hortus | Von bunten Blättern und letzten Sonnenstrahlen

  • Der rauen Zweige mit ihren fingerlangen, grünen Blättern und den roten, erbsengroßen Beeren bildete einen netten Kontrast zu der safrangelben Bodenvase, in welche sie jemand gestellt hatte. Neben dem dunkel gemaserten Holz von Priscas cubiculum wirkten die Farben noch strahlender. Ich war inzwischen seit anderthalb Tagen – von denen ich etwa einen ganzen Tag mit der Menschwerdung in Form von Rasur und Bad verbracht hatte - wieder auf den Beinen und fühlte mich kräftig genug, einen kleinen Spaziergang durch den Garten zu wagen und die Geschehnisse der letzten Zeit aus dem Munde meiner lieben Nichte zu hören. Mit einer wärmenden paenula von tiefroter Farbe über der normalen tunica hatte ich mich also aufgemacht, Prisca zu besuchen. Eine Sklavin hatte mir gesagt, dass sie sich im Hause befand, doch ob sie sich in ihrem Zimmer aufhielt, hatte sie mir nicht sagen können. Deswegen stand ich auf gut Glück hier und klopfte, ehe ich mir aus der Linken zwei Haselnüsse in den Mund fallen ließ und wartete. Eigentlich mochte ich Nüsse nicht besonders, Kandiertes oder getrocknete Apfelscheiben waren mir weitaus lieber. Doch Niki war recht energisch gewesen mit der Behauptung, Nüsse wirkten kräftigend und seien leicht bekömmlich. Nun, sättigend waren sie, und bisher hatte ich auch alles bei mir behalten. Aber über Geschmack ließ sich bekanntlich streiten. Ich klopfte erneut.

  • Es klopfte einmal … dann sogar ein zweites Mal.


    Wer ist denn um diese Zeit so penetrant? Ausgerechnet jetzt"Nun geh schon zur Tür und sieh nach, wer da draußen steht!", seufzte Prisca etwas genervt zu Saba, da sie im Moment eigentlich nicht die Hände von einander lassen konnten.


    Sie und Saba standen einander gegenüber vor dem Spiegel, mit verschiedenen Stoffen um die Schultern hängend und sie versuchten daraus gerade, den Passenden für das neue Abendkleid der Aurelia auszuwählen, welches unbedingt in ein paar Tagen fertig gestellt sein sollte.


    "Ja Herrin. Moment, … halte das mal kurz. Danke!", erwiderte Saba ergeben und lud kurzerhand die Stoffe von den eigenen Schultern, auf die ihrer Herrin um. Dann huschte die Sklavin zur Türe und öffnete diese.


    "Du Herr??? … ehm, es … es ist dein Onkel Herrin", stammelte Saba etwas überrascht, den Hausherrn nach so langer Krankheit endlich wieder auf den Beinen zu sehen.


    "Mein Onkel ?" Mit diesen Worten war Prisca auch schon an der Türe und drückte Saba die Stoffe in die Hände, ohne die Sklavin weiter zu beachten.


    "Du meine Güte ... Marcus!", rief Prisca verwundert und leicht schockiert beim Anblick ihres Onkels aus. Er sieht gar nicht gut aus. Die Wangen leicht eingefallen, ganz blass und der Blick noch so müde … Na ja, auf alle Fälle besser wie noch vor wenigen Tagen, als das Fieber ihn noch ans Bett gefesselt hat Der erste Schock war jedoch schnell überwunden und machte der Erleichterung Platz, den Onkel wieder wohlauf zu sehen (oder zumindest auf den besten Weg dorthin).


    "Wie fühlst du dich? Möchtest du herein kommen? Was führt dich zu mir?", waren Priscas nächste Fragen, wobei sie Marcus fragend und gleichzeitig etwas irritiert ansah. Ursus wird ihm doch hoffentlich nichts von unserem kleinen Abenteuer erzählt haben? Oder hörte Prisca am Ende schon die Flöhe husten?


