• Zitat

    Original von Germanica Laevina
    "Wie rührend, dass du dir solche Gedanken um mein Wohlergehen machst." zwitscherte Laevina und ignorierte dabei geflissentlich Sedulus' Ironie. "Und was das Wohl der Familie betrifft, das versteht sich ja wohl von selbst!"


    Mittlerweile hatte sie sich schon ganz gut von dem ersten Schrecken erholt, den der Grund seines Besuchs bei ihr ausgelöst hatte und sie freute sich bereits darauf, in Ruhe weitere Pläne für die Zukunft zu schmieden. Je länger sie darüber nachdachte, desto besser gefiel ihr der Gedanke, dass ihre Enkelin bald einen Senator heiraten würde, selbst wenn es sich dabei um den unsäglichen Sedulus handelte. Aber da sie ja nun in Zukunft sogar auf zweierlei Weise verwandtschaftlich miteinander verbunden sein würden, war Laevina ausnahmsweise bereit sich mit ihrem Großneffen etwas mehr Mühe zu geben.


    Puh, über was sie sich jetzt alles Gedanken machen musste... Wo fing sie denn nur am besten an?


    Tja so bin ich eben...


    Grinste Sedulus nur breit.


    Schön zu wissen Laevina! Gut, ich habe dich nun lange genug genervt und du wirst jetzt wohl auch einiges zu verarbeiten haben. Von daher möchte ich dich nicht weiter stören. Wir werden uns ja bestimmt in nächster Zeit mal wieder über den Weg laufen.


    Und sei es nur bei irgendwelchen Essen...
    So verabschiedete sich Sedulus von seiner was auch immer. Er erhob sich von seinem Platz und ging seiner Wege.


    Vale und einen schönen Tag noch.

  • Als Calvena ihr Mitgefühl aussprach, hatte Laevina den armen verstorbenen Matrinius bereits wieder abgehakt und nickte nur mit einer wegwischenden Handbewegung. "Naja, im Grunde ist er genauso dein Verwandter wie der meine. Aber da wir ihn beide nicht kannten, können wir uns genauso gut wieder Dingen zuwenden, die uns beiden wichtig sind."


    Laevina sah Calvena prüfend an und stellte fest, dass diese aufrichtig zerknirscht wirkte. Was konnte das Mädchen denn nur für ein Problem haben, dass es nicht wesentlich angenehmer mit ihren Onkeln oder Freundinnen besprechen konnte? Ach, Neugier konnte schon sehr quälend sein...


    "Setz dich doch." sagte Laevina gönnerhaft, ohne sich etwas davon anmerken zu lassen und wies auf den Sessel der ihrem Schaukelstuhl gegenüberstand. "Es geht also um deine Hochzeit mit dem Praetorianer? Wie kann ich dir denn da weiterhelfen?"

  • Irgendwie war es typisch für Laevina, dass sie nicht wirklich erschüttert war, aber in diesem Fall konnte sie es verstehen, sie hatte diesen entfernten Verwandten auch nicht gekannt und wirklich nah ging es ihr nicht.


    Laevina wirkte höchst zufrieden mit sich, als sie ihr einen Platz anbot, sie ließ sich schließlich in den bequemen Sessel sinken und legte die Hände in den Schoß. Sie war nervös und deswegen spielte sie mit dem ring an ihrem Finger.


    Zwar hatte Laevina immer noch nicht versprochen, sie würde mit niemanden über das reden, um was sie jetzt bitten würde, aber wenn sie nicht bald mit der Sprache raus rückte, würde wohl Laevina die Geduld mit ihr verlieren.


    „Nun….“, begann sie, es war deutlich, dass es ihr unangenehm war, hier zu sein. „Also, es geht um mein Hochzeitskleid.“ Es kostete sie einige Überwindung mit ausgerechnet Laevina darüber zu reden. „Ich kann nicht weben…“, gab sie dann doch unverblümt zu. "Und ich wollte dich fragen, ob du mir hilft!" Nun war es raus. Noch nie war ihr etwas so schwer gefallen.

