Vom Winde verweht....

  • Dass der junge Mann nach ihren aufbauenden Worten mal wieder ins Schwafeln verfallen wuerde, war ja im Grunde absehbar gewesen... Laevina unterdrueckte bei seinen Worten das Beduerfnis, ungeduldig mit den Fingerspitzen auf die Bank zu trommeln und liess ihn stattdessen ausreden. Da sie sich in etwa denken konnte, in welche Richtung seine nicht ausgesprochenen Gedanken gingen, schnitt sie wie zufaellig auch dieses Thema an.


    "Mein junger Freund, lass dir eins von einer alten Frau mit einer Menge Lebenserfahrung erzaehlen: gleichgueltig, was auch das Schicksal fuer uns alle bereithalten mag, bis zu einem gewissen Punkt sind wir alle unseres eigenen Geschickes Schmied. Also warte nicht, bis dir gendwann mal ein grosszuegiges Haeppchen zugeworfen wird, sondern greife selbst zu, wenn du etwas siehst, was dir gefaellt."


    Sie betrachtete ihn aufmerksam, um sicher zu gehen, dass er ihr auch wirklich zuhoerte und fuegte dann hinzu:


    "Und wenn ich dir noch einen Tipp geben darf: mach dich rar bei den Frauen, die dich interessieren und zeige ihnen nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Das macht dich dann viel interessanter fuer die Damenwelt, denn ein hochhaengender Apfel ist immer reizvoller als einer, der einem hinterher getragen wird."


    "Und glaube mir", bei diesen Worten setzte sie ein leises Laecheln auf, "Diese Dinge waren schon vor vierzig Jahren so, und werden sich auch so schnell nicht aendern."

  • Das Schwafelbedürfnis des Flaviers war, den Göttern sei Dank, wieder dergestalt befriedigt, dass er Laevina ausreden ließ. „Äh... danke für den Ratschlag.“, meinte er nach ihrer Rede, und zur Bestätigung, dass er zuhörte. Er verstand natürlich, was sie sagte. Er selbst war der Letzte, der die Legende des Parzen und des vorherbestimmten Schicksals wörtlich nahm. Aber es war eine schöne Legende, die es einem erlaubte, sich zurückzulehnen und zu denken, dass ohnehin alles so gehen wird, wie es gehen wird.
    Was sie über die Frauen sagte, war wieder etwas, was ihn verzweifeln lassen konnte. Gleichzeitig musste man sich bei einer Frau beliebt machen und dann wieder nicht! Gleichzeitig auf sich aufmerksam machen und dann wieder nicht! Ahhh! Frauen! Wer sollte da noch mitkommen. Äußerlich brav dasitzend wie ein Junge, der von einer Pädagogin geschult wird, saß er da und nickte gesittet, während innerlich seine empfindsame Seele Radau schlug und herauswollte.
    „Ein Apfel.“, wiederholte er schlussendlich die Worte der Germanicerin. „Also ist das, was ich zu tun habe, einfach, herumzustehen und warten. Das kann es doch nicht sein!“, meinte er, mit seinen Armen herumgestikulierend und dabei an Laevinas Haupthaar anstreifend. „Tschuldigung.“, entfuhr ihm, während er seine Hände sinken ließ. „Es ist zum aus der Haut fahren. Dann waren die Dinge schon vor 40 Jahren so vertrackt. Ach ihr Götter...“ Fast wäre ihm ein weibisches Schluczen entwichen, welches er nur mit innerer Kraft unterdrückte.

  • Oh du liebe Guete, dieses Projekt liess sich aber doch deutlich anstrengender an, als sie urspruenglich vermutet hatte...


    Waehrend Piso vor sich hinjammerte, stieg vor Laevinas innerem Auge unwillkuerlich das Bild eines traellernden Apfelbaums auf, der jahrein jahraus an einem Fluss stehend jammernd darauf wartete, dass diesem die schaumgeborene Venus entstieg.


    Warum um alles in der Welt, mussten Maenner eigentlich immer so unendlich wehleidig sein? Da trug man ihnen schon jahrzehntelang den Hintern hinterher, sorgte fuer ihr leibliches Wohl, setzte ihre Kinder in die Welt, und trotzdem heulten sie herum wie die kleinen Kinder...Unfassbar...


    Laevina seufzte und kratzte ihr letztes bisschen Geduld zusammen, was noch zusaetzlich dadurch erschwert wurde, dass ihr der wild herumfuchtelnde Piso eine Schneise in die sorgfaeltig ondulierten Locken schlug.


    "Mein lieber Piso, du solltest dich nicht so haengenlassen und mit etwas mehr Selbstvetrauen an die Sache herangehen. Sei stolz auf deinen Namen, deine Familie und dein Talent (ob dieses wirklich vorhanden war konnte Laevina ja noch nicht beurteilen), und die jungen Maedchen werden sich um dich schlagen, du wirst schon sehen."


    Natuerlich wuerden sich die meisten jungen roemischen Frauen auch mit einem Sack Getreide verheiraten, solange dieser nur einen Halbmond an den Schuhen trug. Aber irgendwie hatte die Germanica das Gefuehl, dass eine derartige Bemerkung eher kontraproduktiv fuer Pisos Ego sein wuerde....


    "Und eine von denen wird dir dann sicher gefallen und deinen hehren Anspruechen genuegen, da bin ich mir sicher" fuegte sie dann in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete hinzu.


    Was sollte sie denn da erst sagen? 38 Jahre zuerst mit einem Schnarchsack und dann mit einem vetraeumten Schwaetzer, und trotzdem heulte sie hier nicht auf dem Marktplatz rum. Maenner....

  • Piso, voll und ganz mit seiner eigenen Wehleidigkeit beschäftigt, bemerkte nicht, wie die Frau neben ihm immer innerlich ungehaltener wurde. Wer konnte es ihr verdenken? Seufzend zerraufte sich der arme Piso nun die Haare, eine Geste, die man womöglich nur bei einem Mann vermuten würde, der auf einen Schlag alles verloren hatte. So fühlte er sich auch irgendwie. Fehlte nur noch, dass er losheulte.
    Irgendwann drangen Laevinas Worte wieder zu ihm durch – zuerst brabbelnd, blubbernd, wie von einem Fluss, und schließlich klar und deutlich. Er blickte wieder auf, blinzelnd, als ob er sie überhaupt nicht hier vermutet hätte.
    „Bin ich ja! Aber es hilft nichts.“, jammerte der Mann aus dem Geschlecht, welches einst die Kaiser gestellt hatte, und der sich als der größte Künstler Roms gefiel, los.
    „Meinst du?“, fragte er mit großen Augen. „Du musst wissen, einen Patrizier lassen sich Plebejerinnen schon gefallen. Aber meine Familie will, dass ich eine Patrizierin heirate, und die sind wählerisch! Meine Familie, das solltest du wissen, würde mich rauswerfen, wenn ich mit einer Plebejerin dahergetanzt käme. Nichts gegen den Plebejerstand! Weißt du... das Dilemma war... das Mädchen, von der ich dir erzählt habe, ist Plebejerin. Sie ist so unerreichbar für mich wie ich für sie!“ Vielleicht würde Laevina seinen Schmerz jetzt besser verstehen. „Ich glaube, sie ist gegangen für mich, damit ich sie vergesse. Aber das kann ich nicht, Laevina, das kann ich nicht.“ Er ließ den Kopf hängen und kratzte sich hinterm Ohr. „Weißt du, es ist nicht einfach, das Leben. Vielleicht hast du recht, und alles wird sich einrenken, nur momentan bin ich in einer... wie sagt man da? Krise? Könnte das richtige Wort sein.“, meinte er und seufzte. Er atmete tief ein. "Ich muss dir vorkommen wie ein echter Waschlappen. Verzeih mir." Einmal ein wahres Wort.

  • Welch wahres Wort.... Nur mit Mühe unterdrückte Laevina den starken Impuls bei Pisos letzten Worten vehement zu nicken und schüttelte stattdessen den Kopf.


    "Aber nein, mein Lieber, du bist halt einfach nur ein bisschen....."fieberhaft rang sie nach einer unverfänglichen Bezeichnung. "....sensibler als die meisten anderen Männer. Das ist bei einem Mann mit deinen künstlerischen Ambitionen doch ganz normal." Warum stieg ihr denn ausgerechnet jetzt das Bild des lange verstorbenen Kaisers Nero in den Kopf, der auch so gern und unermüdlich gesungen hatte?


    Und dieses ewige Patrizier-Plebejer-Geschwafel hatte sie noch nie ertragen können. Dieser unsägliche Schwachsinn von der angeblich edlen Geburt.... Der stärkere und schnellere Hund schlug den schwächeren, so einfach war das! Und so manches mal in der Geschichte hatte sich bereits eine räudige Promenadenmischung deutlich geschickter angestellt als die hochgezüchteten Edelrassen. Laevina hatte jedenfalls noch nie in ihrem Leben unter Minderwertigkeitsgefühlen dem Patrizierstand gegenüber gelitten und hatte auch nicht die Absicht, auf ihre alten Tage damit anzufangen.


