Zusammenprall der Generationen

  • Endlich war sie angekommen, wo es sie schon seit Jahrzehnten hingezogen hatte und wo sie eigentlich immer schon hingehörte, mitten im Zentrum der Macht.... Laevina schritt langsam und würdevoll über das Forum, schließlich kam es in jeder Situation darauf an den bestmöglichen Eindruck zu hinterlassen. Sie war an diesem Morgen ausgesprochen gut gelaunt, denn sie hatte nicht nur eine höchst erholsame Nacht in ihren neuen Räumlichkeiten in der Casa Germanica hinter sich, sondern auch soeben im Rahmen ihres kleinen Überraschungsbesuches bei ihrer undankbaren Enkelin Serrana einiges an erfolgreicher Überzeugungsarbeit geleistet.
    Ein leises Lächeln stahl sich auf Laevinas Lippen und sie betrachtete interessiert das Treiben um sie herum. Nach außen erweckte sie ganz den Anschein einer freundlichen alten Dame, die bei ihrem Spaziergang ein kleines Päuschen eingelegt hatte, aber in Gedanken war sie bereits mehr als rege und speicherte ohne Unterlass neue Gesichter und, falls es ihr möglich war diese aufzuschnappen, die dazugehörigen Namen in ihrem Gedächtnis ab. Schließlich konnte man ja nie frühzeitig genug damit anfangen, sich in einer neuen Stadt ein wenig zu orientieren….
    Ein paar Minütchen würde sie noch bleiben, dann war sicher der geeignete Moment gekommen, um für eine leckere kleine Zwischenmahlzeit daheim vorbeizuschauen.


    Sim-Off:

    reserviert

  • Melina tobte abseits der breiten Masse mit einigen Jungs. Sie warfen sich gegenseitig Bälle zu und rammten sich des Öfteren. Es handelte sich um ein rauhbeiniges Spiel, das Mädchen normalerweise nicht spielen würden.


    Melina hatte jedoch sichtlich Spaß dabei. "HIER! DRÜBEN!" Kreischte sie mit ihrer sanften Stimme. Der Ball flog zu ihr, sie fing ihn und gab ihn dann an einen Teamkameraden weiter. Nebenbei schubste sie einen Jungen zur Seite. Sie streckte ihm die Zunge heraus und machte: "BÄH! Mein BALL!"


    Sie tänzelte weiter und wiederholte dieses Spielchen mehrmals. Bis sie den Ball fing und ungünstig zu einem Kameraden warf. Dieser verpasste es, den Ball zu fangen und der lederne Ball flog einer alten Damen an den Kopf. Melina zog sicherheitshalber den Kopf ein und begann leise zu kichern. Das könnte Ärger geben. Sollte sie davonlaufen oder bleiben? Sie entschied sich zu bleiben und ihre neue "Clique" nicht im Stich zu lassen.

  • Laevina war noch ganz in ihren entspannten Betrachtungen versunken, als sie plötzlich einen scharfen Schlag am Kopf verspürte und Sterne sah. Was geschah da mit ihr? Für den Bruchteil einer Sekunde war sie der Meinung, ihre letztes Stündlein habe geschlagen und der hinterlistige Fährmann habe sie nun doch endlich aufgespürt und wolle sie gewaltsam auf sein Boot zerren. Weniger von gläubiger Ehrfurcht als von höchst weltlichem Ärger erfüllt, begehrte sie innerlich sofort auf. Das konnte doch wohl nur ein Scherz sein...sollte sie ausgerechnet jetzt etwa abberufen werden, wo sie endlich am Ort ihrer Träume angekommen war und dieser Stadt noch soviel wundervolles zu geben hatte? Niemals!
    Laevina fasste an ihren Hinterkopf, und spürte, dass sich dort bereits eine dicke Beule bildete. Dann fiel ihr Blick auf den ledernen Ball am Boden und Mordlust stieg in ihr auf. Wer hatte das gewagt....?
    Sie ließ den Blick über die Menge in ihrer Nähe schweifen, der schon nach kurzer Zeit an einer Gruppe halbwüchsiger Burschen hängen blieb. Einer von denen war zweifellos der Schuldige... Laevina beschloss, für einen Moment die liebe alte Dame beiseitezulegen und richtete ihren Gehstock (den sie eigentlich nur mit sich führte, um den Eindruck von Zerbrechlichkeit zu erregen) auf die jungen Rüpel.


