[Sardinia] Was bleibt, ist Asche

  • Es hatte ihn sehr beruhigt, als Caelyn meinte das die Aurelier, die sie kannte gute Menschen waren. Sein Herz nahm diese Wärme aus der Aussage wie ein verdurstender in der Wüste in sich auf. Nachdem er ihr seinen Arm gezeigt hatte reagierte sie überraschend ruhig und doch erschrocken. Das ihre Hand auf der seinen liegenblieb gab ihm innere Stärke und er sah sie überraschend fest an. Etwas was er langsam erst wieder lernte und was ihm gerade wirklich sehr gut tat.
    Was sollte oder konnte er sagen? Er wollte einfach alles sagen und zeigen..aber dafür reichte weder die Zeit noch sein Wortschatz.


    "Meine Herren vor Ursus waren... sehr streng. Ich habe meine Fehler teuer bezahlen müssen. ... Vorallem meine letzten beiden Herren. Atonis, ein griechischer Händler und nach seinem Tot ein Sklavenhändler waren sehr... brutal... ich... Peitsche und Stock waren Tagesordnung. Sie wollten mir meinen Rücken brechen... und jetzt...jetzt habe ich Ursus und er mag eben diesen stolzen Teil an mir. ... Mein ganzes Leben war...Schmerz..."


    Seine freie Hand ging zu seinem kalen Kopf und strich darüber. Erneut schauderte er. So gerne hätte er Haare...so gerne hätte er die Wahl sich welche wachsen zu lassen. Tränen rannen ungefragt über seine Wangen und er konnte nicht mehr sprechen. Seine Hand fasste fester den Kopf, schlug kurz darauf um ihn dann wieder zu ergreifen. Die andere Hand krallte sich förmlich in sein Knie. Das wollte er nicht. Nicht der Schwache sein. Nicht vor ihr. Sie kannten sich kaum und er musste für sie doch jetzt wirken wie ein jämerliches Tier. Seine Lippen zitterten. Er wollte sich ihr zeigen. Nicht aus unschicklichen Gründen. Sondern weil sein Körper eine wesendlich deutlichere Sprache sprechen konnte als er selbst. Doch sicher würde sie es falsch verstehen. Cimon wagte es kaum sich zu bewegen.


    Sein Ärmel war inzwischen runtergerutscht. Der Kopf in der Hand gesenkt und die andere lag ruhig auf seinem Knie. Caelyns Hand gab ihm Wärme und seine Augen betrachteten sie. Denn aufschauen konnte er nicht. Seine Stimme klang schwach.


    "Mein Haar wird nie wieder richtig wachsen können. ... Atonis sagte ich sei der Pracht nicht würdig... er ließ er ...ziehen...den rest ... abflammen.... "


    Schwer atmete der Nubier durch. Er hatte es gesagt. Und nun? Nun war er doch noch viel weniger ein Mann als sowieso schon... Die Hand noch immer auf der Haut des kalen Hauptes gelegt, schaute er langsam auf.


    "Es... es tut mir leid. ... ich...normal bin ich nicht so."


    Das war ehrlich und mit offenen Augen gesprochen. Normal verbarg er immer seine Gefühle und versuchte stehts ruhig und beherrscht zu sein. Das alles war gerade weg. Dafür konnte er sich gerade nicht besonders gut leiden.

  • Mich erschütterte es sehr, was er über seine vorherigen Besitzer erzählte. Das waren richtige Bestien gewesen, die Gefallen daran hatten, zu quälen. Mich nahm das ganz schön mit, was dazu führte, dass ich ganz unruhig auf meiner Unterlippe herum biss. Dagegen war mein Schicksal ja ein Klacks gewesen.
    Aber dann begann er sich selbst Schmerz zuzufügen. Cimon schlug gegen seinen Kopf und krallte seine Finger in sein Knie. Das war zu viel! Das konnte ich doch nicht zulassen. Beherzt sprang ich auf und legte meinen Arm um ihn. "Bitte tu das nicht! Tu dir nicht selbst weh! Bitte, hör auf!"
    Wie früher meinen kleinen Bruder umarmte ich ihn und versuchte ihn zu trösten. "Komm, ist schon gut! Du musst dich für nichts schämen! Nicht für deine Tränen, deine Narben und auch nicht für dein Zeichen. Ist schon gut, Cimon." Das war so ergreifend, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Jetzt verstand ich, dass Cimon gar keine andere Wahl gehabt hatte, um so zu sein. Ich schämte mich jetzt dafür, ihn anfangs so angegangen zu haben.
    "Ist schon gut, Cimon. Das muss dir nicht leid tun. Lass es einfach raus, was dich bedrückt. Manchmal können Tränen den Schmerz wenigstens ein bisschen wegspülen."
    Früher als ich noch klein war, strich mir meine Mutter immer über die Wange und sagte etwas Nettes zu mir, wenn ich traurig war. Genauso machte ich es nun auch. Ich strich sanft über Cimons Wange. "Das alles ist jetzt vorbei. Ich hab´s doch gesagt, wir haben Glück gehabt!"