    Wie konnte man denn nur all die Energien, die für das flavische Geheule vergeudet wurden, in einigermaßen produktive Bahnen lenken? Laevina überlegte einen Moment hin und her, dann kam ihr ein Gedanke.


    "Ich hätte vielleicht eine Idee, wie du aus dieser Krise herauskommen und gleichzeitig deiner Kunst fröhnen könntest...." Sie musterte Piso, um sicherzustellen, dass er ihr trotz seiner andauernden Jammerei auch aufmerksam zuhörte.


    "Wenn diese Liebe wirklich so unerreichbar und hoffnungslos ist, wie du sagst, warum widmest du ihr nicht etwas wirklich Großes und Erhabenes? Ich meine natürlich nicht irgendein simples Liedchen sondern ein wirkliches Epos von epochalem Rang. Auf diese Weise setzt du deiner entschwundenen Geliebten ein unsterbliches Denkmal und kannst danach mit gestärktem Tatendrang ein neues Leben beginnen. Ganz abgesehen davon, dass dir das vielleicht auch endlich die künstlerische Anerkennung bringen wird, die du zweifellos verdienst." Du liebe Güte, was für ein herrlicher Kitsch, Laevina war ganz entzückt von ihrem eigenen Einfallsreichtum.

  • Dass Piso hier mit Kaiser Nero verglichen wurde, hätte jener mit Freude zur Kenntnis genommen. Er verehrte den göttlichen Claudier als Genie. Ein Ästhet von Schrot und Korn war er gewesen. Solche Leute fand man nicht mehr oft heutzutage.
    Er schmunzelte leicht, als Laevina ihn ein wenig aufzubauen versuchte. „Das mag sein, werte Germanica Laevina. Vielleicht hast du Recht. Nichtsdestotrotz, ich sollte mich zusammenreißen. Weißt du...“, er lächelte verschwörerisch, „ich habe vor, mir für später eine politische Karriere aufzubauen. Da würde es mir nicht gelegen kommen, wenn mich jemand so sehen würde. Die Meisten sind unsensibel und wollen lieber einen starken Kraftlackel an der Macht als einen Schöngeist. Ich bin froh, dass es mit dir nicht so ist.“ Er musste sagen, er hatte mittlerweile eine Hochachtung für die Germanicerin, und fragte sich, ob er jemals einen solchen Hass auf die Germanicer entwickeln könnte, wie ihn Furianus hegte.
    Die Germanica dachte wohl, dass seine Worte über die Unterschiede zwischen Plebejer und Patrizier lächerlich war. Aber Piso hatte das System nicht geschaffen. Im Gegetnteil, er war kein großer Freund von den Standesunterschieden. Mit der Ausnahme der Steuerfreiheit für Patrizier. Die war gut. Aber sonst verschwanden die Standesunterschiede. Gradual. Piso war froh darüber. Er hätte nie etwas dagegen, eine Plebejerin zu heiraten. Aber es war unmöglich. Wenn man schon einmal mit einer Faust vor der Nase einem Bescheid gegeben hatte, dass man bloß niemals eine Plebejerin heiraten sollte, dann wagte man nicht, eine Ausnahme zu machen.
    Piso blickte Laevina neugierig an, als jene einen Vorschlag machte. Er war wieder voll und ganz da, seine vorherige Schwäche war verflogen.
    „Wirklich?“, fragte er, die Ohren spitzend. Er hörte der Sache ganz genau zu und begann zu nicken. Er leicht, dann immer stärker. „Das ist eine großartige Idee. Eine ganz geniale Idee.“ Durch ein gutes Epos konnte er vielleicht seine Trauer abbauen. Und vielleicht etwas bekannter werden.
    „Diese Idee ist einfach umhauend. Es ist die Art Idee, nach der ich schon immer gesucht habe!“ Er blickte drein, als ob ihm die Erleuchtung gekommen wäre.
    Sofort begann er enthusiastisch zu schwärmen. „Ich kann es mir schon vorstellen! Ein Epos zu den Zeiten... ich weiß es nicht. Vielleicht zu den Zeiten der Könige von Rom! Ein Epos von Liebe und Hass. Superbus! Lucretia! Collatinus! Brutus! Was für eine Geschichte.“ Ein Lächeln breitete sich über sein Gesicht aus. Er wusste jetzt, was zu tun war.

  • Für die stets hochgradig beherrschte und kühl kalkulierende Laevina war es nicht nur anstrengend, sondern in gewisser Weise auch faszinierend die ständigen Stimmungsschwankungen des jungen Flaviers zu beobachten. Unglaublich, wie hielt der das nur gesundheitlich aus? Das musste sie unbedingt über einen längeren Zeitraum studieren...


    Sie hatte zwar damit gerechnet, dass ihr Vorschlag nicht abgelehnt werden würde, aber eine derartige Begeisterung hatte sie auch nicht erwartet. Da hatte sie ja ganz offensichtlich die richtiger Lunte in Brand gesetzt...
    So ganz geheuer war ihr Pisos Schwärmerei zwar auch nicht, aber immerhin hatte er inzwischen sein wehleidiges Gejammer eingestellt und das war ja auch schon ein schöner Erfolg.
    Laevina hatte sich Zeit ihres Lebens mehr für die praktischen Dinge des Lebens interessiert als für die sogenannten schönen Künste. Die Namen, die der junge Flavier jetzt hervorsprudelte, waren ihr nur grob bekannt, aber sie hatte natürlich nicht vor, sich das anmerken zu lassen und nickte bei jedem einzelnen Stichwort mit begeisterter Miene.


    "Na siehst du, ich wusste doch, dass in dir noch ungeahnte Ressourcen schlummern. Ich bin schon sehr gespannt, was wir demnächst auf Roms Bühnen erwarten dürfen." Sollte der Schuss nach hinten losgehen und Pisos "Epos" in einer Katastrophe enden, würde sie sich und ihre Urheberschaft natürlich irgendwie aus der Affaire ziehen müssen, aber noch lag das Ganze ja in weiter Zukunft. Und wer wusste schon, wie der Geschmack des Volkes zur Zeit war, vielleicht hatte der Junge ja sogar Glück!


    Jetzt erst drang es zu Laevina durch, dass Piso auch ein Thema angeschnitten hatte, das sie weit mehr interessierte als die Künste, - Politik! Damit konnte sie schon wesentlich mehr anfangen, ging es doch schließlich um greifbare Macht...


    "Du wirst einer alten Frau ihre Unwissenheit hoffentlich verzeihen, aber ich kenne mich gar nicht mehr mit den Schritten aus, die man als aufstrebender Jungpolitiker machen muss, um in dieser Stadt bis an die Spitze zu kommen. Wie sehen denn deine Pläne in dieser Hinsicht aus?" fragte sie diesmal ausnahmsweise mit echtem Interesse in ihrer Stimme.

  • Wie es typisch für Piso war, war jener ins Windeseile von zu Tode betrübt auf himmelhoch jauchzend umgeschwenkt. Er fühlte sich wieder wohl. Er fühlte sich wieder in seinem Element. Dass dies einen sehr komischen Eindruck machen musste, kam ihm nicht in den Sinn.
    „Ich danke dir noch einmal für die Inspiration. Es war viel wert, weißt du, werte Germanica. Jetzt habe ich wieder etwas, auf das ich mich konzentrieren kann.“ Seine Stirn verknitterte ein wenig, wie die eines Mopses, als er an Serrana dachte. „Ich denke so oft an meine Liebe... aber...“ Sein Gesicht erhellte sich wieder. „Wenn ich an unser Projekt denke, ist sie aus meinem Gedächtnis wie verschwunden! Dein Vorschlag hat verdrängenden Charakter.“ Er lachte heiter. „Ich werde ein Gedicht schreiben, ein langes Gedicht. Genau! Das wird mich beschäftigen!“ Piso wäre am Liebsten aufgestanden und herumgehopst wie ein Kind vorm Kasperltheater, wenn ein besonders spannender Augenblick in den Puppengeschichten vorkommt. Mühselig widerstand er dem Drang.
    Mit Politik hatten Laevina und Piso aber nun dennoch einen ehrlichen gemeinsamen Nenner gefunden. Nun bekam Laevina einen Piso zu sehen, den sie wohl noch gar nicht kannte – einen seriösen Patrizier mit einer etwas beamtenhaften Art. „Du hast richtig gehört, es zieht mich in die Politik. Gerne bin ich bereit, dir etwas darüber zu erzählen.“, meinte er, mit einem obligatorischen Räuspern hintennach. „Politik im eigentlichen Sinne ist den Senatoren vorenthalten. Dennoch muss die Karriere in der Politik mit der untersten Stufe des cursus honorum beginnen. Das ist das Vigintivirat. Ich strebe es bei den nächsten Wahlen an, sofern die Parzen es nicht anders wollen.“ Er blickte sie ernsthaft und in einer irgendwie in schwer zu Worte fassende Weise professionell an. „Das Vigintivirat ist dazu da, sich die ersten Sporen zu verdienen. Doch schon vorher sollte man sich einen Namen machen, so denke ich. Mein Familienname hilft vielleicht, doch er bereitet mir kein gemachtes Nest. Ich bin Kanzleibeamter, also habe ich schon zum Staat Nützliches beigetragen, und strebe zur Zeit ein höheres Amt an, sodass ich zumindest einigen Senatoren ein Begriff sein werde. Vielleicht verlasse ich die Kanzlei. Mein Patron hat mir versichert, er wird sich um einen präferablen Posten für mich kümmern. Ich hoffe auch, bald in den ordo senatorius einzutreten.“ Er lehnte sich leicht zurück und blickte die Germanicerin fragend an. Ob es Fragen gab?

