• Ach herrje, allmählich juckte es Laevina aber doch schon ziemlich stark in den Fingern, Calvena einen kleinen Klapps auf die Knöchel zu geben. Mittlerweile ging das Mädchen zwar schneller vor, aber das doch sehr auf Kosten der Ordnung.


    "He, nicht so schnell." sagte sie streng und zeigte mit dem Finger auf die reichlich unregelmäßig bespannten Reihen. "Das Wichtigste beim Weben ist die Präzision, die Geschwindigkeit kommt irgendwann von ganz allein. Die zweite Bespannung wirst du wieder lösen und noch einmal wiederholen müssen. Schließlich soll das Ganze doch vernünftig aussehen, oder nicht?" Die Frage war natürlich rein rhetorisch, dass man auf einer derart verhunzten Bespannung nicht vernünftig arbeiten konnte, sah ja schließlich jeder Blinde....


    "Ob ich gern webe? Keine Ahnung, darüber habe ich noch nie nachgedacht." antwortete Laevina dann auf Calvenas Frage. "Es erfüllt seinen Zweck, und darum geht es doch bei den meisten Dingen im Leben."

  • Da heute zufälligerweise ein Großteil der Familie ausser Haus und damit ausser Sicht- und Hörweite war, war Laevina zu einem ihrer regelmäßigen Kontrollgänge durch die Gänge der Casa aufgebrochen und hatte die Gunst der Stunde für einige Stippvisiten hier und da in den Räumlichkeiten genutzt. Seit ihrem Zusammenstoß mit Calvena im Zimmer des Mädchens ging sie dabei noch vorsichtiger zu Werke und war nie wieder auch nur einer Maus begegnet.
    Besonders aufregend war die Ausbeute des heutigen Tages nicht gewesen, aber das konnte man durchaus auch als positives Zeichen werten, denn schließlich schien kein Mitglied ihrer Familie irgendetwas wichtiges vor ihr geheimzuhalten.
    Gut gelaunt und ein kleines Liedchen summend kehrte Laevina schließlich in ihre Räumlichkeiten zurück und wollte gerade überlegen, wie sie ihr Tagewerk am produktivsten fortsetzen konnte, als ihr Blick an der kleinen Gestalt hängen blieb, die seelenruhig mitten in IHREM Zimmer stand. Den Göttern sei Dank war die alte Germanica noch nie besonders schreckhaft gewesen, und so konnte man auch eher Empörung als Schreck aus ihrem Bellen heraushören.


    "Was machst du in meinem Zimmer? Das kann doch wohl nicht wahr sein!" fauchte sie den kleinen Jungen an.

  • Das es keine Glanzleistung war, die sie hier ablegte, war ihr schon bewusst gewesen, aber allein an der Miene Laevinas Miene konnte sie ablesen, dass sie aber anscheinend hundsmiserabel, setzte ihr dann doch zu. Sie kniff die Lippen aufeinander und versuchte sich jeglichen Kommentar zu sparen. Sie war noch eine Anfängerin, Laevina konnte nicht ernsthaft erwarten, dass sie schnell lernte und dann auch noch Perfekt war. Mit finsterer Miene starrte sie auf die Fäden und seufzte dann ergeben. „Natürlich“, murmelte sie und löste dann die Fäden um sie dann noch einmal zu spannen. Der erste Versuch war ja kläglich gescheitert. Sorgfältig wickelte sie den Faden auf, den sie zuvor vom Rahmen genommen hatte und spannte ihn dann noch einmal über die Streben und legte ihn in die Kerben. Diesmal langsamer und ruhiger. Während dessen konnten sie ihr Gespräch fortsetzen.


    „Du hast schon recht. Ohne diese Arbeit würden wir nicht die Kleider haben, die wir tragen.“ Ob sie Laevina nach ihren Ehemännern fragen sollte? Ein Versuch war es wert und wenn nicht jetzt, wann dann? „Warst du jemals glücklich in einer deiner beiden Ehen?“ fragte sie dann. Nicht nur aus Neugierde, sondern aus echtem Interesse.


    Faden für Faden spannte sich nun langsam über den Rahmen. Zwar war sie recht langsam, aber diesmal war es ordentlich und annehmbar. Mit leichtem Druck spannte sie nun das letzte Stück. Doch der Faden riss... Völlig verblüfft starrte sie auf ihr fast vollbrachtes Werk und den zerrissenen Faden.

