Cubiculum AFP | Darniedergestreckt

  • Presque tous les hommes meurent de leurs remèdes et non pas de leurs maladies.
    Fast alle Menschen sterben an ihren Heilmitteln und nicht an ihren Krankheiten.
    Aus „Der eingebildete Kranke“
    Von Moliere



    Im Bett war es heiß, dunkel, und still. Die Bettdecke schottete wundervoll von der Außenwelt ab, ließ die Realität draußen und den mehr oder weniger Kranken im Bett in seiner eigenen kleinen Welt, die er selber für sich zusammengebastelt hatte. Eine Welt der Viren, der Bakterien, sonstiger Krankheitserreger. Eine Welt, in der man für sich alleine war, in der man alleine bleiben konnte. In der einem nichts und niemanden störte. Man hörte nichts, sah nichts, sprach nichts, roch nichts, fühlte nichts, dachte nichts. Es war wunderbar. So einlullend, so gemütlich, wie ein Refugium aus der wahren, der bösen Welt da draussen.
    Am Gedanken daran kuschelte sich Piso noch ein kleines bisschen enger zusammen. Er hatte ienen langen weißen Schlafrock an, wovon man aber nichts erahnen konnte, da er doch die Decke komplett über sich gezogen hatte.
    Doch es half nichts, er wusste, dass dieser Zustand nicht mehr lange so bleiben würde. Vorsichtig, ganz vorsichtig, zog er die Decke einen Spalt von seinem Gesicht herunter, sodass er in das Gesicht des Kosmas von Milet sehen konnte, welcher sich über ihn beugte.
    „Herr Piso?“, schnarrte der Arzt. „Komm aus der Decke hervor.“ „Nnnngggg... nein...“, protestierte jener. „Dir fehlt nichts.“ Doch! Ich bin sterbenskrank! Was habe ich, Kosmas, sage es mir doch! Ich bitte dich.“ Kosmas seufzte entnervt. Er hatte mit jemanden zu tun, der sich krank stellte. Ein Hypochondriker klassischen Ausmaßes. Wozu der Patrizier das tat, wusste er nicht. Vielleicht ein unterdrücktes Trauma aus der Kindheit, sponn der zynische Arzt sich zusammen und konnte kaum ein heiseres, bellendes Lachen unterdrücken.
    „Sicher ist es das Doppeldackeldelirium.“, schnaubte er aus. Und im selben Moment riss Piso sich die Decke vom Kopf. „Ich befinde mich in einer ernsten Position! Bloss keine Witze machen!“, schimpfte er. „Raus hier, du Kurpfuscher! Ich habe besseres zu tun, als mich mit dir herumzuschlagen.“Mit Vergnügen.“, entgegnete Kosmas, packte seine wenigen Sachen zusammen und verließ rasend schnell, grußlos, das Cubiculum.
    Piso war nun wieder alleine. Er starrte kurz an die Decke. Nun denn, etwas anderes musste getan werden.
    Er holte tief Luft und brüllte dann: „Artomaglos!“ Das gebrüllte Wort echote durch den Raum, der Sklave hatte es sicher gehört. Nach ein paar Sekunden holte er wieder Luft und brüllte, noch gleichmal ein bisschen lauter: „Semiramis!“ Er erwartete sich, dass die beiden sofort eintrafen.
    Und tatsächlich betrat Artomaglos, kaum, dass man ihn gerufen hatte, den Raum. Mit einem knappen Nicken begrüßte er seinen Herrn und stellte sich vor ihn auf. Doch wo war Semiramis?

