Ravenna | Domus des Aelius Calvaster

  • War das...das war...ja, das war's. Caius bemerkte keinen Unterschied. Für einen Moment vergaß er dann doch sogar, dass ihm das alles trotzdem etwas komisch vorkam, die Angst vorher in ihrem Blick, dann die plötzliche Begierde. Seine eigene Anspannung entlud sich wie die von Axilla vorher (glaubte er zumindest), und mit klopfendem Herzen blieb er einfach auf ihr liegen, natürlich nicht mit dem vollen Gewicht. Von Axillas inneren Vorwürfen bemerkte er gar nichts. Und wenn, hätte er nicht mal was dazu sagen wollen oder können, sondern hätte sie wohl einfach nur festgehalten. Ja, er liebte sie. Aber er hatte auch noch gut ihre Antwort vom letzten Mal im Kopf, als er ihr das gesagt hatte. Ich weiß hatte sie gesagt. Und daran dachte er gerade wieder, und deshalb sagte er es jetzt nicht nochmal. Also blieb er nur liegen, stemmte sich aber eine Weile später hoch und legte seiner Frau sanft die Hände rechts und links an den Kopf.
    »Was hältst du davon, wenn ich dir heute ein bisschen die Umgebung zeige? Wir könnten etwas zu essen mitnehmen und unterwegs am See drüben im Wäldchen Halt machen«, schlug er vor. Ja, er bemühte sich wirklich. Und er wollte nichts unversucht lassen, diesen Strohhalm zu behalten, den er heute hier gefunden hatte, wie er glaubte. Was ihn noch zu folgendem Zugeständnis veranlasste:
    »Nur du und ich.« Caius lächelte und küsste sie auf die Nasenspitze.

  • Er ging nicht von ihr herunter. Normalerweise rollte er sich von ihr, und sie lagen schwitzend und atmend nebeneinander, aber dieses Mal blieb Archias auf ihr liegen, und Axilla blieb nicht viel übrig, als ihn einfach nur leicht zu halten und abzuwarten. Nachdem sich sein Herzschlag auch beruhigt hatte, stützte er sich ab und sah sie an, und in dem Moment hätte Axilla beinahe alles gestanden. Er sah sie so unendlich verliebt an, und sie kam sich so heuchlerisch und gemein vor, dass es ihr beinahe zuviel wurde.
    “Wenn du gerne möchtest“, kam es dann aber stattdessen aus ihrem Mund, auch wenn ihr Blick dem seinen auswich. Sie fühlte sich zu schuldig, um ihm ins Gesicht auch noch zu lügen. Auch wenn es keine wirkliche Lüge wäre, es wäre durchaus schön, die Gegend anzusehen. Vor allem ohne Wachen oder sonst jemanden. Axilla überlegte, wann sie zuletzt in einem Wald war, nur um in einem Wald zu sein? Das musste Ewigkeiten her sein. Das würde ihr sicher gut tun, glaubte sie. Dort konnte sie vielleicht etwas Ruhe finden. Vielleicht. Vielleicht...
    “Ja, ein bisschen im Wald sein wäre schön“, wiederholte sie dann nochmal leise, als sie doch wieder zu Archias schaute. Er liebte sie so sehr, das konnte sie ihm so deutlich ansehen.
    Dennoch ruckte sie ein wenig und sah dann einmal kurz auffordernd zur Tür, und dann wieder zu ihm. “Aber wir müssten erstmal aufstehen. Und frühstücken. Und ich sollte vielleicht vorher ins Balneum, damit deine Mutter nicht merkt, dass wir... du weißt schon.“ Sie hoffte nur, dass die Wände hier nicht allzu hellhörig waren, denn auch, wenn sie nicht unbedingt laut gewesen waren, ganz geräuschlos waren sie ja nun doch nicht gewesen. Und Axilla hatte keine Ahnung, wo die Zimmer von Archias' Eltern waren.