    Wie auch immer. Prisca war jedenfalls überglücklich, dass Marcus die schwere Krankheit endlich überwunden hatte und so schmiegte sie sich, ohne weiteres Zögern, an ihren Onkel an und meinte nur noch leise schluchzend: "Ich bin so froh, dass du wieder gesund bist. Ich hatte solche Angst um dich ... War Marcus doch so etwas wie ihr großer Bruder und der einzige nahe Verwandte den sie - seit dem Tod ihrer Mutter - noch hatte.

  • Stimmen waren zu vernehmen, dann näherten sich Schritte von innen. Ich setzte gerade noch rechtzeitig ein schiefes Lächeln auf, ehe die Tür geöffnet wurde und Saba mich ungläubig anblinzelte. Nun, scheinbar war die Nachricht des wiederauferstandenen Toten noch nicht bei allein angekommen, dachte ich amüsiert. "Guten Morgen, Saba. Ist meine Nichte da?" fragte ich. Während der letzten Worte rauschte Prisca auch schon heran und flog mir in die Arme. Die arme Saba indes wurde von einem Wust an Stoffen begraben und formte sie leise zeternd zu einem Pulk, den sie kurzerhand auf Priscas Bett ablud, um sie dort besser ordnen zu können.


    Priscas Parfum stieg mir in die Nase und kribbelte dort leicht, ihr Haar tat sein übriges, sodass ich ein Niesen gerade noch so unterdrücken konnte. Zeitgleich bombardierte sie mich mit Fragen, und plötzlich brach sie in Tränen aus und ließ mich damit vom einen zum anderen Augenblick verwirrt dastehen. Ich schloss meine Arme um sie und drückte sie kurz an mich. In jenem Moment wurde mir wieder einmal bewusst, dass ich Glück hatte mit meiner Familie. Ich seufzte tief in dieser Erkenntnis und begann hernach, die Fragen zu beantworten. "Immer der Reihe nach... Mir geht es eigentlich ganz gut, allerdings weiß ich kaum die Hälfte von den Dingen, die letztens geschehen sind. Deswegen komme ich dich auch besuchen. Ich dachte, wir könnten einen kleinen Gartenspaziergang machen und du erzählst mir, was passiert ist?" Ganz unverfänglich war mein Tonfall. Aber natürlich konnte es für Prisca durchaus so wirken, als versuchte ich lediglich zu ergründen, was genau bei ihrem Abenteuer geschehen war - von dem ich nichts wusste, denn Ursus hatte Wort gehalten. "Na, nun aber... Weine nicht, mir geht es gut", suchte ich sie zu beruhigen. Mit einem aufmunternden Lächeln wischte ich mittels Daumen die Träne ab, die sich soeben über ihre Wange davonstehlen wollte. "Also, wie sieht es aus?" fragte ich sie enthusiastisch und mit Seitenblick auf Saba, welche die Stoffe ordentlich faltete. "Hast du Zeit oder bist du beschäftigt?"

  • "Natürlich habe ich Zeit für dich", erwiderte Prisca ohne lange nachdenken zu müssen. Zwar musste dieses Kleid unbedingt für den bevorstehenden Frauentreff bei den ludi romani fertig gestellt sein, doch wofür hatte man schließlich Sklaven. "Saba! .. Du weißt was du zu tun hast. Wir bleiben bei dem roten Stoff. Du fängst am besten gleich mit dem Nähen an, damit es rechtzeitig fertig wird.", gab Prisca über die Schulter ein paar Anweisungen an die Sklavin, ehe sie schnell die Tränen beiseite wischte und dabei blinzend zu Marcus hoch lächelte.


    "Ein Spaziergang im Garten? Oh das ist eine wunderbare Idee. Wir beide waren schon so lange nicht mehr zusammen dort."Hmm, führt er etwas im Schilde? Einen Augenblick lang mustere Prisca ihren Onkel skeptisch wegen seiner Bemerkung über die Geschehnisse, dann aber hakte sie sich einfach bei Marcus unter, so als wolle sie ihn ein wenig stützen und zog ihn sanft in Richtung hortus mit.