  • Während Calvena an ihrem Ring herumspielte, nutzte Laevina die Gelegenheit Material, Verarbeitung und Perle dieses Schmuckstücks genau zu taxieren, was ihr dank ihrer immer noch hervorragenden Augen auch aus dieser Entfernung mühelos gelang. Nun, ganz offensichtlich hatte sich der Praetorianer beim Kauf nicht lumpen lassen, das konnte man durchaus als gutes Zeichen werten.


    Sie war bereits versucht, mit den Fingern ungeduldig auf der Lehne des Schaukelstuhls zu trommeln, als das Mädchen endlich mit der Wahrheit herausrückte und Laevina in echter Überraschung die Augen aufriss. Wie bitte? Das konnte doch wohl nicht wahr sein!


    "Was soll das heissen, du kannst nicht weben? Wieso kannst du nicht weben? Das kann in Rom doch jedes achtjährige Kind! Wo, um alles in der Welt bist du denn...." redete Laevina sich in Rage und merkte erst im letzten Moment, dass sie gerade mit Riesenschritten auf einen riesigen Fettnapf zusteuerte. Und wenn sie den höchst zerbrechlichen Waffenstillstand mit Calvena noch eine Weile beibehalten wollte, dann musste sie jetzt ganz schnell die Kurve kriegen.


    "Ist ja auch völlig egal." wischte sie ihre eigene letzte Bemerkung wieder vom Tisch. "Natürlich helfe ich dir, wir Germanica-Frauen können uns eine solche Blöße nicht erlauben..."

  • Calvena hatte nicht gewusst, wie Laevina reagieren würde, aber sie hätte nicht gedacht dass die Großtante so reagierte. Sie ging regelrecht an die Decke und sie biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte keine Lust sich zu rechtfertigen, nicht gegenüber Laevina. Es viel ihr schon schwer genug hier zu sitzen und sie um Hilfe zu bitten und ihre Reaktion machte es ihr nicht gerade einfacher.


    Schneller als gedacht, bekam sich dann Laevina wieder unter Kontrolle. Mit einiger Erleichterung nahm sie es auf, das Laevina bereit war ihr zu helfen. Sie war ehrlich überrascht.


    „Ich danke dir!“ lächelte sie dankbar und überging das unglückliche Zwischenspiel. Stattdessen beschloss sie reinen Tisch zu machen.


    „Ich weiß zwar immer noch nicht von wem du erfahren hast, dass ich mit Gauklern unterwegs war, aber ich denke du solltest die ganze Geschichte kennen…“, wieder machte sie eine Pause und biss sich kurz auf die Unterlippe. Es fiel ihr gar nicht leicht, sich ihr gegenüber zu öffnen.

  • Laevinas Augenbraue ging erstaunt in die Höhe, als Calvena ihr eröffnete, sie würde ihr die Wahrheit über ihre Vergangenheit erzählen. Schließlich war ihr eigener Ausbruch weniger eine Anspielung auf das frühere Leben ihrer Großnichte beim fahrenden Volk gewesen, sondern eher aufrichtiges Entsetzen, dass ein Mädchen in Calvenas Alter nicht weben konnte. Für die alte Germanica gehörten so traditionell weibliche Fähigkeiten wie das Weben zur absolut elementaren Grundausbildung jeder jungen Frau der Gesellschaft, daher hatte sie mit Argusaugen darüber gewacht, dass sowohl ihre Tochter als auch ihre Enkelin sie einwandfrei erlernten.


    Andererseits war die Gelegenheit mehr zu erfahren mehr als günstig, und neugierig war Laevina selbstverständlich auch, und das nicht zu knapp.


    "Nun, wenn du meinst..." antwortete sie und bemühte sich, nicht allzu interessiert zu klingen."Ich werde nicht darauf bestehen, dass du mir davon erzählst, aber vielleicht wäre es von Vorteil, wenn die engsten Familienmitglieder darüber Bescheid wüssten, damit sie in dieser Hinsicht an einem Strang ziehen können".