  • Es war wirklich bemerkenswert, wie unmittelbar und deutlich Pisos Mimik und Gestik seine jeweilige Stimmung widerspiegelten.
    Im Grunde brauchte Laevina ihm gar nicht zuzuhören, um in dieser Hinsicht auf dem Laufenden zu bleiben, aber dann würde ihr zweifellos auch die eine oder andere interessante Information vorbehalten bleiben, die der junge Flavier so unbedarft hervorsprudelte.


    Auf seinen Dank hin lächelte sie noch einmal großzügig und huldvoll und spielte die Bescheidene.


    "Es gibt nichts, wofür du dich bei mir bedanken müsstest. Früher oder später wärst du sicher von allein auf die selbe Idee gekommen, nur haben Menschen mit einer so langen Lebenserfahrung wie ich manchmal den Vorteil, erfolgversprechende Möglichkeiten ein wenig schneller zu erkennen."


    Sie beugte sich vor und warf ihm einen verschwörerischen Blick zu.


    "Natürlich musst du mir versprechen, dass ich bei der ersten öffentlichen Vorführung deines Epos anwesend sein darf, ich würde mir das nur sehr ungern entgehen lassen." Ein Gedicht konnte ja so furchtbar lang nicht sein, und im schlimmsten Fall konnte sie sich immer noch in ihren geliebten "Uhu-Schlaf" flüchten, der von arglosen Betrachtern aufgrund ihrer stets halbgeöffneten Augen und des freundlichen Lächelns nie entlarvt wurde. Auf diese Weise hatte sie im Laufe ihres Leben schon so manche totlangweilige Situation nicht nur würdevoll überstanden sondern war sogar erfrischt aus ihr hervorgegangen. Ihrem zugegebenermaßen etwas schlicht angelegten ersten Mann hatte das immerhin einige Jahre lang die Illusion erhalten, ein grandioser Unterhalter und Liebhaber zu sein. Und was tat man nicht alles für den häuslichen Frieden...


    Als das Thema nun zur Politik umschwenkte, besaß Piso zum ersten Mal Laevinas uneingeschränkte und ehrliche Aufmerksamkeit. Interessiert hörte sie ihm zu und nickte zu seinen Ausführungen. Wie bedauerlich, dass Frauen dieser Weg versperrt war, denn die alte Germanica war felsenfest davon überzeugt, dass sie es mit ihren Anlagen wesentlich weiter geschafft hätte als so mancher alter Sack in ihrem Alter.
    Aber da es ohnehin keinen Sinn machte darüber zu philosophieren, konnte sie ihre diesbezüglichen Energien auch genauso gut in ihren neuen "Schützling" stecken.


    "Nun, um ehrlich zu sein, finde ich es ganz gut, dass ein Familienname allein nicht ausreicht, um automatisch die höchsten Ämter auszuüben. Auf diese Weise wird immerhin gewährleistet, dass das Reich von den fähigsten Männern regiert wird, findest du nicht auch?
    Dazu kamen selbstverständlich auch noch die erfolgreichsten Schleimer, Intriganten und Verräter, aber diesen Passus verkniff sich Laevina lieber, schließlich war sie ja eine nette und arglose alte Dame...


    "Was wäre in deinen Augen denn ein präferabler Posten?" hakte sie dann neugierig nach.

  • Ach, das Lächeln einer alten Dame konnte verzücken. Piso dachte kurz nach. Wenn seine Mutter noch lebte, wäre sie vielleicht in ihrem Alter... vielleicht ein wenig jünger, aber nicht signifikant. Dunkle Erinnerungen kamen hervor, doch er verdrängte sie gekonnt. Er wollte nciht daran denken. Konzentriert sah er Laevina an und versuchte dabei, nicht an seine Mutter zu denken. Indes lächelte er zurück. „Vielleicht hast du da ja auch Recht. Vielleicht sollte ich mich wirklich aufs Dichten konzentrieren, denn das kann ich einen Sklaven aufsagen lassen. Dann kriegt der das faule Obst ab.“ Er lachte falsettlastig und zwinkerte zurück. Selbstironie war nicht unbedingt das Ding des Piso, also musste man annehmen, dass er es als Scherz gemeint hatte. Niemals würde er auch nur annähernd annehmen, dass wirklich jemanden sein Gedicht nicht schätzen könnte.
    Welches in seinem Kopf übrigens schon eine Form angenommen hatte. Ein Gerüst, ein wahrhaft elend langes Gerüst, welches sich streckte und dehnte, wo 20 Minuten lang wohl mal nichts passierte, wo entweder Tarquinius, Lucretia oder Collatinus in hirnlosen Gedanken verstrickt waren, die man vernünftigen menschen nicht zumuten würde. Wo die Handlung stanzenlang durch irgendwelche Hirngespinste und metaphorischen Abwandlungen unterbrochen wird. Da würde Tarquinius herumgrübeln, bis es zur Schändung käme! Sein Schwert würde er hunderttausendmal ausziehen und wieder einstecken, ohne sonst etwas damit zu tun! Malerisch würde seine Niederträchtigkeit und Lucretias Schönheit beschrieben werden, tragisch, wie Collatinus seiner Lucretia beraubt würde! Und vielleicht eine Zeile, die ein Happy End daraus schustert. Die Gedankengänge des Flaviers wurden nur in seinen Augen manifest, wo bereits wirre Ideen in der Form von flimmernden Punkten einander jagten.
    „Es ist selbstredend, dass ich dir eine Einladung zukommen lasse. Wenn du ein oder mehrere Mitglieder deiner Gens mitbringen willst, so sollen sie willkommen sein.“, versprach er. Und, wer den Flavier kannte, wusste sofort, dass er bei dieser Sache keine halben Sachen machen würde. Das Gedicht würde lang werden. Elend lang.Der arme Sklave, der damit beauftragt sein würde, es vorzulesen, würde lang beschäftigt sein. Beim Gedanken daran entglitt ihm ein Lächeln, welches, unbeachtet der Wärme, welches es ausstrahlte, Böses vermuten ließ. Laevina sollte wohl, so würde der objektive Beobachter ihr zuflüstern, ihren Uhuschlaf vor der Aufführung noch einmal gut durchtrainieren.
    Politik jedoch faszinierte Piso nicht minder, und er nickte mit einem ein wenig gequälten Lächeln. Ja, natürlich war es gut so, aber... er würde es ohne diesen Zustand bedeutend leichter haben.
    „Ich denke durchaus, dass du Recht hast, ja.“, stimmte er zu. Mehr Worte verschwendete er gar nciht darauf. Wenn es so wäre wie früher, wo eine Unze Abstammung mehr wert war als ein Pfund von Meriten, dann würde er sicher schon ganz oben sitzen. Aber dem war nun halt nicht so.
    Ihre Frage versetzte ihn in kurzes Nachdenken. „Eines, wo man Kapital und Ansehen sammeln kann. Momentan strebe ich nach dem Amt des Architekten der Regio Italia. Da müsste ich dann den ganzen Tag Pläne zeichnen. Das wird sicher nicht schlecht.“, merkte er an. „Ein ritterliches Amt in der Kanzlei wäre auch schön gewesen, aber das geht nicht.“ Er seufzte. „Wer weiß, ob ich überhaupt noch jemals von meinem Posten wegkomme, ich hocke dort schon Äonen lang herum. Hoffentlich werde ich nächstes Jahr Vigintivir, dann wird alles gut. Dann nehme ich einen Tribunatsposten irgendwo an, vielleicht in Britannia oder Germania oder so, und dann habe ich meine Zukunft in der Tasche.“ Er blickte leicht schräg nach oben. „Vielleicht aber hätte ich auch gleich einen Posten im Cultus Deorum erlangen sollen. Das wäre wohl der einfachste und unsteinigste Pfad...“

  • Pisos schrilles Lachen schmerzte schon ganz schön in Laevinas Gehörgang, und sie brauchte einiges an Selbstbeherrschung um nicht zusammenzuzucken. Wenn der gute Junge in der selben Tonlage sang, wie er lachte, dann war er mit dem Obst vermutlich noch gut weggekommen....