    "So so, du möchtest also lediglich von mir erfahren was alles geschehen ist, während du krank warst.", wiederholte Prisca mit einem leicht vorwurfsvoll neckenden Tonfall das Anliegen, so als ob Marcus keinen anderen Grund kannte, um seine Nichte zu besuchen. "Hat Ursus dir das nicht schon längst erzählt?", fragte sie im selben Atemzug nach denn es war durchaus nahe liegend anzunehmen, dass sein Weg ihn zuerst zum stellvertretenden Familienoberhaupt geführt hatte. Er weiß doch hoffentlich nichts von meinem Abenteuer … oder hat Ursus es ihm doch verraten?, versuchte sie dabei zu ergründen ob ihr Onkel sich nur unwissend stellte - oder nicht.


    Gemächlichen Schrittes erreichten sie indes die Pforte zum Garten, welche von zwei Sklaven, mit einer tiefen Verbeugung, sofort geöffnet wurde. Hell und warm schien ihnen daraufhin die Spätsommer-Sonne ins Gesicht, wobei eine leichte kühle Brise das Nahe Ende des Sommers unweigerlich erkennen ließ. Prisca zog den Schal etwas enger über die Schultern und kuschelte sich ein wenig mehr an Marcus an während sie in den prachtvoll angelegten Garten hinaus traten. "Schön nicht wahr … diese Farben und der Duft der Blumen … Schade nur, dass schon bald wieder graue Tage auf uns zu kommen ...", seufzte Prisca leise und leicht melancholisch vor sich hin, den Blick dabei über die blühende Pracht schweifend ... "Tja wo soll ich anfangen zu berichten? Es ist eigentlich gar nicht so viel aufregendes passiert, überlegte Prisca für sich, was von dem wenigen sie Marcus zuerst erzählen sollte ...

  • Bei der prompten Antwort setzte ich ein zufriedenes Lächeln auf und wartete, bis Prisca mit Saba fertig war. Ich wurde hellhörig - gleich mit dem Nähen beginnen? "Nanu, was hast du denn vor, meine Liebe?" erkundigte ich mich interessiert. Es galt doch nicht etwa, einen unangemessenen Verehrer zurechtzuweisen? Ein wenig skeptisch beäugte ich zunächst die grellrote Farbe des Stoffes, dann meine Nichte und versuchte mir dabei vorzustellen, wie sie darin wohl aussehen mochte.


    Einen Moment später waren wir aus dem Zimmer heraus und ich hatte Prisca am Arm. "Ja, und so ein Spaziergang eignet sich bestens dazu, herauszufinden, was ich alles verpasst habe", bemerkte ich gut gelaunt und steuerte gemächlich den Garten an. Vorbei an einigen Vasen und Skulpturen, die mir so gar nicht bekannt vorkamen und entlang an dem hübschen Wandteppich, den Prisca mir mitgebracht hatte, erreichten wir alsbald den Garten, der zu dieser Jahreszeit mit einem grandiosen Farbenspiel nicht eben geizte. Ich wandte mich mit Prisca nach links, um eine große, gemütliche Runde zu beginnen, die uns zunächst am Gartenteich entlang führen würde. Die Blüten der Seerosen waren inzwischen verblüht, und es gab nur mehr große, dunkelgrüne Blätter, unter denen hier und dort ein Fischschwanz zu sehen war. Priscas Bemerkung spiegelte meine eigenen Gedanken wider. "Ja. Da muss man es noch einmal ausnutzen und das Spektakel in Erinnerung behalten. Ich kann mich kaum sattsehen an diesen Farben..." Ich warf Prisca einen prüfenden Seitenblick zu. "Aber nun erzähl mir doch, was du so unternommen hast. Ich hoffe, du hast dich nicht nur gelangweilt? Brix hat erzählt, dass du in letzter Zeit öfter außer Haus warst." Und mehr hatte ich nicht aus ihm herausbekommen können. Diplomatisch wie er war, hatte er mich gebeten, mir die Informationen direkt von Prisca zu holen, was mich überaus misstrauisch hatte werden lassen. Entsprechend aufmerksam betrachtete ich nun Prisca - was wir beide nicht wussten, war, dass Brix damit die neuen Bekanntschaften gemeint hatte, die Prisca gemacht hatte, und auch diesen Ausflug zu Minervina. Bei dem Gedanken an den Brief allerdings seufzte ich leise.