  • Es war nicht der Ausbruch von Laevina gewesen, der sie zu diesem Schritt gebracht hatte, sondern vielmehr die Tatsache, dass es besser wäre, wenn sie die Wahrheit von ihr hörte und nicht irgendeine verdrehte Lüge. Auch wenn es ihr unglaublich schwer fiel, ausgerechnet mit der Alten darüber zu reden. Aber sie sah ein gewisse Notwendigkeit ein. Dennoch behagte es ihr gar nicht, das Laevina ihre unsägliche Neugierde kaum verbergen konnte. Sie sah das Funkeln in deren Augen. Mit Mühe verkniff sie sich einen gehässigen Kommentar, über die engsten Familienmitglieder. Eigentlich waren sie Beide nur ganz entfernt verwandt. Auf Streit hatte sie es nicht abgesehen. Stattdessen betrachtete sie noch einmal kurz den Ring an ihrer Hand und begann dann zu erzählen:


    “Ich weiß ja nicht, was du über meine Eltern gehört hast. Aber sie waren nicht verheiratet, oder haben irgendwie zusammen gelebt.“ Sei selbst störte sich nur wenig daran, dass ihre Eltern nur Spaß gesucht haben und sich dann nie wieder gesehen hatten. Ihr Vater hatte wohl nie erfahren, dass er ein Kind gezeugt hatte. Wie er es wohl aufgenommen hätte? „Meine Mutter ist von zu Hause weg gelaufen. Zu welcher Familie sie gehört hat, das weiß ich bis heute nicht. Das hat sie immer für sich behalten. Sie hatte wohl ihre Gründe“, sie gab sich alle Mühe so emotionslos zu klingen wie möglich. Laevina musste ja nicht erfahren, wie sehr es sie alles aufwühlte. „Meine Mutter war ein so etwas wie ein Freigeist, sie würde wohl im Grabe rotieren, wenn sie erfährt, dass ich heirate und im Grunde schon den Weg einschlage vor dem sie geflüchtet ist“, im Grunde bezweifelte sie ihre Aussage ein wenig. Ihre Mutter hätte ihr wohl alles durchgehen lassen. Sie war ja ihrem Weg gefolgt und hätte ihr wohl auch die Freiheit gelassen den eigenen Weg zu gehen. Aber es war wohl besser, Laevina in diesem Glauben zu lassen. „Sie hat sich Gauklern angeschlossen und dann einen anderen Namen angenommen du irgendwann dann wohl meinen Vater kennen gelernt. Er war Soldat“, fügte sie hinzu. Sie verkniff sich ein Schmunzeln, anscheinend hatte sie mit ihrer Mutter doch einiges gemein.
    „Naja es kam wie es kam“, kürzte sie dann ab. „Meine Mutter zog weiter und genoss ihr Leben und brachte mich dann auf die Welt“, bisher war es ja nicht wirklich spannend gewesen, aber sie war sich sicher das Laevina sich so ihre Gedanken machte. Besonders über ihre Charakterschwächen und andere Dinge. „Ich bin bei den Gauklern aufgewachsen“, meinte sie leichthin und sparte sich alle Details. „Mutter starb, als ich fünf war und ich bin da geblieben wo ich schon war: Bei den Gauklern. Sie waren meine Ziehfamilie“, berichtete sie weiter. So stark hatte sie ihre Kindheit noch nicht zusammengefasst, aber sie wollte gegenüber Laevina sich keine emotionale Blöße geben. Nun kam sie auch zu dem Punkt, wo es ihr schwer fiel zu erzählen, von daher schwieg sie kurz.

  • Dem Gesicht der alten Germanica war kaum eine Regung anzusehen, während sie Calvenas Schilderung aufmerksam und schweigend zuhörte. Und tatsächlich war sie auch deutlich weniger schockiert über diese Enthüllungen, als das Mädchen wahrscheinlich vermuten würde.
    Sie kannte die Herkunft ihrer Mutter nicht? Nun, das war zwar nicht gerade berauschend, hatte aber immerhin den Vorteil, dass es auch kein Anderer wissen oder herausfinden konnte. Und wer wusste schon, welche unliebsamen Neu-Verwandten man ans Tageslicht bringen würde, wenn man allzu eifrig nach ihnen grub...