    Auf seine Einladung hin nickte sie mit der gebotenen Begeisterung. "Ach, das ist ja wirklich sehr großzügig von dir. Ich bin mir sicher, meine Familie wird sich darum reissen, mich zu der Aufführung begleiten zu dürfen." Du liebe Güte, wen sollte sie da denn nur mitnehmen? Avarus und Sedulus machten beide nicht den Eindruck, als läge ihnen die feingeistige Poesie besonders am Herzen, und Calvena würde sie wohl nur freiwillig zu einer Veranstaltung begleiten, wenn es sich dabei um Laevinas Bestattungsfeierlichkeiten handelte. Ach, was freute sie sich schon darauf, dem lieben Mädchen unauffällig mitzuteilen, dass sie über deren Vergangenheit Bescheid wusste. Jetzt fehlten nur noch der geeignete Rahmen und Augenblick, um die kleine Bombe hochgehen zu lassen....


    Die alte Germanica hatte eine recht hohe Meinung von ihren eigenen geistigen Fähigkeiten, aber das Talent des Gedankenlesens gehörte leider nicht dazu. Dieser Umstand bewahrte ihr in diesem Moment ihren Seelenfrieden, denn der hochmotivierte Piso war gerade dabei, einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer kostbaren Restlebenszeit für sein Opus zu verplanen, und das hätte sie vermutlich doch ein wenig nervös gestimmt.


    Bei der Beschreibung seiner politischen Pläne machte Piso noch einen deutlich unentschlosseneren Eindruck als bei der Vorbereitung seines Gedichts, und es kostete Laevina ein wenig Mühe ihm bei seinen Sprüngen durch die diversen Ämter auf den Fersen zu bleiben.
    Wenn er wirklich Erfolg haben wollte, musste er dringend lernen etwas bestimmter aufzutreten. Die alte Germanica hatte immer schon eine Schwäche für den lange verblichenen Diktator Lucius Cornelius Sulla gehabt, wobei sie dessen patrizische Abstammung noch am wenigsten interessierte. Das war doch mal ein Mann in ihrem Sinne gewesen, jemand von echtem Schrot und Korn, der sich unbeirrt nach oben gearbeitet und alle Widerstände, egal ob menschlicher oder sonstiger Natur einfach aus dem Weg geräumt hatte! Ach, warum hatte sie nur gleich zweimal derartige Waschlappen abkriegen müssen..... Laevina seufzte melancholisch und konzentrierte sich lieber wieder auf Piso, um sich auf angenehmere Gedanken zu bringen.


    "Nun, das mit dem Vigintivir hört sich doch ganz vielversprechend an, und durch das Tribunat würdest du einen großen Rückhalt in der Armee gewinnen, das sollte man nie unterschätzen." sagte sie mit echtem Interesse. "Warum kannst du denn kein ritterliches Amt annehmen?"


    Den Cultus Deorum ließ die die nur notdürftig religiöse Laevina erstmal aussen vor. Vielleicht bot er ja eine ganz gute Basis, aber diese ständig betenden und Kühe zerschnippelnden Kerle dort hatte sie persönlich noch nie ernst nehmen können.

  • Wem Pisos weibisches Lachen schon auf den Geist ging, dem würde sein Singen sicherlich das Trommelfell zerreißen. Doch dies war eine komplett andere Sache, denn nun hatte sich der Flavier der Dichtkunst zugewandt. Dass dies kein Singen beinhaltete, war aber nur das einzig Gute. Wie es ein ebenfalls flavischer Senator dereinst ausdrücken würde, jetzt dichtete der Spinner.
    „Das ist selbstverständlich. Und, das hoffe ich doch!“, meinte Piso, der sofort eine Gelegenheit witterte, sich bei den Germanicern ein wenig beliebt zu machen. Denn tief im Inneren war Piso nur ein Mensch, der es allen (bis auf jene, die er als Feinde wahrnahm) Recht machen wollte – einmal bei Römern, Nichtrömer behandelte er mit dem selben Mangel an Respekt, der jenen zustand. Es wäre sogar ziemlich wahrscheinlich gewesen, dass er, hätte Laevina ihm gegenüber anvertraut, dass sie wenig von den schönen Künsten hielt, sofort eingelenkt hätte, ohne ihr wirklich böse zu sein, und das Thema auf etwas anderes gebracht hätte. So gesehen, war das ganze Schlamassel, in das sich Laevina hineingeritten hatte, ihre Schuld. Denn Piso dachte jetzt wirklich, er hätte eine hoch kulturinteressierte Dame vor sich.
    Wie dem auch sei, ihm gefiel der Gedanke, dass er bei den Germanicern mit so einem Gedicht punkten konnte. Denn ohne Einfluss waren sie nicht. Beileibe nicht. Es war eigentlich ziemlich beunruhigend.
    Als sie über die Politik zu sprechen kamen, hätte Piso, wenn er seinerseits Gedanken hätte lesen können, Laevina ohne Zweifel erklärt, dass der Cursus honorum keine geradlinige Bahn war, sondern viele Facetten hatte, von denen die Ämter, die er aufgezählt hatte, nur einige gewesen haben.
    Er nickte, als die Germanicerin seine angestrebte Laufbahn kommendierte. Piso lächelte und beugte sich hinüber zu Laevina.
    „Weißt du, was eine echte Traumlaufbahn wäre? Wenn ich mach meiner Arbeit in der Kanzlei – welche wohl als das Tirocinium Fori, welches ich nie erhalten habe, ersetzen würde – Tresvir Capitalis werden würde. Du weißt schon, jene Abteilung im Vigintivirat, die sich für die Rechtspflege einsetzt. Dann will ich ein Tribunat aufnehmen, wie ich es dir schon gesagt habe – und dann das Quaestorat. Und danach werde ich, wenn ich erst Senator bin, versuchen, einen senatorischen Verwaltungsposten zu erlangen. Zum Beispiel den des Curator Operum Publicorum – dieses Amt hält ja zur Zeit einer deiner Verwandten inne, oder?“ Bewahrer der Ästhetik und des Stadtbildes Roms. Das wäre nach seinem Geschmack. „Wenig verdient man dort nicht... ich denke, dadurch könnte ich das Bild des Mittellosen, welches mir immer wieder anhaften will, los werden.“, meinte er. „Und irgendwann einmal das Aedilat. Doch das ist Zukunftsmusik.“, spezifizierte er seine Zukunftspläne. „Dabei schließe ich aber auch, wie gesagt, einen Posten in einem städtischen Kollegium nicht aus.“
    Man konnte über Piso sagen, was man wollte, er war nicht skrupellos. Vor allem nicht so skrupellos wie Cornelius Sulla. Und er hatte auch nicht vor, dessen Weg zu beschreiten. Wenn er gehört hätte, dass Laevina von ihm erwartete, die selben Wege einzuschlagen, die Sulla eingeschlagen hatte, er wäre entsetzt gewesen.
    Ihrer nächste Frage schickte er ein Seufzen voraus. „Rein rechtlich gesehen könnte ich es. Aber der Praefectus Urbi will offenbar keinen Patriziern ritterliche Posten gönnen. Aus welchem Grund auch immer.“ Er seufzte. „Und außerdem hat mir mein Patron gesagt, ich sollte keine ritterlichen Posten bekleiden, wenn ich den cursus honorum beschreiten will...“ Er hielt inne. Da war ja etwas. Er hatte ncoh nicht gesagt, wer sein Patron war. „Kennst du vielleicht meinen Patron? Purgitius Macer?“



    Sim-Off:

    EDIT: Farbe

  • "Nun, es freut mich doch sehr, dass auch die anderen Mitglieder meiner Gens bei deiner Darbietung willkommen sein werden. So ein künstlerischer Genuss ist doch gleich doppelt so angenehm, wenn man ihn mit anderen teilen kann, findest du nicht?" entgegnete sie im sanften Tonfall der altermilden Großtante und beschloss, sich im Hinblick auf die von Sedulus angedeutete Feindschaft zwischen Flaviern und Germanicern erst einmal dumm zu stellen. Piso selbst schien dieser Geschichte auch nicht allzuviel Bedeutung beizumessen, warum sollte sie es also tun?
    Ausserdem freute sie sich jetzt schon darauf, ihre neue Bekanntschaft demnächst mal unauffällig beim gemeinschaftlichen Abendessen zu erwähnen, das würde sicher lustig werden... Apropos, da kam ihr doch direkt eine Idee, wie sie sich demnächst eventuell ein wenig die Zeit vertreiben konnte.


    "Nun, ich weiß, dass mein Vorschlag vermutlich vermessen ist, in Anbetracht der Tatsache, dass du ein vielbeschäftigter junger Mann und ich eine ziemlich unwichtige alte Frau bin, aber falls es dir mal irgendwann mal langweilig sein sollte, würde ich mich sehr über einen Besuch von dir in der Casa Germanica freuen. Dann könntest du mich auch über den Fortgang deines Epos auf dem Laufenden halten. Falls dir ein Zusammentreffen mit meiner etwas seltsamen Großnichte unangenehm sein sollte, - Calvena ist tagsüber fast immer im Tempel oder mit ihren Freundinnen unterwegs." sagte sie in verschwörerischem Unterton.
    Schade eigentlich, dass sie sich mit ihrer Enkelin im Moment nicht besonders gut verstand, sonst könnte sie die direkt unauffällig dazubitten und ein wenig Schicksal spielen... Zu ihrer eigenen Überraschung stellte Laevina fest, dass sie sich wirklich über seinen Besuch freuen würde, denn irgendwie fand sie Piso sehr unterhaltsam, auch wenn er nach ihren bisherigen Erfahrungen mehr als merkwürdig war. Allerdings schien diese Stadt ja von seltsamen Menschen nur zu wimmeln, da musste sie nur an dieses grenzdebile Geschöpf denken, dass ihr vor kurzem auf dem Forum einen Ball an den Kopf geworfen hatte...