  • Was ich vor habe?"Das verrate ich dir, sobald wir im Garten sind", hatte Prisca die Frage ihres Onkels schnell zurück gestellt da sie sich im ersten Moment nicht sicher war, was ihr Onkel nun genau wusste oder nicht oder, ob er nur so tat als wisse er von nichts. Aber wer außer Ursus hätte ihm davon erzählen können? Laevina bestimmt nicht! Auf dem Weg in den Garten verflog die anfängliche Befürchtung schnell wieder, denn der Cousin war ja zwischenzeitlich wieder nach Mantua gereist und so konnte er noch gar nicht mit Marcus darüber gesprochen haben. Oder hat er ihm vielleicht einen Brief da gelassen? … , leicht nervös kaute Prisca an der Unterlippe herum, in der Hoffnung es würde ihrem Onkel nicht weiter auffallen, dass sie ihn erst einmal mit dem Anblick seines geliebten Garten abzulenken versuchte.


    Was scheinbar gelang! Zumindest eine Zeitlang schritten sie eher versonnen durch die herbstlich bunte Idylle und genossen zu Zweit die vielen schönen Eindrücke, die der Garten in seiner "Unberührtheit" bot. Zitat: "Ja. Da muss man es noch einmal ausnutzen und das Spektakel in Erinnerung behalten. Ich kann mich kaum sattsehen an diesen Farben..." "Ja das stimmt, ich bin in letzter Zeit übrigens sehr oft hier. Dieses Spek..takel sollten wir wirklich in guter Erinnerung behalten.ehem ..." Prisca räusperte sich leise als sie das Wort 'Spektakel' vernahm und gleichzeitig den prüfenden Blick ihres Onkels bemerkte. Ach herrje, von dem geplanten Fest weiß Marcus ja auch noch nichts. Wie soll ich ihm nur beibringen, dass wir seinen geliebten hortus etwas umgestalten wollen?, überlegte Prisca stumm, die Augen auf eine von den Hecken gerichtet, die wegen dem geplanten Spektakel von da verschwinden sollte. Auch so ein Thema das sie ihrem Onkel - so kurz nach seiner Genesung - eigentlich nicht zumuten wollte.Zitat: "Aber nun erzähl mir doch, was du so unternommen hast. Ich hoffe, du hast dich nicht nur gelangweilt? Brix hat erzählt, dass du in letzter Zeit öfter außer Haus warst."


    Brix? Oh nein! Hat dieser Sklave ihm am Ende von dem peinlichen Ausflug erzählt? Marcus drängte bereits wieder nach Informationen und Prisca wusste nicht so recht wo sie anfangen sollte. Jetzt wäre doch die Gelegenheit, um auf die Anfangsfrage zurück zu kommen! "Nein, nein keine Sorge, Langeweile habe ich ganz sicher nicht. Ich habe mittlerweile viele gute Bekannte und Freunde hier in Rom gefunden. Du wolltest doch wissen, was ich vor habe? Also, … zu den Ludi Romani werde ich mich mit ein paar Freundinnen treffen und danach sind wir zu einer cena bei den Iuniern eingeladen. Ich hoffe sehr, dass Celerina auch mitkommen will, zumal jene Germanica auch dabei sein wird, mit der sie sich fast gestritten hätte wegen diesem [SIZE=7]kretischen[/SIZE] … naja egal, jedenfalls will ich mit einem ganz besonderen Kleid glänzen und dafür ist der Stoff gedacht, den du vorhin gesehen hast. Das Kleid soll übrigens im ägyptischen Stil gehalten sein, mit Hieroglyphen aus Goldfäden und so … dazu Goldschmuck und Perlen. Glaubst du mir steht so etwas? plapperte Prisca munter drauf los ohne zu ahnen, dass sie an dem Tag beinahe von einem Bären gefressen werden würde. Sonst hätte sie sich vielleicht mehr Sorgen um sich selbst, als um ihren Onkel gemacht:"Aber wollen wir uns nicht erst einmal setzten? Du musst dich schließlich schonen, so kurz nach deiner schweren Krankheit!", unterbrach sich die Aurelia kurz. Mit fürsorglicher Stimme und sanfter Bestimmtheit dirigierte sie gleichzeitig den Onkel zu einer Marmorbank neben dem Teich und dachte sich: Im sitzen kann er mir wenigstens nicht umfallen. Je nachdem ob Marcus gleich schockiert wäre oder einfach einschlafen würde, wenn sie noch weiter in die Details gehen würde …