  • Laevina beobachtete jede Handbewegung ihrer jungen Verwandten mit Argusaugen und sah nur kurz überrascht auf, als diese ihr eine höchst ungewöhnliche Frage stellte. Ob sie in einer ihrer Ehe glücklich gewesen war? Was war denn das nun wieder für ein neumodischer Kram? Normalerweise hätte sie Calvena mit einer kurzen Bemerkung abgefertigt, aber da sie aufgrund des doch eher bescheidenen handwerklichen Talents des Mädchens noch geraume Zeit hier zusammen verbringen würden, entschied sich die alte Germanica für etwas mehr Entgegenkommen.


    "Seit wann heiratet man denn, um glücklich zu werden?" fragte mit leicht brummenden Unterton und schüttelte dabei den Kopf. "Aber da du ja nun selbst eine Ehe eingehen wirst, kann ich dir genauso gut auch etwas über meine erzählen." Laevina prüfte kurz mit einem Finger die Spannung des Fadens und fuhr dann fort. "Nimm es mir nicht übel, aber dein Großonkel Vindex war ein Schwachkopf. Ein Mann ohne Ambitionen und jegliches Talent, wenn man vielleicht mal vom Schlafen absieht. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass er mir nach seinem Tod in irgendeiner Weise gefehlt hätte. Aber immerhin habe ich ihm meine beiden Söhne zu verdanken, also will ich nicht undankbar sein." Für eine winzige Sekunde wurde Laevinas Gesicht ein wenig weicher, dann hatte sie sich wieder unter Kontrolle.
    "Nun ja, und Lentho....." die alte Germanica seufzte kurz auf und sprach dann weiter, "....den hab ich mir selbst ausgesucht, also kann ich auch nicht beschweren. Wir hatten anfangs eine schöne Zeit miteinander, aber nach einer Weile hat sich gezeigt, dass wir unterschiedliche Erwartungen an die Zukunft hatten. So sehr du also auch an deinem Praetorianer hängen magst, stell sicher, dass ihr auch gemeinsame Vorstellungen und Interessen habt. Leidenschaft vergeht früher oder später, Gemeinsamkeiten bleiben." Kaum war sie fertig, da wunderte sich Laevina selbst über ihre ungewohnte Offenheit. Doch bevor sie sich allzuviele Gedanken darüber machen konnte, ruinierte Calvena den fast vollständig bespannten Rahmen doch noch.


    "AAAAAAH! Was machst du denn da bloß?" rief sie entsetzt. "Du kannst doch nicht an dem Faden herumreissen wie an einem Fischernetz.... Lass mich mal, sonst sitzen wir heute nacht noch hier...."


    Ohne auf Calvenas Reaktion zu warten, nahm Laeviana ihr den Faden aus der Hand, löste die zweite Bespannung wieder und begann mit schnellen kundigen Handbewegungen von neuem. Nach kurzer Zeit war sie fertig und präsentierte ihrer Großnichte einen perfekt bespannten Rahmen. "Siehst du? So geht das."

  • Calvena hätte ihre Frage auch anders stellen können. Ob Laevina zufrieden gewesen war oder aber so etwas wie Liebe gefunden hatte, aber sie hatte direkt gefragt, ob die alte Germanica glücklich gewesen war. Es musste doch Gründe geben, warum sie manchmal so verbittert war und auch so besitzergreifend, zumindest was Serrana anging. Es war nicht wirklich Wut die die alte Dame auf die Iunia empfand, sondern sie glaubte dass es Enttäuschung war und verborgener Schmerz. Dinge über diese wohl niemals reden würde. Aber sie wollte hinter die Maske der alten Matrone sehen. In diesem Moment des friedlichen beisammen Seins glaubte sie so etwas wie die junge Laevina zu entdecken.
    Die Offenheit der Großtante überraschte sie und sie freute sich darüber. Anscheinend konnten sie doch mit einander reden ohne sich gleich gegenseitig an die Gurgel zu springen. Auf dir rhetorische Frage antwortete sie nicht, stattdessen konzentrierte sie sich auf die vor ihr liegende Arbeit am Webrahmen.


