Bekritzelte Wand

  • Sim-Off:

    Ich sage es nochmal vorneweg, auch wenn ich es gerne jeweils wiederholen kann: Ich habe prinzipiell kein Problem damit, wenn sich jemand bei etwas, was ich schreibe, miteinbringt (auch wenn ich es zuvor nicht ausdrücklich erwähne). Gerade auf öffentlichen Plätzen macht das das Rollenspiel sowieso viel realistischer. Also: Mitschreiben erwünscht!


    Caius ist ein Dummkopf

    M liebt C


    Ich liebe einen jungen Mann – sporne das Maultier an,
    bringe mich nach Rom, wo meine süße Liebe ist!


    Oh Mauer, dass du nicht zusammengebrochen bist
    unter der Last der Inschriften!



    Tausende solcher Sprüche bedeckten diese Wand in der Subura. Phaeneas betrachtete die über und über bekritzelte Fläche. Die wenigsten dieser Mitteilungen waren in einer so ordentlichen Schrift verfasst wie der Sklave es kannte, von mühsam auf Papyrus abgeschrieben Texten. Hastig, zweckmäßig, ja fast schon lieblos hingeschmiert, dazu noch derb die Sprache und der Inhalt gerne anrüchig. Die Bildchen allein sprachen für sich. Der einzige Grund, warum Phaeneas dieser Wand überhaupt seine Aufmerksamkeit geschenkt hatte, war der, dass sie mit Buchstaben gefüllt war. Und sein Lehrer hatte ihm schließlich aufgegeben, auf alles Geschriebene zu achten, alle Lettern zu entziffern – also waren dem Sklaven auch diese Kritzeleien ins Auge gefallen.
    Tja, und es bot sich so an. Er, der er lesen – und schreiben – konnte, vor dieser emsig beschrifteten Fläche. Und so beugte er, Phaeneas, der bithynische und ganz sicher nicht für jedermann zu bezahlende Sklave, er der er sich sein Leben lang von primitiven Dingen ferngehalten hatte, der sich in allem, was er je getan hatte, um Niveau bemüht hatte, er beugte sich vor und schrieb seinerseits etwas an die Mauer. In tausendmal schöneren, ordentlicheren Buchstaben natürlich, in gleichmäßiger, gerader Schrift stand jetzt dort:


    Phaeneas, der bithynische Sklave, war hier.


    Wunderbar konnte man an diesen wenigen Worten ablesen, womit er sich identifizierte.

  • Sermo war auf dem Rückweg von seiner Lustdame Lysandra, der er einen Besuch in ihrer frisch bezogenen Insula abgestattet hatte. So schlenderte er nun - natürlich immer auf der Hut - durch die verdreckten Gassen der Subura. Über Unrat und Bettler hinweg ging es durch das stinkende Moloch gen Aventin, wo er sich eine knappe Mahlzeit gönnen wollte. Nicht weit vor ihm erregte ein Mann seine Aufmerksamkeit, der gerade einige Schritte zurückgetreten war um sein Graffiti auf einer bereits ziemlich verschmuddelten Wand zu begutachten. Interessiert blieb der Quintilier auf der gegenüberliegenden Häuserwand stehen und las das Geschriebene. Diese Straße war nicht so vollgestopft mit Gesindel wie die größeren Adern der Stadt und so blieb er zunächst unauffällig in einem Hauseingang stehen, in seinen dünnen Umhang gewickelt, jedoch mit zurückgeschlagener Kapuze. Eine Magd schlurfte vorbei, der Rücken von einem großen Korb voll Reisig gebeugt, und warf einen schiefen Blick auf die Kritzelei. Eine Bande jugendlicher Raufbolde folgte und stürmte an dem Mann vorbei. War dieser derjenige, der sich Phaeneas nannte? Aus Bithynien, hm? Wo bitte lag das denn noch? Im Osten, so viel wusste Sermo. Aber jenseits des Bosporus? Oder eher angrenzend zu den thrakischen Ödlanden?
    Ein Bettler störte Sermo in seinem Gedankengang.
    "Bitte...me'n Herr...'ne milde Gabe für misch gebeutelten alten..." Er warf ihm ein As hin. "Ist ja gut, nimm schon. Und jetzt verschwinde!" Der Bettler humpelte unter gemurmelten Dankeshymnen weiter. Sermo hingegen richtete seinen Blick schnellstens auf den Bithynier. Hatte er ihn entdeckt? Hatte der verdammte Bettler zu viel Aufmerksamkeit erregt?

  • Die saubere Schrift, seine insgesamt gepflegte Erscheinung, eigentlich sowieso komplett falsch für diese Gegend ... Eher perfekt, um sich in eine menschenleere Gasse zerren zu lassen. Aber es war eine gewisse, unbekannte Art von Neugierde gewesen, die Phaeneas zu dieser Mauer getrieben hatte, gewissermaßen der Reiz, der von ... Verbotenem, ja von Verbotenem ausging. Sein Sklavenleben sorgte dafür, dass der Bithynier das ordentlichste, untadeligste aller Leben führte. Denn ein Fehltritt, ja nur ein kleiner Fehler konnte sein letzter sein, bzw. der Beginn eines sehr unangenehmen Lebens.
    Und jetzt schob er alle guten Manieren beiseite und kritzelte auf einer von der Zeit reichlich mitgenommenen Wand herum.