  • Prisca, Prisca. Ihr Glück - und meines auch - war es, dass ich in jenem Moment einfach nur die Sonnenstrahlen genoss, die zwar nicht äußerlich wärmten, es jedoch innerlich taten. Hätte ich von diesem Fest gewusst und von der damit verbundenen Umstrukturierung, ja Renaturierung! des Gartens, wäre mein herz vermutlich schlagartig in einen ungezügelten Galopp gefallen. So aber ließ ich den Blick besonnen schweifen, über eben jene saepes non grata, und die daran angrenzenden Blumenrabatten und seufzte tief. Allein der Anblick trug zur Entspannung bei, fand ich. Auf Priscas Lippengekaue achtete ich dabei nicht, was ihr sicher nur recht war.


    Erst, als sie gestand, öfter hier zu sein demletzt, wandte ich den Kopf und sah sie an. "Tatsächlich?" Konnte es denn sein, dass sie begann, sich auch an Farben und Formen zu erfreuen, sich gar für die einheimische wie fremdländische Pflanzenwelt zu interessieren? "Ah, na dann bin ich beruhigt", erwiderte ich anschließend auf ihre Zusammenfassung bezüglich der Freundinnen. "Ein Fest ist sicherlich etwas sehr Nettes für ein Mädchen in deinem Alter. Celerina hat eine Einladung für die fontinalia erhalten, ins Haus der Germanicer. Ich denke, ich werde nicht darum herumkommen, dort mitzugehen... Sie hat mich ausdrücklich darum gebeten." Für mich war Prisca schließlich immer noch mein Mädchen, auch wenn sie inzwischen eine junge Frau war. Doch das übersah ich nur zu oft und zu gern, denn eine Heirat hätte bedeutet, dass sie nicht mehr hier im Hause lebte. "Ägyptische Hieroglyphen aus goldenen Fäden?" Ich versuchte wahrhaftig, mir das vorzustellen. Meine Stirn runzelte sich und ich ging ein wenig langsamer, aber meine Vorstellungskraft reichte nicht ganz aus, um mir Prisca in diesem Kleid vorzustellen, von dem ich vorhin lediglich einen Blick auf den Stoff hatte erhaschen können. "Ich bin mir sicher, es wird dir ganz ausgezeichnet stehen", sagte ich daher recht überzeugend, einfach, weil ich genau das dachte - ohne ein wirkliches Bild von der frisch gewandeten Prisca in meinem Kopf zu haben. "Werden denn nur Damen anwesend sein?" wollte ich dann ganz arglos wissen und warf Prisca einen Seitenblick zu. Derjenige, der es wagen würde, meine Prisca zu bezirzen, würde sich noch wundern.