    Was Laevina über ihren ersten Mann erzählte, verstärkte den Eindruck, dass die alte Germanica nicht immer so verbittert und auch traurig gewesen war. Sondern dass sie in eine strahlende Zukunft gesehen hatte und dann bitter enttäuscht worden war. Die einzige Freude der jungen Frau waren ihre Kinder gewesen, die leider nicht mehr lebten... Es musste schwer sein, seine Kinder zu überleben. Das hatte wohl auch dazu geführt, dass Laevina so hart und kalt geworden war. Keine Gnade kannte, weil das Leben niemals einfach war. Meist ein Kampf ums Überleben.
    Als sie dann von ihrem zweiten Mann berichtete hatte sie das Gefühl so etwas wie eine kleine Sehnsucht heraus zu hören. Anscheinend hatte sie für eine kleine Weile erfahren, was Glück hieß, bis sich herausgestellte dass sie wieder einmal andere Erwartungen ans Leben gehabt hatte. Nicht zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass Laevina eine sehr ehrgeizige Frau war und sie dies auch von ihren Verwandten erwartete und diese dann tatkräftig unterstütze. Zu den wohl gemeinten warnenden Worte nickte sie dann schweigend. Sie war sich sicher, dass sie jede Menge Gemeinsamkeiten mit Valerian hatte und sie nicht nur die Leidenschaft verband. Da war mehr, sonst hätten sich ihre Wege schnell wieder getrennt, nachdem sie sich vergnügt hatten. Ein verliebtes Lächeln zeichnete sich auf ihren Zügen ab. In diesem Moment riss der Faden und sie kehrte mit ihren Gedanken zurück zu dem Webrahmen, nur um dann eine Schimpftriade über sich ergehen lassen zu müssen.
    Sie musste sich stak zusammen reißen um nicht ebenso wie Laevina aufzubrausen. Stattdessen übergab sie der Wortlos die Wolle und machte ihr Platz, damit sie den Fehler korrigieren konnte.


    „Verzeih!“ sagte sie nur schlicht und wartete ab, bis Laevina fertig war.

  • Das Kind simulierte den Fall der Sklavin im fremden Zimmer ein paar Mal, immer noch spektakulärer als das Mal zuvor, als ihn eine empörte Stimme anfuhr. Das Schneckenhaus fiel zu Boden und der Blick des Jungen schnellte zu der eintretenden Gestalt herum. Voller Entsetzen erkannte er, wer ihn da entdeckt hatte. Ausgerechnt Leavina, von der er schon so viel Schlimmes gehört hatte. Sabina hatte sogar mal gesagt, dass man der Alten nicht wissen konnte, ob sie kleine Kinder frühstückte.


    Unsicher schielte Marcus umher und trat von einem Fuß auf den anderen. “Ähm…. Ich….“ Verflucht! Sein Kopf wollte nicht denken. Intuitiv sah er auf den Boden, entdeckte das Schneckenhaus und hob es rasch auf. Die bunte Farbe hatte ihm blitzschnell eine Idee geliefert. Er umschloss das Schneckenhaus mit der Faust.


    “Ich habe draußen gespielt. Mit meinem Schneckenhaus, das Sabina mir geschenkt hat. Es ist mir heruntergefallen und ganz von allein in dein Zimmer gepurzelt.“ Sein Gesichtchen wollte einen unschuldigen Ausdruck zeigen, doch die Angst verzerrte es etwas. Das Zucken der Schultern war kaum mehr zu erkennen. “Ich wollte es nur schnell holen.“ Letzteres klang fast wie eine Frage, weil die Kinderstimme gen Ende hin in die Höhe ging.

  • Erstaunlich, aber das Mädchen gab im Unterschied zu sonst tatsächlich keine Widerworte oder versuchte, die vermurkste Bespannung zu rechtfertigen. Angesichts dieser friedlichen Reaktion beschloss auch Laevina ihr Unverständnis angesichts einer derartigen handwerklichen Unbegabtheit ein wenig zu verschleiern und beschränkte sich statt der sonst üblichen Schimpftirade auf ein kurzes Kopfschütteln. Schließlich ging es ja immerhin um eine Tunica recta, und die webte sich nun mal nicht von allein. Die Zeit drängte...


    "Nun denn, egal, wir sollten weitermachen..." Um das Gespräch wieder auf produktivere Dinge als alte Eheerfahrungen zu lenken, wies die alte Germanica jetzt auf das Schiffchen und die Wolle. "Siehst du das hier?" fragte sie mit dem Blick auf das längliche Stück Holz, das oben und unten Aussparungen hatte. "Auf diesem Schiffchen wickelt man die Wolle auf und zwar so, dass das Ende der Wolle am Rand etwas übersteht. Als nächstes musst du das Mittelstück des Webrahmens so drehen, dass sich die Fäden teilen und dann schiebst du das Schiffchen so durch die Fäden, dass der Wollfaden zwischen den gespannten Fäden liegen bleibt." Laevina machte die ersten Handbewegungen vor und sah Calvena dann abwartend an. Ihrer Meinung nach konnte es eigentlich kaum etwas leichteres geben, aber die Erfahrungen der letzten Minuten hatten sie etwas anderes gelehrt.