    Und dass man durchaus Sex mit jemandem haben konnte, mit dem man nicht verheiratet war, das wusste Laevina sogar aus eigener Erfahrung, auch wenn sie das aus gutem Grund nicht an die große Glocke hängte um ihrem Image als Sauberfrau nicht zu schaden.
    Ziemlich genau vor 35 Jahren war hatte sie sich Hals über Kopf in den jungen und attraktiven Marcilius Lento verliebt und mit ihm einige leidentschaftliche Tage und Wochen verlebt, bevor sie den Fehler gemacht hatte, sich von ihm zu einer erneuten Ehe überreden zu lassen. Hätte sie sich stattdessen irgendeinen reichen und halbtoten Mann gesucht und Lento als Liebhaber behalten, dann wäre ihr weiteres Leben vermutlich angenehmer verlaufen...
    Calvenas Vater hatte da offensichtlich praktischer gedacht und war nach getaner Tat direkt wieder seines Weges gezogen, aber dafür konnte man seine Tochter nicht verantwortlich machen. Zumal eine Ehefrau mit derart ungeklärter Vergangenheit auch alles andere als vorteilhaft für die Familie gewesen wäre. Das einzige, was Laevina an der Geschichte wirklich sauer aufstieß, war der Ausdruck "Freigeist", denn für so etwas hatte sie nun so gar kein Verständnis. Aber so lange das Mädchen nicht auch derartige Tendenzen in Bezug auf Denken und Handeln an den Tag legte, konnte es ihr eigentlich auch egal sein.


    Laevina nickte nach und nach alle Punkte der Erzählung nach aussen hin relativ unbeeindruckt ab und beschränkte sich bei ihrem Kommentaren auf ein kurzes und wertfreies "aha" oder "soso" von Zeit zu Zeit. Dann sah sie Calvena abwartend an, vermutlich ging die Geschichte ja noch weiter.

  • Laevina blieb die meiste Zeit über stumm. Ob das ein gutes Zeichen war, konnte sie nicht beurteilen, aber die Großtante wirkte nicht sonderlich schockiert. Das Gespräch verlief besser, als sie erwartet hätte, aber vermutlich bildete sich die Alte erst einmal ein vollkommen falsches Bild von ihr. Vermutlich würde Calvena sie nie davon überzeugen können, dass sie nicht kein liederliches Weibsbild war, was diese wohl glaubte. Im Grunde konnte es ihr egal sein, was die alte Germanica von ihr dachte. Dennoch war es wichtig, dass Laevina bescheid wusste, auch um damit ihrer Quelle entgegen zu wirken. Am liebsten hätte sie einen Becher Wein in der Hand gehabt, um sich an etwas fest zu halten, aber es musste auch ohne gehen. Sie hatte die Hände in ihrem Schoß zusammengelegt, um Laevina ja nichts über ihre aufgewühlten Gefühle zu verraten. Bloß keine Angriffsfläche bieten.
    „Nun..“, wieder machte sie eine kleine Pause. Nun kam der Teil, der ihr wirklich schwer fiel und den sie sich am Liebsten gedrückt hätte. „Wir wurden überfallen… in der Nähe von Rom“, erzählte sie. Ein Tag an den sie nur ungern zurück dachte, sie bekam immer noch regelmäßig Alpträume. Die Einzelheiten sparte sie sich auch hier, auch um sich selbst besser zu fühlen. In knappen Worten fasste sie dann die Ereignisse dann zusammen…

  • Nun, dieser Teil der Geschichte war allerdings wirklich eine Neuigkeit. Laevina war Zeit ihres Lebens zu sich selbst hart gewesen und brachte daher auch anderen Menschen so gut wie nie Mitgefühl entgegen, aber der Umstand, dass Calvena ein solches Erlebnis soweit man das beurteilen konnte auch geistig unversehrt überstanden hatte, nötigte ihr zumindest ehrlichen Respekt ab.


    "Nun, es freut mich, dass du dich durch diesen Überfall und seine Folgen nicht hast kleinkriegen lassen." bemerkte sie mit einem anerkennenden Kopfnicken. "Hat man diesen Abschaum eigentlich jemals zur Verantwortung gezogen?"

  • So recht wusste sie nicht, was sie auf den schon beinahe mitfühlende Bemerkung der Großtante erwidern sollte. Kurz glaubte sie, das Laevina sie nur wieder verhöhnte, aber dann stellte sie fest, dass diese ihre Worte durchaus ernst meinte. Anscheinend war dies wieder ein Schritt auf einander zu. Ein wenig seltsam war es schon.