  • Ihre Worte salbten seine Narben und wärmten sein Herz. Als sie Cimon dann noch in den Arm nahm, konnte er nicht anders als die seinen um sie zu schlingen und alles einfach raus zu lassen. Er folgte ihrer Bitte und hörte auf sich selber weh zu tun. Der Nubier weinte einfach und gab unartikulierte Geräusche von sich. Denn irgendwie wollte er auch reden. Es dauerte einige Minuten bis er sich wieder etwas im Griff hatte. Und sie hatte recht. Es hatte gut getan einfach mal zu weinen und gehalten zu werden. Voller Dankbarkeit und mit roten Augen sah Cimon zu Caely auf. Was sie abschließend sagte ließ ihn nun leicht lächeln. Langsam nickte er und schluchzte nur kurz auf, bevor er seine leise Stimme wiedergefunden hatte.


    "Ja, das haben wir. Es ist ein Glück für das ich den Göttern bereits gedankt habe. Und ich habe ihnen geschworen meinem Herren immer treu zu diensten zu sein."


    Während er sprach bemerkte er wie seine Stärke nur langsam wiederkam und er sah sie aus wunden Augen von unten Her an. Denn er war beim Weinen etwas zusammengesunken. Nun richtete er sich zwar leicht auf, wollte aber die Stärke gebende Umarmung nicht lösen.


    "Danke, Caelyn."


    Mehr wusste er nicht zu sagen. Seine Dankbarkeit fand keine Worte und auch sonst gab es nichts besseres was er hätte sagen oder tun können. Cimons Augen sprachen für sich. Sie waren wie ein offenes Buch in diesem Moment. Eines das viele Geschichten zu erzählen hatte, dessen Hauptaussage aber nun aus einem gesalbten Herzen und einer etwas freieren Seele bestand.

  • Das war ganz schön erschütternd, den Nubier so zu erleben. Ich hätte das nicht von ihm gedacht, als ich ihm zum ersten Mal begegnet war. Mittlerweile quälte mich das schlechte Gewissen, weil ich so gemein über ihn gedacht hatte. Dabei war er einfach nur bemitleidenswert. Normalerweise lagen ja die Typen nicht in meinen Armen und heulten, wie ein Schlosshund. Sonst war es immer anders rum. Aber ihn zu trösten und ihm in dem Augenblick Beistand zu leisten, gab mir so was wie Stärke zurück. Es war fast wieder so, wie früher, als mein Bruder noch lebte. Da hatte ich eine Aufgabe gehabt. Meinen kleinen Bruder zu schützen. Was für eine Ironie, dass ich der Grund war, weswegen er sterben musste.


    Cimon fing sich langsam wieder, aber er löste nicht die Umarmung. Seine geröteten Augen waren auf mich gerichtet. Ich lächelte zaghaft. "Ist schon gut!" Für mich war das ungewohnt, aber nicht unangenehm. Es war lange her, sich in den Armen eines anderen wieder zu finden.
    "Es tut gut, wieder für jemanden da zu sein!" Geborgenheit, das war´s, was ich fühlte und das, obwohl ich doch Cimon kaum kannte. "Seit Louan tot ist, habe ich nicht mehr so gefühlt. Die letzten Monate waren voll mit Selbstvorwürfen. Ich hasse mich dafür, dass er tot ist und ich lebe." Meine Augen wurden wieder feucht und ich vergrub mein Gesicht in seiner Tunika.

