Ein Spaziergang am Tiber

  • Nein Calena kamen langsam aber sicher die Tränen vor Schmunzeln und Lachen. Es war schon ewig lange her, dass sie einen solchen Spaß gehabt hatte und alle Probleme und Sorgen die vielleicht da waren, waren mit einem Mal verschwunden. Wahrscheinlich konnte man neben diesem Menschen gar kein Trübsal blasen. „Schade eigentlich,“ seufzte sie mit einem Grinsen auf den Lippen „Ich hatte so gerne sehen wollen wie du einen Baum mit bloßen Händen fällst und dann noch ein Boot daraus machst. Aber was solls, so schlimm ist es ja nicht, außerdem wäre das mit dem Besuchen im Carcer für mich schwer geworden,“ lachte sie „Da hätten sie dich sicher hingebracht und schön ist es da ja nun wirklich nicht,“ sagte sie und unterstrich ihre Aussage noch mit einem sanften Kopfschütteln.


    Nein, noch hatte sie keine Ahnung welcher Abstammung er war, aber das war ihr auch egal. Und selbst wenn er Sklave gewesen wäre, wäre es ihr egal gewesen, denn sie behandelte nette Menschen nett. Selbst Sklaven hatten ein sehr gutes Leben bei ihr. Calena wusste nicht, dass sie mit ihrem Scherz vielleicht etwas falsches gesagt haben könnte und machte sich darüber auch keinerlei Gedanken.


    „Vielleicht darfst du das….ja,“ sagte sie keck auf seine Frage wegen dem Kompliment und spürte wieder wie ihre Wangen heißer wurden. Mit leuchtenden Augen schaute sie ihn an und natürlich seine schauspielerische Einlage, die sehr gelungen war. „Nun denn wenn du mir das so sagst. Wie wäre es dann wenn wir auf den Mercatus gehen und uns einen netten Platz aussuchen um etwas zu trinken und vielleicht eine Kleinigkeit zu essen?“ fragte sie ihn und grinste dann frech „Beziehungsweise deine Domina befielt es dir, dass wir das nun machen,“ sagte sie herrisch musste dann aber eine Hand über ihre Lippen legen um das Gelächter zu unterdrücken.

  • "Vielleicht zeige ich es dir ein anderes Mal, Domina.", grinste Vala zurück, "Und was für ein Carcer könnte mich schon aufhalten? Ich würde mir einfach den Weg herausbuddeln."


    Sie wollte auf den Mercatus, um dort etwas zu sich zu nehmen. Hunger hatte der junge Germane ja schon... aber auch die Zeit dafür? Er blickte hoch zur Sonne, um am Stand sehen zu können, wie spät es schon war, und sah es als zeitig genug an, um noch einen kleinen Imbiss zwischen seine Pflichten schieben zu können.


    "Wie du wünschst, Domina, Essen und Trinken auf dem Mercatus. Muss ich dich enttäuschen, wenn ich gerade keine Sänfte zur Hand habe, in der ich dich eigenhändig durch die Gegend tragen könnte.", er blickte an der grazilen Gestalt der jungen Frau herunter, "Allerdings hätte ich meine Schultern als Ersatz anzubieten."
    An dieser Stelle zeigte sich dann die volkstümliche Arglosigkeit des Germanen, der überhaupt kein Problem darin sah. Kräftig genug war er, und für ihn war körperliche Nähe sowieso meist selbstverständlich. Zumindest war es das, bisher..

  • „Oh wie wäre es denn mit einem Carcer aus Stein oder so etwas? Wie magst du denn da rumbuddeln? Könnte ein klein wenig schwer werden, aber nur so ein bisschen,“ stichelte sie bei ihm ein wenig herum mit einem sehr frechen Grinsen auf den Lippen.
    Calena ließ die kleine Musterung über sich ergehen und war dann doch etwas überrascht diese Worte von ihm zu hören. Nun wusste sie selber nicht was sie sagen sollte. Eben hatte sie wegen dem Baum noch große Töne gespuckt, aber sie konnte sich doch nicht einfach so auf den Schultern eines Fremden tragen lassen und überhaupt das gehörte sich doch nicht. Alle die sie kannten würden über sie reden und ihr Cousin würde ihr sicherlich den Kopf irgendwann noch abreißen deswegen, wenn er davon Wind bekam.