    Eine Bande Jugendlicher stob an ihm vorbei und Phaeneas fuhr herum. Er war eigentlich viel zu schreckhaft für diese Sache. Er konnte notfalls seinen Herrschaften (Lucianus ausgenommen, bei ihm war’s ja nicht nötig) die Wahrheit so darlegen (sprich auch lügen), dass es für ihn günstiger oder nicht ganz so schlimm ausging, wusste, was er sagen musste, um im Notfall seine Gesundheit oder sein Leben zu retten, schaffte es, sensiblere Dinge seines Privatlebens (soweit ein Sklave so etwas hatte) vor möglicherweise Missgünstigen – Herrschaften, Mitsklaven, Fremden - so zu verstecken, dass man ihm nicht damit schaden konnte, kam bis zu einem gewissen Grad mit fiesen Verhörmethoden klar, hatte Situationen erlebt, in denen er lieber tot als lebendig gewesen wäre, hatte gelernt, mit solchen Situationen umzugehen - aber hier in der Subura eine Wand beschmieren, nein, das war zu viel für ihn, das ließ ihn ängstlich werden und überall heimliche Beobachter ... Beobachter, ja bei was eigentlich? Dabei, dass er irgendeinen absolut unwichtigen Spruch an einer fremden Hausmauer hinterließ?
    Jedenfalls, die Jugendlichen ließen ihn herumfahren und er warf einen raschen Blick um sich, entdeckte den davonschlurfenden Alten und einen anderen ... Und der sah geradewegs herüber. Hastig schob sich Phaeneas schützend vor den Schriftzug, den er gerade eben auf der Wand hatte entstehen lassen, das allerdings so, dass das letzte Wort, „Sklave“, dabei besonders schön herausstach.

  • Ertappt! Ihre Blicke trafen sich und Sermo erkannte deutlich die Angst in den Augen des Mannes. Und jetzt wusste er auch weshalb. Der Mann, der sich Phaeneas der Bithynier nannte, war Sklave. War er entlaufen? Wem er wohl gehörte? Der Mann wurde hektisch, man konnte ihm ansehen, dass er hier eigentlich nicht hingehörte. Seine Tunika ließ Sermo auf einen Haussklaven der Oberschicht schließen, denn so gut waren keine Feld- oder Werksklaven gekleidet.


    Tja, dumm gelaufen. Der heimliche Beobachter war entdeckt worden. Doch der heimliche Kritzler war ebenfalls enttarnt. Hauptsächlich aufgrund seiner eigenen Handschrift, die ihn komplett selbst verriet. Sofern er überhaupt so hieß. Womöglich hieß er doch ganz anders. War ja auch egal, Sermo hatte nun zwei Möglichkeiten. Einfach gehen; Oder ein Gespräch beginnen. Denn es herrschte für einen Moment eine peinliche Stille, die selbst der Krach aus einer naheliegenden Tischlerei und ein vorbeihechelnder Straßenköter nicht stören konnten.


    "Phaeneas. Salve" begann der Quintilier zaghaft. "Du stammst aus Bithynien?" Das war zwar mehr eine Feststellung denn eine Frage, doch irgendwie musste er ja anfangen.

  • In den Momenten der Stille haderte Phaeneas mit sich selbst, dass er das Risiko, beim Niederschreiben dieser Worte beobachtet zu werden, unterschätzt hatte. War ja eigentlich klar, dass hier jederzeit jemand vorbeikommen konnte. Jegliches Reizvolle an der Angelegenheit war längst vergessen. Alle anderen Geräusche wurden für den Sklaven wirklich komplett von der Situation geschluckt. Wie ein erschrecktes Tier starrte Phaeneas in die Richtung des Fremden. Der sprach ihn nun an. „Salve“, erwiderte der Bithynier mit kleiner Verzögerung auf die „sehr“ persönliche Anrede. „Ja - dorther stamme ich.“ Was gab es daran auch zu leugnen. Ein wenig war er froh, dass es nur um diese Information ging. Es war schließlich nichts weltbewegendes, sprich nichts was ihm gefährlich werden konnte, wenn es dabei einen Mitwisser gab. Und die Tatsache, dass er Sklave war, das war eben ... eine Tatsache, es gehörte zu ihm, untrennbar, und war dementsprechend auch nichts, was Phaeneas für sich zu behalten wichtig war.
    Nur leicht unterdrücktes Misstrauen sprach aus den Augen des Bithyniers. Weil er von dieser Situation dezent überrumpelt war, ging er nur auf die Frage dieses Mannes ein, der ihm gegenüber in dem Hauseingang stand, und rührte sich sonst kein bisschen. Es war die klassische Situation. Phaeneas, der Sklave, reagierte passiv auf jemanden, der aktiv auf ihn zuging. Diese Passivität war ein Schutz. Man lernte es schnell, als Unfreier, man wurde dazu erzogen, nur zu reagieren, nichts von sich selbst aus zu tun.