    Pisos Traumlaufbahn hörte sich in der Tat sehr spannend an, vor allem war es überraschend, dass der Junge trotz seiner Neigung zu sinnloser Schwafelei durchaus in der Lage war, eine sinnvolle Karriereplanung voranzutreiben. Und da er nun bei seiner Abstammung alles andere als ein Homo Novus war, würde er es sicherlich auch weitbringen, ausser vielleicht..... vor Laevinas Auge stieg ein festlich gekleideter und etwas älterer Piso auf, der im Angesicht des vollständig versammelten Senats seine festliche Antrittsrede in Liedform vorbrachte und auf diese Weise innerhalb kürzester Zeit eine Massenpanik im Saal verursachte.... Laevina kicherte leise in sich hinein, wurde dann jedoch wieder ernst und hörte weiterhin konzentriert zu.


    Ja, du hast Recht. Wenn ich mich nicht irre, ist mein Großneffe Sedulus zur Zeit Curator Operum Publicorum, aber du bist ja schließlich noch jung, und ihn wird es sicher auch irgendwann in anderen Bereiche ziehen." Seine weiteren Äusserungen nickte sie wohlmeinend ab, nur die Äusserung über den Praefectus Urbi überraschte sie ein wenig.


    "Was für ein Problem hat denn dieser Praefectus Urbi mit deinem Stand? Normalerweise krie... ähem bemühen sich doch eigentlich die meisten Amtsträger immer ganz besonders um die Patrizier, zumindest sollte man das doch meinen, oder?" hakte sie nach, da dieser Punkt sie tatsächlich interessierte. Besagter Herr musste ja ein gesundes Selbstbewusstsein haben, wenn er willentlich eine derart einflussreiche Gruppe gegen sich aufbrachte.


    Die letzte Frage des jungen Flaviers konnte sie nur verneinen.


    "Nein, tut mir leid, ich fürchte, ich habe seine Bekanntschaft noch nicht gemacht. Natürlich ist mir die Gens Purgitia ein Begriff, aber damit erschöpft sich mein Wissen auch schon." Was natürlich durchaus als Aufforderung an ihn gedacht war, besagte Wissenslücke ein wenig aufzufüllen....

  • „Sicher, und die Kunst, die Kunst verbindet die Menschen.“, ergänzte Piso lächelnd. „Weißt du was, wenn ich dich einlade, werde ich natürlich dem Brief eine Notiz befügen, die dich dazu einlädt, jegliche Familienmitglieder mitzubringen. Ich denke, so kann man das am Besten machen.“ Und am diskretesten. Obwohl, er wusste ganz genau, dass Furianus ihn umbringen würde, wenn er auch nur wüsste, dass er sich mit einer Germanicerin unterhalten hatte. Geschweige denn, vorhatte, diverse Germanicer auch nur irgendwohin einzuladen. Nun, ihm persönlich hatten sie noch nie etwas getan, im Gegensatz übrigens zum Tätlichkeits-Furianus, der ihn regelmässig zu schlagen trachtete. Und vermutlich würden sie eh ablehnen, wenn man sich die Geschichte der inter-familiären Einladungen ansah.
    Er hörte ihre nächste Worte und blickte etwas erstaunt drein. „Das ist ja... sehr nett.“, brachte er hervor und lächelte. Dabei dräute ihm ein ungenehmes Schicksal, wenn er sich in die Höhle des Löwen wagte.Wahrscheinlich würde man ihn dort niedermetzgern. Oder sogar schlimmeres anstellen mit ihm. Nach dem, was er schon gehört hatte über die Germanicer... die Aussicht auf einen Calvena-freien Abend lockerte ihn dann aber ein wenig auf. Vielleicht konnte man das grade so überleben. Mal sehen.
    Als er dann seine Karriereplanung vorbrachte, merkte er, dass sie an einem Punkt kicherte, und zwar gerade, als er aufgehört hatte. Er setzte sich gerade auf, und blickte sie erstaunt an. „Wie? Denkst du, das ist nicht realistisch?“, fragte er verwundert. Er mochte ein Fantast sein, was Kunst anging, doch was Politik und Karriereplanung anging, hatte er sich, zumindest selber, immer eine gewisse Bodenhaftung eingestanden. Oder war das Lächeln vielleicht komplett anders gemeint? Vielleicht drückte es ja Beifall aus. Ja, das müsste es wohl sein. Er entspannte seine Schultermuskeln wieder.
    „Wie dem auch sei! Ich denke durchaus, dass es... deinen Großneffen, hast du gesagt? Er wird wohl irgendwann Aedil werden. Und das ist der Augenblick, wenn ich auf den Plan trete.“, grinste er. Wenn er erst einmal so ein Amt inne hatte, würde er Rom zu einen bisher ungeahnten Glanz verhelfen! Kohorten von Sklaven würde er anheuern, welche die öffentlichen Gebäude wienern würden... hehe, das würde ein Spaß werden, dachte er sich und schmunzelte. Aber es würde nicht einmal halb so spaßig werden wie das Gehalt, welches er bekommen würde.
    Er schnaufte aus. „Ich habe keine Ahnung. Vielleicht hat er ein Kindheitstrauma oder so.“ Er zuckte die Achseln. „Auf jeden Fall, Vescularius fühlt sich so über alles erhaben, dass er sich wohl erlauben kann, mit jedem Schlitten zu fahren... nun, der Kaiser vertraut ihm. Er hat ihm eine Vollmacht über alles gegeben. Da ist es allzu verständlich, dass er den Kaiser von allem abschirmt, was in Rom geschieht. Er ist mir mehr als suspekt...“ Er hielt inne und blickte Laevina an. „Mit eurer Familie unterhält er aber gute Beziehungen, oder?“, fragte er ein wenig schärfer, als er es beabsichtigt hatte.
    Dass Laevina Macer nicht kannte, war eigentlich abzusehen gewesen. „Nun, ich bin mir sicher, ihr läuft euch einmal über den Weg. Vielleicht bei der Vorführung! Sicherlich ist Macer auch dabei, einladen werde ich ihn.“, meinte er.
    Das Gedicht nahm immer konkretere Formen in seinem Kopf an. Er wiegte seinen Kopf hin und her. „A-B-A-B-B-C-C...“, murmelte er leise. „Da-DA-da-DA-da-DAMM... Verzeihung. Ich tüftele gerade über den Rhythmus des Gedichtes. Er muss etwas bringen, denn ohne ihn ist ein Gedicht nichts wert.“, vertraute er Laevina an.

  • "Ach, das ist ja eine ganz entzückende Idee" zwitscherte Laevina mit gebührend begeisterten Unterton in der Stimme und stellte sich bereits jetzt mit nicht unerheblichem Vergnügen die geschlossene Germanica-Sippschaft bei Pisos feierlicher Darbietung vor. Allzu gut kannte sie ihre römische Verwandtschaft bislang ja noch nicht, aber irgendwie sagte ihr eine innere Stimme, dass weder Avarus noch Sedulus über eine besonders ausgeprägte poetische Ader verfügten. Bei Calvena war sie sich da nicht so sicher, aber so wie es mittlerweile aussah, zog diese die praktische Umsetzung der Theorie ganz offensichtlich vor...


    Irrte sie sich, oder war seine Reaktion auf ihre Einladung ein wenig verhalten ausgefallen? Laevina spürte zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie ein wenig enttäuscht war. Natürlich war es absehbar gewesen, dass ein junger Mann wenig Interesse daran haben würde, so eine alte Schachtel wie sie zu besuchen. Und dennoch würde sie sich tatsächlich darüber freuen, und das nicht nur, weil ihr zur Zeit noch mehr als langweilig war. Schließlich wollte die alte Germanica ja auch gern erfahren, wie es mit ihrem neuen Zögling (der von seinem Glück gar nichts ahnte) nun in Zukunft weitergehen würde...


    "Nun, du musst dich natürlich nicht verpflichtet fühlen vorbeizukommen, aber ich denke unser Haus wird sich alle Mühe geben, dich gebührend zu bewirten." Laevina hatte keine Ahnung, was die beiden Herren des Hauses dazu zu sagen würden, dass sie einen Flavier in ihre heiligen Hallen einlud, aber darüber konnte sie genauso gut noch nachdenken, wenn es mal soweit war.