    "Setzen? Na, nicht doch. Mir geht es gut, Prisca. Lass uns ruhig noch ein wenig spazie..." Mir stockten die Worte, als mein Blick auf das Beet fiel, welches gerade in Sichtweite kam. Es war mein ganzer Stolz. Die Orchidee, die ich damals von Celerina geschenkt bekommen hatte, wuchs dort, nebst einigen Geschwistern aus ihrer fernöstlichen Heimat. Doch von gesunden jungen Pflanzen war nicht mehr viel zu sehen. Abgeklickte Triebe lagen am Boden, vertrocknete Blüten und matschige Blätter. Ich presste die Lippen aufeinander und schob den Unterkiefer knirschend zur Seite. Gleichzeitig war ich stehen geblieben. Ich verbot nun wirklich niemandem, den Garten zu betreten, nicht einmal den ungelenken Stallburschen. Doch das, was ich hier sah, war für mich ein Grund, den Garten zum Tabubereich zu erklären. So wurde es einem gedankt, dass man jedem erlaubte, sich zu erfreuen. Ich atmete langsam und schnaufend aus und starrte auf das grauenvolle Massaker.


    Ja, ich hatte einen Spleen.

  • Trotz der geplanten umfangreich Umgestaltungsmaßnahmen des Gartens war sich Prisca natürlich keinerlei Schuld bewusst! Schließlich hatte sie ja von Ursus höchstpersönlich den "Freibrief" dafür erhalten, die gesamte villa (inklusive hortus) auf den Kopf stellen zu dürfen - sofern dies erforderlich wäre. Aber gut! Soweit musste es ja nicht kommen, denn die Planungen waren ja noch nicht sehr weit gediegen. Außerdem wollte Prisca die Feier ohnehin gemeinsam mit Celerina ausrichten, wodurch jede Aktion - welcher Art auch immer - durch die Gemahlin des Hausherrn sozusagen legitimiert wäre! … Mein Onkel braucht sich also keinerlei Sorgen zu machen! ;)


    Trotzdem war Prisca natürlich um ihren Onkel sehr besorgt. Sein Gesundheitszustand war lange Zeit sehr kritisch gewesen und ebenso war es ein offenes Geheimnis, dass ihm sehr viel an seinen geliebten Pflanzen lag. Manchmal kam es Prisca sogar so vor, als würde Marcus jede Blume persönlich beim Namen kennen und das machte es nicht unbedingt leichter ihm schonend beibringen zu wollen, dass eventuell ein paar von seinen Lieblingen in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Seine augenblickliche Freude über ihr offensichtliches Interesse an den Formen und Farben zauberten jedenfalls ein verliebtes Lächeln auf Priscas Lippen. Er ist wirklich süß! Natürlich liebte auch sie Blumen über alles. Doch im Gegensatz zu ihrem Onkel mochte die Aurelia die duftenden Blüten genauso in einer Vase, als Haarschmuck, oder zu ihren Füßen gestreut, ohne sich dabei großartig um die Herkunft und Pflege der Pflanzen zu scheren.


    "Also wirklich, Marcus. Ich bin doch kein kleines Mädchen mehr! Was soll das denn heißen: In meinem Alter?", erwiderte Prisca sogleich gespielt schmollend, wobei sie sich gleichzeitig mit einem wohligen Seufzer an ihren Onkel anschmiegte. "Ich bin übrigens auch zu dieser fontinalia eingeladen. Das wird sicher lustig. Du suchst doch hoffentlich nicht ernsthaft nach einer Ausrede um nicht mitkommen zu müssen, hm?! ", bemerkte Prisca schmunzelnd. Marcus schien nicht sonderlich begeistert Celerina dorthin begleiten zu müssen, doch "sich drücken" kam für die Aurelia selbstverständlich nicht in Frage.


    "Ja genau. Hieroglyphen gestickt aus Goldfäden. Damit werde ich hoffentlich ein wenig auffallen…, nickte die Aurelia im nächsten Moment auf die Nachfrage ihre Onkels hin, ohne jedoch weiter darauf eingehen zu können, da er schon die nächste Frage stellte.


