• Im triclinium war bereits alles für diese kleine cena vorbereitet worden. Dies war der Abend des Tages, an dem Celerina sich dazu entschlossen hatte, einen Aufenthalt in Ostia dem in Rom vorzuziehen. Dementsprechend schwankend war meine Laune, da ich mich einerseits seltsam losgelöst von alledem fühlte, andererseits ein innerer Aufruhr von mir Besitz ergriffen hatte, der mir sagte, dass es dringlichst eines Gesprächs mit ihr bedurfte, um die Angelegenheit zu klären. Praktischerweise aber gingen mir die Ausreden nicht aus, weshalb ich nicht einfach umgehend nach Ostia reisen und mit meiner Frau streiten sollte. So bot beispielsweise diese cena im gemütlichen Rahmen einen vortrefflichen Grund.


    Als der Türgehilfe den Duccius ins Esszimmer führte, erhob ich mich von der cline, um ihn zu begrüßen. "Duccius! Schön, dich so bald wiederzusehen. Bitte, lass dich nieder. Ich hoffe, dein Hunger ist genauso groß wie der meine", begrüßte ich meinen Gast. Als ich selbst wieder bequem lag, fragte ich ihn: "Wie geht die Renovierung eures Hauses voran?"

  • "Danke, dass ich so zeitig vortreten darf, Senator.", floskelte Vala gekonnt, als er in den Raum geführt wurde, und ließ sich wie angeboten auf einer Kline nieder. Der Versuch, seine Überraschung ob des Essens zu verbergen, gelang ihm nicht ganz. Was einfach daran lag, dass er sich immernoch nicht an die stete Verfügbarkeit von Nahrung gewöhnen konnte. Zeit seines Lebens hatte Vala mehr gehungert als gelebt, und jetzt auf einmal wurde er von allen Seiten mit Mahlzeiten bombardiert, die an einem Tag das in ihn hereinzwängen wollten, wofür er früher in einer Woche dankbar gewesen wäre.


    "...natürlich, vielen Dank.", holperte Vala dann nichtmehr ganz so eloquent durch die nächsten Worte, woran auch die Erwähnung der Renovierung nichts änderte. Er überlegte erst, ob er sich wirklich rausreden wollte, entschied sich dann aber für die nackte Wahrheit: "Um ehrlich zu sein, es war eine absolute Katastrophe. Ich habe mein Finanzvolumen gründlich überschätzt, und die Penetranz der Handwerker unterschätzt, wenn man so will. Das Heim meiner Familie war für ganze zwei Wochen besetzt, von Menschen, die durchaus einen Anspruch auf Vertragsgemäße Bezahlung hatten. Ich musste mir Geld von meinem Oheim leihen, um diese peinliche Situation zu lösen, aber mittlerweile ist alles wieder in Ordnung. Man kann in der Casa wohnen, ohne dass man Gefahr läuft, von herabfallenden Mauerstücken erschlagen zu werden. Und ich bin um die Erfahrung schlauer, dass Renovierungen in Rom genauso viel kosten wie ein ganzes Domus in Mogontiacum."

  • Bei dem Dank des jungen Duccius winkte ich ab und lächelte. War er nervös, oder warum sah er so seltsam drein? Doch er schien sich zu fangen und erzählte dann, wonach ich ihn zuvor gefragt hatte. Zunächst hoben sich überrascht meine Brauen, dann musste ich schmunzeln und letztendlich bahnte sich ein kurzes Lachen einen Weg nach draußen. Ein Sklave reichte uns beiden je einen Becher verdünnten Weines an. "Verzeih mir, es ist nicht nett, sich über das Pech eines anderen lustig zu machen. Aber bei deiner Schilderung ist mir wieder eingefallen, wie verwundert ich damals über die Instandsetzungssumme für die villa rustica in Mogontiacum war, als mein Verwalter sie mir präsentierte. Ich hatte die sechsfache Summe angenommen, deswegen muss ich wohl ebenso verdutzt ausgesehen haben wie du, als du deine Handwerker auszahlen solltest." Ich schmunzelte immer noch, hob aber meinen Becher und prostete Vala zu, um anschließend einen Schluck zu nehmen. "Ich hoffe, dass es jetzt etwas wohnlicher bei euch ist. Aber kannst du jetzt meine Frage nach dem Verkauf bei unserem letzten Treffen verstehen?"