    Auf die Frage Laevinas hin schüttelte sie den Kopf. „Sie sind über alle Berge, ich könnte auch keinen dieser Männer beschreiben...“, meinte sie und dachte nur ungern an diese Ereignisse zu. Dennoch hatte sie es ihr erzählt. Schweigen senkte sich zwischen ihnen. Calvena wusste nicht, was sie nun noch sagen sollte.

  • "Nun ja, dann bringt es ja auch nichts, weiter über dieses Geschmeiss nachzudenken." sagte Laevina kurzentschlossen und musterte ihre Großnichte dann aufmerksam.


    "Das, was ich jetzt sage, mag ein wenig zynisch klingen, aber es ist durchaus ernst gemeint. Erlebnisse dieser Art mögen schrecklich sein, aber sie verschaffen uns Frauen auch einen immensen Vorteil unseren Geschlechtsgenossinnen gegenüber, die häufig schon beim Anblick einer Maus oder einer schlechtdrappierten Palla in Tränen ausbrechen. Du hast durch diese Sache sicherlich einiges an Stärke gewonnen, und ich kann dir nur raten, diese so gut wie möglich zu nutzen und einzusetzen, wann immer es dir möglich ist."


    So, das musste an philosophischen Lebenstipps für's erste reichen. Laevina würde zwar gern noch das eine oder andere Detail über Calvenas Vorgeschichte und den Überfall erfahren, aber die praktischen Belange der Hochzeit gingen jetzt erstmal vor.


    "Dann lass uns mal in aller Ruhe über das Weben sprechen. Beherrscht du zumindest einige Grundfertigkeiten, oder rein gar nichts?"

  • Natürlich brachte es nichts, wenn sie sich den Kopf über Dinge zerbrach, die bereits geschehen waren. Dennoch wurde sie noch oft genug von Alpträumen heimgesucht und sie fragte sich dann, wenn sie schweißgebadet im Bett lag, ob es ihr Besser gehen würde, wenn diese Männer ihrer gerechten Strafe zugeführt würden. Es war aber Realität, dass selbst eine Bestrafung dieser Verbrecher, ihr ihr altes unbeschwertes Leben nicht zurück bringen würde. Oft genug machte sie es sich dann bewusst, dass es sie gar nicht so schlecht getroffen hatte. Sie würde bald heiraten, sie war verliebt und hatte ihre Blutsverwandten kennen gelernt. Auch wenn sie oft den Eindruck einer unbeschwerten jungen Frau machte, besaß sie doch mehr Tiefgang, als manch Modepüppchen. Ihre Erfahrungen hatten sie geprägt und dies würde sie wohl niemals ablegen. Es machte vieles an ihr aus.


    Ein leichtes Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen, als Laevina ihr ihre Weisheiten vermittelte. „Du erzählst mir nichts neues, aber ich danke dir für deinen Rat...“, sie meinte ihre Worte sehr ernst. Dennoch war sie erleichtert, als Laevina nun wieder ein anderes Thema anbrachte. Das weswegen sie ja eigentlich hier war. Nun fühlte sie sich aber wieder wie auf dem Präsentierteller. Reichlich verlegen spielte sie wieder an ihrem Ring.


    „Ich hab noch nie vor einem Webrahmen gesessen, noch weiß ich, wie ich damit umzugehen habe. Unter den Gauklern werden andere Fähigkeiten verlangt, als weben. Ich kann einen Handstand und auch einen Salto, aber was die häuslichen Fähigkeiten angeht, hab ich eigentlich bisher kein Talent gehabt...“, mit einem gewissen Galgenhumor stand sie zu ihren Schwächen. „Man sollte mich nie in eine Küche stellen, ich ruiniere das Essen, selbst wenn ich nur helfen soll“, gab sie freimütig zu. Es brachte ihr ja nichts, wenn sie log.

  • Laevina schüttelte unwillig den Kopf, als Calvena ihre diversen Unzulänglichkeiten als Hausfrau aufzählte.