    "Wer von euch war das?" bellte sie dann in einem Ton, der die Sklaven daheim in Nola regelmässig in Schockstarre hatte verfallen lassen.

  • Als der Blick der alten Hexe durch die Reihen der Spielwütigen fegte, lief es Melina kalt den Rücken herunter. Diese alte Dame hatte etwas Bösartiges an sich. Sie wich einige Schritte zurück. Sie rief zu ihrer Gruppe: "Wir sollten abhauen!" Sie konnte nun wirklich keinen Ärger gebrauchen.


    Die junge Undame wollte sich gerade umwenden, da war ihre Gruppe schon verschwunden. Sie blieb alleine zurück. Sie schluckte. Sie war mal wieder nicht schnell genug. Nun stand sie da und winkte der Dame verlegen zu.
    "Salve," grüßte sie perplex in ihre Richtung. Ihre Clique würde sie sich noch verknöpfen.


    "Ich war es nicht," log sie dreist und setzte er diebisches Lächeln auf. "Könnte ein Mädchen so gut werfen?" Mit der guten alten Masche versuchte sie sich herausreden. "Um dich zu treffen? Du bist doch wahrlich ein Strich im Wind." Mist! Sie hatte sich schon wieder verplappert. Melina und ihr loses aber ehrliches Mundwerk. Sie schaute zu ihren Füßen und hoffte auf Gnade.

  • Hah! Kaum hatte Laevina die Stimme erhoben, waren die Rüpel schon in alle Richtungen auseinander gerannt und hatten sich verdrückt. Elendes feiges Pack! Sie fühlte sich wieder einmal in ihrer Theorie bestätigt, dass mindestens 95 Prozent ihrer Mitmenschen aus Weicheiern und Schlappschwänzen bestanden...
    Naja, eigentlich konnte ihr das nur recht sein, auf diese Weise wurde vieles deutlich einfacher.
    Eigentlich hatte Laevina gar nicht damit gerechnet, dass sich der Schuldige stellen würde, und war deshalb fast ein wenig erstaunt, dass einer der Bengel vor ihr stehen geblieben war. Nun denn, dann würde sie sich den eben ein wenig vorknöpfen, da traf die Erziehung sicherlich nicht den Falschen.
    Noch so ein feiges Subjekt, dachte sie, als der Knabe seine Täterschaft leugnete, doch dann drang seine nächste Bemerkung in ihr Bewusstsein. " Ein Mädchen"? Sie musste sich zweifellos verhört haben, auch wenn sie bislang immer der Meinung gewesen war über ausgezeichnete Ohren zu verfügen.
    Automatisch ließ sie ihren Blick über die Gestalt des jungen Mannes gleiten, und je länger dieser dauerte, desdo größer wurden ihre Augen. Dieses Wesen hatte eigentlich viel zu feminine Züge unter all dem Dreck in seinem Gesicht und...ja...das waren unverleugbar Brüste unter seiner ebenfalls nicht allzu gepflegten Tunika.
    Diesem Geschöpf war innerhalb von Sekunden etwas gelungen, was in den letzten 58 Jahren höchst selten geschehen war: Germanica Laevina war sprachlos!
    Als sie nach einer Weile endlich ihre Sprache wiedergefunden hatte, krächzte sie immer noch völlig irritiert:


    "Wer oder was, in der Götter Namen, bist du überhaupt?"

  • Melina musste leise feichsen. Diese alte Frau war leicht senil und ihr Blick wirkte recht haltlos. Als diese alte Frau sie fragte, was sie sei, antwortete sie frech:


    "Eine dunkle Gestalt aus den tiefen des Orcus!" Sie kicherte kindisch und grinste die alte Frau frech an. Sie beugte sich vor und ihre Brüste waren nun noch deutlicher im Ausschnitt der Tunika zu erkennen. Melina hob den Ball auf, der unweit von der alten Dame lag. Der Ball wurde unter die Arme geklemmt und so stand sie nun äußerst bübisch vor der Hexe. Sie ließ sich nicht so einfach unterkriegen.


    Sie lachte leicht. "Ich bin einfach Melina!"