    In jenem Moment steckte eine Küchensklavin ihren Kopf hinein und sah fragend in meine Richtung. Nach einer entsprechenden Geste verschwand sie wieder, um den ersten Gang aufzufahren. "Wie ist es dir denn in der Zwischenzeit ergangen? Hast du dir all das ansehen können, was dich interessiert hat?" fragte ich.

  • "Oh ja, das kann ich. Auch wenn ich jetzt froh bin, es doch so gemacht zu haben, wer weiß, wofür ich die Bude noch brauchen kann.", zog Vala ein eher positives Resumee aus dem ganzen Ärger, "Ich darf sagen, dass ich Rom mittlerweile viel besser kenne als bei unserem letzten Treffen, wobei ich immernoch das Gefühl habe, mich ständig verlaufen zu können. Und irgendwie haben alle Menschen, die ich treffe, irgendwas mit einem enorm hohen Tier zu tun. Man kann hier quasi garkeine unwichtigen Leute treffen. Was ich schon ein wenig merkwürdig finde."

  • Seine Erwiderung klang fast so, als wollte er ein lupanar aus dem Haus machen, oder es zumindest untervermieten. Ich hoffte, dass, was immer er auch plante, er keinen Ärger mit Lando deswegen bekommen würde. Ein Schmunzeln entstand auf meinen Zügen. "Ich weiß, was du meinst. Aber daraus schließe ich, dass du bisher nicht in der subura gewesen bist. Ich kannmir schwerlich vorstellen, dass du da Leute triffst, die gute Beziehungen haben."


    Jetzt kam die Küchensklavin wieder hinein, eine Platte balancierend. Neben kleinen Schüsselchen mit Oliven, Sauce, Brot und Nüssen gab es mit Mohn und Honig übergossene, gegrillte Siebenschläfer. Die Sklavin begann, jedem von uns einen Teller zu füllen. "Hast du in der Zwischenzeit etwas von unserem Patron gehört? Ich hatte ihm vor einer ganzen Weile geschrieben, habe jedoch keine Antwort erhalten bisher." Was mich schon etwas beunruhigte.

  • "Meine Arbeit hat mich bisher nur in den Kerngebieten der Stadt verkehren lassen, das stimmt.", gab Vala freimütig zu, und beobachtete interessiert wie die Köchin das Essen servierte. Zuhause war die Küche durch und durch traditionell gestimmt, römisches Essen kam kaum auf den Tisch, und wenn dann nur ausnahmsweise (mal von der Begeisterung für Oliven abgesehen, die einige in der Gens teilten). Und Valas Erfahrung mit Lebensmitteln war eh eine sehr eigentümliche: er war froh, wenn es überhaupt was zu essen gab. So kam ihm alleine schon dieser Gang vor wie ein Festmahl, weigerte sich sein durch Hunger und Entbehrung geprägter Geist standhaft, derartiges als Normal zu betrachten.


    "Eh, ich muss zugeben: nein. Als ich abgereist bin, steckte Vinicius Hungaricus gerade in den Vorbereitungen zu einer umfassenden Rundreise durch sein neues Herrschaftsgebiet, ich denke, das wird ihn einige Zeit lang beschäftigt halten."

  • So gesehen war auch die subura ein Kerngebiet der Stadt, wenn auch keines, das man einem jungen und engagierten mann zur politischen Kontaktaufnahme empfehlen konnte. Ich nickte also nur und betrachtete dann kurz die Sklavin, die soeben Vala einen gefüllten Teller reichte und sich dann daran machte, meinen eigenen zu füllen.