    „Ähm ja….nun….also,“ stotterte sie plötzlich herum. „Also ich würde dem ja zustimmen, aber weißt du wenn man das hier mitten in der Stadt macht kann man ziemlich schief angesehen werden und Ärger bekommen,“ versuchte sie es auf diese Weise. „Aber ich könnte auf dein Angebot zurückkommen….später?“ Fragend blickte sie den jungen Germanen an und wollte auf keinen Fall, dass er dachte sie hätte Angst wegen der Nähe eines Mannes oder etwas Ähnlichem. Es war einfach nur so, dass es sich hier nicht gehörte, fand sie irgendwie.

  • "Hmhmhm...", überlegte Vala gespielt die Stirn in Falten legend, "...Steine würden das Vorhaben zugegebenermaßen schon etwas verkomplizieren. Aber nicht allzu sehr, irgendwie bekäme ich mich da schon raus. Glaube ich. Vermute ich mal. Denk ich mir."


    Als sie dann ablehnte, und das offen mit der Sorge um möglichen Ärger, konnte Vala sich ein siegessicheres Schmunzeln nicht verkneifen, das er allerdings zu kaschieren versuchte, in dem er sich einfach zur Seite drehte und in Richtung Mercatus blickte. Dieses Katz und Maus-Spiel, und vor allem das betont tugendhafte Gebaren der jungen Frau weckten Valas Jagdinstinkte, auch wenn er sich nicht wirklich Hoffnungen auf zerwühlte Bettlaken machte: der Weg war das Ziel.


    "Na dann... werden wir wohl laufen müssen, Domina. Die Dame hat den Vortritt...", lud er sie sehr zweideutig ein, vorauszugehen.

  • Sie sah ihn schon vor sich wie er versuchte sich durch Tonnen von Steinen zu beißen und graben. Es wäre sicherlich ein amüsantes Bild aber irgendwie war es auch ziemlich gemein. Schließlich wollte sie ja nicht, dass er im Carcer landete, denn er würde sich niemals rausbuddeln können. Zum Glück war das alles hier aber auch einfach nur Spaß und sie mochte diesen Spaß.
    Calena hatte immer noch rote Wangen wegen seinem Angebot eben sie zu tragen. Warum verflucht musste sie aber auch immer so schnell rote Wangen bekommen oder von etwas peinlich berührt sein? Das war ja schlimm, dabei war sie doch nicht einmal verklemmt oder doch? Nein sie schätzte sich nicht so ein.
    Leise seufzte sie auf.


    „Wie du gemerkt hast laufe ich gerne,“ sagte sie nun wieder grinsend, schließlich war sie eben schneller hier gewesen als er und somit auch schneller gelaufen. Ihr Grinsen wurde ein wenig frecher „Aber ich denke nun machen wir kein Wettrennen oder? Sehr gute Erziehung,“ schmunzelte sie und beugte leicht ihren Kopf als Dank für das Vorlassen, dabei musste sie ihn kurz ansehen und tat dann die ersten Schritte an ihm vorbei.


    „Jetzt erzählte mir doch mal woher deine Gens kommt, denn ich habe den Namen wirklich noch nie gehört,“ fing sie nun an ihn ein klein wenig auszufragen während sie ihn Richtung Mercatus führte. Sie hatte ihn zu Anfang schon einmal gefragt aber er war gar nicht darauf eingegangen.

  • Was er auch jetzt nicht würde... allerdings fragte Vala sich schon, warum er so verschwiegen tat, immerhin war seine Familie in Rom so gut wie unbekannt. Wenn man von ihrer Existenz wusste, dann wahrscheinlich in den Steuererhebungslisten, oder in den Soldlisten, die regelmäßig zur Rechtfertigung der Legatentätigkeit von Mogontiacum nach Rom geschickt wurde, also, was hatte er zu verlieren?