  • Innerlich frohlockte der Quintilier. Der Sklave sah verängstigt aus und schien sich seiner selbst nicht sicher zu sein. Offenbar irritierte Sermos Direktheit den Mann, der sich ganz klar ertappt fühlte. "Warum schreibst du so etwas - Sermo zeigte auf die frisch gekritzelten Worte - an eine Wand?" Konnte der Sklave nur das schreiben? Oder wollte er der Welt kundtun, dass er derjenige war, der er war? Oder war ihm schlichtweg nichts besseres eingefallen? Seine Vorschreiber waren da zum Teil wesentlich kreativer gewesen. Sermos linke Augenbraue wanderte gen caelum*, während die andere gegensteuerte. Mehr Skepsis ausdrückend denn fragend sah er also den Bithynier an. Der Abstand zwischen ihnen - sie standen immerhin jeder noch immer auf der jeweils anderen Straßenseite - kam ihm nun außerdem zu groß vor, weshalb er ein paar langsame Schritte auf den Sklaven zu tat, ohne jedoch bedrohlich zu wirken.

  • Tja, warum schrieb er so etwas an eine Wand? Weil es das einzige war, was er der Welt mitteilen konnte und wollte. Womit sollte er sonst eine Mauer bekritzeln? Alles andere zu seiner Person zählte nicht und was sonst sollte er die Leserschaft hier wissen lassen? Es war ganz kurz auf den Punkt gebracht alles, was Phaeneas‘ Existenz und Lebenswirklichkeit ausmachte. Alles andere – zählte nicht. Oder sollten die anderen nicht wissen.
    „Was sonst könnte ich schon groß an eine öffentliche Wand schreiben? Das ist das einzige, was für die restliche Welt an mir interessant ist.“ Relativ lapidar fiel die Antwort aus.
    Als sich die Mimik des Fremden veränderte, hoben sich geschlossen Phaeneas‘ Augenbrauen. Wachsam besah er den Mann. Dass der näherkam, sorgte dafür, dass er ihn noch fester im Auge behielt. Inzwischen schaffte er es, sich soweit auf sein Gegenüber zu konzentrieren, dass er ihn eingehender betrachten konnte: Durchschnittliche Größe (ein Segen, nach all diesen immens großen Germanen! Es war schon ein Unterschied, ob man in einem vornehmen Haushalt immer wieder mal mit einem Sklaven aus nordischen Gefilden zutun hatte oder ob man sich inmitten von ihnen aufhielt), dunkelbraunes Haar, Bart, hohe Stirn und eher spitzes Kinn, deutlich hervortretende Wangenknochen. Etwa Phaeneas‘ Alter, aber allein schon die Tatsache, dass der Bithynier unfrei war, ließ ihn in Gegenwart des anderen zum Kind werden – offiziell gesehen.

  • Auf Sermos Miene zeigte sich keine Emotion. Schön, der Sklave war nur seines Sklavendaseins und seiner Abstammung wegen überhaupt irgendwie interessant für die restliche Welt? Das kam wohl darauf an, ob man Sklaven aufgrund der Rechtslage als Gegenstände ansah, oder sie als Menschen anerkannte. Sermo für seinen Teil sah das so: Irgendein ihm unbekannter, unwichtiger, oder unerwünschter Sklave war für ihn gleichbedeutend mit einem Nichts. Solche Leute interessierten ihn einfach nicht. Doch Sklaven mit denen er schon einige Zeit verbracht hatte, die er womöglich näher kennen gelernt hatte, die einen tollen Humor hatten, oder einfach gut aussahen - womit der Quintilier ausschließlich weibliche Geschöpfe meinte - waren durchaus in der Lage Sermos Interesse oder sogar Mitgefühl zu wecken.


    Wie auch immer, jetzt stand er vor diesem Sklaven hier und überlegte, ob er einfach wieder umdrehen und gehen sollte. Aber er entschied sich zu bleiben. "Nun...du könntest etwas gemeines über einen Politiker schreiben. Oder über den Nachbarn deines Herrn. Überhaupt, wer ist dein Herr?" Dieser Phaeneas schien ja an recht langer Leine gehalten zu werden, wenn er hier so herumschlich und anderleuts Wände beschmieren konnte.
    Welch eine merkwürdige Situation. Der Quintilier fragte sich, ob er den Sklaven zu einem Spaziergang durch die Straßen Roms einladen sollte. Oder könnte er es ihm einfach befehlen? Der hatte ja wohl sowieso gerade nichts besseres zu tun.

  • Was auch immer der Fremde jetzt dachte, nach Phaeneas‘ inhaltlich sklavisch-resignierenden Worten – inhaltlich! - , an seinem Gesicht war es nicht abzulesen. Stattdessen kam er unmittelbar wieder auf die Schrift an der Wand zurück.
    „Politik interessiert mich nicht und mit den Nachbarn habe ich nicht genug zu tun, um über sie herziehen zu wollen“, verneinte der Sklave.
    „Kurz gesagt, ich wollte halt irgendwas hinschreiben und das war das naheliegendste“, klärte der Bithynier den Sachverhalt endgültig auf.
    Der Herr. Du meine Güte, dieser Mann war ja direkt. War ihm gerade erst über den Weg gelaufen und fragte ihn prompt nach seinem Besitzer. „Meinen Herrn werden wir sicher aus der Sache heraushalten können“, meinte Phaeneas mit Nachdruck und sah den Fremden fest an. Ohne beim Aufrechterhalten dieses Blickes auch nur einmal zu wanken oder zu weichen.
    Nicht zuletzt hatte es ja auch nichts mit Lucianus zu tun, wenn einer seiner Sklaven zu den zichtausend Kritzeleien in Rom eine hinzufügte. Auch wenn ein Diener Repräsentant seines Hauses war, seiner Familie und unter Umständen (und Phaeneas war es) sogar seiner Herrschaften. Es hatte mit niemandem etwas zu tun.