    So arglos diese auch klang, sie war sicher nicht ganz ohne Hintergedanken gewählt. Ob Marcus sich darum sorgte, dass seine Nichte Männerbekanntschaften schließen könnte, von denen er nichts wusste? Unwillkürlich musste Prisca an das letzte Streitgespräch zwischen ihm und ihr denken, welches sie kurz vor seiner Erkrankung geführt hatten. Die Aurelia wollte keineswegs erneut darüber streiten wen sie heiraten sollte und wen nicht, doch eine scherzhaft gemeinte Anspielung kam ihr dennoch unbewusst über die Lippen.Ich gehe zumindest davon aus, dass wir unter uns sein werden. Ausschließen kann ich es natürlich nicht, dass wir bei den Spielen auch ein paar Männer treffen werden." Prisca stoppte und machte ein gespielt schockiertes Gesicht, ehe sie verschmitzt grinsend weiter alberte:"Ach du liebe Güte. Was wäre, wenn ich da einen Mann treffe der meinen Vorstellungen entspricht? Am Ende ist es sogar ein reicher Plebejer?? Dann wäre doch alles bestens!" Die letzten Worte besonders betonend hoffte Prisca nur, dass Marcus ihre Albernheit nicht in den falschen Hals bekäme.


    Für eine Sekunde sah es jedoch ganz danach aus, da Marcus abrupt stoppte und mit den Zähnen zu knirschen begann. Oh je. Was hab ich da nur wieder mit meinem losen Mundwerk angestellt. Gerade wollte Prisca sich entschuldigen, da fiel ihr Blick auf das völlig zerwühlte Blumenbeet, welches ihr Onkel stumm mit den Augen fixierte. "Oh …" Was ist denn da so besonderes? Ach herrje. Das waren wohl Einige von seinen Lieblingspflanzen. Zum Glück war ich das nicht! Aber das sieht ja fast so aus, als .. "Waren das wilde Tiere? Hier bei uns im Garten? … Oh bitte! Reg dich deswegen nicht auf Marcus, hörst du, das wächst doch alles wieder nach"".. und denk an deine Gesundheit!, versuchte Prisca den Onkel mit fürsorglicher Stimme zu beruhigen. Ob das so einfach gelänge? Seinem angestrengtem Schnaufen nach zu urteilen, … eher zweifelhalft.

  • "Nicht?" fragte ich enttäuscht auf ihre Bemerkung hin, sie sei kein kleines Mädchen mehr. Selbstverständlich wollte ich sie damit aufziehen. "Für mich wirst du immer meine kleine Prisca bleiben", versicherte ich ihr dann umgehend, legte ihr den Arm um die Schultern und grinste. "Hm. Um ehrlich zu sein... Celerina sagte, dass ihre Freundinnen sie eingeladen hätten. Ich vermute derzeit nicht anderes als ein Kaffeekränzchen dahinter. Tut mir leid. Ich denke nicht, dass ich sonderlich gut in eine Horde schuhbegeisterter Frauenzimmer passen würde." Ich stockte und sah an mir herunter. "Nun ja, zumindest nicht mit den Schuhen..." bemerkte ich schmunzelnd. Noch wusste ich ja nicht, dass sich auch Senatoren dort tummeln würden. Und auch nicht, dass Celerina unpässlich sein und ich damit verschont bleiben würde.


    Dass sie plötzlich Stockte und empört realisierte, dass wohl auch Männer bei dem geplanten Ausflug zu den Spielen dabei sein würden, nahm ich selbstverständlich für bare Münze. Dementsprechend ernst war mein Ausdruck auch. "Sofern dieser reiche Plebejer sich anständig verhält, schon. Sollte aber jemand zudringlich werden, hoffe ich, dass Hektor und Trautwini sich entsprechend darum kümmern werden, denn die beiden werden dich begleiten, da lasse ich nicht mit mir diskutieren. Aber wenn einer deinen Vorstellungen entspricht, ist das natürlich umso besser. Sofern er von entsprechendem Stand ist und über die nötigen Mittel verfügt, heißt das." Ich nickte gewichtig. Prisca an den Erstbesten zu verschachern, war für mich unmöglich.