  • Sie sah ihn gar nicht wirklich an, und gleich fragte sich Caius, ob er was Falsches gesagt hatte. Erst sagte sie gar nichts dazu, das sie selbst betroffen hätte, das kam erst kurz danach. Es wäre schön, meinte sie. Caius' Lächeln, das ein wenig gelitten hatte, keimte da wieder auf, und er sah auch zur Tür, ihrem Blick folgend, und dann kurz grinsend.
    »Hm? Achso, klar«, sagte er und rollte sich dann doch von ihr runter. Ein wenig ratlos war er schon noch, auch wenn ihm erst gar nicht auffiel, dass Axillas Ablenkungsmanöver erfolgreich gewesen war. Wegen des Geräuschpegels machte er sich keine Sorgen, denn seine Eltern schliefen in einem anderen Teil des Hauses, und so laut waren sie nun auch nicht gewesen.
    »Möchtest du draußen frühstücken?« fragte Caius Axilla und setzte sich auf. Immerhin war es recht warm und sonnig, und das Haus verfügte hinten über eine recht nette Terrasse.
    »Ließe sich bestimmt arrangieren. Und später schnappen wir uns dann die Pferde und ziehen los.« Er wusste immer noch nicht so wirklich, was mit ihr los war, und er hätte gerade seine linke Hand dafür gegeben, das zu erfahren.
    »Soll ich Levi vielleicht bescheid sagen lassen?« fiel ihm dann noch ein.

  • Als er von ihr herunter war, setzte Axilla sich auf und blieb erstmal nur sitzen, die Knie wie immer leicht angezogen und einen Arm leicht darumgelegt. Sie fühlte sich noch ein wenig merkwürdig und ihr war auch ein bisschen schwindelig, so dass sie sich noch nicht ganz aufraffen konnte, sofort aufzustehen.
    “Frühstücken wir nicht mit deinen Eltern?“ fragte Axilla ein bisschen verwirrt. Immerhin waren sie hier ja zu Besuch, und auch wenn archias hier aufgewachsen war, im Moment war er doch Gast? Oder nicht? Axilla wusste nicht, wie das hier gehandhabt werden würde. Sie konnte sich nur nicht vorstellen, dass das Caenis gefallen würde, wenn sie nichtmal zum Frühstück da waren.


    Dann erwähnte er die Pferde, und Axillas leise aufkeimendes Gefühl der Freude bekam nochmal einen minimalen Dämpfer. Reiten war gut. Laufen war besser. Sie versuchte sich an einem kleinen Lächeln und stand dann auf, zog sich ihr Kleid über. Sie konnte ja nicht nackt ins Balneum laufen. “Wenn du so viel zeigen willst, sollten wir die Pferde nehmen. Aber ich dachte, wir wollten nur zu zweit los?“ Sie verstand das nicht. Eben noch hatte er das gesagt, und nun fragte er nach Levi. Abgesehen davon, dass Axilla dem armen Kerl nicht unbedingt antun wollte, ihn schon wieder auf ein Pferd zu setzen, wo er gerade erst runter war. Ihr Sklave war vieles, aber kein Reiter.
    “Aber ich muss erst einmal ins Balneum. Die Sklaven zeigen mir ja dann sicher, wo ich zum Frühstück hin muss?“