    "Meine Familie...", begann er, "..ist die Fortsetzung eines alten nubischen Adelgeschlechts. Selbst die Kartager hatten Angst vor unseren Vorfahren, und gar die Trojaner. Geboren wurde ich in einem riesigen Palast aus Elfenbein, doch das Glück meiner Familie stand unter einem bösen Stern: mein Vater hatte einen Bettler drei mal abgewiesen, welcher ihn daraufhin verfluchte. Was folgte, war Krieg und Verderben, wer Reich ist, hat Feinde, und so wurde meine Familie aus ihrem Heim vertrieben, von riesigen Elefanten wurde unsere Heim in tausend Stücke gerissen. Meine Eltern starben, und auch ich war kurz davor, von einem solchen Tier auf die Größe eines Sestercus..", er fischte in seiner Tasche herum, und zog eine kleine Münze hervor, die er gestenreich vor das Gesicht der Römerin hielt, um seine Bilder zu unterstreichen, "..zerdrückt zu werden. Gerettet wurde ich von einer Harpyre, eines jener geflügelten Monstrositäten, mit denen schon Iason es zu tun gehabt hatte. Aber mir gegenüber war es nicht feindlich gesinnt, es rettete mich aus den Klauen meiner Mörder, und flog mit mir nach Korsika, wo ich von einer Familie von Satyren aufgenommen wurde. Als ich alt genug war, sollte ich mich wieder unter Menschen begeben, und so machte ich mich auf den Weg... und ehe ich mich versah, war ich in Rom. Und traf dich. So gesehen, bist du das erste menschliche Wesen, dass mir seit Ewigkeiten unter die Augen gekommen ist."
    Vala wandte sich ab, und legte seine Hand nachdenklich an das eigene Kinn: "Sollte ich es als Gesinnungswechsel der Götter deuten, dass es gleich ein so hübsches ist?"


    Als er sich ihr wieder zuwandte, ließ er einige Sekunden verstreichen, um seine kleine Geschichte wirken zu lassen, bevor er zumindest annähernd mit der Wahrheit herausrückte, und das im krassen Kontrast zu seiner Erzählung auf sehr trockene Art und Weise: "Meine Familie gehörte einmal zu den Völkern, die ihr Barbaren nennt. Germani. Wir waren Bauern, mittlerweile sind wir es nicht mehr. Zumindest nicht alle."

  • Sie blinzelte ihn ein klein wenig an während er begann zu erzählen, denn mit jedem Wort was er sprach wurde die Geschichte wundersamer und unglaubwürdiger. Wenn er nicht so ernst geblieben wäre, wäre sie sicherlich in schallendes Gelächter ausgebrochen, aber sie konnte nicht, auch wenn die Geschichte alles andere als glaubwürdig war.
    Irgendwann schaffte sie es aber dennoch ihn von der Seite anzusehen und zu schmunzeln. Er könnte Märchenerzähler werden dachte sie sich, denn je mehr er zum Schluss kam desto überzeugter war sie, dass das alles nicht der Wahrheit entsprach und zum Glück löste er es auch auf, denn es stimmte nicht was er erzählt hatte.


    Warum er aber so ein großes Geheimnis um seine Familie getan hatte konnte sie nicht verstehen. Sie zumindest zählte nicht zu der Gruppe Römer die Germanen als Feinde betrachtete, als Barbaren oder eben als Sklaven weil viele aus Germanien kamen. So zuckte sie mit den Schultern und schaute ihn mit einem großen Lächeln an.
    „War das nun so schwer? Eigentlich sollte ich dich erst einmal hauen weil du mich versucht hast an der Nase herumzuführen,“ meinte sie neckisch und zwickte ihm dabei kurz in den Oberarm. „Ich finde das Wort Barbaren nicht schön und habe es auch sonst noch nie gebraucht. Germanien, ich habe bis jetzt nur davon gehört aber ich war noch nie da gewesen. Ist es schön dort? Ich habe gehört es soll Unmengen an Wäldern dort geben und sie sind gefährlich und dunkel?“ fragte sie ihn und wenn er genau hinhörte konnte er eigentlich sogar ihre Begeisterung hören, spüren und sehen. „Wie ist das Leben dort? Stimmt es, dass eine ganze Familie in einem Haus zusammen mit ihren Tieren wohnt?“ fragte sie immer weiter und nichts klang abwertend wenn sie etwas sagte.