    "So schlimm steht es? Aber egal, das eine oder andere werde ich dir bis zur Hochzeit noch beibringen können. Und glaube mir eins: jetzt, wo Valerian noch mitten im Saft steht, wird er dir sicher lieber beim Salto-schlagen als beim Kochen zusehen. Aber lass mal ein paar Jahrzehnte ins Land gehen. Irgendwann kommt totsicher der Zeitpunkt an dem er es mehr zu schätzen wissen wird, wenn du ihm ein leckeres Süppchen für den zahnlosen Gaumen kochen oder warme Unterkleidung für seine klapprigen Knochen weben kannst. Alles andere rührt sich dann wahrscheinlich eh schon lange nicht mehr..."


    Die alte Germanica machte bei ihren Ausführungen ein kleines Päuschen und sah Calvena abwartend an. "Nach allem, was du mir gerade erzählt hast, vermute ich mal, dass du keinen Webrahmen besitzt. Wenn du willst, kann Quadrata meinen zum Üben herbeiholen, wir sollten wirklich nicht mehr allzuviel Zeit verlieren. Und so schwer ist es wirklich nicht, du wirst schon sehen. Alles eine Frage der Präzision..." Ach, das war doch definitiv eins ihrer Lieblingswörter und kam gleich nach Disziplin und Effizienz!

  • Die kritischen Worte der alten Germanica trafen sie dann doch. Sie musste sich zusammen reißen um nicht gleich schmollend da zu sitzen. Sie wusste nur selbst zu gut, wo sie ihre Unzulänglichkeiten hatte, aber dass Laevina sie sogleich als Hoffnungslosen Fall abstempelte machte ihr dann doch zu schaffen. Aber zumindest wollte sie ihr helfen, auch wenn sie wohl ihren Stolz weit herunter schlucken musste und sich wohl viele spitze Entgegnungen in Zukunft verkneifen sollte. Es würde gar nicht einfach werden für sie.


    „Ich werde mir Mühe geben“, versprach sie ihr und betete innerlich das sie nicht allzu sehr auf die Probe gestellt werden würde. Aber so wie sie Laevina kannte, würde diese sich einen Spaß darauß machen, sie immer wieder zu sticheln und zu kritisieren.


    „Je früher wir anfangen, desto schneller werde ich sicherlich lernen“, na wenn das stimmte. Bisher hatte sie keinerlei Geschick besessen. Aber noch hatte sie nicht unter Anleitung an einem Webrahmen gesessen. „Nein, einen Webrahmen hab ich nicht. Es wäre sehr nett, wenn du mir gestattest, an deinem zu Üben“, sagte sie höflich.

  • "Fein, dann sollten wir das direkt angehen." Laevina schnippte mit den Fingern, und Quadrata, die geduldig in einer Ecke des Zimmers auf Anweisungen gewartet hatte, wieselte sofort in den Nebenraum und kam nach kurzer Zeit mit einem Webrahmen und Wolle zurück und baute beides vor Laevina auf.


    "Komm her, und setz dich neben mich, dann kann ich es dir besser zeigen." forderte Laevina ihre Großnichte auf und wartete, bis diese mit ihrem Sessel näher an sie herangerückt war.


    "Also pass auf. Siehst du diese Kerben oben und unten am Rahmen?Als erstes müssen wir den Webrahmen bespannen. Dafür bindest du den Faden hier unten links am Rahmen fest, dann ziehst du ihn durch die erste Kerbe unten links nach oben in die erste Kerbe. Hinter der Kerbe legst du den Faden nach rechts in die zweite obere Kerbe und ziehst dann wieder nach unten. Siehst du das? Kinderleicht, wie ich finde..."
    Laevina führte mit kundigen Fingern die ersten Handgriffe durch, dann hielt sie Calvena den Faden hin. "So, und das ganze wiederholst du jetzt, bis der Rahmen einmal bespannt ist."