  • Es hätte nicht gebracht, wenn sie versucht hätte ihr vermurkste Arbeit zu rechtfertigen. Fest stand, sie hatte so gar kein Talent dafür, zumindest in ihren Augen. Auch wenn sie sich redlich bemühte. Aber es war erst der Anfang, sie saß zum ersten Mal an einem Webrahm und setzte sich mit solcherlei Handarbeit auseinander. Nähen konnte sie war, stach sich aber ständig in die Finger. An sticken hatte sie sich nie gewagt und weben war für sie eine Kunst für sich. Doch der Antrieb war da, sie hatte ein Ziel vor Augen und wenn sie sich anstrengende dann würde es ihr sicherlich gelingen. So glaubte sie jedenfalls.


    Aufmerksam folgte sie den nächsten Anweisungen und betrachtete das Webschiff. Was es war, war ihr schon klar, nur die Umsetzung dürfte sich interessant gestalten. Laevina führte es vor und schließlich nahm sie das Schiffchen entgegen. Es war leicht und fühlte sich irgendwie plump in ihren Händen an, dennoch setzte sie eine entschlossene Miene auf und schob das Stück Holz durch die gespannten Fäden, anschließend drehte sie das Mittelstück und die Fäden die zuvor unten waren, lagen nun oben. Es war doch leichter, als sie gedacht hatte, aber irgendwie sah ihre Reihe nicht so glatt und gerade aus, wie die von Laevina. Sie hatte sich nicht getraut etwas mehr an dem Faden gezogen. Nicht das der Faden dann schon wieder riss.
    „Warst du eigentlich aufgeregt, in deiner ersten Nacht?“ fragte sie dann, wen sollte sie denn sonst fragen, so viele ihrer Freundinnen waren ja nicht verheiratet.

  • Laevina hatte nicht die Absicht, es dem kleinen Eindringling leichter zu machen als unbedingt nötig und fixierte ihn mit steinerner Miene und leicht hochgezogener Augenbraue, während er sich seine Entschuldigung zurechtstotterte.
    "Soso....," entgegnete sie dann mit einem Tonfall in der Stimme, der bei den Sklaven des Hauses immer wahre Wunder wirkte. "Das Schneckenhaus ist dir also runtergefallen und in mein Zimmer gepurzelt, und das durch die geschlossene Tür....Alle Achtung, das muss ja ein wahres Genie von Schnecke sein."


    Ohne es sich anmerken zu lassen, war die alte Germanica von der schnellen Reaktionsfähigkeit des Jungen angenehm überrascht. Natürlich war er nervös, aber in ihrer Gegenwart wurde schließlich fast jeder nervös, und das ohne erkennbare Unterschiede zwischen den Alters- und Gesellschaftsklassen. Dass Pius sich nicht von vornherein komplett einschüchtern ließ, war ein durchaus gutes Zeichen und zeugte von starkem Germanicer-Blut. Mal sehen, wie er sich weiter schlagen würde...

  • Pius war kein Sklave (auch wenn er sich manchmal wie einer vorkam, wenn Bia ihn zum Lesen und Schreiben zwang) und doch vollbrachte Laevinas Tonfall bei ihm auch etwas. Er sah auf das Schneckenhaus und befand, dass seine Notlüge wirklich nicht sehr originell gewesen war. Allerdings weckte diese Tatsache erst seine Kreativität. Er schüttelte den Kopf und stemmte die Hände in die Seiten. So wirkte er jetzt glatt etwas trotzig.


    “Das Schneckenhaus ist natürlich nicht durch die geschlossene Tür gefallen. Das ist doch Unsinn!“ Er äffte Bias Tonfall nicht ohne Grund nach, weil er befürchtete, dass Laevina sonst das Rattern in seinem Kopf hören könnte. “Die Tür stand nämlich schon offen. Der Februarius hat doch nur noch wenige Tage, oder? Das heißt, dass Saldir alle Zimmer gründlich putzen muss. Ich glaube, sie war gerade in deinem Zimmer oder hat es noch vorgehabt. Aber als mir das Schneckenhaus herunter fiel, war sie nicht hier.“ Es ab ja wirklich einiges, was den Jungen in Verlegenheit bringen konnte. Situationen, die eine Notlüge bedurften, gehörten dazu jedoch nicht. Er musste nachher nur schneller als Laevina bei Saldir sein und sie bestechen, damit sie mitspielte.