  • Und da kam es auch schon... auch wenn die junge Frau sich selbst zu rechtfertigen suchte, und sich gegen das Barbarentum als Status an sich aussprach, so rutschten die beiden doch in die ewig gleichen Unterhaltungen, die man führte, wenn einer von beiden kaum aus den eigenen vier Wänden herauskam. Vala bekam das Gefühl, in einem Käfig zu stecken und sich beglotzen lassen zu müssen.
    Aber sollte er es ihr anlasten, dass sie so war? Vielleicht war dieses Gefühl, das Vala beschlich, auch einfach nur übertrieben. Aber vielleicht auch nicht.


    "Ob es schön dort ist? Es ist anders... vollkommen anders. Ich weiß nicht, ob ich von Schönheit sprechen kann. Immerhin kann das, was man als schön bezeichnet auch ganz schnell das eigene Schicksal besiegeln. Es gibt einige, die von falscher Abenteuerlust und einer emotionalen Stimmung getrieben in meiner Heimat ihr Ende gefunden haben.", murmelte Vala, während sie weiter in Richtung Mercatus gingen, und versuchte nicht allzu angegriffen zu klingen, "Wenn ich mir Italia angucke, kann ich verstehen warum ihr Römer denkt, das Land das ihr Germania nennt sei ein einziges riesiges Stück Wald. Und tatsächlich ist es so, dass der Großteil der Stammesgebiete von Wald bedeckt sind, aber es gibt auch großflächige Sümpfe, und sumpfige Wälder, aber auch große Haine und Wiesen. Gefährlich? Natürlich sind sie das. Aber so wie ich es mitbekomme, sterben hier in Rom mehr Menschen an ihrer Stadt als wenn sie draußen leben würden. Man kommt damit zurecht, das ist der Lauf der Dinge. Wir sind Teil der Natur."


    Damit fasste Vala mal sehr, sehr knapp die Einstellung eines Angehörigen der germanischen Stämme zum Leben zusammen: es war Leben und Sterben, geben und nehmen, und das von und durch die Natur, die allgegenwärtig war. Natürlich begriff Vala, dass die Römer sich schon vor langer Zeit aus diesem Kreislauf herausgearbeitet haben, was aber für ihn nicht bedeutete, dass er das gleiche tun würde.


    "Das hängt davon ab, wie groß eine Sippe ist.", erläuterte er folgend die Lebenswelt in der Gemeinschaft, "Unsere Winter sind sehr kalt, über Monde hinweg hat man nur Eis und Schnee auf dem Dach und vor der Tür. Da tut man alles, um sich gegenseitig warm zu halten. Ihr habt eigene Zimmer, bei uns wärmt man sich, denn nur in der Gruppe überlebt man. Hätte man in einer einsamen Hufa draußen ein eigenes Zimmer, würde man sehr privat und sehr einsam im Winter erfrieren. Die Tiere leben meist mit im gleichen Haus, das stimmt, aber aus demselben Grund: sie halten das Haus mit warm, und erfrieren selber nicht. In größeren Dörfern gibt es auch Häuser, in denen kein Vieh lebt, weil die Gruppe an Menschen groß genug ist. Aber das ist eher die Ausnahme. In den Stammesgebieten im Reich sieht es dann wieder ganz anders aus: viele leben noch wie früher, aber in den Städten passen sich die Menschen schnell den anderen Lebensweisen an. Was nicht allen gefällt..."
    Wobei er vor allem an den erzkonservativen Albin dachte.