    "Das erklärt einiges", kommentierte ich seine Bemerkung zur Inspektionsreise. "Dann werde ich wohl noch eine Weile warten müssen." Ich nahm meinen Teller entgegen und begann mit einem in Soße getauchten Stück Brot. "Lass es dir schmecken." Ich jedenfalls ließ es mir schmecken. "Du hast in deinem Brief von einem Anliegen geschrieben?" fragte ich dann recht direkt und sehr interessiert, während ein Sklave beiden Wein nachschenkte. Irgendwo im Haus waren Schritte zu hören, die zunächst lauter wurden und dann wieder verklangen. Vermutlich war soeben jemand nach Hause gekommen.

  • "WIR werden noch eine Weile warten müssen, Senator.", witzelte Vala, der schließlich auch auf eine Antwort seines Patrons zu einigen Fragen wartete, die ihm das Leben in Rom etwas weniger undurchsichtig machen sollten.


    "Mich treiben zweierlei Dinge um, Senator.", begann Vala nach einem Happen seine Anliegen zu erläutern, erfreut, dass der Patrizier so unvermittelt auf den Punkt kam, "Einerseits möchte ich dir von einem Projekt berichten, dass die Struktur der Provinzen, sowohl kaiserlicher wie auch senatorischer grundlegend verändern, nein, lass mich sagen: optimieren soll. Der Comes der Regio Germania Superior, Tiberius Caecilius Metellus, hat zusammen mit meinem Vetter, Tiberius Duccius Lando, eine Neustrukturierung der Provinzen und eine Verlagerung der Verwaltung in die unteren Ebenen entworfen, um die Civitates stärker in ihre eigene Verwaltung einzubinden und sie letztendlich noch stärker dem Vorbild Roms anzugleichen. "


    Vala nahm sich die Zeit, etwas von seinem Teller zu essen während der Senator still über seine Worte nachdachte, und begann nach einem Schluck ausserordentlich guten Weines (sofern ein Amateur auf dem Gebiet, wie Vala es war, das überhaupt beurteilen konnte) mit seinem zweiten Anliegen: "Zudem bin ich auf der Suche nach einem neuen Betätigungsfeld. Meine Arbeit beim Praefectus Praetorio geht dem Ende zu, und ich würde mich gerne näher in das politische Feld begeben, da ich doch großes Interesse an der Mechanik habe, die das Reich aufrecht hält."

  • Ich schmunzelte vergnügt, nickte aber. Dann widmete ich mich kurzzeitig wieder meinem Teller und lauschte dabei interessiert den Ausführungen des Ducciers. Es gab also einen Restrukturierungsvorschlag für die Provinzverwaltungen? Ich ließ ihn zu Ende erklären und dachte dann still eine Weile über diese Informationen nach. "Das klingt interessant", gab ich dann zum Besten und nickte beipflichtend. "Mich erstaunt gerade, dass du von den Provinzen sprichst. Ich hätte angenommen, dass es nur um Germanien geht. Ich würde gern mehr darüber hören. Inwiefern gedenkt ihr, die unteren Ebenen stärker einzugliedern und der stadtrömischen Verwaltung anzugleichen?" Fragend sah ich Vala an und hob den Weinbecher, um einen tiefen Zug zu nehmen.


    Sein zweites Anliegen war nicht weniger überraschend für mich. "Das kann ich verstehen. Prudentius Balbus ist ehermilitärisch veranlagt, auch wenn sein Name doch auch in politischen Kreisen des Öfteren genannt wird. Ich habe ihn immer als einen Mann des Militärs angesehen. Eine Rolle, die er gut ausfüllt, auch wenn ich für meinen Teil nicht gern an seiner Stelle stünde." Ich schmunzelte kurz. "Mit anderen Worten suchst du einen neuen Arbeitgeber", resümierte ich. "Was sind deine Zukunftspläne? Welche Laufbahn gedenkst du einzuschlagen?" Der Gedanke, dass es einen Duccier im Senat geben konnte, war seltsam, aber interessant. Warum eigentlich nicht, überlegte ich, und steckte mir ein Stück Siebenschläfer in den Mund.