  • Für Calvenas Tunica recta sah Laevina allmählich schwarz, denn wenn das Mädchen ihr Hochzeitsgewand genauso lappig weben würde, dann würde sich der gute Praetorianer vermutlich ohne größere Anstrengungen mit den Fingern durch den Stoff wühlen können, ohne seine Braut überhaupt entkleiden zu müssen. Dem einen oder anderen ungeduldigen Bräutigam kam ein solches Verfahren vermutlich sogar entgegen, aber schließlich musste man ja auch noch an die Hochzeitsgäste denken. Was sollten die denn nur denken, wenn die Braut in einem Fummel vor ihnen stand, der so nachlässig geknüpft war wie ein Fischernetz? Die alte Germanica seufzte innerlich auf und beschloss, im Notfall auf Plan B zurückzugreifen, natürlich ohne dass das Mädchen etwas davon mitbekam.
    Nach der nächsten Frage starrte sie Calvena allerdings an, als hätte diese sich erkundigt, ob Laevina schon einmal darüber nachgedacht hatte vom Tarpeischen Felsen herunter zu springen.


    "Aufgeregt? Ich? Aber nein?" antwortete sie dann wahrheitsgemäß und unterdrückte ein Kichern bei dem Gedanken daran, dass es vielmehr ihr seliger Ex-Gatte Vindex gewesen war, der sie zu Beginn der Hochzeitsnacht angestarrt hatte wie das Kaninchen die Schlange. Sie selbst hatte sich schon damals keine Illusionen gemacht, da sie ihren späteren Ehemann schon eine geraume Weile gekannt hatte, und war im Nachhinein darüber auch ganz froh gewesen.


    "Es gibt auch wirklich keinen sinnvollen Grund, wegen der ersten Nacht mit deinem Ehemann nervös zu sein." Sie zupfte ein wenig an Calvenas Machwerk herum und versuchte, das eine oder andere noch zu retten und zu richten. "Im schlimmsten Fall wird es ein wenig schmerzhaft, aber du hast ja das Glück einen Mann zu heiraten, den du dir selbst ausgesucht hast, daher wird es dir nicht soviel ausmachen. Mit irgendeinem Wildfremden oder einem alten faltigen Sack in meinem Alter sähe die Sache da schon ganz anders aus." Vermutlich war das nicht ganz die Antwort, die das Mädchen hatte hören wollen, aber für romantische Beschwichtigungen war Laevina nun mal wirklich nicht der Typ. Auch das intime Beisammensein von Mann und Frau nahm man besser erstmal von der praktischen Seite, angenehm überraschen lassen konnte man sich gegebenenfalls später immer noch. Und sollte sich wider Erwarten herausstellen, dass Calvena sich eine totale Pleite ausgesucht hatte, dann konnte Laevina sie immer noch in die Geheimnisse des so überaus angenehmen und praktischen "Uhu-Schlafes" einweihen.

  • Sie wusste nicht was für Vorstellungen sie vom weben gehabt hatte, aber sie hatte sich eigentlich erhofft, dass es irgendwie einfacher wäre. Schließlich konnte jedes Mädchen diese Handarbeit, oder sollte es können. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sich selbst Sabina geschickter anstellen würde. Wenn ihre Cousine ihr dabei zusehen würde, würde diese sie mit Sicherheit auslachen und ihr zeigen wie es richtig ging. So aber musste sie sich nur vor dem beißendem Spot Laevinas in Acht nehmen und das konnte schon nerven zerrend sein, besonders, da sie sich vorgenommen hatte, sich zurück zu halten und nicht gleich zurück zu schlagen, wenn diese eine Breitseite an Gemeinheiten ihr an den Kopf warf.
    Stattdessen konzentrierte sie sich auf die vor ihr liegende Arbeit und übte sich daran, mit etwas mehr Druck das Schiffchen durch die gespannten Fäden zu schieben. Laevina hatte ihr mit ihrem zupfen vermittelt, dass eindeutig die Spannung fehlte, das wollte sie nun ausgleichen. Nach einigen Versuchen wurde es sogar langsam gleichmäßiger und nicht mehr nur ein Gewirr aus verschiedenen Strängen Wolle. Doch eine wirklich zufriedenstellende Arbeit war es noch nicht. Dafür war sie noch zu unsicher und immer wieder verknotete sich der Schussfaden.


    Calvena war überrascht, als Laevina ihre Frage beantwortete, fast hätte sie ein Donnerwetter erwartet oder irgend eine spitze Bemerkung, dass es sie nicht anging, wie ihre Erfahrungen im Umgang mit Männern war, aber die Großtante war dann überraschend offen. Auch wenn sie etwas nüchtern klang und das Ganze in wenigen Worten zusammenfasste. Aber mehr hatte sie dann auch nicht wirklich erwartet. Laevina gehörte nicht zu den Frauen, die aus dem Nähkästchen plauderten. Da die alte Germanica so gut gelaunt war, wagte sie einen weiteren Vorstoß. Von wem sollte sie denn sonst etwas erfahren.
    „Wie war es dir?“ fragte sie dann rund heraus.