    In der Funktion einen Curator Operum Publicorum konnte sie sich den jungen Piso tatsächlich gut vorstellen. Wenn er seinen Hang zur übermäßigen Rumschwätzerei etwas eindämmen, und die damit eingesparten Energien stattdessen in andere Unternehmungen stecken würde, dann konnte er auf diesem Gebiet sicher durchaus etwas schaffen. Natürlich stellte sich da noch die Frage, wie seltsam seine Ansichten auf diesem Gebiet sein würden.


    "Was für Neuerungen schweben dir denn vor, wenn du dieses Amt mal innehaben solltest?" fragte sie neugierig nach.


    Pisos Äusserungen über diesen Stadpräfekten Vescularius zeigten mehr als deutlich, dass der Flavier diesem alles andere als wohlgesonnen war. Und ganz offensichtlich stand er mit dieser Meinung in Rom nicht alleine da. Um so unerfreulicher war es da, dass er den Namen des Präfekten ganz offensichtlich mit ihrer Gens in Verbindung brachte, und Laevina entschied sich sofort in dieser Hinsicht ein wenig Schadensbegrenzung zu betreiben.


    "Nun, ich kann dir guten Gewissens (in diesem Fall stimmte es sogar ausnahmsweise einmal) sagen, dass ich den Namen dieses Herrn noch kein einziges Mal in unserem Haus gehört habe. Und das wäre doch sicherlich der Fall gewesen, wenn irgendjemand aus meiner Familie näher mit ihm bekannt wäre, meinst du nicht?"


    Und was war das jetzt? Offenbar war Piso gerade wieder in eine seiner sinnfreien Phasen eingetreten, denn er brabbelte plötzlich sinnlose Buchstabenfolgen vor sich hin und machte Kopfbewegungen, als hätte er gerade einen Ziegelstein an den Kopf bekommen. Hätte Laevina Piso mittlerweile nicht schon ein bisschen besser gekannt, dann hätte sie jetzt auf verspätete Nachwirkungen von seinem Zusammenprall mit dem Holzpfosten getippt.
    Mit einiger Mühe widerstand sie dem doch sehr reizvollen Impuls, dem jungen Mann einen Klapps auf den Hinterkopf zu verpassen und klopfte stattdessen wieder aufmunternd auf seinen Unterarm.


    "Aber selbstverständlich, lass dich von mir nicht stören." sagte sie ganz in der Rolle der verständnisvollen Großmutter und sah sich währenddessen unauffällig um. Offenbar hatte noch niemand der Menschen um sie herum Notiz von diesem seltsamen Verhalten genommen. Puh.....


    Sim-Off:

    Sorry für die lange Wartezeit! :(

  • „Oh, sicher...“, meinte nur Piso, dem gerade durch den Kopf schoss, wie böse ihm die übrigen Familienmitglieder sein würden, wenn plötzlich eine Horde Germanicer in ein familiäres Fest bei den Flaviern hineinplatzen würden. Was heißt böse. Furianus würde ihn umbringen und danach wie ein Spanferkel am offenen Feuer grillen. Genau dieses Szenario erschloss sich nun vor ihm, und er wünschte sich genau in diesem Moment, er wäre nicht so weit nach vorne vorgeprescht. Was für ein Unglücksvogel er war! Er hatte nun etwas versprochen, da konnte er als Mann, der wollte, dass sein Wort etwas galt, nicht mehr zurückrudern. „Klar.“ Er lächelte noch immer, doch in seinem Kopf malte er sich bereits aus, was geschehen könnte. Er hatte es geschafft, eine Brücke zwischen den Flaviern und den Aeliern zu schlagen – doch zwischen den germanicern und den Flaviern dies zu machen, war ungleich schwieriger. Was waren die Chancen, dass er sie als seine Großtante Calpurnia Galla hineinschmuggeln könnte, ohne dass sie davon erfuhr, dass sie unter falschem Namen hier war, und ohne dass die Flavier erfuhren, wer die Dame war? Sehr, sehr schlecht standen sie, man könnte ein solches Ereignis mit Fug und Recht als Wunder bezeichnen.
    Und gerade ob dieser Gedanken war seine Freude auf den Besuch bei den germanicern nun doch etwas gedämpft. Mal sehen. Es musste ja niemand bei den Flaviern erfahren. Nun, aber nach dem, was er von Avarus und Sedulus erfahren hatte, würden diese sicherlich ohne großes Zögern lauthals verkünden, wo der junge Flavier sich überall herumtreibt. Früher oder später würden die beiden dies als Trumpf gegenüber Furianus oder Gracchus im Senat auspacken.
    Und so erpackte die große Furcht Piso. Es gelang ihm aber irgendwie, sie nicht allzu offensichtlich zu zeigen. „Nun, ich bedanke mich sehr für die Einladung, und ich sollte doch denken, dass es irgendwann einmal die Gelegenheit geben wird, eure Casa zu besuchen.“ Da müsste er sich aber vorher absprechen mit... nein, nicht mit Furianus, er hing doch noch ein bisschen am Leben. Mit Gracchus, ja Gracchus schien auch nicht so feindlich eingestellt gegenüber Avarus. Er könnte ja zurückrudern, wenn dies keinen Anklang fand. Sein Herz entkrampfte sich ein weng, und er lächelte die betagte Germanicerin an.
    Nachdem er damit abgeschlossen hatte, sie vollzuquatschen, was das Amt, welches ihm gefallen würde, anging, stellte sie ihm die Frage, was ihm vorschweben würde. Tatsächlich fuhr sich Piso erst mit seiner Hand ans Kinn und rieb sich zweimal hin und her, bevor er eine Antwort gab.
    „Mir liegen die vergöttlichten Kaiser am Herzen. Ich würde die Tempel, in denen sie verehrt werden, gründlich generalüberholen lassen.“ Er lachte. „Obwohl, dann kann ich auch genausogut Flamen Divorum werden. Es ist ja noch nichts fix. Was noch schön wäre, wenn die Tempel öfter verziert wären. Du weißt schon, mit Blümelchen. Und so. Und ein bisschen grün. Die Rasen rund um diverse Tempel sind ja absolut verwahrlost.“ Ungeordnet kamen die Ideen aus seinen Mund, ihm selber erschienen sie natürlich ganz grandios.
    Natürlich gab es keine unabhängigen Beweise, dass Vescularius mit den Germanicern anbandelte. Doch in der Villa Flavia war dies als Axiom gehandelt, und Piso sah keinen Grund, dies nicht zu glauben, solange er keinen Gegenbeweis enthielt. Schließlich schienen die Günstlinge des Vesculariers immer das zu erhalten, was sie wollten. Im Gegensatz natürlich zu ihm selber.
    Als Laevina ihm aber versicherte, sie habe des Vescularius Namen noch nie vernommen in der Casa ihrer Familie. Nun, es war ja so, dass man wohl die hohe Politik sicher nicht vor Frauen diskutieren würde. Das war immer so bei den Familien Roms, und Piso hätte alles andere auch als seltsam wahrgenommen.
    Wurde seine künstlerische Hingabe geschätzt? Piso konnte das nicht gut einschätzen. Obwohl er dazu eingeladen wurde, weiterzumachen, tat er es nicht mehr, dem selbst ihm war klar, dass es doch ein wenig unhöflich war, so zu verfahren.
    „Nein, nein, das kann ich ja noch zu Hause machen. Du wirst es früh genug hören.“ Zwar war dies eine freundliche Einladung, aber in Laevinas Ohren dürfte es sich durchaus anhören wie eine grausame Bedrohung, die am Horizont dräute wie ein Heer von blustrünstigen Giganten. „Hast du eigentlich Erfahrung mit der Dichtkunst, wenn ich dich fragen darf?“, war seine Frage.

  • Einen wirklich begeisterten Eindruck machte Piso in Bezug auf ihre Einladung ja immer noch nicht. An ihrem eigenen Unterhaltungswert konnte das ja wohl mitnichten liegen, den schätzte Laevina selbstverständlich als überdurchschnittlich ein. Offenbar saß die beidseitige Animosität zwischen Germanicern und Flaviern doch tiefer, als sie zuerst vermutet hatte. So ein Ärger, da lernte sie endlich mal jemanden kennen, der mehr als zwei Sätze in Folge formulieren konnte, und dann so etwas....


    "Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass meine Leibsklavin Quadrata jederzeit einen ausgezeichneten Überblick über die ankommenden Gäste hat. Ich kann also durchaus Besuch empfangen, ohne dass das halbe Haus etwas davon mitbekommt." Laevina beschloss es mit dieser letzten Bemerkung gut sein zu lassen. Sie hatte es in den letzten 58 Jahren noch nie nötig gehabt, jemandem ihre Gesellschaft aufzudrängen, da würde sie ganz sicher nicht damit anfangen, wenn sie schon mit einem Fuß im Orcus stand.