  • Der Herr sollte also aus dem Spiel gelassen werden. Nun gut, Sermo ließ sich darauf ein. Phaeneas' anderweitige Ausführungen hatte er beinahe schon wieder vergessen, als er den Sklaven ansah und abwinkte. "Gut, dann eben kein Herr. Ist mir gleich." Er überflog noch einmal die Wandkritzeleien und drehte sich dann zur Straße um. Nun stand er mehr oder weniger Schulter an Schulter mit Phaeneas. Er versuchte keine Regung in seiner Miene zu zeigen, was ihm auch gelang. Mit verschränkten Armen beobachtete er einen Mann, der einen Käfig mit drei Hühnern auf dem Rücken an ihnen vorbeischleppte. Der Mann war fort und seine Aufmerksamkeit galt wieder Phaeneas. "Hm," machte er. "Hast du Hunger?" Sein Magen konnte etwas zu verdauen vertragen. Sicherlich, es war ungewöhnlich einen Sklaven zum Essen einzuladen. Doch wer würde schon erkennen, dass der junge Mann ein Sklave war, der da mit dem Quintilier unterwegs war? Sermo blickte den Bithynier erwartungsvoll an und zog dabei die Augenbrauen hoch. "Ist ungewöhnlich, ja. Aber mein Magen will etwas zu essen sehen. Kommst du mit?" Irgendwie hatte der Mann sein Interesse geweckt. Und da der Quintilier keineswegs scheu war, unterbreitete er seinem Gegenüber dieses Angebot nur allzu gern.

  • Ein Glück, das mit Lucianus war abgewehrt. Auf die Sache mit den Kritzeleien ging Phaeneas‘ Gegenüber allerdings nicht mehr ein; lag es an dem Käfigträger, der an ihnen vorbeikam? Der Sklave hatte das Gefühl, dass der Fremde nicht im Gespräch mit ihm gesehen werden wollte. Na ja, Phaeneas konnte es egal sein. Obwohl die Aufmerksamkeit des anderen längst nicht mehr auf ihm lag, ließ der Bithynier ihn nachwievor nicht aus den Augen. Dann wandte der sich ihm wieder zu und tat etwas, was bei Phaeneas seine Wirkung nie verfehlte - er überraschte ihn. Zum einen war der Sklave nicht gewohnt, danach gefragt zu werden, ob er hungrig war, gegessen wurde, wenn es etwas gab, und wer nicht genug zugriff, der war selber schuld, wenn er hungerte. Zum anderen war das kein bisschen die Frage, die man von einem Fremden auf der Straße erwartete.
    „N...nein, eigentlich nicht“, antwortete er deshalb unüberhörbar überrumpelt – und fragte sich, was sein Gegenüber damit wollte. Der ließ die Katze auch nicht lange im Sack und Phaeneas‘ Überraschung noch ein Stück wachsen. Der Mann hatte Hunger, gut. Aber dass er den Bithynier gleich dazu mitnehmen wollte, ging dem doch etwas schnell.
    „Ist nicht ungewöhnlich, ich werd schon mal eingeladen, wenn mich jemanden öfter getroffen hat“, führte Phaeneas eine geringfügige Spur leiser aus.


    Es war ungüngstig für den dem Sklaven unbekannten Mann, dass er ihm unter solchen Umständen begegnet war. Phaeneas saß der Schreck von vorhin noch in den Knochen, auch wenn er nach außen hin seine Haltung wiedergefunden hatte, und so wusste er nicht recht, was er von dem Fremden und seinem Angebot halten sollte. Wäre er ihm irgendwo auf einem belebten öffentlichen Platz ganz harmlos über den Weg gelaufen, Phaeneas wäre doch um einiges entspannter (trotz seines ständigen Misstrauens gegenüber allem und jedem) und könnte dem deutlich gelassener entgegensehen, wie sich das Ganze entwickeln würde.
    „Wie heißt du eigentlich?“, fragte der Bithynier erst einmal in Ermangelung einer besseren Vorgehensweise und erkundigte sich damit nach dessen Cognomen; das, was zu erfragen in dieser Situation nicht zu persönlich war.

  • Sim-Off:

    Entschuldige bitte, dass ich dich habe warten lassen.


    Ein schmales Lächeln war Sermos Reaktion auf die Verblüffung seines Gegenübers. Er hatte den Mann offensichtlich ziemlich überrollt mit seiner Einladung, besonders unter diesen Umständen. Er nickte nur knapp zur Bestätigung seiner Worte. Die Frage des Sklaven beantwortete er jedoch nur zu gern. "Entschuldige, ich hatte mich ja gar nicht vorgestellt. Sermo, ist mir eine Freude." Er reichte Phaeneas die Hand zur nachgeholten Begrüßung.
    "Also, kennst du eine gute Garküche in der Nähe?" Der Quintilier fand immer mehr Gefallen an diesem Spielchen. Zum einen amüsierte es ihn, wie leicht er den Sklaven hatte überraschen können und wie übervorsichtig dieser war. Was Sermo für allzu verständlich hielt, denn wie schnell konnte man für irgendetwas an den Pranger gestellt werden, geschweige denn sein Herr in diese Sache hereingezogen werden? Auf der anderen Seite war gerade dieser Herr, den der Sklave bisher noch nicht hatte nennen wollen, von Interesse. Wie auch immer, jetzt hatte Sermo zunächst einmal Hunger. Erwartungsvoll sah er also seinen neuen Bekannten an und hoffte, dass er diesen nicht zu sehr verschreckt hatte.