  • Von ihr gehalten und selber die Arme um Caelyn geschlungen erfuhr Cimon was Geborgenheit bedeutete. Seine Augen brannten aber die Tränen waren versiegt. Der Nubier hörte den Worten der Frau zu, die ihm zwar fremd aber nun doch seltsam vertraut erschien, während er hoffte das sie die beruhigenden Berührungen nicht unterbrechen würde, nur weil er nicht mehr weinte. Dazu drückte er sich leicht gegen sie. Nicht aufdringlich oder mit irgendwelchen Hintergedanken, nur gerade eben so um zu zeigen wie wohl er sich fühlte.


    Diese Art der Nähe und des Tröstens war ihm unbekannt und mehr als nur fremd geworden. Um so angenehmer war es. Und was Caelyn sagte zeigte ihm das es ihr nicht unangenehm war. Verwirrt sah er sie dann an.


    "Ich.... es tut gut ... das jemand da ist... das du da bist... ich... ich habe vergessen wie gut die Nähe tun kann. A..aber Caelyn...du hast doch keine Schuld. Du kannst es nicht ändern... und was würde er wohl denken wenn er sehen würde wie du deswegen leidest? ...Ich...ich würde dir gerne helfen... aber ich weiß nicht wie."


    Fragend und dabei auch recht verzweifelt blickte Cimon nun zu ihr, noch immer halb auf. Der Nubier beendete in keinster weise die Umarmung und wollte sich darum bemühen ihr ebenso etwas zu geben, wie sie es für ihn tat. Nur das er völlig unerfahren in solchen zwischenmenschlichen Dingen war. Er wusste nur das er sich gerade anfing wohl zu fühlen und es nicht mochte wie Caelyn litt. Ihre feuchten Augen hatte er durchaus bemerkt, wenn auch nur sehr kurz, da sie umgehend diese in seine langärmlige Tunika verschwinden ließ. Cimon wusste nichts besseres als sie umarmt zu halten und leicht über den Rücken zu streichen, eben wie er es von seiner Mutter noch in erinnerung hatte.

  • Als Cimon wieder zu sprechen begann, sah ich auf. Ich hörte so was wie eine Unsicherheit aus seinen Worten heraus. Er begann zu stottern, was ich auf unser Umschlungensein zurückführte. Er war das bestimmt nicht gewohnt. Und ich war es auch nicht mehr. Das vergangene Jahr über hatte ich ziemlich isoliert gelebt. Mit einer Handvoll Sklaven hatte ich mich angefreundet. Allerdings war diese Freundschaft nicht so weit gegangen, dass wir uns umarmten. Ein Jahr lang ohne Umarmung und ohne Zuneigung, das war wie ein Sommer ohne Kirschen.
    "Doch ich bin schuld!" erwiderte ich vehement. Ich glaubte, nun war es an der Zeit, ihm die ganze Geschichte zu erzählen, damit er begriff, was ich getan hatte und weshalb ich mich schuldig fühlte.
    "Ich wollte unbedingt frei sein, schon vom ersten Tag an, hab ich an nix anderes gedacht. Ursus hat mir dann erlaubt, eine Arbeit zu suchen, mit der ich mir Geldverdienen konnte, damit ich mich freikaufen konnte. Eines Morgens bin ich dann in die Stadt gegangen, um mich umzuhören. Ich könnte mir heute noch in den Hintern beißen, dass ich auf diesen Drecksack von Griechen hereingefallen bin! Der hat mir erzählt, sein Herr würde jemand suchen wie mich. Ohne zu denken bin ich mit ihm gegangen und dann..." Ich atmete tief ein, denn immer noch tat ich mir schwer daran zu denken, was dann geschehen war.
    "Dann hat er mich überwältigt und verschleppt. In so einer Räuberhöhle bin ich dann wieder zu mir gekommen und ein paar Tage später haben diese Mistkerle an ein Lupanar verscherbelt. Wenn ich an diesen schmierigen Dreckskerl denke, wird mir jetzt noch schlecht!" Wenigstens hatte Celsus, dieses Schwein bekommen, was er verdient hatte.
    "Mein Bruder und Ursus haben sich auf die Suche nach mir gemacht. Irgendwie haben sie es geschafft, mich in dem Lupanar aufzuspüren. Ursus hatte sich als Kunde ausgegeben und nach einer wie mir verlangt. Ich hatte das erst gar nicht mitbekommen, denn die hatten mich mit irgend so einem Zeug ruhig gestellt. Alles hätte gut gehen können, aber dann eskalierte das ganze. Nachdem Louan den Besitzer des Lupanars getötet hatte wurde er von dessen Sklaven überrascht." Es fiel mir schwer, es auszusprechen, aber es musste sein! "Er hat ihn umgebracht!", schluchzte ich dann. "Louan starb in meinen Armen." Wieder vergrub ich mein Gesicht und musste heulen.

