schwachsinn! Ein Zeichen sollte das sein? Wofür? 'Wenn du willst, dass es richtig gemacht wird, vertrau keinem Peregrinen', oder was? Sie schnaubte und blieb noch eine Sekunde stehen, als sie auch schon Serranas Hand auf ihrer Schulter fühlte und die nächsten Worte hörte.
    Und dann reichte es Axilla! Sie drehte sich so schnell auf den Hacken um, dass Serrana noch direkt vor ihr stand, als sie ihr die Hand wütend beiseite schlug. Außer sich vor Zorn beugte sich Axilla aggressiv vor, um ihrer Cousine direkt ins Gesicht brüllen zu können. “Ich will aber deine verdammte Hilfe nicht! Ich will von niemandem die Hilfe, und die scheiß Götter mit ihren scheiß Plänen für dieses scheiß Kind können mich mal!“ Sie schaute noch einen Moment wie eine Wahnsinnige, die kurz davor war, ihr Gegenüber zu zerfleischen, und fügte noch ein nicht minder wütendes “Scheiße!“ an, ehe sie an Serrana vorbeistapfte.
    Natürlih meinte sie das nicht so, auch wenn sie wenig von den Göttern hielt, würde Axilla sie nicht so beleidigen. Aber in der Wut sagte man schnell Dinge, die man gar nicht so meinte.
    Sie wollte eigentlich nun nach drinnen stapfen, ihre Gleichgültigkeit demonstrieren, ihr die eiskalte Schulter zeigen und so als überlegen aus dem Geplänkel gehen, aber sie war zu wütend. Es reichte noch nicht. Auf halbem Weg blieb sie nochmal stehen, drehte sich um und brüllte weiter.
    “Und was heißt da gutheißen? Hab ich dich um Erlaubnis gefragt? Ich brauch von niemandem eine Erlaubnis!“
    Wieder ein paar wütende Schritte, dann nochmal umgedreht und weitergemault. “Und überhaupt, was weißt du denn schon? Bist zum ersten Mal verliebt und denkst, du weißt alles darüber!“
    Wieder umgedreht und weitergelaufen, nur um zu merken, dass es nicht besser wurde. Axilla blieb stehen, atmete einmal ganz tief durch. Half auch nicht. Vor ihr stand ein aufgerichteter Pfeiler aus Holz, ein Teil des Laubengangs, an dem der Wein emporwuchs. Wütend boxte Axilla so heftig dagegen, dass das Holz knirschte. Schmerz zuckte durch ihre Hand, und für einen kurzen Moment half es, die Anspannung in ihrem inneren zu lindern.

  • Serrana fuhr entsetzt zurück, als Axilla sich plötzlich umdrehte und ihr wie eine Furie fast ins Gesicht sprang. Dass ihr hilfloses Gekicher nicht gut ankommen würde, hatte sie ja bereits befürchtet aber in ihrer moralischen Entrüstung war ihr gar nicht bewusst, wie selbstgerecht ihre Ansprache auf die ohnehin schon wütende Cousine wirken musste.


    Schlagartig von ihrer Heiterkeit und auch so mancher naiven Illusion befreit, rückte sie noch ein paar weitere Schritte von Axilla ab und rieb sich die schmerzende Hand. Axillas laut geschriene Worte waren ungemein verletzend, aber sie machten Serrana auch Angst.


    "Axilla, was redest du denn da?" fragte sie tonlos und alles andere als sicher, ob ihre Cousine sie in ihrer Rage überhaupt hören konnte oder wollte. "Sprich doch nicht so über die Götter, ich bitte dich. Wer weiß, wie sie reagieren werden, wenn du sie derartig beleidigst. Es muss dir doch klar sein, dass sie dir noch viel mehr antun können als ein uneheliches Kind..."


    Immer noch fassungslos beobachtete sie Axillas Wutmarsch durch den Garten und zuckte bei ihrem Schlag gegen den Holzpfeiler zusammen. Das hatte wirklich schmerzhaft ausgesehen, aber Serrana machte keine Anstalten, noch einmal zu Axilla hinüberzulaufen. Auch wenn sie es sich nicht eingestand, so hatte ihr Stolz doch gerade einen ordentlichen Schlag abbekommen und davon musste sie sich erstmal wieder erholen.
    Wieder verschränkte sie die Arme vor ihrem Körper, auch wenn die Bewegung diesmal etwas Schützendes hatte, und setzte sich zurück auf die Bank.


    "Natürlich brauchst du meine Erlaubnis nicht." sagte sie immer noch leise und spürte plötzlich nur noch Müdigkeit. "Ich war nur so dumm anzunehmen, dass meine Meinung irgendeine Bedeutung für dich hat. Aber keine Sorge. So schnell werde ich sie dir nicht wieder aufdrängen, genauso wenig wie meine Hilfe, auf die du ja offensichtlich noch weniger Wert legst." Dass sie sich jetzt vermutlich anhörte wie ein beleidigtes Kind, war Serrana herzlich egal, schließlich hatte Axilla sie gerade auch genauso abqualifiziert. "Und ich denke nicht, dass ich alles darüber weiß, ganz im Gegenteil. Aber ich weiß, dass du einen Fehler gemacht hast, und im Grunde weißt du das selbst auch."

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