  • Sim-Off:

    Kein Problem, ich habe Verständnis dafür, wenn deine Zeit keine Antwort zulässt.


    Der Fremde hatte in der Tat eine sehr direkte Art. Dass er nicht recht wusste, wie er dessen Verhalten und Motivation einschätzen sollte, das musste Phaeneas sich eindeutig eingestehen. Dazu entschuldigte der andere sich auch noch.
    Sermo hieß er also, wie er jetzt erfuhr, Sermo – Unterhaltung, Sprache beziehungsweise Gerede. Zumindest die erste Bedeutung passte momentan gut zu der Situation. Und ... dieser Sermo reichte dem Bithynier die Hand. Das hatte der Duccier in Germania schon getan und bereits damals war der Sklave sich reichlich unschlüssig gewesen, wie er reagieren sollte. Zusätzlich dazu, dass ihm sonst niemand die Hand gab, vermied er jegliche Berührungen. Er fürchtete die Nähe Fremder - und wer sich gegen seinen Willen in seine Distanzzone hineindrängte (also Herrschaften ausgeschlossen, die konnten alles), um den machte Phaeneas zukünftig einen großen Bogen. Zu oft war ihm beweisen worden, dass ihm sein Körper genauso wenig gehörte wie alles andere ...
    Und so wie in Germania kam er auch diesmal wieder zu dem Schluss, dass es unangebracht wäre, die Hand zu verweigern. So streckte er die seine aus und gab sie Sermo. Mit anderen Menschen war Phaeneas so unerfahren wie mit Hoffnung und Vertrauen auf die Zukunft, und aus seinem Händedruck sprach nicht gerade viel Sicherheit.


    Eine Garküche in der Nähe? Diese Frage scheiterte schon daran, dass Phaeneas sich selten in der Subura aufhielt, wie sollte er sich dann hier auskennen. Darüber hinaus hatte er kein Auge für solche Lokalitäten. Für andere Sklaven war das außer Haus essen ja das Erlebnis schlechthin und der Bithynier wäre fast versucht zu vermuten, dass sich manche den Weg zurück nachhause anhand der Thermopolia merkten, die ihnen unterwegs begegneten. Phaeneas dagegen befand, dass er daheim seinen Hunger genauso stillen konnte und beachtete deshalb solche Imbissstuben gar nicht. „Keine Ahnung“, schüttelte er also den Kopf. „Wenn du keine kennst, müssten wir wohl sehen, was wir finden“, fuhr er fort - und sagte damit gleichzeitig der Einladung zu.
    Inzwischen hatte Phaeneas feststellen können, dass der Mann, der ihn da zum Essen mitnehmen wollte, nicht gerade abgerissen und wie ein Schlägertyp aussah, der sich einen Spaß daraus machte, ahnungslose Passanten in irgendwelche dunklen Ecken zu locken. Auch war die Einladung zum Essen eine unverfängliche Sache, denn in einer Gaststätte würden sich viele Menschen aufhalten, die wiederum Schutz bedeuteten. Also war das Angebot des Fremden vollkommen ungefährlich.

  • Der Sklave nahm Sermos Hand entgegen und bestätigte erneut dessen Ahnung. Der junge Mann schien nun gänzlich verunsichert zu sein. Na, er wurde gerade immerhin von einem wildfremden Typen ohne Vorwarnung eingeladen, der ihm obendrein allerlei Grund zur Vorsicht gegeben hatte. Immerhin wurde man nicht alle Tage einfach von der Seite angesprochen und auf merkwürdige Art und Weise ausgefragt.
    Weiterhin blieb ein dezentes Lächeln in Sermos Zügen bestehen, während Phaeneas seine Ahnungslosigkeit im Bezug auf Garküchen gestand. "Dann werden wir wohl etwas Geeignetes suchen müssen, scheint's," erklärte er und bedeutete dem Sklaven ihm zu folgen.
    Während sie also die Gasse entlanggingen, kam ihnen allerlei Volk entgegen oder überholte sie. Da waren Handwerker in ihren Läden beschäftigt, Tagelöhner mit auf den Rücken geschnallten Waren unterwegs, Mütterchen, die selbstgefertigte Haushaltswaren feilboten und vielerlei weitere Gestalten, die die Straße säumten.
    "Wir werden einfach jemanden nach dem Weg fragen," machte Sermo dem Bithynier weiterhin klar und bevor dieser reagieren konnte, hatte der Quintilier bereits ein Geschäft an der nächsten Kreuzung angesteuert. Die Gasse mündete in eine breitere Hauptstraße, die vollgestopft war mit herumeilenden Menschen. An der Ecke hatte sich ein Schuster etabliert. Zwei Kunden warteten, während ein Dritter gerade mit dem Schuster zu feilschen schien. Sermo sprach die Wartenden einfach an und fragte: "Salvete, ich suche eine gute Garküche in der Nähe. Könnt ihr mir weiterhelfen?" Die beiden, eine Frau mittleren Alters mit einer hässlichen Warze auf der Nase und ein junger Mann mit hoher Stirn und dümmlichem Gesichtsausdruck, starrten ihn mit großen Augen an, bevor sie sich ihrer Redefähigkeit erinnerten. "Salve. 'Ne gute Garküche gibt's 'ne Ecke weiter. Einfach die Gasse da runtergeh'n, is' nicht zu übersehen," antwortete die Frau mit überraschend wohlklingender Stimme und wies in die entsprechende Richtung. Sermo bedankte sich freundlich und grinste Phaeneas an, als er sich abwendete. "Du hast es gehört, dort entlang." Sie überquerten die Kreuzung und folgten der beschriebenen Gasse, die zum Glück keineswegs so überfüllt war wie die Kreuzung von der sie kamen.