  • Wenn sie gewusst hätte, dass sie ihm vielleicht zu nahe trat mit ihrer Neugier und ihren Fragen dann hätte sie einfach ihre Klappe gehalten. Sie hatte niemals damit gerechnet, dass sie ihm damit irgendwie auf die Füße treten würde, aber er versteckte es ziemlich gut, aber dennoch lag etwas in der Luft und Calena begann nachdenklich auf ihrer Unterlippe zu kauen während sie ihm zu hörte.
    „Naja wir haben nicht so viele Wälder, zumindest nicht so viele wie sie es in Germanien geben soll. Aber ich finde Läner müssen verschieden sein ansonsten wäre es doch langweilig, wenn es überall gleich aussieht,“ meinte sie und lief neben ihm her. Langsam fast schlendernd liefen sie zusammen weiter.
    „In Rom, ja das stimmt, man sieht es nicht, oder nur selten, aber Rom ist sicherlich so gefährlich wie ein Wald. Wenn du dich in die falschen Ecken von Rom verläufst kann es passieren, dass du niemals wieder raus kommst. In den falschen Ecken leben auch die falschen Leute. Aber auch so…..die Subura zum Beispiel…es sterben sehr viele Menschen dort,“ sagte sie nachdenklich und irgendwie bemerkte sie, dass sie sich vorher darüber noch nie so Gedanken gemacht hatte, aber Rom war wirklich gefährlich. Viele Menschen lebten hier, teilweise auf engem Raum, und nicht alle waren gutgesonnen oder zufrieden mit ihrem Leben.


    „Ich finde das Zusammenleben bei euch, klingt sehr familiär, das finde ich schön.“ Sie meinte es ernst, denn oft merkte sie wie einsam man eigentlich in einem großen Haus war. Die Familie war so verstreut und oftmals war es so, dass man sich tagelang gar nicht über den Weg lief und sich vollkommen alleine vor kam, außerdem kannte man nicht einmal die ganze Familie, denn diese war überall verteilt auf verschiedenen Gebieten. Calena räusperte sich leise und blickte zu Boden während sie weiter ging. Vielleicht wäre es besser gewesen nicht nachzudenken, denn irgendwie fühlte sie sich nun komisch.


    „Ich hoffe ich habe dich nicht mit meinen Fragen genervt. Ich bin manchmal ziemlich neugierig und will nicht, dass du denkst ich frage dich aus, weil du eben aus einem solchen Land kommst. Ich teile nicht die Meinungen von anderen Römern…ich meine mit den Beschimpfungen und den Geschichten die man hört. Ich bin nicht so und hoffe du denkst das nicht von mir,“ sagte sie leise und wollte, dass er das wusste.

  • Vala wurde schweigsam, und wusste nicht genau, ob er es schaffte, sein Unwohlsein so zu verbergen. Sie erzählte von den verschiedenen Ländern und Langeweile, und er fragte sich, ob es ein Zeichen der verwöhnten und vielleicht auch entfremdeten römischen Gesellschaft war, von Ländern als schön zu sprechen.
    Gut, er hatte nicht wirklich viel von der Welt gesehen. Germania, die Ländereien der Stämme, waren für ihn voll von Erinnerungen. In diesem Waldstück gab es eine Schifflegung, in jenem Sumpf waren vor Jahren Römer geopfert worden, als ein kleiner Stamm es geschafft hatte, eine Handelskarawane aufzureiben, nur um nachher von eben jenen Stämmen angegriffen zu werden, die das Ziel dieser Karawane gebildet hatten. Ein Hügel war ein taktisch wichtiger Punkt, ein Fluss eine Lizenz zum Handel und eine Ebene immer, IMMER die Wiege eines kleinen Dorfes. Gallien war nicht anders gewesen, auch wenn sich die Fauna langsam geändert hatte. Krieg, Handel, Religion, Macht. Überall.
    "Hmhmhm...", brummte er deswegen auch nur als Antwort, weil er nicht glaubte, sich mit einer Frau darüber unterhalten zu können. Auch wenn die Menschen seiner Heimat ein Bild von Gleichstellung pflegten, in dem der Mann den starken Arm der Götter darstellte, und die Frau die fruchtbringende Natur, gab es doch gewisse Trennlinien zwischen diesen beiden Prinzipien, und die fingen dort an, wo eine Hand ein Schwert ergriff. Zwar standen Frauen immer als letzte Wehrlinie, aber die wurde so gut wie nie eingesetzt. Ein Mann war ersetzbar. Eine Frau war es nicht.