    Ich sah wieder zu den Pflanzen hin, gepresst atmend. "Das waren keine Tiere. Hier sind nirgendwo Spuren", bemerkte ich aufgebracht. Hatte sie eben 'Das wächst wieder nach' gesagt? Anklagend sah ich Prisca an. "Das sind - waren! - Orchideen, Prisca!" sagte ich, als sei damit alles Nötige gesagt. Dann erinnerte ich mich, dass ich derjenige war, der sich in dieser Familie für exotische Pflanzen interessierte. "Die brauchen eine halbe Ewigkeit, bis die wieder so hoch sind wie sie mal waren. Mpf." Ich zog eine verärgerte Grimasse, hakte mich bei Prisca unter und zog sie verstimmt fort vom Ort des Geschehens. Das würde ein Nachspiel haben. Für wen auch immer. "Komm, lass uns hier entlang gehen. Darum kümmere ich mich später. Erzähl mir lieber, wie es dir sonst so geht? Hast du in letzter Zeit aufregende Dinge erlebt?"

  • Manche Dinge sollten sich eben nie ändern und wenn es möglich wäre die Zeit einfach anzuhalten, wäre Prisca die Erste, die sich wünschen würde für immer die kleine Nichte bleiben zu dürfen. Sie fühlte sich wohl in der Nähe ihres Onkels und es fehlte ihr hier an Nichts.


    "Tut mir leid Marcus. Ich weiß doch wie viel dir deine Pflanzen bedeuten."" - Herrje! Hab ich eben seine 'Pflanzen' abwertend betont??? - "Ehm sie sind ja auch wirklich schön anzuschauen und sie duften so herrlich. … Ich hoffe sehr der Schaden lässt sich irgendwie wieder beheben?!? … Vielleicht sollte man sie besser schützen, mit einem Zaun oder einer Mauer vielleicht?", schob Prisca schnell und mit schuldbewusster Miene etwas Nettes über "seine Pflanzen" hinterher, wobei sie nicht großartig darüber nach dachte ob ihre Vorschläge nun besonders konstruktiv waren.


    Marcus hat ja Recht - Wie sähe das hier aus wenn Jeder den Garten einfach so nach Belieben umgraben würde?! - Hatte ich das nicht auch vor? Ups … naja, vielleicht lassen wir das mit der kompletten Umgestaltung doch lieber sein .


    Wie gut, dass Marcus sie von dem "Ort des Verbrechens" endlich fort zog und das Thema wieder gewechselt wurde. Was ich aufregendes erlebt habe?Schon wieder wurde Prisca an den Ausflug mit Laevina erinnert. Zweifellos war dies das aufregendste Erlebnis seit langem gewesen. Soll ich es Marcus nicht doch lieber gleich beichten, ehe er es auf irgend einem anderen Weg erfährt?, überlegte Prisca angestrengt, die jeweiligen Konsequenzen für sich abwägend. Schlimmer als (s)eine Standpauke wäre mit Sicherheit das Gefühl ihn zu enttäuschen oder zu belügen, doch ..wie soll ich es ihm schonend beibringen? Wenn ich nur daran denke wie Marcus allein schon wegen seiner Pflanz … pardon … wertvollen Orchideen in Rage gerät Am besten vorsichtig heran tasten! "Nun was genau verstehst du unter aufregenden Dingen Marcus? Ich gehe einkaufen, treffe mich mit meinen Freundinnen, besuche die Thermen und die Spiele und folge der einen oder anderen Einladung. Da passiert zwangsläufig mal etwas lustiges oder aufregendes" erklärte Prisca mit einem unschuldigen Blick in seine Augen, wobei der neckende Unterton die Nachfrage nicht ganz so ernst gemeint erscheinen ließ.


    Schließlich sollte - konnte - durfte einer jungen Patrizierin im Regelfall rein gar nichts "Aufregendes" passieren! Oder? So gut wie sie beschützt und behütet wurde. … Allerdings passierten unvorhergesehene und aufregende Dinge nun mal und ebenso kam es vor, dass man die eine oder andere Dummheit beging. Das war ihrem Onkel (hoffentlich) bewusst.

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