    Die Gasse machte einen leichten Knick, so dass man nicht den gesamten Verlauf überschauen konnte. Sermo musste einem spielenden Kind ausweichen, dem er einen Fluch hinterherrief, als sie Lärm vernahmen. "Was zum..." entfuhr es dem Quintilier, als sie die Lärmquelle zu Gesicht bekamen. Vor ihnen bot sich ein alltägliches Bild. Die Garküche war zum Schauplatz einer Prügelei geworden, die auf ein gutes Stück der Gasse übergegriffen hatte. Offenbar waren auch unschuldige Passanten hineingeraten, die sich gerade aus dem Staub machten, andere feuerten verschiedene Parteien an. Jenseits der Rauferei waren die Cohortes Urbanae bereits eingetroffen und sorgten für Ordnung. Sermo hielt inne und beobachtete die Szene, während er Phaeneas einen genervten Seitenblick zuwarf. "Bona dea, muss das denn ausgerechnet jetzt sein?"

  • „So wird’s wohl sein“, bestätigte Phaeneas mit einem Nicken. Auf Sermos Aufforderung hin ging der Bithynier also neben seinem Begleiter her und hielt dabei Ausschau nach einer Garküche. „Gute Idee“, bewertete er dessen Vorschlag, jemanden zu fragen. Prompt schlug Sermo eine neue Richtung ein und schritt geradewegs auf einen Schustersladen zu. Neben seiner Direktheit hatte Phaeneas‘ frische Bekanntschaft auch eine sehr bestimmte Art. Er wusste immer, was und wohin er wollte, und fasste es in klare Worte. Da der Sklave meistens eher richtungslos war und seine (kleinen, alltäglichen) Ziele nach anderen richtete, neigte er dazu, sich gerne mit Männern mit dieser Eigenschaft abzugeben. Mahir beispielsweise war auch so gewesen.
    Abwartend betrachtete Phaeneas die beiden, die Sermo nach einem Tipp gefragt hatte. Unter Unfreien begegnete man oft solchen Exemplaren mit scheinbar beschränktem Denkvermögen – für die meisten Putz- und Aufräumarbeiten brachte man schließlich keine sonderlich intelligenten Sklaven – und so war er solchen Umgang gewöhnt.
    Aufmerksam registrierte der Bithynier jedoch das ‚ich‘, das sein Begleiter benutzte. Phaeneas hätte in dieser Situation von ‚wir‘ gesprochen – auch wenn er sonst mit dem ‚wir‘ grundsätzlich vorsichtig war.
    Die Stimme, mit der sich die Frau schließlich zu Wort meldete und einen Weg beschrieb, war erstaunlich schön anzuhören, aber dieses Detail interessierte den Sklaven genauso wenig, wie die meisten anderen alltäglichen Gegebenheiten, vor allem da er ja gerade mit Sermo auf der Suche nach einer Essensmöglichkeit und damit anderweitig beschäftigt war.
    Bisher hatte sich der Phaeneas und allen anderen gegenüber freundlich gegeben, jetzt aber fluchte er einem der tausend auf Roms Straßen spielenden Kindern hinterher. Der Sklave hielt diese Reaktion für ganz klar übertrieben. Zum einen hätte er selbst sich gar nicht die Mühe gemacht, überhaupt von solchen herumtobenden Kleinen Notiz zu nehmen, - und zum anderen war es einfach nur ein Kind.
    Als er in diesem Alter gewesen war, hatte man fast nur so mit dem Bithynier gesprochen, und das ohne dass er gespielt hätte. Die einzige Ausnahme dabei war seine Mutter gewesen ... Alle anderen hatten kleine Sklavenkinder nur in abschätziger Manier herumkommandiert und keine Möglichkeit verpasst, sich über Fehler auszulassen.
    Deshalb hörte er solche Worte nicht gern und hätte so nie mit einem Kind geredet.


    Sobald Phaeneas die Handgreiflichkeiten erblickte, die gerade dort stattfand, wo Sermo und er etwas hatten essen wollen, sank seine Begeisterung für diese Garküche beträchtlich. Er verabscheute Gewalt, sein ganzes Leben war vollgestopft davon, genug hatte er am eigenen Leibe miterlebt und mit eigenen Augen sehen müssen, nein, sein Pensum war genug gedeckt, als dass er noch in seiner „Freizeit“ Zeuge von Schlägereien werden musste. Zum Glück kümmerten sich die Cohortes Urbanae bereits um die entgleiste Situation, aber wer wusste schon, wie lange die hier brauchen würden, um Herr der Lage zu werden?
    Den genervten Blick, der von Sermo kam, bezog er – wie man das als Sklave gewohnt war – erst einmal unmittelbar auf sich selbst und erwiderte ihn mit einem kritischen Hochziehen der Augenbrauen. Konnte er schließlich etwas dafür?
    Schließlich tat Phaeneas das einzige, was er in dieser Situation für sinnvoll hielt, er machte einen konstruktiven Vorschlag: „Lass uns weitergehen und nach einer anderen Garküche schauen.“

