tablinum | Sie und Er, Er und Sie

  • Nein! Er wollte mich begleiten! Wer hätte das gedacht? Ich lächelte über beide Backen, denn ich freute mich. Und meine Freude war aufrichtig. Nicht jeder Mann opferte sich freiwillig, sich stundenlang unter unzähligen Frauen und, wenn er Glück hatte, einer Hand voll Männern aufzuhalten und dort den einschlägigen Gesprächen zu lauschen.
    "Aber natürlich werde ich das übernehmen! Ich schätze, Prisca wird auch unter den geladenen Gästen sein." Schließlich war sie ja auch dabei gewesen, als ich die Germanica in den Thermen getroffen hatte.
    Aber jetzt wollte ich endlich die Leckereien auf meinem Teller genießen. Natürlich waren mir Marcus´ irritierten Blicke aufgefallen. edoch kümmerte ich mich nicht weiter darum. Nicht jeder wußte diese exzellente Kombination aus maritimen Früchten und derer, die auf Bäumen wuchsen, gepaart mit einer exorbitanten Fischsauce, zu schätzen. Doch die Frage, die nun aus dem Mund meines Gatten huschte, ließ mich erschrocken aufblicken!
    "Wie bitte? Wer? Ich! Wie kommst du denn… äh, ich meine, nein. Nicht daß ich wüßte!" Manchmal hatte er wirklich abstruse Ideen! Nach dem Trauerspiel vor zwei Wochen konnte er doch nicht erwarten, daß er in dieser Hinsicht erfolgreich gewesen war! Das bedurfte noch einiger Übung! Vieler Übung!

  • "Mhmm", machte ich, in Gedanken versunken. Vielleicht hatte sie deswegen dieses rote Kleid haben wollen. Nun, wenn Prisca dabei sein würde, wäre es vielleicht doch nicht ganz so schlimm. Andererseits war sie eine junge Frau, und sie würde sich vermutlich liebend gern über Sandalen und Stoffe und Diäten unterhalten. Zumindest lieber, als mit mir dem Ende der Festivität entgegen zu fiebern. Noch wusste ich nicht, dass Celerina das Fest doch nicht besuchen würde, doch sobald ich es wissen würde, wäre ich wieder guter Dinge.


    Vorerst jedoch hatte ich mit der Entrüstung meiner Ehefrau zu kämpfen. Und mit meiner eigenen Verwunderung darüber, dass sie exotisch aß, aber doch nicht schwanger war. Vielleicht konnte man das Essverhalten verschiedener Frauen eben doch nicht miteinander vergleichen? "Ehm. Entschuldige bitte. Ich meine: Schade. Ich dachte nur..." Ich versuchte, den Kloß hinunterzuschlucken, der sich rasend schnell gebildet hatte, und bog die Mundwinkel nach oben. "Vielleicht sollte ich öfter... Nun ja. Schmeckt es dir wenigstens?" Welche Desaster, in das ich mich selbst hineinmanövriert hatte!

  • Nun ja, vielleicht war dies in der Tat etwas zu barsch von mir formuliert worden, denn die Enttäuschung in Marcus´ Gesicht schien nicht aufgesetzt. Er hatte offensichtlich wirklich damit gerechnet, bereits beim ersten Mal sein Soll erfüllt zu haben. Ich wußte ja, Männer waren in dieser Beziehung immer etwas eitel gewesen. Vielleicht hätte er sich einmal überlegen sollen, öfter sein Glück zu versuchen. Natürlich erwähnte ich diesen Gedankengang mit keinem Wort. Eine Flavia bettelte nicht! Schon gar nicht bei ihrem Ehemann, damit er sie in ihrem cubiculum häufiger mit seiner Gegenwart bedachte.


    Offensichtlich hegte er ähnliche Gedanken, zumindest für einen kurzen Moment. Ich war schon ganz Ohr und hoffte er würde mir im Vertrauen seine intimsten Gedanken mit mir teilen wollen. "Ja?" fragte ich schnell nach. Noch war ich voller Hoffnung schon bald wieder in den Gemuß zu kommen. Doch vergebens! Schnell lenkte er vom Thema ab.
    "Ja," seufzte ich ein wenig enttäuscht. "Es ist ganz gut."
    Mir war gerade der Appetit vergangen. Eigentlich war ich jetzt satt. Den letzten Bissen der Muschel-Aprikosen-Kombination legte ich zurück auf meinen Teller und griff nach einem Tuch um meine Finger und meinen Mund damit zu säubern.
    "Gibt es sonst noch etwas, Marcus?" fragte ich, keinen Hehl daraus machend, wie unzufrieden ich war.

  • Meine Brauen rutschten ein wenig nach oben, als Celerina plötzlich ganz interessiert wirkte. Sie verwirrte mich. Wollte sie, dass ich mehr erzählte? Mehr wovon? Ich runzelte die Stirn und beschloss, nachzufragen, doch ehe es dazu kommen konnte, wirkte sie enttäuscht. Obwohl es gut war, legte sie dann ihr Häppchen kaum angebissen zurück auf den Teller. Ich gab es auf, diese Frau verstehen zu wollen, zumal sie kurz darauf beinahe schnippisch und entnervt klang. Blinzelnd versuchte ich, zu erahnen, was Celerina überhaupt wollte, das ich tat. Was ich überhaupt gewollt hatte, als ich sie hierher gebeten hatte. Es wollte mir partout nicht mehr in den Sinn kommen. Da war die Sache mit den Olivengütern - doch das nun anzusprechen, wäre selbst mir seltsam vorgekommen. Das konnte man auch später noch regeln. "Hm, nein. Nichts, was man auch später noch klären könnte", erwiderte ich also und sah sie flüchtig an. Warum sie plötzlich den augenscheinlichen Drang verspürte zu fliehen, ging mir einfach nicht auf. Aber ich würde sie nicht zurückhalten, wenn sie gehen wollte.