  • Ihr blieb gar keine Gelegenheit darüber nach zu denken, ob es eine so gute Idee war, sich nun mit Laevina zusammen zu setzen. Aber welche Möglichkeiten blieben ihr denn noch? Außerdem schienen nun sie wirklich so etwas wie Frieden geschlossen zu haben. Sie rückte mit ihrem Sessel näher an die Alte heran und sah ihr erst einmal über die Schulter. Sie war noch erstaunlich flink und agil für ihr Alter. Wie selbstverständlich spannte sie die Wolle ein und erklärte ihr dann sogar ruhig, was sie zu tun hatte. Etwas Unsicher nahm sie ihr dann den Strang ab und zog diesen dann durch die Kerben im Holz. Bis hierhin war es ja noch einfach, fand sie. Sorgfältig spannte sie den Rahmen. Es dauerte wohl länger, als bei Laevina, denn immer wieder machte sie ausversehen Knoten in die Wolle, welche sie dann erst einmal lösen musste. Dabei verlor der Rahmen natürlich seine Spannung und sie musste nach ziehen. Doch nicht so einfach, wie im ersten Moment gedacht. Schließlich war es ihr geglückt, auch wenn es wohl nicht ganz das erwartete Ergebnis war und sie länger gebraucht hatte, als gedacht. Erwartungsvoll sah sie dann Laevina an. „Wie geht es weiter?“ fragte sie.

  • Hausarrest.


    Es gab Dinge, die ein Kind zermürben konnten. Dazu gehörten nicht tagelange Regenfälle, Finanzkrisen in der Familie oder die Aussicht auf eine Prüfung. Kein Kind war für diese Art von schwarzen Zeiten empfänglich. Nein, bei einem Kind bedurfte es weitaus schwerwiegender Vorfälle, damit es in Mut- und Lustlosigkeit verfiel.


    In Marcus Fall hieß der schwerwiegende Vorfall Hausarrest. Viel zu lange durfte er keinen Fuß vor die Tür setzen und sich immer nur innerhalb der Mauern der Casa Germanica bewegen. Es fiel ihm schwer, sich an das Verbot zu halten. Weniger, wenn Bia ihn streng beaufsichtigte, wenn er lesen oder schreiben übte und auch nicht sonderlich, wenn Vitale ihm eine Geschichte erzählte, in der es um ferne Länder und deren Sitten im Vergleich zu den römischen ging. Es waren die kurzen Momente, die er unbeaufsichtigt war, die ihm Trübsal blasen ließen, denn auf seinen Schultern saßen zwei kleine Figuren, die sich stets im Streit begegneten. Die eine von ihnen wollte Marcus warnen, bloß nicht auf den Gedanken zu kommen das Verbot, die Casa zu verlassen, zu übergehen. Die andere von ihnen lockte mit dem nahenden Frühling, der milder werdenden Luft, den singenden Vögeln und all der guten Laune, die ihm entging. Sie sprachen mit piepsigen Stimmen immerzu gegeneinander und versuchten stets die andere auszustechen. Die eine hieß Pieta, die andere Discordia.


    Marcus hatte seine Mühe dem sympathische Drängen letzterer zu widerstehen. Doch noch waren der Ärger, die vielen strengen Gespräche und die auf ihm ruhenden finsteren Blicke zu gegenwärtig, als dass er ihr leichtfertig gefolgt wäre. Mit Pietas piepsendem Lob im Ohr, nahm der Knabe das bunte Schneckenhaus aus seiner Tasche und betrachtete es kurz. Vielleicht würde er ja fröhlicher werden, wenn er sich etwas mehr Mühe gab?


    Kaum gedacht, hatte sich das Schneckenhaus in eine Sklavin verwandelt, die zum Mercatus geschickt worden war, um einzukaufen. Sie hoppste beschwingt an den Wänden entlang. “Lalalala, ich gehe jetzt zum Mercatus und kaufe viele schöne Dinge. Mal sehen, was wir gebrauchen können. Hmmmm. Mehl und Eier. Und etwas Stoff, um für Sabina ein neues Kleid zu machen. Für die Senatoren vieeeel Wein und Schriftrollen. Oh, und für Calvena eine neue Bürste, damit ihr Haar schön glänzt. Und ein paar Blümchen, weil sie sie so gerne mag.“
    Die Szenerie wurde für Marcus lebendig, während er mit piepsig verstellter Stimme (ähnlich der der beiden um seinen Willen streitenden Göttinnen auf seinen Schultern, von denen die eine zufrieden beobachtete, was der Knabe nun tat, und die andere schmollte).
    Die Türen stellten in Marcus Spiel die Läden dar. Beim ersten unterhielt er sich mit einem kloßrunden Mann, der seine billige Ware zu Wucherpreisen darbot. “Hm. Nein, nein, nein. Die Senatoren werden mich köpfen, wenn ich so viel Geld ausgebe,“ piepste die Schneckenhaussklavin daher empört und stemmte die Arme in die Seiten. “Hast du denn nicht etwas Schöneres für weniger Geld?“