  • »Ich denk schon«, erwiderte Caius und kratzte sich träge an der Brust.
    »Aber wir könnten sie ja mit raus nehmen«, fügte er kurz grinsend hinzu.
    »Mam hat vielleicht sogar schon was gegessen, weiß nicht. Sie ist früher immer schon zeitig aufgestanden.« Vielleicht hatte sie gewartet, weil sie Gäste hatten, vielleicht auch nicht. Caius' Vater hatte meistens direkt das Mittagessen zum Frühstücken abgepasst oder morgens gar nichts gegessen. Er betrachtete Axilla dabei, wie sie ihren hübschen Körper in Stoff hüllte und versuchte dabei, ihren Gesichtsausdruck zu deuten.
    »Ja, nur wir zwei«, bestätigte er ihr, und dann zählte er eins und eins zusammen und kam auf seine Bemerkung mit Levi.
    »Brauchst du ihn nicht im Bad? Dann lass ich ihn schlafen«, erwiderte Caius, denn er hätte gedacht, dass Axilla auf ihren Leibsklaven nicht verzichten wollte bei der Morgentoilette. Andererseits konnten die Sklavinnen hier sicherlich schickere Frisurentürme bauen als jeder Kerl. Caius schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Sein Blick fiel dabei auf die zwei Fibeln, die auf der Kommode lagen. Er ging hin, nahm eine in die Hand und drehte sich dann zu Axilla um.
    »Weißt du noch, als ich mir fast den Fuß aufgespießt hab?« fragte er sie grinsend und wedelte kurz mit der Fibel herum. Er gab sie Axilla und schmunzelte nur noch. Kurz darauf wurschtelte er sich seine Tunika aus der Bettdecke und zog sie sich über.
    »Du bist sagenhaft, Axilla«, sagte Caius dann ernst, als er wieder vor ihr stand, lächelte gewohnt schief und küsste sie noch einmal auf die Wange. Es war fast wie damals, in Alexandrien. Fast.
    »Wir sehen uns dann gleich, ja? Ich schau mal, ob wir draußen frühstücken können.«

  • Axilla war sich nicht so sicher, dass das eine so gute Idee war. Archis Mutter wäre wohl weniger begeistert, wenn die Gäste ihr vorschrieben, wo sie zu frühstücken hatte. Und Axilla wollte sich nicht mit ihr anlegen oder noch weiter unangenehm auffallen. Wobei sie sowieso bei näherem Nachdenken überlegte, was Archias Mutter hatte. Immerhin war sie eine Iunia. So schlecht war das doch nicht, oder?
    “Das sehen wir ja dann“, wich sie nur aus und hoffte, dass Caenis ihrem Sohn schon die Meinung gesagt hätte, bis sie aus dem Bad wieder heraus war.


    Als er dann erklärte, weshalb er an Levi gedacht hatte, wurde Axilla einiges klar. “Ähm, achso. Also... nein, den brauch ich nicht im Bad. Ich hoffe, die Sklavinnen hier helfen mir, wenn cih was brauche. Aber Levi... schläft besser noch ein wenig.“ Den genauen Grund wollte Axilla lieber nicht sagen, weshalb Levi im Badezimmer keine so gute Idee war. Nun, meistens war es ja auch ganz in Ordnung, wie am vergangenen Tag, als er Kleidung gebracht hatte und nur kurz hinein und hinausgehuscht war. Axilla hatte da auch keine übertriebene Scham, als dass sie sich nicht ausziehen konnte, wenn ein männlicher Sklave zuschaute. Nur... Levi schaute halt zu. Und er reagierte auch manchmal, so dass sie es mitbekam. Ihm war das dann zwar immer noch peinlicher als ihr, aber trotzdem... ließ sie ihn lieber aus Bädern weitestmöglich eben heraus. Er war da einfach nicht wie Leander. Aber der hatte auch eine Vorliebe für Männer gehabt.
    Axilla suchte gerade nach einer Fiebel, damit das Kleid sich nicht gleich wieder verselbständigte, als Archias ihr diese winkend zeigte und dann gab. Sie steckte sie sich an und ein etwas trauriges Lächeln spielte kurz um ihre Lippen. “Selber schuld, du konntest ja auch nicht warten. Bei den anderen ja auch nicht.“ Das war ja beileibe nicht die einzige Fibel gewesen, die er geschrottet hatte. Auch wenn diese hier das Ganze gut überstanden hatte. Aber eine andere hatte er schonmal zerbrochen, als er sie aus ihrem Kleid im Schnellverfahren schälen wollte.
    Sie sah gerade wieder auf, weil sie fertig war, als Archias meinte, sie sei 'sagenhaft'. Axilla schaute ihn nur ein wenig verwirrt an und wusste nicht, was er damit meinte. Aber sie bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie es auf ihre jüngst vergangene Tätigkeit bezog, bei welcher er von falschen Voraussetzungen ausging. “Ähm... danke...“, meinte sie nur etwas zurückhaltend und kratzte sich verlegen am Arm.