    "Das ist der große Unterschied, wie ich finde.", versuchte Vala sich wieder in das Gespräch einzuklinken, "Ihr Römer lebt in einem Haus und doch nicht zusammen. Wir wohnen zuhause mittlerweile auch in eigenen Zimmern, aber es hat lange gedauert, um uns daran zu gewöhnen. Bei einigen mehr, bei anderen weniger. Bei euch ist das irgendwie anders: ich kann ohne meine Familie im Rücken hier einiges erreichen, man muss zwar immernoch die richtigen Leute kennen, aber ich komme nicht automatisch um, sollte ich versuchen mich alleine in Rom durchzuschlagen. In meiner Heimat ist das anders. Bist du allein, stirbst du."


    Er zog die Lippen schmal, als sie sich bei ihm entschuldigte, und entlarvte Valas Masquerade augenblicklich als wirkungslos. Was ihn letztendlich mehr aufregte als die Fragerei der Römerin. Er brummte etwas unverständliches als Antwort, und wischte die Entschuldigung mit einer klaren Handbewegung beiseite, und betrachtete die Sache damit auch als erledigt.

  • Calena fühlte sich ein wenig unwohl, denn auch wenn er nichts sagte war deutlich eine gewisse Spannung zu fühlen und sie hatte das Gefühl etwas Falsches getan oder gesagt zu haben aber sie wusste nicht was. Schon immer war sie schrecklich neugierig gewesen und deswegen hatte sie ihm diese Fragen gestellt, denn bis jetzt hatte sie noch niemanden aus dem fernen Germanien kennen gelernt. Wenn sie gewusst hätte, dass das Gespräch so endete hätte sie auf jeden Fall einfach ihren Mund gehalten und vielleicht ihren Großcousin ausgefragt.


    Er hatte mit seinen Worten vollkommen Recht. Ihr war das auch schon immer aufgefallen, dass man zusammen wohnte aber nicht zusammen lebte. Selten sah sie die ganze Familie und noch seltener traf man sich zum Essen, denn jeder war mit sich und seinen Dingen beschäftigt. Das hatte sie schon immer sehr Schade gefunden obwohl es bei ihrem Onkel und ihrer Tante wo sie gelebt hatte etwas anders gewesen war.
    Calena strich sich eine verirrte Haarsträhne zurück und blieb stehen um Vala anzusehen. Sie versuchte es mit einem lieblichen Lächeln und wollte etwas sagen ließ dann aber doch kurzzeitig ihre Schultern hängen und blickte zu Boden um nach Worten zu suchen.


    Erst nach einem kleinen Moment schaute sie ihn wieder an. „Ich habe dir nicht zu nahe treten wollen. Falls ich dich gekränkt oder beleidigt habe mit meinen Fragen dann tut es mir leid und ich hoffe ich mache mich nicht vollkommen zu einem Idioten. Es tut mir leid wenn ich zu neugierig bin,“ sagte sie leise und lächelte ihn dabei entschuldigend an. Sie wollte auf keinen Fall, dass er schlecht von ihr dachte auch wenn sie nicht genau wusste warum, schließlich kannte sie ihn ja gar nicht konnte man so sagen. Und vielleicht sah sie ihn nach heute auch niemals wieder, vielleicht wollte er sie auch niemals wieder sehen.

  • "Bitte.", hielt auch Vala inne, und sah sie eindringlich an, "Bitte lass es gut sein. Du bist mir nicht zu nahe getreten... was für ein Mann wäre ich, wenn ich mich so leicht angreifen ließe? Nein, du bist mir wirklich nicht zu nahe getreten, du brauchst dich nicht zu entschuldigen."
    Was die Worte einer Bitte enthielt, war irgendwo ein Befehl. Wenn auch ein sanft verpackter, denn Vala hatte weder Lust, sich weiter über dieses Thema zu unterhalten, eben weil er das Gefühl hatte als weibisch zu erscheinen, wenn ihn dieses Gespräch wirklich die Fassung verlor, als auch weil es einen bisher angenehmen Verlauf störte.