  • "Ach, die Tür stand also offen? Sehr interessant...." hakte Laevina nach und ihre Augenbraue stieg noch ein Stückchen weiter Richtung Haaransatz. Der raffinierte Exkurs über das nahende Ende des Februarius war für einen derart kleinen Jungen als Ablenkungsmanöver gar nicht so ungeschickt, und hätte bei einer etwas unbedarfteren älteren Dame vermutlich sogar funktioniert.
    Dummerweise kannte Laevina ihre Wirkung auf das Hauspersonal nur zu genau und wusste, dass NIEMAND sich JEMALS aus IRGENDEINEM Grund unaufgefordert in ihre Räumlichkeiten bewegen würde, und diese dämliche Saldir, die in etwa so intelligent war wie ein Schuh aber dafür mit einem gesunden Überlebenswillen gesegnet, schon erst recht nicht. Aber daraus ließ sich ja wunderbar ein kleiner aber feiner Belastungstest für den vorwitzigen Lügenbold stricken...


    "Nun, mein lieber kleiner Freund. Dann sollten wir jetzt direkt gemeinsam zu Saldir gehen und sie zur Rede stellen, weil sie meine Räume einfach offen gelassen hat. So etwas geht natürlich gar nicht, das verstehst du doch? Auf diese Weise kannst du direkt mal was darüber lernen, wie man konstruktive Gespräche mit dem Personal führt. Wollen wir?" Mit einem freundlichen Lächeln und einer ebenso einladenden Geste wies Laevina zur Tür.

  • Marcus schluckte sichtlich und nickte, obwohl er eigentlich den Kopf schütteln wollte. Verflixt! Saldir würde ohne Vorbereitung sicherlich nicht mitspielen und überhaupt war die Idee mit der Notlüge wahrscheinlich dumm gewesen. Bei jedem anderen hätte sie wohl gezogen, aber Laevina war misstrauisch und gerissen und fiel nicht auf den Charme eines Kindes herein, das mit großen Kulleraugen vor ihr stand und unschuldiger guckte, als jeder faltige Welpe.


    “Das geht nicht“ hörte der Knabe sich selbst antworten. Sein Mund hatte sich wieder einmal selbstständig gemacht. Und jetzt ließ er ihn im Stich. Fieberhaft überlegte das Kind, was es noch anfügen sollte. “Saldir wurde einkaufen geschickt und ich habe Hausarrest.“ Beides stimmte. Saldir war weg, das hatte er vorhin mitbekommen und wenn er das Haus verließ, würden Sedulus und Bia ihn wohl schlachten und Paullus wäre zutiefst enttäuscht. “Aber du kannst mich ja trotzdem darin unterrichten, wie man richtig mit dem Personal redet. Was bedeutet konstu… konstruki… konstruktiv? Und warum muss man so mit den Sklaven reden?“


    Etwas unsicher sah er sie an, darauf hoffend, dass Laevina sich von seiner Wissbegierigkeit ablenken lassen würde. Natürlich verpasste er es nicht, auch dementsprechend neugierig dreinzuschauen, wozu er seine Stirn leicht runzelte.

  • Laevina musste schon sehr an sich halten, um Calvena das Schiffchen nicht einfach wieder aus den Händen zu reissen. Sicher, das Mädchen gab sich durchaus Mühe, aber vernünftig sah der Stoff immer noch nicht aus. Innerlich seufzte sie auf und beschloss, ihre Großnichte noch ein wenig üben zu lassen. Bis diese ein vernünftiges Stück gewebt hatte, würden vermutlich noch einige Tage ins Land gehen, aber von nichts kam ja bekanntlich auch nichts. Hoffentlich stand dem Praetorianer noch eine glänzende Karriere bevor, damit seine Frau nie in die Verlegenheit kommen würde, ihre Stoffe selbst weben zu müssen...


    "Hm? Wie war was?" fragte sie einen Moment lang verwirrt, da sie in Gedanken immer noch bei der für eine Hochzeit elementaren Erstellung der Tunica Recta war. "Meine Hochzeitsnacht? Die war langweilig, genauso wie der Rest dieser Ehe auch." Ja, traurig aber wahr. Schon in der ersten Nacht mit ihrem frischangetrauten Ehemann hatte Laevina irgendwann angefangen, ungeduldig mit den Fingern auf dem Laken herumzutrommeln. Das dieser Mensch aber auch wirklich niemals aus den Pötten gekommen war... Die Hochzeitsnacht mit Lento war da schon deutlich angenehmer gewesen, allerdings hatte dieser auf diesem Gebiet auch deutlich mehr Initiative und Einfallsreichtum gezeigt als der gute alte Vindex.