  • Eine dunkle Gestalt aus den Tiefen des Orcus? Ja, das würde wohl so einiges erklären, dachte Laevina, die sich allmählich wieder von ihrer Überraschung erholte. Allerdings war sie alles andere als ein abergläubischer Mensch und so schien ihr eine andere Erklärung weitaus glaubhafter zu sein. Dieses Wesen (irgend etwas in Laevina sträubte sich immer noch in ihrem Gegenüber eine Frau zu sehen) musste zweifellos schwachsinnig sein. Entweder war das angeboren, (dieses niedere Gesindel trieb es ja wild untereinander, wie man immer wieder hörte), oder aber das arme Kind hatte seinen Ball ein paar Mal zu oft vor den eigenen Kopf bekommen....
    Wo sie wohl her kam? Vermutlich stammte sie von irgendeiner Peregrini-Familie ab, die bis vor ein paar Wochen noch in irgendeiner Felshöhle und ohne Verbindung zur Zivilisation gehaust hatte. Andererseits war der Name Melina alles andere als exotisch und sprechen konnte das Kind ebenfalls, auch wenn seine Wortwahl selbstverständlich indiskutabel war....Bei dem Zustand seiner Tunika konnte es natürlich genauso gut ein Sklave sein, aber würde sich denn so etwas schon freiwillig ans Bein binden?
    Laevina bedauerte für einen Augenblick, dass es nicht in einer kleinen abgelegenen Gasse zu diesem Aufeinandertreffen gekommen war, sonst hätte sie das Mädchen mit Freuden mit ihren bislang immer höchst erfolgreichen Erziehungsmethoden bekannt gemacht. Es zuckte sie bereits merklich in den Fingern, aber leider, leider befand sie sich gerade mitten auf dem Forum , und an einer Szene war ihr in keinster Weise gelegen.
    Daher schluckte sie ihren Ärger mit einigen Mühen hinunter und fragte mit zusammengebissenen Zähnen:


    "Nun Melina....wie ist denn der Name deines Herrn oder der Familie bei der du lebst?" Wer auch immer das sein mochte, er konnte sich schon mal auf ein saftiges Schmerzensgeld einstellen....

  • Hielt diese alte Schachtel sie etwa für eine Sklavin? Melina lachte lautstark. "Ich habe keinen Herren! Ich bin mein eigener Herr," warf sie der frechen alten Dame an den Kopf. Sie nahm den Ball in ihre Hände und warf diesen mehrmals hoch, bevor sie erneut antwortete.


    "Ich bin eine Bürgern, werte Dame," stellte sie fest und streckte ihr die Zunge heraus. Diese Dame war wirklich alles andere als nett und sie hatte es verdient von Melina ein wenig veralbert zu werden.


    Sie warf den Ball hoch, fing ihn und warf ihn dann wieder in die Luft. Melina musste sich ein wenig von dem verbitterten Gesicht der alten Schachtel ablenken, die sie bereits zerknautscht anschaute.


    "Du willst wissen, wo ich lebe? Wie du, auf dieser Welt. Wir teilen alle die selbe Welt." Melina kicherte. Sie war heute wirklich wieder frech. Sie stoppte die Wurf-Fang-Bewegung, um den Ball wieder unter die Arme zu klemmen. Hoffentlich war diese Geschichte bald vorbei. Melina wollte sich entfernen. Jedes weitere Wort erschien ihr überflüssig.

  • Laevina spürte, dass diese Unterhaltung allmählich begann sie zu ermüden und verdrehte entnervt die Augen. Normalerweise besaß sie das höchst praktische Talent, die Besonderheiten eines jeden Gesprächspartners blitzschnell auszuloten und für ihre eigenen Zwecke zu nutzen, aber das brachte ihr im Moment herzlich wenig. Dieses Mädchen war ja ganz offensichtlich jenseits von Gut und Böse....


    Als sie das Wort "Bürgerin" vernahm, schnellte dann aber doch ihre Augenbraue nach oben. Das konnte doch wohl nur ein Scherz sein... Wenn diese Melina wirklich zur besseren Gesellschaft gehörte, wäre es doch wohl nur logisch, wenn sie von ihrer Familie in irgendeiner fensterlosen Kammer verborgen gehalten würde, um peinliche Auftritte in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Zumindest Laevina hätte es mit Sicherheit so gehalten, aber wer wusste denn schon, welch verweichlichte Erziehungsmethoden heutzutage in Rom gepflegt wurden...Andererseits bestand ja die Taktik der Familie vielleicht gerade darin, Melina vor die Tür zu schicken, in der Hoffnung sie würde sich rettungslos verlaufen und nicht wieder nach Hause finden...