    "Aber genug von mir..", zog Vala deshalb die Trumpfkarte in jedem Gespräch, in dem es darum ging Frauen davon abzuhalten sich über gewisse Dinge den Kopf zu zerbrechen, "Erzähl mir lieber von dir... du bist Caecilia Calena, das war es dann aber auch mit meinem Wissen über dich. Wenn man es genau nimmt, bist du gerade im Wissensvorteil."
    Er lächelte sie neugierig lächelnd an, und lud sie mit einer kurzen Handbewegung zu einem Straßenbrunnen ein, wie es sie so oft in Rom gab. Frauen füllten Krüge, Kinder planschten in den recht warmen Herbsttemperaturen und wurden nur von den routinierten omnipräsenten Händen ihrer Mütter davon abgehalten im Trinkwasser zu baden. Vala schürzte die Hände übereinander und gönnte sich selbst einen Schluck Wasser, während er darauf wartete, dass die Römerin seine Einladung zu einem unverfänglicheren Gespräch annahm.

  • Calena wusste nicht ob sie seinen Worten glauben sollte oder nicht. Sie hatte einfach das Gefühl, dass sie hier in ein Wespennest gestochen hatte und ihm zu nahe getreten war. Es tat ihr leid aber sie merkte auch, dass sie mit Entschuldigungen nicht weiter kam. Irgendwie hatte sie wirklich ein Talent dafür eine schöne Stimmung mit einfachen Fragen zu zerstören. Leise seufzte sie auf und blickte kurz zu Boden. Dann versuchte sie sich einfach wieder zu fangen und begann ihn wieder anzulächeln. Er hatte Recht, am besten beließen sie das Thema und redeten über etwas anderes, aber sie würde sich nun sicher nicht mehr wundern wenn er sie gar nicht mehr wiedersehen wollte.


    Als er nun selber wieder lächelte, war sie etwas erleichtert und folgte ihm zu dem kleinen Straßenbrunnen. Sie mochte es den Kindern zuzusehen wenn sie spielten, was sie an die kleine Sklavin bei sich zu Hause erinnerte. Sie war ein aufgewecktes Ding und Calena hatte einen Narren an der kleinen gefressen.
    Calena beobachtete Vala als er etwas Wasser zwischen seine Hände nahm um zu trinken, sie selber suchte sich beim Brunnen einen halbwegs trockenen Platz zum sitzen und setzte sich hin.


    „Du willst also mehr über mich wissen…hmmmm…..ich weiß gar nicht was ich erzählen soll. Ich bin leider nicht in Rom groß geworden. Meine Eltern schickten mich zur Familie in den Süden Italiens, da meine Mutter sehr krank war und sie nicht wollten, dass ich es mitbekam. Naja, ich bin nun 17 Sommer alt und erst vor wenigen Monaten zurück nach Rom gekommen, da ich einfach wieder hier her wollte. Ich habe bei meiner Tante und meinem Onkel alles Wichtige gelernt um einmal einen Haushalt zu führen, halt diese üblichen Dinge,“ sagte sie und lächelte etwas schief, zuckte dabei auch noch mit ihren Schultern. „Ich…hmm…was willst du denn über mich wissen?“ fragte sie dann um es ein klein wenig einfacher zu haben, denn nur selten redete sie einfach so über sich.

  • Sim-Off:

    Excuses moi, ma chere... ich hab mich wohl noch nicht wirklich vom heftigen Rutsch erholt. :D


    "Interessant.", log Vala, als er sich ihre bisherige Lebensgeschichte anhörte. Ihre Eltern hatten sie weggeschickt, weil ihre Mutter krank gewesen war? In Valas Ohren klang das stark nach einem verhärmten Mädchendasein. Aber was sollte er auch erwarten? Das war einfach der römische stereotypus: Frauen wurden groß gezogen um irgendwann prestige- und gewinnbringend verheiratet zu werden, und die wenigsten Familien setzten Wert auf eine umfassende Bildung in nicht-häuslichen Beschäftigungen oder gar in Kultur, die man nicht auf der Straße aufschnappte. Und sie gab es ja auch zu.. ihre Ausbildung war klassisch, und wahrscheinlich hatte sie anderen Frauen in Rom sogar vorraus, einmal einen anderen Flecken Erde zu Gesicht bekommen zu haben.