  • "Richtig," erwiderte Sermo nur, während er gebannt beobachtete wie die Männer von den Cohortes zwei Störenfriede nicht gerade zimperlich packten und abführten. Er riss sich von dem Anblick los und sie traten zügig den Rückweg an. An der Kreuzung von vorhin entschied der Quintilier sich dafür rechts abzubiegen. Bald fanden sie dort eine weitere Garküche, die friedlich war. Hier saßen nur einige Geschäftsleute und Handwerker herum und unterhielten sich - mal lauter, mal gedämpft - über die neuesten Gerüchte oder geschäftliche Dinge.
    Sermo ging wie immer zielstrebig auf einen freien Platz zu und setzte sich. Er winkte einen Laufburschen her und ließ sich das Tagesgericht nennen. "Heute gibt es dicke Linsensuppe mit Speckstreifen und Brot," ratterte der Junge herunter. Sermo zog eine Augenbraue hoch und sah Phaeneas an. "Linsensuppe?" fragte er und hatte sich insgeheim schon dafür entschieden. Der Junge fügte hinzu: "Ansonsten hätten wir noch zur Auswahl: Gemüsetopf, ebenfalls mit Fladenbrot, oder - die Spezialität des Hauses - geröstetes Fladenbrot mit Schafskäsefüllung und gekochten Zucchini. Wünscht ihr außerdem Wein dazu?"
    Ein schmales Lächeln bemächtigte sich seiner Lippen, während Sermo den Ausführungen des Laufburschen folgte. Erwartungsvoll fiel sein Blick wieder auf den aufgegabelten Begleiter, der ihm bisher nicht sonderlich entschieden vorkam - egal in welcher Hinsicht.

  • Und Phaeneas betrachtete seinerseits missbilligend, wie Sermo an dem Geschehen zu kleben schien. Er hielt es schlicht und ergreifend für unzivilisiert, dergleichen Vorgänge verfolgen zu wollen. Doch letztendlich ergab sich der Mann, der ihn hierher mitgenommen hatte, in das Sinnvollere und genauso schnell, wie sie herhiergekommen waren, waren sie auch schon wieder weg und bald in einer anderen, ruhigeren Gaststätte, die Phaeneas infolge dessen wesentlich angenehmer fand. Es ging nichts über eine zivilisierte, gesittete Umgebung. Was seine Herrschaften anbelangte, hatte er auch grundsätzlich lieber solchen gedient, bei denen es geordnet zugegangen war – es hatte auch solche gegeben, bei denen es alles andere als ordentlich gewesen war: eine schlecht festgelegte Hierarchie unter den Sklaven, die die Gewalt zum einzigen Argument machte, nie deutlich gemachte Erwartungen an Sklaven, launische, unregelmäßig betrunkene Herrn, denen man besser nicht begegnete, wilde Feste mit in Phaeneas‘ Augen schamlosen Ausuferungen ... Alles das hatte der Bithynier seit frühester Kindheit zu fürchten gelernt. Und dafür Ruhe und Frieden zu lieben gelernt.
    Er folgte Sermo und ließ sich ihm gegenüber nieder. Phaeneas war es ein klitzekleines bisschen peinlich, sich gleich auf ein ganzes Gericht bei Sermo durchzufuttern, na ja, aber er hatte ihn schließlich eingeladen. Was die Auswahl anbelangte, die der Junge verlauten ließ, hatte Phaeneas keine spezielle Vorliebe für eines der genannten Gerichte – er hatte gelernt, zu essen, was auf den Tisch kam, und wem es nicht passte, der hungerte. Aber nur so lange, bis die betreffenden Sklavenaufseher auf den Essstreik aufmerksam wurden. Selbstmord, das eines der größten Vergehen war, derer sich ein Unfreier schuldig machen konnte, musste schließlich verhindert werden.
    Aber durch seine Nachfrage nahm Sermo ihm die Entscheidung sowieso so gut wie ab, denn Phaeneas brauchte nur noch zu nicken und „Ja, bitte.“ hinzuzufügen. Zu der Frage nach Wein sagte der Bithynier nichts, das lag an dem, der zahlte.
    Wieder fiel ihm Sermos hochgezogene Augenbraue auf, die hatte er heute schon öfter an ihm gesehen.

  • "Also zweimal die Linsensuppe. Und eine Karaffe verdünnten Weins, ja." Die Bestellung war also aufgegeben und Sermo lehnte sich erst einmal genüsslich auf seinem Stuhl zurück, um sich umzusehen. Leider entdeckte er niemand interessantes, weshalb er seinen Rundblick bei Phaeneas zum Ende kommen ließ. Etwas unschlüssig begann er zu sprechen. "So. Hier sind wir nun." Er wusste nicht recht was noch zu sagen. Eigentlich wollte er mehr über den Jungen Mann an seinem Tisch erfahren, doch irgendetwas ließ ihn innehalten. Er hatte nicht so recht Ahnung wo zu beginnen. Einfach gerade heraus Fragen stellen? Nun, warum nicht. "Sag Phaeneas, lebst du schon lange in der Urbs Aeterna?" Mit dieser Frage umschiffte er Themen, die der Mann offenbar nicht gerne anschnitt. So zum Beispiel seinen Herrn oder die Frage nach seiner Herkunft. Aber womöglich würde Sermo indirekt über den Aufenthaltsort des Herrn seines Gegenübers erfahren. Den jetzigen und den der vergangenen Jahre.