  • Semiramis ließ sich einfach Zeit! Augenrollend quittierte sie das Gebrüll dieses Irren. Aber Anstalten, sofort zu ihm zu rennen, machte sie nicht. Nichts, aber auch rein gar nichts hatte etwas an ihrer Abneigung gegen diesen dämlichen Römer geändert. Sie konnte ihn einfach nicht ausstehen und deshalb sah sie ihn am liebsten von hinten. Manchmal jedoch, wenn er es nicht bemerkte, beobachtete sie ihn, wenn er wieder einmal seine seltsamen und weltfremden Anwandlungen hatte. Dann amüsierte sie sich immer ganz prächtig. Allerdings nicht laut, damit er sie auch ja nicht erwischte.
    An besonders schlimmen Tagen, wenn er sie wieder nervte, rächte sie sich dafür, indem sie ihm kleine Nägel in die Schuhsohle steckte und sobald er die Schuhe anzog, hüpfte er immer so lustig umher, daß sie sich kaum halten konnte. Diese kostbaren Minuten der Schadenfreude entschädigte sie für so manches, was er ihr angetan hatte.
    Aber jetzt hieß es, sich zu entscheiden, ob sie sich weiterhin taub stellen sollte, oder ob sie doch mal bei Piso vorbeischauen sollte. Nach gründlicher Bedenkzeit, entschloß sie sich für das Letztere.
    Ganz entspannt fand sich die Syrerin schließlich im cubiculum ihres Herrn ein. Als sie ihn im Bett liegend erblickt, wollte sie schon losprusten, hatte sich aber doch noch in der Gewalt.
    "Ist irgendwas? Bist du krank? Oder tust du nur so?"
    Sie war sich da nicht ganz sicher. Das Leiden in Pisos Gesicht täuschte über seinen wahren Gesundheitszustand hinweg.

  • Hinter Artomaglos ging endlich die Türe auf, und die nervige Syrerin, die sich Piso damals angeschafft hatte, trat ein. Sofort quollen wieder Insolenzien aus ihrem Mund, und Piso blickte scharf drein. Er hatte nicht vergessen, wie sie ihm Nägel in die Sandalen hineingesteckt hatte. „Zuerst einmal: Salve, mein Herr, heißt das.“, fuhr er sie aus seinem Bett an. „Und zweitens: Halt die Klappe. Ich bin zutiefst malad. Werde ich sterben? Liebe Götter, macht, dass es nicht soweit kommt!“, rief er flehentlich in Richtung Decke, bevor er sich wieder den beiden Sklaven zuwandte. „Ihr werdet euch fragen, wieso ich euch hierher berufen habe. Nun, ihr sollt es wissen.“ Er machte eine dramatische Pause, und nicht minder dramatisch war die leidenserfüllte Grimasse, die er zog, als er ein Rumoren in seinen Magen zu verspüren glaubte. „Die Krankheit, die ich habe, hält mich von der Arbeit und von sonstigen Geschäften ab. Dabei habe ich etwas, was ich dringend erledigen muss, und ich will euch dies nicht vorenthalten.“ Er räusperte sich. „Ich will mir ein Sägewerk kaufen. Jawohl, ein Sägewerk. Und zwar in Germanien. In der Nähe von Mogontiacum, wo es angeblich wunderbares Holz geben sollte, unter anderem edles Kirschholz. Artomaglos, du kennst dich mit Holz aus. Ein paar Brocken Germanisch kannst du ja auch, oder? Prima.“, meinte er, als der Kelte dies mit einem knappen Kopfnicken entgegnete. „Und du, Semiramis, kannst ja lesen, schreiben und rechnen?“ Ohne die Antwort abzuwarten, fuhr er fort: „Ausgezeichnet. Ihr beide werdet ein gutes Gespann abgeben. Antiochos brauche ich hier, in der Villa. Du, Semiramis, bist sicher froh, mich etwas loszuhaben. Und du, Artomaglos, passt auf sie auf, nicht, dass sie was Dummes anstellt. Ihr beide also...“ Nocheinmal das Räuspern, „Ihr beide werdet einen guten Forst mit Sägewerk für mich kaufen. Wenn ihr ein gutes geschäft macht, wird die Belohnung eure kühnsten Träume übertreffen. Wenn ihr ein schlechtes geschäft macht, mich übers Ohr haut, wird die Bestrafung bitter sein.“ Eine dramatische Geste, mit dem rechten Arm aus der Decke heraus gemacht, unterstrich seine Worte. „Alles klar? Noch Fragen?“