    "Anstatt dir Gedanken über dein nächtliches Eheleben zu machen, solltest du lieber anfangen die wirklich wichtigen Dinge eurer gemeinsamen Zukunft zu planen. Wie soll es bei ihm karrieretechnisch vorangehen, wo werdet ihr auf lange Sicht wohnen und so weiter...Jetzt hast du dafür noch Zeit, wenn erstmal die ersten Kinder da sind, dann wird es schwieriger."

  • Diesmal brauchte der Kleine schon etwas länger, um sich eine sinnvolle Ausrede einfallen zu lassen, aber dafür war sie auch relativ gelungen, naja, zumindest was den zweiten Teil betraf.


    "Saldir wurde einkaufen geschickt?" fragte sie misstrauisch. "Du weisst schon, dass ich das ganz leicht nachprüfen kann, nicht wahr?" Laevina musterte Pius ganz genau und kam dann angesichts seines relativ entspannten Gesichtsausdrucks zu dem Schluss, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Sie schüttelte den Kopf. "Ich fasse es nicht, dass man jemandem Geld anvertraut, der so viel Verstand hat wie eine Steckrübe. Ob im Sklavenquartier eine Seuche ausgebrochen ist?"
    Vor lauter Ärger darüber, dass da offenbar ein Teil der Haushaltsführung ihrer Kontrolle entrissen worden war, wäre Laevina fast die Frage des kleinen Germanicus entgangen, und dabei war die doch durchaus wichtig und zeugte von einem mitdenkenden Geist.


    "Nun, konstruktiv bedeutet nichts anderes als aufbauend oder schöpferisch und du solltest darauf achten, dass möglichst alle deine Gespräche so sind. Das spart nämlich Zeit und Energie und bringt Leute, die unter dir stehen oder deutlich dümmer sind dazu, sich ihren Möglichkeiten entsprechend anzustrengen und sich nach deinem Willen zu richten. Bei Sklaven ist das besonders wichtig, die können nämlich nicht für sich selbst entscheiden und brauchen klare Ansagen, damit alles reibungslos läuft. Erst wenn das klappt, bis du wirklich der Herr im eigenen Haus."

  • Wenn Laevina geglaubt hätte, Calvena würde schon nach wenigen Minuten Erklärung ein Stück Stoff perfekt gewoben bekommen, so hatte sich diese geirrt. Calvena stellte sich ziemlich ungeschickt an. Es war eben für sie eine völlig ungewohnte Tätigkeit. Aber sie gab sich Mühe, auch wenn es danach nicht aussah. Sie hatte schließlich ein klares Ziel vor Augen. Dafür war sie auch bereit ihren Stolz runter zu schlucken.
    Wie gut dass es sich nebenbei gut unterhalten ließ. Das lenkte etwas von der eintönigen Arbeit ab. Was aber dafür sorgte, dass sie mehr Knoten in den Stoff arbeitete, als es für sie besser gewesen wäre.
    Calvena hielt Inne, als Laevina ihr erzählte, dass ihre Hochzeitsnacht langweilig gewesen war. Das konnte sie sich gar nicht vorstellen. Die Alte nahm sie doch auf den Arm... Doch die Germanica meinte es ernst. Darauf wusste sie nichts zu erwidern. Etwas peinlich berührt machte sie sich wieder mit Feuereifer an die vor ihr liegende Aufgabe aus gesponnener Wolle ein Stück Stoff zu weben.


    Als nächstes folgte dann so etwas wie ein Vortrag darüber, was ihre Pflichten als Ehefrau war. Einmal abgesehen davon, dass sie eine Haushalt zu führen hatte und Kindererziehung. Wirklich Gedanken über Valerians Karriere hatte sie sich nicht gemacht. Das war sein Ding, da wollte sie sich nicht wirklich einmischen. Außerdem war sie sich ziemlich sicher, dass ihr zukünftiger Mann mehr Ehrgeiz besaß, als der erste Mann von Laevina. Wieder saß ihr eine kleine spitze Bemerkung auf der Zunge, welche sie ganz eilig herunter schluckte. „Vieles wird sich wohl erst mit der Zeit ergeben. Aber ewig Centurio wird er nicht bleiben!“

  • Marcus nickte, sich nun aber gar nicht mehr so sicher, ob Saldir tatsächlich auf den Markt geschickt oder nur einen Brief wegbringen geschickt worden war. Aber er war sich sicher, dass Saldir zur Zeit nicht im Haus war und das war die Hauptsache. So konnte er Laevina mit festem Blick entgegen sehen.