    Dankenswerterweise wechselte der sprunghafte Piso nun wieder das Thema, und die doch eine eher schnörkellose Sprache bevorzugende Germanica zuckte bei dem Wort "Blümelchen" leicht zusammen. "Blümelchen", du liebes Bisschen....Hätte ihr Piso nicht eine geraume Weile von seiner unerfüllten Liebschaft mit einer Dame vorgeweint, dann hätte sie jetzt andere Rückschlüsse gezogen, zumal er mit derartigen Vorlieben in Roms höherer Gesellschaft sicherlich nicht allein dagestanden hätte.
    Dennoch....,das Thema der vergöttlichten Kaiser brachte Laevina auf eine Idee.


    "Nun, ein bisschen Pflege würde diesen Tempeln sicher gut tun, einige von ihnen sehen ja schon ziemlich verlottert aus. Und solltest du wirklich mal das entsprechende Amt ausüben, wovon ich übrigens felsenfest ausgehe, dann könntest du mir einen großen Gefallen. Es wäre nett, wenn du bei deiner Sorge um die vergöttlichten Kaiser auch ein Auge auf die Anlagen der Livia Augusta haben könntest, ich denke, dass hat diese sich durch ihre jahrzehntelangen Bemühungen zugunsten unseres Reiches verdient." referierte sie in leicht salbungsvollem Ton.
    Wie bereits erwähnt, war Laevina weder besonders religiös noch pietätvoll, aber Roms erste Kaiserin war schon von klein auf ihr besonderes Vorbild gewesen. Schließlich hatte die göttliche Livia ja mehr als deutlich gezeigt, was man als intelligente Frau alles schaffen konnte, wenn man nicht durch einen unfähigen Ehemann ausgebremst wurde!


    "Gibt es denn unter den vergöttlichten Kaisern einen, dem du gern eine besondere Zuwendung zukommen lassen würdest?


    Auf ihre Bemerkung über Vescularius Salinator ging Piso mit keinem weiteren Wort ein, und Laevinas Augenbraue stieg misstrauisch ein kleines Stückchen in die Höhe. Glaubte er ihr etwa nicht? Oder noch schlimmer ... hielt er sie etwa für eine harmlose Alte, der man zuhause nichts von Belang erzählte? Die alte Germanica grübelte einen Moment lang darüber nach, dann hätte sie sich vor Wut fast die Hand vor die Stirn geschlagen. Natürlich tat er das, schließlich spielte sie ihm ja schon seit etlichen Minuten die entsprechende Rolle vor! Da war sie dann wohl in die eigene Falle getappt...


    Natürlich hätte Laevina dem jungen Flavier an dieser Stelle erklären können, dass es völlig unerheblich war, was man ihr daheim in der Casa Germanica freiwillig erzählte, da es für einen erfindungsreichen Menschen mit guten Augen und Ohren genügend Mittel und Wege gab, um alles zu erfahren, was man erfahren wollte.
    Aber das hätte in sein aktuelles Bild von ihr wohl nicht so ganz perfekt hinein gepasst, daher verkniff sie sich die entsprechende Bemerkung lieber.


    Seine letzte Frage forderte ihr da schon deutlich weniger Konzentration ab.


    "Nun, ich persönlich kann leider nur indirekte Erfahrungen mit der Dichtkunst vorweisen. Mein zweiter Ehemann hatte eine große Schwäche für die "Amores" von Ovidius, daraus hat er mir zu Beginn unseren gemeinsamen Lebens gern und häufig vorgetragen. Das war allerdings lange vor deiner Zeit, damals war noch Kaiser Vespasian an der Macht."erzählte Laevina mit einem leicht wehmütigen Lächeln.
    Kaum zu glauben, aber sogar sie hatte vor rund 35 Jahren mal eine ziemlich romantische Phase durchlebt...

  • Nein, das tat es ja auch nicht. Nicht nur Laevina fand sich selber amüsant, nein, auch Piso tat das. Nun, man kann das in zweierlei Hinsicht verstehen – dass Piso sich selber lustig fand, und dass erLaevina als unterhaltsam empfand. Beides traf wohl zu. Ja, er mochte die nette Alte mittlerweile wirklich gerne. Sie war keine Banausin (so dachte der junge Flavier), was Grund genug war für Piso, um sie als eine echte Freundin zu erachten. Und doch war es darüber hinaus äußerst unschlau, sich auf die Germanicer einzulassen – wie er es jetzt ja wohl schon tat. Piso war innerlich hin- und hergerissen zwischen der Neigung, das Verbotene zu tun, oder aber der Linie seiner Familie zu folgen. Pah, als ob er letzteres die ganze Zeit täte.
    Was die Germanicerin aber nun sagte, erstaunte ihn. „Was? Eine so nützliche Sklavin? Meine Sklavenschaft besteht aus Lümmeln, Banausen und Aufsässigen. Ich habe gar nicht gewusst, dass man heutzutage noch nützliche Sklaven in dieser Stadt kriegt.“ Er schaute traurig drein. „Die sind alle schon komplett degeneriert.“ Er sollte einmal davon absehen, sich neue Sklaven zu kaufen, sondern in die flavische Sklavenzucht greifen. Sicherlich konnte man da den einen oder anderen ganz nützlichen Kerle herausziehen. Oder aber, was noch ein Gedanke war, eine nützliche UND hübsche Sklavin, die immer brav folgte. Jawohl... so etwas wäre im Sinne des Flavius Piso. Er war zwar ein wenig metrosexuell, aber hatte seine Heterosexualität noch nicht aufgegeben (im Gegensatz übrigens zu anderen Familienmitgliedern, doch dies stand hier nicht zur Debatte).
    „Wenn ich dich besuche, dann macht es dir hoffentlich nichts aus, wenn ich mich vorher anmelde.“, meinte Piso und hoffte, damit einen halbwegs akzeptablen Abschluss zu dieser Frage gefunden zu haben. Er würde es sicherlich einmal tun... wenn er sich genug Mut angetrunken hatte, womöglich.
    Hm, war es möglich, dass sie ein wenig erstaunt wirkte, als er „Blümelchen“ (einen anerkannten Fachausdruck unter Nicht-Banausen und geborenen Ästheten, na gut, Möchtegernästheten) erwähnte. Wen mochte es geben, der keine Blümelchen mochte? Piso waren sie so lieb, dass er sie sogar verewigen hatte lassen (natürlich auf einer wundervoll knartschhimmelblauen Toga). Nur gut, dass sein bester Freund Archias darauf bestanden hatte, dass er nicht in einer solchen beim Wagenrennen auftauchte. Er wäre damit wohl wie ein geborenes Angriffsziel gewesen für Taschendiebe und Ausrauber.
    Er hörte ihr andächtig zu, als sie etwas zu den Vergöttlichten, den Divi, sagte. Ah ja, Livia Drusilla, auch genannt Iulia Augusta. Der Name sagte Piso (der durchaus eine fast morbide Verehrung für die julisch-claudische Dynastie hegte) durchaus etwas. „Sicherlich, sie war eine sehr große Frau.“, bestätigte er. „Ihre Vergöttlichung war vollends berechtigt. Nun wird die Diva Augusta ja im Tempel des Augustus verehrt. Sicherlich könnte sie dort eine ein wenig prominentere Stellung bekommen.“, versprach er Laevina.
    Auf ihre nächste Frage hin musste er gar nicht lange überlegen. „Kaiser Titus.“, kam es wie aus der Kanone geschossen. „Er regierte nur ein wenig mehr als 2 Jahre lang, doch war er ein großer Kaiser, der in seiner kurzen Regentschaft sehr viel Gutes bewirkte. Ich selber habe eine Büste von ihm in meinem Zimmer.“ Eine idolisierte Büste, die vieles vom Babyspeck im Gesicht des vergöttlichten zweiten flavischen Kaiser wegretouchierte, und deshalb ästhetisch akzeptabel war. „Aber auch sein Vater Vespasian – ein Gottkaiser, wenn es jemals einen gegeben hat.“ Er lachte kurz, der letzten Worte des Vespasian eingedenk: „Hui, ich werde ein Gott!“ Ein Spaßvogel war der Gute selbst noch im Tod gewesen, was seinem Verwandten, der nun hier vor Laevina hockte, zutiefst Respekt abnötigte. Dass er am Liebsten auch den dritten flavischen kaiser, dessen Namen man nicht nennen durfte, vergöttlicht sehen würde, war selbstredend.
    Ja, Piso sah in Laevina noch immer das gutmütige Mütterchen, welches höchstens milde beratenden Einfluss ausübte. Der, so wie sie sich über Avarus und Sedulus beklagt hatte, auch nicht ernst genommen wurde. Nein, Piso erachtete Laevina nicht als eine Person, die viel zu sagen hatte im Hause Germanica. Oder die ihre Mitmenschen bespitzelte. Innerlich hatte Laevina doch schon längst das Prädikat: „Zumeist harmlos“.
    Laevina erzählte nun ihrerseits von ihren Dichterfahrungen, und Piso lächelte auch, wie sie. Die letzten Zweifel, dass es sich bei Laevina um eine Banausin (im pisonischen Sinne) handeln konnte, schwanden.
    „Das klingt... sehr schön.“, meinte er und lächelte sie an. „Die Amores.“ Ja, da waren einige gute Gedichte drinnen, die auch nicht so anstößig waren wie die Ars Amatoria. „Somit schätzst du Ovid?“, fragte er interessiert nach.