    "Der Süden...", murmelte Vala, um das Gespräch noch ein Weilchen zu erhalten, bevor er sich zurück an die Arbeit begab, "...erzähl mir vom Süden. Warst du in Tarentum? Cosentia?"

  • Wahrscheinlich langweilte sie ihn einfach nur. Sie hatte einfach nicht solche aufregenden Dinge zu erzählen. Es war halt langweilig ein römisches Mädchen zu sein…wobei gelangweilt hatte sie sich eigentlich nie. Sie hatte immer etwas zu tun gehabt und sich nie Gedanken darüber gemacht ob sie es wo anders besser haben konnte oder welche Abenteuer auf sie lauern könnten. Nein solche Gedanken hatte sie nie, denn im Großen und Ganzen war sie mit ihrem Leben eigentlich ziemlich zufrieden und konnte sich nicht beklagen. Natürlich hatte es auch Ausrutscher gegeben, aber an diese wollte sie nicht mehr zurückdenken und diese würde auch niemals jemand erfahren.


    „Was soll ich dir da erzählen? Nein es war Sicilia und wirklich ganz weit unten,“ meinte sie und lachte „Catina hieß der Ort an dem ich die meiste Zeit lebte, aber mein herz gehörte Rom, denn keine andere Stadt ist mit dieser hier zu vergleichen. Ich wollte immer wieder zurück und nun bin ich hier. Im Süden ist es noch wärmer als hier und schön…am Meer. In Cosentia habe ich mehrere Tanten ab und an besucht, aber das war es dann auch schon. Mit Rundreisen kann ich leider nicht dienen, diese habe ich nie gemacht, aber ich würde sehr gerne einmal mehr von der Welt sehen.“ Sie schaute ihn mit einem Schmunzeln an. „Wo würdest du gerne mal hin?“

  • Die Theorie der Langeweile war zu dieser Zeit eine der Dinge, über die man sich Gedanken machen konnte wenn man sich um nichts anderes zu kümmern hatte. Für Vala war es vollkommen normal: Mann verdiente seinen Lebensunterhalt, ackerte von früh bis morgens für ein paar Sesterzen in der Tasche und gab sich in einigen ruhigen Minuten dem Spiel oder dem Müßiggang hin. Die Rolle der Frau war ebenso fixiert: sie bekam Kinder, zog diese auf und kümmerte sich um den Haushalt. So archaisch dieses Prinzip auf den modernen Menschen wirken musste: die Archaik war noch nicht so lange her, und aus diesem Rollenverständnis würde sich die Menschheit auch für die nächsten tausendfünfhundert Jahre nicht heraus bewegen.
    Dass Calena also schon den Süden gesehen hatte, machte sie zu einer Persönlichkeit die mehr erlebt hatte als geschätzte 90% der Menschheit, die sich selten mehr als eine Tagesreise von ihrem Wohnsitz entfernten.
    "Klingt interessant, auch wenn mir das warme Wetter etwas unheimlich ist. Ich muss zugeben, dass Rom für meine Verhältnisse wahnwitzig warm ist. Ich komme aus einer Gegend, wo wir zwar nicht das ganze Jahr über Schnee haben, aber es wird im Winter bedrohlich kalt. Und hier ist es einfach nur nass und grau und... also, Wärme ist mir suspekt.", gab Vala ehrlich lächelnd zu, auf die Frage, was er alles sehen wollte, musste er jedoch erst eine Weile überlegen: "Wo will ich hin? Ich glaube, ich bin nicht so reisefreudig wie man meinen könnte. Ich werde dorthin gehen, wo man mich braucht."


    Was er meinte war: für ihn waren Reisen immer ein Risiko. Krieg und Übel gab es an jedem Flecken der Welt, und Vala hatte mehr als genug davon gesehen um zu erkennen, dass losgelöste Reiseschwärmerei oft mit einem Messer in der Brust enden konnte. Er hatte kein Interesse daran ferne Gegenden nur um ihrer selbst zu sehen, wenn er plump soldatisch sagte, er würde dorthin gehen wo man ihn bräuchte, meinte er im Endeffekt einfach, dass er jede Chance ergreifen würde, um auf der Leiter der Macht eine Sprosse weiter empor zu steigen.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!