  • Vala nahm die Fragen des Senators mit wachen Ohren auf, war dies doch ganz anders als bei Gesprächen, die er zuvor mit Entscheidungsträgern geführt hatte: die meisten hatten sich nicht einmal wirklich dafür interessiert, und hatten ihm Blankocheques ihrer Unterstützung zugesichert, einfach weil er die richtigen Namen nennen konnte. Daher verwunderte ihn die Frage schon, aber gerne ging er ins Detail: "Das römische Optimat besteht in der Herausforderung an unterworfene und verbündete Völker, sich nach dem Vorbild Roms selbst zu verwalten. Dies ist allerdings ungünstig umgesetzt, der Ordo Decurionum repräsentiert zwar den römischen Senat, hat aber kaum Befugnisse das Leben in den Civitates zu gestalten, während die Regionalverwaltung überhaupt nicht dem Leitbild Roms entspricht, und bis auf wenige polizeiliche und verwaltungsrelevante Kompetenzen eigentlich vollkommen an den Bedürfnissen der Civitates und ihrer Bürger vorbeiagiert. An dieser Stelle dürfte anzumerken sein, dass es gerade zwei Beamte der Regionalverwaltung in Germania waren, denen diese Gedanken gekommen waren."
    Vala nahm einen Schluck Wein zu sich, während er seine Gedanken sortierte und den weiteren Verlauf der Erklärung vorbereitete: "Es mag seltsam anmuten, dass gerade zwei Beamte der Regionalverwaltung ihre eigene Amtssphäre wegreformieren wollen, aber die Vorteile lagen auf der Hand: die Bürger der Civitates nehmen jetzt schon inoffiziell verwaltende Tätigkeiten in ihren Lebenswelten wahr, ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass dies in ihrer Tradition liegt: Stämme verwalten sich selbst, egal ob jene, die von euch Germanen genannt werden, keltische oder iberische, und sie könnten die Abgabenerhebung selbst organisieren. Immerhin hätte Rom in Persona des Legaten immernoch die Einhaltung der Abgaben im Blick."


    Ein weiterer Schluck, eine weitere Pause: "Kurz zusammengefasst: das Amtsgefüge müsste nach unten verlagert werden, was kurzfristig mehr Ämter, aber dafür eine optimalere Verwaltung der Ländereien mit sich brächte. Der Vorteil des ganzen: eine stärkere Identifizierung der Bevölkerung mit Rom, und die Basis der römischen Macht in den Civitates und somit in den Provinzen wäre auf eine breitere Basis gestellt. Und all dies auf dem unerschütterlichen Grund des römischen Gesetzes, und weniger durch die Oberhoheit einer ineffektiven Regionalverwaltung. Natürlich hätte dies einen entsprechenden Effekt auf die Provinzverwaltung, aber unserem Patron wurde dies schon vorgelegt, und daher kann ich behaupten: auch dem Legaten liegt etwas an der Reformierung seines Machtbereichs."


    Der Aurelier bewies seinen Sinn für prägnante Konversation, und ließ Vala dementsprechend nur zustimmend nicken: "Ja, ich suche einen neuen Arbeitgeber. Allerdings muss ich betonen, dass dies nicht aus Unzufriedenheit mit meinem derweiligen geschieht. Prudentius Balbus hat mir viel beigebracht, ist ein Freund meiner Familie und nicht umsonst einer der Großen in Rom. Dies zu seiner Ehrenrettung..", schmunzelte Vala, während er den dargebotenen Faden aufgriff, "..nun aber zu meinen Vorstellungen. Wie du vielleicht weißt, war mein Vater Quaestor im Cursus Honorum. Hatte aber nie den Stand des Senators erreicht, weil seine Liebe zur Heimat stärker war als sein Drang, Rom zu bewegen. Diesen Fehler werde und will ich nicht begehen. Um präzise zu sein: ich will in den Senat. Ich will den Cursus Honorum beschreiten. Was genau ich dort erreichen will, werde ich entscheiden, sobald ich die Möglichkeiten ausgelotet habe. Allerdings habe ich ein.. wie soll ich es sagen..."