  • Semiramis machte keinen Hehl daraus, daß sie Piso nicht ausstehen konnte. Seine Belehrungen, die eh keine Früchte bei ihr tragen würden, quittierte sie deshalb nur mit einem genervten Blick und verrollten Augen. Flüchtig sah sie zu dem anderen Sklaven hinüber. Zu diesem Artoirgendwas. Sie konnte sich diesen Namen sowieso nicht merken und was sie von ihm halten sollte, wußte sie noch viel weniger. Arti, wie sie ihn scherzhaft hinter vorgehaltener Hand gegenüber den anderen Sklaven nannte, war wohl einer von der voll ergebenen Sorte Sklaven, die, man konnte es kaum glauben, sogar für einen Penner, wie Piso es war, sterben würden.
    Aus dem flüchtigen Blick wurde ein sehr ausgiebiger. Sie musterte den Kelten von oben bis unten und grinste dabei etwas verstohlen. Sich diesen Kerl anzuschauen, war eh viel interessanter, als dem Gesülze des Flaviers zu folgen.
    Als sie von weit her ihren Namen in Verbindung mit einer gestellten Frage vernahm, machte sie sich nicht die Mühe, noch einmal nachzufragen, worum es ging, sondern nicke nur beiläufig. Obwohl es der Syrerin bis dahin nicht vergönnt gewesen war, die Kunst des Schreibens und Rechnens zu erlernen. Aber was soll´s, dachte sie sich. Wozu brauchte man das schon!
    Pisos Räuspern bewirkte wenigstens eines, sie ließ den Blick von dem Kelten ab und sah wieder in die Richtung ihres Herrn, der immer noch iregend ein uninteressantes Zeug daher schwafelte. Nur die letzen seiner Worte, blieben in ihrem Gehörgang haften… Bestrafung…Alles klar? Noch Fragen?
    Die Syrerin, die natürlich nicht zugeben wollte, daß sie alles andere gemacht aber nur nicht zugehört hatte, wollte sich keinesfalls die Blöße geben, sah etwas irritiert drein.
    "Was ist? Was sollen wir machen?"

  • Piso nahm keine Sekunde lang an, dass Semiramis ihm nicht attentiv, aufmerksam, zugehört hätte. Natürlich, sie hatte die ganze Zeit Artomaglos begafft, aus irgendeinem Grund. Aber er dachte sich nichts dabei, seine armen, von der (fiktiven) Krankheit ganz malträtierten Äuglein, bekamen eh nicht viel mit. Und er missverstand sie prompt, als sie ihn fragte, was sie tun sollten.
    Er räusperte sich wichtig. „Was ihr tun sollt, sobald ihr in Mogontiacum ankommt, liegt auf der Hand, oder? Ihr sucht euch irgendeine Unterkunft, und dann sucht ihr ein paar der wichtigsten Händler der Stadt auf. Ihr werdet sicher schnell herausfinden, wer das ist. Und dann lasst euch von denen Ratschläge geben. Wie ihr die aus denen herauskriegt, sei euch überlassen, solange ihr nichts Kriminelles tut.“, indoktrinierte er seinen beiden Sklaven.
    „Semiramis, die vielversprechendsten Angebote wirst du dir aufschreiben, und du wirst um die Preise verhandeln. Und du wirst mir, sobald du etwas erreicht hast, mir den Vertrag schicken, sodass ich ihn unterschreiben kann.“ Sie hatte ihm immerhin erzählt, sie könne lesen, schreiben und rechnen, als sie ihm verkauft wurde! Sie hatte ihn wohl damals angelogen, und Piso war es nicht aufgefallen.
    „Du, Artomaglos, wirst die Kutsche herrichten, ich will, dass es morgen am Morgen losgeht. Hopphopp, auf geht’s! Packt eure Sachen und dann geht. Aber nimmt euch warme Sachen zum Anziehen mit, in Germanien soll es sehr kalt sein. Und vor allem in den Alpen, wenn ihr sie überquert.“, fast schon freundlich sagte er dies. „Am Besten nimmt ihr die Route über den Verlauf des Rhenus und über den Lacus Brigantii. Das ist am Schnellsten. Ihr wisst, was ihr zu tun habt. Viel Erfolg. Aus meinem Zimmer nun, kusch.“, rief er affektiert und kringelte sich anschließend unter seiner Decke wieder ein. Für ihn war es das, die Sklaven sollten nun selber schauen, wie sie zurecht kamen. Er würde es sicher kein zweites Mal erklären.

