Das Meer war stürmisch um diese Jahreszeit, wie auch Axilla zu ihrem Leidwesen feststellen musste. Die Wellen waren hoch und das Meer grau, und häufig mussten sie unter Deck bleiben und durften nicht hinaus. Trotz des Tees, den Imperiosus ihr angeboten hatte, war ihr ständig übel. Schließlich hatte sie nichts mehr gegessen, weil ohnehin alles postwendend wieder herauskam und sie sich anschließend noch elendiger fühlte als davor. So ernährte sie sich eigentlich nur von einer oder zwei Scheibchen Schiffszwieback am Tag und Wasser, was ihr aber ansonsten nicht viel auszumachen schien. Lediglich das Eingesperrtsein unter Deck schlug ihr doch sehr aufs Gemüt, so dass sie verhältnismäßig ruhig war.
Doch heute war es anders. Der Wind hatte sich fast vollständig gelegt und es hatte aufgeklart. Das Meer lag ruhig da, so dass das Schiff nur ganz leise schaukelte und man das Rollen und Ächzen der Balken im Schiffsbauch deutlich hören konnte, während es sich knarrend und langsam durch die Wellen schob. Die Sonne war schon lange untergegangen, aber Axilla konnte nicht schlafen.
Sie waren schon fast in Italia, hatte der Kapitän gestern gesagt. Noch zwei oder drei Tage, und sie würden die südliche Spitze des Landes erreichen, und dann nochmal zwei Tage, und sie wären in Ostia angekommen. Lange würde es also nicht mehr dauern. Dann war sie tatsächlich in Rom!
Leise stieg Axilla aus ihrem Bett. Sie hatte nur eine kurze Tunika an, aber das störte sie nicht. Ihre Haare waren zu einem einfachen Pferdeschwanz lässig im Nacken zusammengefasst. Barfuß schlich sie über die knarzenden Bodendielen und öffnete leise die Tür. Die anderen Passagiere schliefen sicherlich schon, und sie wollte niemanden wecken. Wie ein Schatten huschte sie den kurzen Gang entlang und nach oben auf Deck.
Die Matrosen, die heute nacht ihren Dienst versahen, schauten sie fragend an. Ein Finger auf den Lippen und ein leises “Shh“, begleitet von einem strahlenden Lächeln ließen die Männer aber nur lächelnd den Kopf schütteln und ihrer Arbeit nachgehen. Von ihrem etwas aufgedrehten, jungen Gast hatten sie schon ein wenig mitbekommen, so dass dieser nächtliche Ausflug nicht weiter wunderte. Vor allem, wenn man bei der Gelegenheit auch noch gebräunte, lange Mädchenbeine und nackte Füße bewundern durfte, drückte man(n) gerne mal ein Auge zu.
Axilla jedoch kümmerten die Blicke nicht. Sie bemerkte sie nichtmal. Ihr Ziel war der Bug, wo einem der ganz leichte Fahrtwind frisch um die Nase pfiff. Sie saß dort vorne gerne auf der Taurolle, die erst wieder in Ostia gebraucht werden würde, um das Schiff am Pier festzumachen. Und auch heute setzte sie sich auf das dicke, gerollte Hanfseil und schaute hinauf in den Himmel.
Es war Neumond, so dass es sehr dunkel war. Hier vorne blendete das Licht vom Heck des Schiffes, wo der Steuermann stand, nicht mehr, und man sah den nachtschwarzen Himmel wie ein Samttuch über sich. Die Sterne waren so hell, Axilla streckte einmal verspielt den Arm aus, als wolle sie sie berühren. Verträumt zeichnete die Sternbilder leicht nach, die sie kannte und genoss einfach das klein bisschen Freiheit, das sie hier für den Moment gefunden hatte.