    Vala stockte, und legte eine Kunstpause ein um sich wieder dem Wein zu widmen, damit seine trockene Kehle mit dem Getränk wieder leistungsfähiger wurde: "Mich reizen die Ämter des Volkstribuns und des Volksädils. Wie du weißt sind die Wurzeln meiner Gens nicht nur simpel peregrin, sie sind für viele barbarisch. Allerdings baut die Macht Roms darauf auf, dass sich auch die peregrinen Bewohner für den Erhalt des römischen Staats einsetzen. Sie zahlen steuern, sie dienen in den Auxiliares, sie formen ihre Lebenswelten aktiv mit. Ich kann es nicht weit bringen, wenn ich meine Herkunft und die Weisheiten, die mich diese lehrt ausblende und vergesse. Ich bin Bürger Roms, aber ich weiß um die Menschen, die es nicht sind."

  • Für mich war es nur selbstverständlich, dass ich nachfragte, worum es sich handelte, wenn mich jemand um Unterstützung für ein Projekt bat. Ich aß, während Vala mir davon berichtete, was Lando und der Caecilier sich ausgedacht hatten.


    "Das klingt mir nach einem sehr gut durchdachten Plan. Allerdings dürfte dann vermutlich eine Menge Arbeit auf den Legaten zukommen, der der Provinz vorangestellt ist." Ich runzelte die Stirn. "Ich kann mir schon denken, wie dieser Vorschlag im Senat ankommen wird. Immerhin ist diese Umstrukturierung ein heikles Unterfangen, da die nicht-römische Bevölkerung mehr Einfluss ins Geschehen erhalten würde, und das liegt eigentlich nicht im Ermessen des Senats. Es wird eine Menge Senatoren geben, die nur sehen werden, dass die Peregrinen gestärkt werden. Dementsprechend ablehnend werden sie wohl auch reagieren", prophezeihte ich und ließ dabei offen, wie ich selbst die Sache sah.


    Ich nahm einen Schluck Wein. "Das sind löbliche Ansichten, die du da vertrittst. Ich habe dir bereits einmal gesagt, dass ich den Einsatz deiner Familie für Rom schätze. Ich kann das nur wiederholen und anbieten, dir behilflich zu sein. Ich will dir aber auch den Werdegang von Annaeus Florus ins Gedächtnis rufen. Du und er, ihr habt auf gewisse Weise eine gemeinsame Vergangenheit, denn auch er hat pererinische Wurzeln und ist jetzt Senator. Was gab es damals für ein Gezeter wegen seiner Berufung in den Senat", erinnerte ich mich. "Viele Senatoren waren damals der Meinung, dass man so jemanden nicht in den Senat lassen kann. Du solltest dich also darauf gefasst machen, dass genau diese Ablehnung auch dich treffen kann, solltest du irgendwann an der Schwelle zum Senat stehen." Ich griff nach einer Olive. "Gerade unser Patron hat seine Meinung diesbezüglich sehr deutlich gemacht. Hast du mit ihm darüber gesprochen?"