  • Zum Glück hatte Piso nichts von ihrer Unachtsamkeit bemerkt. Mal ganz davon abgesehen, daß Piso sowieso immer nur die Hälfte mitbekam, was um ihn herum vorging. Und wieder schüttete er einen Schwall von Unwichtigkeiten über den beiden Sklaven aus. Semiramis hatte natrürlich nicht die leiseste Ahnung, wovon er sprach. Sie erhaschte ein Wort aus seiner Rede heraus. Der Name eines Ortes, mit dem sie aber rein gar nichts anfangen konnte. "Mogontiwas? Wo ist das denn", platzte es ihr heraus, was er allerdings nicht groß zum Anlaß nahm, ihr es zu erklären. Später erst erwähnte er schließlich Germanien und die Alpen und das sie sich warm anziehen sollten und dergleichen..
    "Germanien ist es da nicht…“" arschkalt. Genau, doch sie konnte es gerade noch so unterdrücken, denn sie wußte, er mochte es nicht, wenn sie in seiner Gegenwart ihren Gassenjargon auspackte.
    Letztendlich wurden die beiden aus dem Zimmer des Flaviers komplimentiert. Semiramis sah nur noch, wie sich die Tür vor ihrer Nase schloß.
    Nach einer Weile dreht sie sich zu Arti um, und fragte ganz verständnislos: "Hast du einen Schimmer, was der jetzt von uns wollte? Wohin sollen wir und was sollen wir dort machen? Wo ist denn nun dieses Mogontiwasweiß ich?"

  • Artomaglos war nicht so blöd, wie er ausschaute. Er hatte gelernt, wenn die Römer eines nicht verknusen können, die Nudelaugen, dann ist es, ihnen nicht zuzuhören. Und so hatte er hingehört. Germanien. Pah. Er hasste Germanen. Wieso, könnte er selber nicht erklären. Es war eine Sache, die tief in ihm eingepflanzt war. Von seinem Vater her. Von seinem Großvater. Er hasste diese Germanen.
    Und musste er zu denen! Es war ganz unsäglich. Er bemühte sich darum, keine Hackfresse zu ziehen, als ihm der dämliche Flavier eröffnete, was er Semiramis und Artomaglos zugedacht hatte. Erst, als er durch die Tür schritt und jene, nachdem Semiramis das Zimmer verlassen hatte, war es sicher für ihn, seine Gefühle herauszulassen. Doch bevor er mit seiner Faust frustriert an die Wand boxen konnte (was vermutlich einen Mordsschmutter hinterlassen hätte) wurde er von Semiramis angesprochen.
    Er holte tief Luft, als wollte er sie umblasen, dann begann ein Wortschwall in unverkennbar norischen Akzent auf die Arme niederzupurzeln. „Jo, hom’s den ins Hirn g’schissen? Echt, na, des gibt’s jo net! Noch Germaunien... Germaunien! Wos fiar a Oaschkappelmuster!“, fluchte er vor sich hin. „Oiso, des Mogontidingsbums is in Germaunien, irgendwo dou oum in da Kötn! Und a Sägewerk sui ma’n kaufen! Jo, bei Epona, is des zum Glaum?“ Sein Blick strahlte Grimmigkeit aus. „So a Schaß! Jetza kemma uns die Hintern obfriern, nur weil der... i glaub’s net.“ Artomaglos echauffierte sich ganz gewaltig über den Flavier. „Oiso. Er wü, doss ma noch Germaunien foarn. Du und i. Und iam a so a bleds Huizdings kaufn. Und daunn wieder zruckkummen. Kloa?“, fragte er zum Abschluss, nicht ernsthaft denkend, dass jetzt noch irgendwas nicht klar sein könnte.
    Er blickte Semiramis noch ein paar Sekunden an, dann ließ er seine Schultern sacken. „Ah geh. Hot eh kan Wert. Pock deine Sochn. Murng pock‘ ma’s.“, verkündete er, mit einer gewissen Düsterkeit in seiner Stimme. „I wer daunn no a Göd vom Antiochos huin. Und die Kutsch’n herricht’n. Muarng am Sonnenaufgong treff’ ma uns im Hinterhof. Eh kloa, oda?“