  • Als Piso sich über seine unfähige Dienerschaft erregte, konnte Laevina ihm nur aus vollem Herzen zustimmen. "Oh, wie recht du doch hast. Wenn ich daheim in der Casa der Familie nicht ein wachsames Auge auf die Sklaven hätte, dann würde sich dieses unfähige Gewürm um nichts kümmern. Unfassbar, da verpflegt man sie schon, bietet ihnen Unterkunft und Kleidung und zum Dank machen sie es sich gemütlich und lassen alles vergammeln..." Laevina brauchte nur an den verstaubten Po des Diskuswerfers in der heimatlichen Casa zu denken, und schon stieg ihr wieder die Galle hoch. "Und was Quadrata betrifft: die habe ich mir in über 40 Jahren mühsam erzogen, wenn du also das Bedürfnis hast, irgendwann einmal über einen ähnlich nützlichen Sklaven zu verfügen, dann solltest du allmählich mit der entsprechenden Auslese und Ausbildung beginnen! Ansonsten bleibst du am Ramsch hängen, der heutzutage auf den Märkten verscherbelt wird. Da muss ich nur an das Monstrum von Leibsklavin denken, mit dem meine Enkelin durch die Stadt läuft. Die ist so groß wie ein Elefant und ungefähr so schlau wie dieser Schal hier. Aber immerhin bewahrt sie dem Kind ganz erfolgreich seine Tugend, deshalb will ich mich nicht beschweren..."


    Und was fragte er jetzt? Ob er sich vor einem Besuch bei ihr anmelden dürfe? Nur mit Mühe gelang es der alten Germanica, ein Kichern zu unterdrücken.Dass sie sich in ihrem Alter und beim Besuch eines Mannes, der schon fast ihr Enkel sein konnte, nicht mehr aufhübschen musste, verstand sich ja von selbst, auch wenn sie noch eitel genug war, um nicht wie eine alte verschrumpelte Dattel aussehen zu wollen. Dennoch würde sie sich nur ungern bei irgendwelchen liebgewonnenen Aktivitäten wie dem Kontrollieren und Bestrafen von Dienstboten oder der turnusmäßig durchgeführten Inspektion aller Räumlichkeiten der Casa (was selbstverständlich die Privaträume der übrigen Familienmitglieder miteinschloss) unterbrechen lassen.


    "Aber natürlich macht mir das nichts aus." flötete sie daher in verständnisvollem Tonfall und hoffte, dass Piso sich auch wirklich daran halten würde.
    Und ganz wider Erwarten tat sich jetzt plötzlich und unverhofft eine wirkliche Gemeinsamkeit zwischen dem jungen Flavier und der alten Germanica auf, und das Aufleuchten in Laevinas Gesicht war zum ersten Mal nicht gespielt.


    "Oh, Vespasian und Titus, da kann ich mich nur anschließen." erklärte sie mit echter Begeisterung in der Stimme. Die beiden ersten flavischen Kaiser waren Männern nach ihrem Geschmack gewesen, die sich selbst etwas erarbeitet und nicht nur ihren ererbten Purpur von A nach B getragen hatten.


    "Stell dir vor, ich hab sie gesehen, alle beide." erzählte sie eifrig und fühlte sich direkt wie durch Wunderhand um 34 Jahre verjüngt. "Ich war damals dabei, als Titus seinen Triumphzug für seine Erfolge im Jüdischen Krieg gefeiert hat. Kaiser Vespasian hab ich nur von weitem gesehen, aber Titus ist mit seinem Wagen direkt an mir vorbeigefahren und er hat mir sogar zugezwinkert." Laevina seufzte ein wenig wehmütig auf und wünschte sich nicht zum erstenmal, sie hätte damals nicht ihren kleinen Sohn auf dem Arm gehabt, um diesem einen besseren Blick auf den siegreichen Feldherrn zu ermöglichen. Wer weiß, was da noch alles möglich gewesen wäre, schließlich war sie damals noch jung und schön...


    Die alte Germanica war derart versunken in ihren nostalgischen Erinnerungen, dass Pisos Frage über Ovid erst mit einiger Verspätung zu ihr durchdrang.


    "Nun, damals hat er mir manch schöne Stunde beschert, aber das wird bei dir ja vermutlich nicht anders sein." sagte die dann mit einem feinen Lächeln. Mit sinkender Begeisterung für ihren zweiten Mann hatte auch Laevinas poetisches Engagement im Laufe der Jahre ziemlichen Schaden genommen, aber eine derartige Zermürbung über einen langen Zeitraum hinweg war dem schwärmerischen Piso bislang trotz seines Liebeskummers offensichtlich bislang erspart geblieben.

  • „Das stimme ich komplett mit dir überein!“, meinte Piso überzeugt. „Ich traue nur den wenigsten meiner eigenen Sklaven komplett über den Weg. Im Grunde gar keinen komplett. Antiochos vielleicht, aber selbst jener ist ein alter Zyniker...“ Nein, einen, bzw. eine wie Quadrata hatte er nicht. Er musste wirklich schauen, dass er in der Richtung etwas hinbekam. Irgendeinen verlässlichen Sklaven. „Ich muss wohl noch einmal die Sklavenzucht der Familie durchforsten.“, dachte Piso laut. „Nur dort weiß man noch, was man bekommt. Die Sklavenhändler sind ja ganz elende Betrüger. Man hört da ja Sachen... irgendjemand bezahlt 100 Aurei für irgendeinen Sklaven, und dann stellt sich der Sklave als komplett nutzlos heraus, oder verschwindet einfach irgendwie. Gefährlich sind vor allem die, die frei geboren wurden.“ Ihm schüttelte es beim Gedanken daran, dass irgendein Sklave einmal ihn im Schlaf umbringen würde. Nicht sehr angenehm, daran zu denken. „Jawohl, man muss sorgsam sein bei der Auswahl von Sklaven.“, meinte er bestimmt. „Am besten ist es sowieso, wenn ein Sklave dich durchs ganze Leben begleitet. Aber ich hoffe doch nicht, dass es jemanden geben muss, der auf meine Tugend aufpasst.“ Er lachte. „Am Ehesten noch Artomaglos, den niemand versteht, der ist aber momentan in Germanien. Hast du noch Sklaven außer Quadrata?“, fragte er.
    Der Flavier nickte nur, als Laevina ihn bat, sich vorher anzumelden, bevor er erschien. Nun wusste Piso endlich, wann er zu kommen hatte. Wenn er sich angemeldet hatte. Obwohl, die Anmelderei schien schon ein wenig anzüglich... als ob er sich zu einer Liebschaft schleichen würde, wobei deren Eltern nicht wüssten, dass er käme, dass sie überhaupt einen Verehrer hätte. Und dass Piso und Laevina jemals ein Pärchen in diesem Sinne abgeben würden, war fraglich. Egal, was sich Laevina so dachte. :P
    Sein Gesicht hellte sich zu gleichen Teilen auf wie Laevinas, als sie begann, Titus und Vespasian zu loben. Diesen Lob ließ er sich natürlich gefallen, waren die beiden doch über ein paar Ecken mit ihm verwandt.
    „Alle beide hast du gesehen? Was du nicht sagst! Ich leider nicht, wieso, kannst du dir denken... und Titus hat... dir zugezwinkert?“ Er lachte hell auf, bevor er sich das runterschluckte. Das könnte fast noch falsch interpretiert werden. „Verzeih.“ Er grinste aber noch immer. „Ich stelle mir aber nur vor... nun... Titus Flavius Vespasianus Minor mit einer Germanica...“ Des Piso Hand winkte ab. „Die Geschichte hätte so anders verlaufen können, denkt man sich immer wieder...“ Doch nun mussten die Germanicer und die Flavier einen schier ewig zu während scheinenden Kleinkrieg ausfechten.
    Neugierig blickte er sie wieder an. „Wie war denn der Triumphzug? Ich war damals noch gar nicht geboren, und, nun ja, heutzutage gibt es solche Züge einfach nicht mehr. Weil es keine Kriege mehr gibt, Lob sei den Göttern... aber so ein Spektakel hätte ich mir schon allzu gerne angeschaut.“ Es musste sicherlich gigantisch gewesen sein, wobei, der sehenswerteste Triumphzug war sicherlich der des Caesar gewesen, als er Gallien und seine innerrömischen Feinde bezwungen hatte.
    Er nickte nur, als Laevina vermutete, er fände Gefallen an Ovid. „Sicherlich hat er das. Doch ich genieße auch sehr die Dichtungen von Vergil und Sallust.“ Der wuchtige, altertümliche Stil der beiden war doch etwas Besonderes. „Oder aber die Griechen, die haben auch gute Dichtung hervorgebracht. Zu zahlreich, als dass ich sie aufzählen könnte. Was denkst du von den Griechen als Dichter?“ Piso nahm an, Laevina, als Frau aus angesehenem Hause konnte griechisch.

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