  • "Nun..", begann Vala, "..dem Legaten würde selbstverständlich ein umfassender Stab an niederen und höheren Beamten zur Seite gestellt, um die Aufgaben der Verwaltung deligieren zu können. Aber im Grunde genommen wird sich sein Aufgabenpensum kaum erhöhen, da die Pflichten und Rechte vornehmlich auf die Civitates verteilt würden, die dem Legaten und letztendlich dem Kaiser Rechenschaft für ihr Tun ablegen müssten. Die Reform stellt keine einseitige Begünstigung der ländlichen Bevölkerung dar, man sollte sie eher als Moderation von Selbstverantwortung betrachten. Natürlich werden die Peregrinen dadurch bestärkt, aber gerade Beamte in den Provinzen kennen die Wirklichkeit: nur in Städten mit Legion- und provinzialem Verwaltungsapparat haben sich genug Bürger niedergelassen, um eine restriktive Kompetenzzuteilung zugunsten der Civites zu ermöglichen. In vielen Civitates, und ich spreche da durchaus von meiner Heimatprovinz, sind Familien mit Bürgerrecht, alteingesessene wie auch neuernannte, in der absoluten Unterzahl, und diese können daher garnicht eine zuverlässige Verwaltung ihrer Civitates gewährleisten. Deshalb wollen wir den Civitates selbst überlassen, wer in welches lokale Amt aufsteigen darf und wer nicht."


    Der Aurelier vertrat eine durchaus realitätsnahe Sicht auf die Möglichkeiten für Vala, gewisse Schwierigkeiten zu bekommen wenn er seine Ziele weiter verfolgen wollte: "Ich bin mir dessen bewusst. Allerdings war schon mein Vater Quaestor Principis und damit persönlicher Sekretär des Kaisers. Es ist nicht so, als würde ich direkt aus dem germanischen Wald in die Curia Iulia eintreten wollen.", ein Schluck Wein verschuf Valas fusseligem Mund Abhilfe, "Ich habe unserem Patron gegenüber nicht verheimlicht, welches Ziel ich anstrebe. Er nahm mich trotzdem als sein Klient an, von daher gehe ich davon aus, dass er meine Pläne unterstützen wird."

  • "Gut, da hast du natürlich recht. Wobei ich mir immer noch nicht vorstellen kann, dass der Senat in seiner Mehrheit dem Projekt zugetan ist", erwiderte ich nachdenklich und aß ein weiteres Stück Fleisch. "Hast du mit dem tiberischen consul schon darüber gesprochen oder mit Aelius Quarto, dem Bruder des Kaisers?" fragte ich dann nach. Es wäre sicherlich ein kluger Schachzug, diese beiden hinter sich zu wissen und damit womöglich Salinator zu umschiffen.


    Beim Vergleich mit einem germanischen Barbaren direkt aus den verschneiten Wäldern musste ich schmunzeln. Aber Vala war sicherlich klar, dass ich das so nicht gemeint hatte. Ein wenig verwunderte es mich zunächst, dass Hungaricus die Pläne des Ducciers akzeptierte, wo er doch Florus' Engagement abgeneigt gewesen war, doch dann überlegte ich mir, dass Vala wohl schon als Römer geboren worden war, weil sein Vater bereits im cursus honorum gedient hatte, und sich damit Valas Abstammung auf peregrinische Wurzeln beschränkte, nicht aber auf eigenen peregrinischen Einstieg in das römische Reich. "Dann werde ich das ebenfalls tun. Ich sehe in dir mehr Potential als damals in Annaeus Florus", gab ich zurück und griff nach meinem Weinbecher. "Hast du Balbus bereits davon in Kenntnis gesetzt, dass du dich anderweitig orientieren möchtest?"

  • "Der Konsul steht bereits auf meiner Liste der zu besuchenden Persönlichkeiten, um das Projekt voranzutreiben. Der Aelius allerdings nicht, glaubst du, es wäre eine gute Idee, ihn aufzusuchen?", antwortete Vala, während sein Blick über die angerichtete Tafel strich um auszuloten, was er sich als nächstes einverleiben wollte, "Und ich glaube, die Mehrheit für dieses Projekt sicher zu stellen wird eine meiner Hauptaufgaben in den nächsten Monden sein."