    Er war jedoch froh, als die alte Frau auf seine Fragen einging, auch wenn er die Erklärung nur halb verstand. Es war ihm nicht ganz klar, was sie ihm genau sagen wollte. Schöpferisch? Energie sparen? Dümmere Leute? Herr sein im eigenen Haus? Marcus ließ die Ärmchen hängen, irgendwie interessierte ihn das gar nicht, doch er musste Interesse vorheucheln, wenn er wollte, dass Laevina aus der Begegnung noch einen Schlusstrich ziehen konnte, unter dem eine positive Zahl stand.


    “Und wie mache ich das, dass meine Gespräche, ähm, konstirkutiv sind? Kannst du mir das beibringen?“

  • Laevina merkte gar nichts davon, dass Calvena wegen der Bemerkung über ihre mehr als reizlose Hochzeitsnacht ein wenig peinlich berührt war. Sie hatte sich nie davor gescheut, bestimmte Dinge beim Namen zu nennen, daher sah sie auch keinen Grund, ausgerechnet beim Thema Hochzeitsnacht eine Ausnahme zu machen. Die meisten jungen Mädchen machten sich entweder völlig überzogene und zu romantische Vorstellungen oder hatten eine Heidenangst vor der ehelichen Vereinigung mit ihren Ehemännern, letzteres natürlich vor allem bei den nach wie vor üblichen Verheiratungen durch die Eltern oder sonstige Familienmitglieder. Laevina konnte sich noch gut an den Gesichtsaudruck ihrer Enkelin erinnern, als sie dieser ihre bevorstehende Hochzeit mit dem zugegebenermaßen nicht allzu anziehenden campanischen Nachbarn angekündigt hatte. Da hätte man der Kleinen vermutlich genauso gut ihre baldige Hinrichtung am Kreuz in Aussicht stellen können...Aber egal, Serrana war es einmal im Leben gelungen, ihre Großmutter zu überraschen und deren ehrgeizige Pläne in Bezug auf einen geeigneten Ehemann sogar noch zu übertreffen.
    Ein Praetorianer und sei es auch bereits ein Centurio bot da schon noch deutlich mehr Platz nach oben...


    "Nun, du solltest nicht den Fehler machen, und alles auf die lange Bank schieben." erklärte Laevina und überlegte dabei, ob sie Calvena schon jetzt ankündigen sollte, dass sie den kompletten Stoff noch einmal würde weben müssen. "Natürlich seid ihr beide noch jung, aber das ist kein Garant für ewiges Leben. Selbst Vindex, die alte Trantüte, hat es geschafft, an einem Hühnerknochen zu ersticken, bevor er dreissig war. Und ein Praetorianer lebt sicher noch ein wenig gefährlicher, als jemand, der kaum den Hintern aus dem Bett bekommen hat. Versteh mich nicht falsch, ich will dir keine Angst machen, aber es ist immer sinnvoll, die Dinge dann zu erledigen sobald sich die Möglichkeit dazu bietet. Und wenn Valerian irgendwann Praetorianer-Präfekt wird, umso besser...."

  • "Ob ich dir beibringen kann, wie man konstruktive Gespräche führt?" fragte Laevina amüsiert. "Und ob ich das kann, ich glaube kaum, dass es in dieser Familie jemanden gibt, der das besser beherrscht als ich"
    Die alte Germanica war sich ganz und gar nicht sicher, ob ihr junger Verwandter wirklich bei der Sache und überhaupt schon alt genug war, um sich in dieses Thema hinzeinzudenken. Aber schließlich konte man mit derartigen Dingen gar nicht früh genug anfangen!


    "Nun, zuallererst solltest du dir vor jedem Gespräch, egal mit wem, überlegen, auf welches Ziel du hinarbeiten willst. Wenn du dir darüber im Klaren bist, dann denkst du darüber nach, auf welche Weise du es am besten erreichen kannst. Und das hängt natürlich zu einem großen Teil auch von deinem jeweiligen Gesprächspartner ab. Mit deinem Kindermädchen oder Sabina sprichst du natürlich ganz anders als mit Sedulus oder Avarus, auch wenn du das selbe erreichen willst. Ist das bis hierhin klar?" Laevina sah den Jungen abwartend an und überlegte derweil, ob sich im Haus zur Zeit nicht vielleicht ein geeignetes Versuchskaninchen für den entsprechenden Feldversuch finden ließ.

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