  • Semiramis hatte es bereits an ihrem ersten Tag schon geahnt! Sie war an einem Platz gelandet, an dem das gewohnt Normale erheblich in der Unterzahl war. Aber was war denn schon normal? Piso war ganz sicher nicht normal und die meisten Sklaven, die sich in seiner Umgebung aufzuhielten, machten auch nicht unbedingt den Eindruck, als sei einer von ihnen normal. Blieb nur zu hoffen, daß sich Semiramis treu blieb und nicht so wurde, wie ihr Gegenüber zum Beispiel. Sie hatte ja schon einiges von den Nordmännern gehört. Man sagte, sie seien wild und ungestüm. Artosowieso machte auf sie den Eindruck eines Bären und als er den Mund aufmachte, klang er auch so. Die Syrerin verstand kein Wort. Womit hatte sie das nur verdient? Wäre sie und der alte Aziz nur nicht auf so dumme Ideen gekommen, dann wäre sie jetzt zu Hause in Damaskus und könnte kleinen netten Kindern gruselige Geschichten von bösen Zauberern und Hexen, wilden Tieren und eingebildeten Römern erzählen. Das dumme Schicksal hatte es aber anders mit ihr gemeint. Jetzt war sie hier, fernab von allem Vertrauten und mußte sich mit diesem dämlichen Flavier herumschlagen und, was noch schlimmer war, mit diesem Halbwilden in ein noch wilderes Land reisen, in dem es auch noch barbarisch kalt sein sollte.
    "Hä? Was ist? Kannst du auch so sprechen, damit man dich halbwegs versteht?"
    Wie lange braucht man, bis man Germanien erreicht hatte? Zwei Wochen? Drei Wochen? Und dann einen Begleiter zu haben, der einem die ganze Zeit mit diesem Kauderwelsch übergoß? Das konnte wirklich heiter werden!


    Upps, falsche Farbe!:D

  • Artomaglos sah die junge Frau vor ihm verwundert an. Semmelramsch hieß sie doch, oder? Nein, Semmelriss. Genau, jetzt erinnerte er sich wieder. Na göh, da schauts! Allerdings schien sie kein heller Kopf zu sein, sein perfekt ausgesprochenes Latein verstand sie gar nicht. Er starrte verwundert zurück, als sie ihn anstarrte.
    „Sog amoi! I red so, wie i red. Und des is guat so!”, rief er entrüsted aus, bevor er die Augen verrollte und begann, ganz langsam zu sprechen, wie man zu einem begriffstutzigen Kind redet.
    „Mor-gen... fah-ren. Sonnenauf-gaaang. Kutsch-ä. Hinter-hooof.“, formulierte er langsam und bedächtig. „Nach Germaaaaanien.“, setzte er hinzu. Damit war das Wichtigste mitgeteilt. „Eh kloa, oda?“ Fragend blickte er sie an, aber innerlich war er eigentlich ganz happy. Die Alpen wieder sehen! Wie schön! Den Flug des Adlers betrachten, die Bergpässe erklimmen... nur waren dies die rätischen Alpen, durch die sie gehen würden, nicht die norischen, was dumm war. Doch Artomaglos würde nicht zurückwollen in seine Heimat. Er war dort ein Mörder, und sie würden ihn sofort wieder nach Rom schicken. Oder ihm gleich die Rübe abhauen.
    Ach ja, da war noch etwas. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, aber er wollte es trotzdem erwähnen. „Ach, jou. Pac-ken. Dei-ne Sa-chen. Pac-ken. Bis mor-gen. Waaaaarm anziehääään. Hoit woam aunziang!“, schloss er auf gut Norisch und blickte zufrieden daher, dass er soviel auf römischen Latein hergebracht hatte. Kein Zweifel überkam ihn, dass Semmelriss ihn verstanden hatte.
    „Dann gemma... ge-hen wir... glei-ch am Moaaa... Mor-gen.“ Wie er das Wort hasste, er könnte es würgen und verdreschen. Immerhin, er hatte nun gesagt, was er zu sagen hatte, den Rest würde er ihr schon auf der langen Fahrt verständlich machen. Zumindest hoffte er, es würde ihm gelingen. Jo, Herrschaftszeiten, die musste ihn doch irgendwann einmal verstehen!