    Er entschied sich letztendlich für ein Stück Geflügel, das er mit einem Schluck Wein zu sich nahm. Wobei ihm auffiel, dass Wein eine viel bessere Gabe zu salzigem Essen war als Bier oder gar Met. Vala begriff, dass sein Wissen über die römische Küche mehr als nur dürftig war, und es da eindeutigen Nachholbedarf gab.


    "Annaeus Florus... der Name sagt mir genausoviel, wie er mir nichts sagt. Er war Praefekt der Flotte in Misenum, richtig? Was war denn so besonders an diesem Mann? Dass er peregrine Wurzeln hat, dürfte wohl nicht alles sein, oder?"


    Ein weiterer Schluck Wein, und in Vala reifte die Erkenntnis, dass die Wahl des Weins durchaus über Gedeih und Verderb eines gesellschaftlichen Essens entscheiden konnte.


    "Was? Selbstverständlich habe ich mich mit Balbus darüber unterhalten..."

  • "Ja, das halte ich für sinnvoll. Nicht nur, weil er der Bruder des Kaisers ist, sondern weil er ein angesehener Consular ist, der weitreichende Beziehungen hat. Viele Mitsenatoren betrachten ihn als ihren Patron", erwiderte ich Vala. "Wenn du ihn überzeugen kannst, hast du vermutlich mit einem Schlag viele Stimmen für euer Projekt gewonnen." Ich tat es meinem Gast gleich und nahm mir einen Hühnerflügel. Viel Fleisch war nicht daran, aber dafür war die gewürzte Haut umso krosser als es bei Hühnerbeinen der Fall war. Mit beiden Händen den Flügel haltend, begann ich, ihn abzunagen.


    "Ja, das stimmt. Eben, so besonders fand ich ihn nicht, um ehrlich zu sein. Er hatte scheinbar eine Unmenge an Handelsverträgen mit dem Königreich Tylus, konnte aber meines Wissens außer seiner Präfektur bei der Flotte nicht allzu viel vorweisen. Inzwischen ist es auch sehr still um ihn geworden. Ich glaube, er befindet sich gar nicht mehr in Rom", erwiderte ich, nachdem ich einen Bissen mit Wein heruntergespült hatte. Ein Sklave reichte sowohl Vala als auch mir in diesem Moment eine Schüssel mit warmen Wasser an, und ich tauchte die Finger kurz hinein, um sie mit einem anschließend angereichten Tuch abzutrocknen. "Nun", begann ich. "Ich könnte Hilfe benötigen, sofern ich zum aedilis curulis gewählt werde. Wenn du möchtest, könnten wir da ins Geschäft kommen." Ich schmunzelte. "Zumindest würdest du etwas anderes sehen als eine castra, obwohl es sicherlich auch nicht schlecht ist, wenn man alles einmal gesehen hat."

  • "Dann werde ich ihn wohl aufsuchen.", schloss Vala knapp und machte sich eine mentale Notiz, dem Aelier beizeiten einen Gesprächswunsch zukommen zu lassen.


    "Wie gesagt, ich kenne diesen Menschen nicht. Aber es gibt wohl eine Menge Menschen, die durch mehr oder weniger lautere Dinge zu Einfluss und Ansehen gekommen sind. Das sind beides Dinge, an denen man sich nicht messen lassen kann, wenn du mich fragst.", sinnierte Vala, und merkte natürlich nicht wie just in diesem Moment ein Gespräch auf ihn abfärbte, das er eigentlich noch garnicht geführt hatte.
    "Wenn du meine Hilfe benötigst, werde ich sie dir nicht verweigern.", sagte Vala auf sehr germanische Art und Weise dem Angebot zu, für den Aurelier zu arbeiten, "Ich denke ich werde es einrichten können mich zum Anfang den kommenden Iden freizustellen, bis dahin werde ich die größte Arbeit für Balbus erledigt haben, den Rest lässt er mich mit Sicherheit in meiner nicht vorhandenen Freizeit erledigen."


    Innerlich rieb Vala sich die Hände. Ein Schritt näher.

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