    Um diese unerquickliche Unterhaltung zu beenden und endlich dem erhofften Snack daheim ein bisschen näher zu kommen, riss sie sich noch ein letztes Mal am Riemen und fragte in zuckersüßem Ton:


    "Wenn du wirklich eine Bürgerin bist, dann macht es dir ja sicher nichts aus mir den Namen deiner Gens zu nennen, nicht wahr?

  • Melina biss sich dezent mit den Lippen auf die Zunge. Sie überlegte. Sollte sie nun der Hexe ihren vollständigen Namen verraten? Warum nicht? Was sollte passieren? Melina zog die Zunge erneut ein und setzte ihr spitzbübisches Grinsen auf.


    "Quintilia," anwortete sie mit einem mürrischen Unterton. Innerlich verfluchte sie wieder einmal ihre Offenheit. Sie hatte der Dame somit Tor und Hof geöffnet. Nun mehr konnte sie sich bei Sermo beschweren und das bedeutete Ärger. Warum war Melina nur so verstörend ehrlich?


    Ihr Gesicht verwandelte sich schlagartig in die Miene eines geprügelten Wolfes. Sie versuchte zu lächeln, um sich keine Schwäche anmerken zulassen, aber es gelang ihr kaum. Sie wollte flüchten.

  • "Quintilia, soso..." Laevina hatte sich zwar auch in den vergangenen 33 Jahren bemüht, einigermaßen über die Zustände in der Hauptstadt informiert zu sein, aber die Informationen waren in der eher lauschigen Campania ein wenig dürftig geflossen. Daher war ihr zwar der Name dieser Gens durchaus ein Begriff, an bestimmte Mitglieder konnte sie sich jedoch nicht erinnern. Aber das würde sich in Bälde zweifellos ändern, da sie vorhatte, mit der Familie ein ernstes Wörtchen über diesen höchst seltsamen Sprössling zu wechseln.


    "Nun, mein liebes Kind" säuselte sie dann, sich immer noch der vielen Menschen um sie herum bewusst. "Ich hoffe es ist dir klar, dass du mit deinem Verhalten einer armen alten Dame sowohl großen Schrecken als auch Schmerz zugefügt hast. Es wäre wohl für dich und alle Menschen in dieser Stadt besser, wenn du diesen Ball künftig durch eine Spindel ersetzen würdest."

  • Ihre vollen Augen weiteten sich ruckartig. "Eine Spindel?" Sie jappste kichernd. "Eine Spindel", wiederholte sie ungläubig. "Ich werde weiter mit diesem Ball spielen. Zwar nicht mehr hier aber ich werde weiterhin spielen. Es ist meine Freiheit, selbst zu entscheiden, was ich tue und was ich unterlasse. Natürlich werde ich demnächst mehr Rücksicht nehmen, da sich allte Leute, wie du, nicht so schnell bewegen können. Da fällt das Ausweichen dann schwer." Sie war nicht ihre Mutter und vorallem nicht ihre Großmutter. Melina lachte frech, entfernte sich einige Schritte und wandte sich dann zum Davonlaufen.


    "Vale! Ich muss nun weg," rief sie und rannte mit wehenden Haaren davon. Bloß weg hier, war nun mehr die Devise. Ein weiteres Gespräch hatte sich erübrig, besonders mit dieser alten Schachtel. Im Laufen kicherte sie.

  • Insgeheim war Laevina mehr als erleichtert, als ihr Melina mit einem schnellen Gruß den Rücken zuwandte und eilig davonrannte. Entweder hatte sie gerade einen der seltsamsten Bewohner dieser Stadt kennengelernt oder sie wurde allmählich alt...
    Sie runzelte kurz noch einmal die Stirn, verscheuchte diesen Gedanken aber schnell wieder und sah sich dann auf dem Forum um, um sich zu orientieren. In den letzten 30 Jahren hatte sich einiges in dieser Stadt verändert und sie würde wohl noch ein Weilchen brauchen, um wieder richtig ortskundig zu werden.
    Dass ihrem Snack nun nichts weiter im Wege stand, steigerte Laevinas Laune ganz enorm und sie richtete ihre Schritte mit neuer Energie in Richtung Casa Germanica. Ein zwei Stündchen Ruhe, und dann würde sie in der richtigen Verfassung und Stimmung sein, um bei den Quintiliern vorzusprechen. Gut gelaunt und ein kleines Lied summend machte sich Laevina auf den Weg nach Haus.

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