  • Ich hätte schreien können! Aus Wut aber auch aus Verzweiflung. Was war nur in ihn gefahren, daß er mich auf diese Art abspeiste, wie eine dumme Sklavin, die gehen konnte, wenn sie nicht mehr gebraucht wurde! Waren wir mit unserer Ehe schon so weit vorangeschritten, daß wir uns nichts mehr zu sagen hatten? Dies war nicht mehr der Mann, den ich unbedingt hatte heiraten wollen. Natürlich, ich hatte mir nichts vorgemacht. Die Liebe zwischen uns mußte erst noch wachsen. Das hatten wir beide gewußt. Doch wie konnte sie das, wenn ihr jeglicher Nährboden entzogen wurde?
    Ich war schon aufgestanden, bereit zu gehen. Da fasste ich mir ein Herz. Nein, betteln wollte ich nicht. Doch er sollte wissen, wie es in mir aussah! Und wenn er mich dafür verdammte!
    "Das ist wirklich sehr schade Marcus! Sehr schade! Was kann ich denn nur tun, damit ich deine Aufmerksamkeit auf mich lenken kann. Sag es mir bitte! Bin ich so abstoßend für dich? Was habe ich nur getan, daß du mich so behandelst? Was? Du willst einen Erben, Marcus? Indem du dich vor mir versteckst, wirst du keinen Erben bekommen. Das kann ich dir versichern!"
    Oh, ich war in Fahrt und mußte mich im Zaun halten, um nicht noch zorniger zu werden. Doch nun, nachdem ich etwas Dampf abgelassen hatte, ging es mir besser. Ich atmete tief durch, strich über meine erhitzen Wangen. Wahrscheinlich war ich puterrot geworden. Keine besonders schöne Vorstellung.

  • Celerina erhob sich und würde den Raum wohl gleich verlassen. Ich würde mit meinem Kopf voller Fragen zurück bleiben. Zumindest glaubte ich es, bis meine Frau sich plötzlich herumdrehte und mich anfunkelte. Plötzlich war sie also sauer. Ich war mir keiner Schuld bewusst. Sie hatte doch gehen wollen? Perplex sah ich sie an, während sie ihren Sermon herunterbetete. Als sie fragte, ob sie so abstoßend sei, runzelte ich die Stirn und wollte schon verneinend entgegnen, wie es bei solchen Fragen die Pflicht des Ehemannes war, doch Celerina sprach einfach weiter und schrammte damit an der Patina meiner Ehre entlang. Ich tat mein Äußerstes, um ihr weiterhin ins Gesicht zu schauen. Und ich verschloss meine Gefühle vor ihr. Natürlich hatte sie mich eiskalt erwischt.


    Celerinas Gesicht hatte eine rote Färbung angenommen. Ich haderte mit mir, ob ich mich ebenfalls erheben sollte, denn ich war größer als sie. Doch ich entschloss mich, ihr diesen kleinen Triumph zu lassen und blieb sitzen. Stattdessen steckte ich mir eine Muschel halb in den Mund, schlürfte sie aus und legte sie mit einer Grimasse zurück auf die Platte. Ich mochte keine Meeresfrüchte, das hatte sich eben wieder bestätigt. Erst dann hob ich den Blick wieder und sah Celerina an. "Du bist nicht abstoßend. Und ich verstecke mich nicht. Aber ich habe gewisse Pflichten zu erfüllen und bin abends müde. Hättest du es lieber, wenn ich dir die Kleider vom Leib reißen und dich gleich hier auf der cline nehmen würde?" Jetzt stand auch ich auf. Konnte man diesen Disput als unseren ersten Ehestreit betrachten? Ich runzelte verstimmt die Stirn. "Gedulde dich. Ich bitte darum. Wir sehen uns heute abend zur cena", sagte ich gefasst, nickte ihr zu und machte mich dann daran, das tablinum zu verlassen.


    Vermutlich dachte sie nun...ich wusste nicht was sie dachte. Dass ich meine Krankheit noch nicht zur Gänze wieder auskuriert hatte, wäre wohl noch das Angenehmste. Mir ging es selbst nicht so gut bei dem Gedanken daran, wie ich sie abspeiste. Die Müdigkeit war auch nur eine vorgeschobene Ausrede gewesen. Langsam begann diese Dreieckssituation, mir zuzusetzen.

  • Das mußte ich mir nun wirklich nicht länger geben! Ausflüchte, nichts als Ausflüchte! Er war abends müde. Mir kamen gleich die Tränen! Ich hatte wohl einen alten Mann geheiratet, der äußerlich noch eine recht ansprechende Fassade bot, doch in seinem Inneren alt wirkte. Da fehlten mir einfach nur noch die Worte.
    Nein, ich ließ mich nicht noch einmal hinreißen, etwas zu erwidern. Nicht auf seine Frage, die eh nur eine leere Versprechung gewesen wäre noch darauf, daß wir uns am Abend wiedersehen würden.
    Ich ging einfach und ließ ihn mit seinen Ausreden alleine zurück. Noch ahnte ich nicht, wozu er noch fähig war.

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