    Weil dem nicht so war, steuerte sie den nächsten Stand an. Um die ausgelegte Ware besser sehen zu können, sprang sie schwungvoll auf die Klinke und fiel, als diese nachgab, zu Boden. “Ooooh nein, ein Abgrund! Oh Schreck, das ist ja der tarpeische Felsen! Ich falle! Neeeeein, so rettet mich doch, ich habe immer ehrlich und treu gedieeeeeeeent…..“ Das Schneckenhaus fiel, während die Tür sich wie von Geisterhand öffnete, und landete mit einem “Brcbuqrschtrprm!“ auf dem Boden. Das Ende der imaginären Sklavin. Die Ärmste.


    Als Marcus sich wieder aufrichtete, um noch einmal neu anzufangen, bemerkte er, dass die Tür sich geöffnet hatte. Sein Spiel vom ersten Tag hier kam ihm in den Sinn und auch, dass er sich immer noch nicht zur Gänze in der Casa umgesehen hatte. Nun wusste er, was er tun konnte. Und er musste nicht einmal die Casa verlassen. Entschlossen trat er ein und sah sich in dem Zimmer um.

  • Besonders schnell war die Kleine ja nicht, aber da Calvena ja zum ersten Mal einen Webrahmen bespannte, übte sich Laevina in Geduld und wartete, bevor sie mit ihren Erklärungen fortfuhr.


    "Nun, leider ist die Vorarbeit noch nicht beendet, denn wir müssen den Rahmen noch ein zweites Mal bespannen. Das geht am besten, in dem du ihn noch einmal rückwärts bespannst, oder aber du schneidest den Faden ab und beginnst noch einmal von vorne. Entscheide dich für eins von beiden, achte aber darauf, dass du ihn nicht zu stramm spannst, denn wir müssen noch ein Mittelstück einlegen."Die alte Germanica warf der jungen einen prüfenden Blick zu, um sich zu vergewissern, dass diese auch alles richtig verstanden hatte und fuhr dann fort.
    "Fang einfach an, ich werde dir nur zuschauen und eingreifen, falls du etwas falsch machen solltest." Sowohl ihrer Tochter als auch ihrer Enkelin hatte Laevina seinerzeit mit einem Stock den einen oder anderen recht schmerzhaften Schlag auf die Finger verpasst, um die Konzentration und Leistungsbereitschaft ein wenig zu fördern. Aber um so kurz vor der Hochzeit ihrer Großnichte keinen weiteren familiären Eklat zu provozieren, beschloss sie, sich ungewohnt milde und großzügig zu zeigen und auf diese durchaus bewährte Methode ausnahmsweise einmal zu verzichten.

  • Laevina schien mit dem Ergebnis des ersten Bespannens zufrieden zu sein. Jedenfalls kritisierte sie nicht an den Handgriffen Calvenas herum. Doch wenn sie gehofft hatte, dass damit nun der erste Teil beendet war, so hatte sie sich geübt. Nun sollte sie noch einmal die Fäden über den Rahmen spannen. Die Großtante erklärte ihr das sie nun zwei Möglichkeiten hatte, sie entschied sich für das rückwärts bespannen. Den ersten Faden in die Kerben zu legen stellte sich als nicht so einfach dar, aber danach ging es recht flott. Sie versuchte sich daran zu halten, nicht zu fest zu spannen, sondern etwas Luft zu haben. Nur wurde es nicht ganz so gleichmäßig wie bei der ersten Runde.


    „Webst du gern?“ fragte sie Laevina. Sie sah es als Möglichkeit mehr über die alte Dame zu erfahren. Wann sonst sollten sie sich einander annähern. Also konnte sie auch die Gelegenheit beim Schopfe packen.

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