  • Nachdem der Junge genickt und sich davongemacht hatte, ließ Sermo seinen Blick durch die Garküche wandern. Dieses Verhalten kannte Pheaneas seinerseits nur von Leuten, die allein irgendwo hingegangen waren. Für einen Moment fragte er sich, ob Sermo sich noch daran erinnerte, ihn mitgenommen zu haben. Phaeneas fühlte sich leicht übergangen; dafür, dass er es sonst gewohnt war, übersehen zu werden, und anders auch gar nicht scharf darauf war, wollte er – wenn schon jemand beschlossen hatte, sich mit ihm zu beschäftigen, und er sich seinerseits zu gleichem durchgerungen hatte – dass derjenige seinen Konzentrationsschwerpunkt entsprechend auf ihn legte. Mit wachen Sinnen und aufmerksamen Augen beobachtete er seine Essensgesellschaft.
    Amüsant dagegen fand er, als Sermo – sobald er sich wieder auf Phaeneas besonnen hatte - dann etwas unsicher ein Gespräch zu beginnen versuchte. Aber er war ja nicht so, nein böswillig oder schadenfroh war der Bithynier kein bisschen, weswegen er einfach erwiderte: „Ja, da sind wir nun. Danke übrigens für die Einladung und die Linsensuppe und den Wein ...“ Aus einer undefinierbaren Art von Schamgefühl heraus brachte er es nicht über sich, zu sagen, dass etwas Kleineres es ohne weiteres genauso getan hätte.
    Schließlich wollte Sermo doch noch etwas konkreteres von Phaeneas wissen; rein prinzipiell war diese Erkundigung eine ganz normale, harmlose Frage, wie man sie neuen Bekanntschaften üblicherweise öfter am Anfang gerne stellte, weil sie unverfänglich, nicht zu persönlich und immer anwendbar war. Aber der bithynische Sklave erinnerte sich noch zu gut, dass er bis vor kurzem mit Sermo vor einer vollgeschmierten Hauswand gestanden war, der Phaeneas – wie jener aus der Ferne hatte feststellen können – seine ganz eigene Botschaft an die Welt hinzugefügt hatte.
    Tja, wie viele Senatoren verbrachten schon ihre Sommermonate in Germania? Deshalb war er etwas vorsichtiger, als er antwortete: „Nein, aber ich war immer wieder hier. Man sagt, alle Wege führen nach Rom. Das stimmt insoweit, wie es alle in der römischen Gesellschaft wichtigeren Leute immer wieder hierher zieht. Und damit auch ihre Sklaven.“
    Fragend wandte er sich dann mit gleicher Frage an sein Gegenüber: „Und wie sieht es mit dir und Rom aus? Darf man außerdem fragen, was du beruflich machst?“ Vielleicht eine etwas naive Annahme von Phaeneas, dass alle anderen – außer Sklaven natürlich – nichts zu verbergen hätte.

  • Sermo musste sich selbst eingestehen, dass er an seinem Umgang mit Fremden noch ordentlich feilen musste, wenn er nicht regelmäßig nach einem geeigneten Gesprächsbeginn kramen wollte. Zum Glück war diese Begegnung zwischen Sklaven und Bürger ohnehin so merkwürdig, dass Sermo Gegenüber in ebenso schlichter Art zunächst seinen Dank aussprach - und es dabei beließ. "Nichts zu danken. Ist doch eine Kleinigkeit," Erwiderte er leichthin und verlor dann kein Wort mehr darüber. Dankbarkeit war etwas, das der Quintilier zwar kannte, auch gelegentlich von anderen erfuhr, doch was er nicht oft akzeptieren wollte. In diesem Fall war es für ihn sogar eine Selbstverständlichkeit, dass sein Gesprächspartner nichts hinzusteuern musste. Daraufhin konnte Sermo auch seine Frage stellen und bekam auch eine Antwort, die so allgemein ausfiel, wie er es ungefähr erwartet hatte. Gut, der Mann war klug und gab so wenig von ihm preis wie er konnte. "Alle Wege führen nach Rom...wie wahr dieses Sprichwort doch ist." Tja, blöd nur für Sermo, dass er nicht der einzige war, der sich für sein Gegenüber interessierte. Phaeneas stellte prompt eine Gegenfrage. Ja, wie sah es denn mit ihm und Rom aus? Blitzschnell schaltete es in Sermos Kopf, woraufhin er eine Antwort präsentierte, die ebenfalls allgemein gehalten war und doch genügend Stoff lieferte um ein Gespräch weiterführen zu können. "Ich bin hier geboren und habe mein halbes Leben hier verbracht. Die andere Hälfte verbrachte ich bisher beim Studium in der Ferne. Und nun führte mich mein Weg - dem Sprichwort gemäß - hierher zurück. Zudem darfst du selbstredend fragen, welchem Beruf ich nachgehe: Ich habe die ehrenvolle Aufgabe eines Liktors. Ich bin dem amtierenden Praetor zugeteilt." Das Wissen über seinen Beruf nahm Sermo nicht als Geheimnis wahr, denn jeder konnte ihn täglich im Gefolge des Purgitiers in den Straßen sehen. Wichtiger war ihm, dass niemand von gewissen anderen Aktivitäten erfuhr, denen er gelegentlich in der Subura nachging.

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