  • Fassungslos hörte Cimon gebannt den Worten von Caelyn zu. Er ließ sie nicht wirklich los, lockerte aber die Umarmung. Als sie fertig war konnte der Nubier zunächst nicht sprechen. Dann nahm er sie langsam und doch mit Nachdruck in die Arme. Nah an ihrem Kopf atmete er tief durch und war erst nach einigen Momenten in der Lage seine Worte, die er in sich trug auch zu artikulieren.


    "Caelyn? Du bist NICHT schuld! Dein Bruder...so wie du es sagst ist als Held gestorben. Wie schrecklich es war kann ich nicht einmal erahnen. Aber nicht du bist der schlechte Mensch... diese anderen...diese Schinder und Menschenverachtenden ....Tiere sind es die Schuld in sich tragen."


    Er sagte dies aus tiefstem Herzen, denn seine Mutter, die selber eine Lupa war, musste jeden Tag...vieleicht sogar jetzt gerade, diese Ungerechtigkeit ertragen.
    Das sie ihren Kopf in seiner Tunika vergrub verstand er nur zu gut. Sachte legte er eine Hand auf ihren Hinterkopf um sie zu halten, wie er es selber mögen würde. Er war sich nicht sicher in dem was er tat. Doch er wollte sie unbedingt beruhigen und ihr ein wenig wiedergeben von dem was sie für ihn getan hatte. Dadurch spürte er es selber.... wurde er nicht auch gerade gebraucht? Noch nie war er wirklich wichtig gewesen. Cimon wusste auch nicht ob dies nun der Fall war. Allerdings war dies auch nicht wichtig.
    Sie brauchte jemanden, so wie er jemanden brauchte...zum reden, zum halten. Darin ergab er sich und versuchte einfach mal etwas weniger zu denken.

  • Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Aber ich fühlte mich erleichtert, nachdem ich Cimon alles gesagt hatte. Seit dem ich hier war, war das das erste Mal, dass ich darüber gesprochen hatte, was passiert war.
    Was Cimon mir sagte, war wie Balsam für mich. Er war da für mich und hielt mich fest. Dafür war ich ihm auch sehr dankbar. Eine ganze Weile blieb ich bei Cimon stehen und heulte mich aus, bis meine Tränen versiegt waren. Hatte erst dieser Nubier kommen müssen, um mir das zu sagen?
    Ich wusste nicht, was ich jetzt noch sagen sollte. Vielleicht Danke. Das wäre bestimmt nicht schlecht gewesen! Oder sollte ich jetzt besser gehen? Ich war so unentschlossen und schaute schniefend zu ihm auf.

  • Cimon hielt sie so lange fest, wie sie dies zulassen würde. Er blieb still und ließ sie sich ausweinen. Dabei strich er ganz leicht über ihren Rücken. Eben so wie er es von seiner Mutter noch kannte. Der Nubier wollte für sie da sein und spürte dabei die eigenen Probleme dahinschwinden.


    Als sie aufsah, begegneten sich ihre Augen, wobei er seine nicht mehr lösen konnte. Ihre stumme Frage wusste er nicht zu beantworten. Die Ratlosigkeit sah man ihm sicher auch an. Einerseits wollte er sie nicht loslassen, nicht gehen lassen aber andererseits auch nicht festhalten. Was war es wohl was sie wollte? Mehr als ein ebenso fragende Blick wurde in diesem Moment leider nicht aus seinen Überlegungen. Doch die Nähe wollte er nicht einfach so aufgeben. Freundschaft und Stärke zu zeigen, war ihm nun wichtig. Dabei hoffte er das sie ihn nicht falsch verstehen mochte. Obwohl er sich selbst in diesem Augenblick nicht richtig verstand.

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