  • Die Syrerin stieß einen tiefen Seufzer aus. Sie hatte schon wieder kein Wort verstanden. Doch dann gab sich dieser Artodingsbums etwas Mühe. Na bitte! Geht doch! Ach, würde sie doch nur eine fürchterliche Krankheit über Nacht heimsuchen! Dann könnte sie hier bleiben und müßte nicht alleine mit diesem Alpenheini in ein wildes fremdes Land reisen. Äh Moment, wenn sie hier blieb, dann hatte sie Piso zu ertragen, was keineswegs besser war. Also war es im Grunde gleichgültig, in wessen Gesellschaft sie sich befand. Blieb nur die Örtlichkeit. Germanien! Das hörte sich schon nach Eis und Schnee an und nach blutrünstigen Irren. Rom war nur im Winter unangenehm, aber auch hier gab es genügend blutrünstige Irre. Also, was soll´s, dachte Semiramis und zuckte mit ihren Schultern.
    "Na schön, dann werde ich da sein, Mor-gen, bei Sonnenauf-gaaang, an der Kutsch-ä im Hinter-hooof," äffte sie den Sklaven nach.
    Waaaaarm anziehääään, meinte er noch in seiner übertrieben klaren Aussprache. Hoffentlich behielt er das während ihrer Reise bei!
    Und ob warm anziehen! Darauf konnte sich der Kerl aber verlassen! Semiramis würde heute noch alle warmen Sachen in der Kleiderkammer zusammensuchen, die sie finden konnte und einpacken. Auch einige Wolldecken konnten sicher von Wert sein. Semiramis begann schon mal vor ihrem geistigen Auge zu packen. Beinahe hhätte sie schon den norischen Hünen vergessen, der ihr mit seinen Worten noch klarmachen wollte, daß es morgen in der Frühe los ging, was Semiramis natürlich schon längst begriffen hatte. Schließlich war sie a nicht dumm.
    "Ja, ja! Schon gut! Ich hab´s kapiert. Morgen also! Ich geh dann mal packen und dann leg ich mich auf´s Ohr."
    Daraufhin verschwand Semiramis, ohne sich noch einmal nach Artomaglos umzudrehen. Sie hatte in den nächsten Wochen und Monaten noch genügend Gelegenheit, ihm nachzuschauen. Das war durchaus ausreichend!

  • Semmelriss sah nicht so aus, als ob sie auch nur irgendetwas mitbekam, was ihr Artomaglos mit größter Mühe verständlich machen wollte. Dabei machte sich der Alpländer so viel Mühe, sich verständlich zu machen.
    Doch irgendwann schnallte es. Er musste sich jetzt wohl wirklich darauf verlegen, mit der Semmel (so war es kürzer) zu reden wie ein Kleinkind. Na gut, machte er das eben. Er war halt ein Kavalier.
    Er seufzte, als sie ihn nachäffte. Das war wieder nötig! Streng blickte er sie an, doch er erwiederte nichts. Artomaglos war einfach nur glücklich, dass Semmel ihn verstanden. Jessas, endlich schnoit’s da, Blitzkneisserin! Homma a Hirnverstopfung ghobt, oda wous? Offenbar war dies der Fall.
    Artomaglos nickte also nur zur Bestätigung. „Bis muargn.“, brachte er hervor und betrachtete sie, wie sie hinwegschritt. Im Gegensatz zu ihr hatte der Noriker ganz und gar nichts dagegen, die Syrerin länger als nötig anzuschauen. Schlechta hätt i’s aa dawisch’n kennen. Waunn der Remer mi mit aner schiachen Rotzn gschickt hätt. Oba, bei Epona, des is scho a fesche Kotz!
    Er lächelte befriedigt und drehte sich um. Auch er brauchte jetzt eine Mütze Schlaf.

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