    “Ja, ich lass mir dann einfach von den Sklaven sagen, wo du steckst“, meinte sie noch zum Abschied. Kurz überlegte sie, ob sie ihm zum Abschied noch einen Kuss geben sollte, aber sie ließ es bleiben. Es kam ihr einfach unehrlich vor. Zwar zuckte ihr Körper kurz in seine Richtung, und sie wusste auch nicht, ob er es gesehen hatte, aber sie vollendete die Bewegung nicht. Sie ging dann einfach ins Balneum.


    Dort angekommen ließ sie sich Zeit. Sie wusch sich, ausführlich. So ausführlich, dass die Sklavinnen kurz einen Blick tauschten, aber das war Axilla egal. Sie fühlte sich ekelig, weil sie getan hatte, was sie getan hatte, und das wollte sie abwaschen. Und so dauerte es eine ganze Weile, bis sie aus dem Wasser stieg, und eine noch größere Weile, bis ihre Haare gemacht und die Augenbrauen zurechtgezupft waren, ehe sie sich wieder ankleidete und dann schließlich einen Sklaven nach dem Verbleib ihres Mannes fragen konnte.

  • Caius hatte nur noch entschuldigend und ertappt gegrinst, als Axilla auf die anderen Fibeln zu sprechen gekommen war. Der anschließende Versuch, ihr die zu ersetzen, war dann ja nach hinten losgegangen. Aber Caius dachte besser nicht mehr daran, sondern wollte lieber Perisanders Vorschlag beherzigen und die Vergangenheit am besten ruhen lassen. Mit Axilla ging er aus dem Zimmer, sie nach links und er nach rechts, und er wunderte sich nicht darüber, dass sie ihn zum Abschluss nicht geküsst hatte, denn damit hatte er eh nicht gerechnet in dieser Situation. Und noch viel weniger Gedanken machte er sich in Bezug auf Levi.


    Einen Moment später, nachdem er sich selbst kurz in dem Gästezimmer gewaschen hatte, in dem er eigentlich hatte schlafen sollen, machte er sich auf die Suche nach anderen Lebewesen und hatte tatsächlich mal Glück im Unglück. Eine ältere Sklavin marschierte geradewegs mit einem Krug Milch und einer Schale Honig an ihm vorbei und raus auf die Terrasse, unterwegs einen morgendlichen Gruß murmelnd. Und tatsächlich saß dort unter einem Sonnensegel neben irgendeinem grünen Busch im Topf Caenis und schlürfte aus einem Becher.
    »Morgen«, grüßte Caius seine Mutter, die den Becher absetzte und ihn ganz arglos anlächelte.
    »Caius, guten Morgen«, sagte sie, als er sich in einen Sessel fläzte und nach einem Brotfladen griff, um sich ein Stück abzureißen.
    »Hast du gut geschlafen?«
    »Ja, ging so«, sagte er und zupfte an seinem Brot herum. Calvaster war wie erwartet noch nicht auf. Caenis beobachtete ihren Sohn einen Moment und nahm dann die Tasse wieder auf, aber ohne zu trinken. Sie sah ihn nachdenklich über den glasierten Rand hinweg zu, wie er sein Brotstückchen malträtierte. Das ging eine unendliche Weile so.


    »Kommt Axilla nicht?« durchbrach Caenis irgendwann die Stille und blinzelte Caius interessiert an. Der sah auf und musterte seine Mutter wiederum nachdenklich.
    »Doch«, sagte er schließlich.
    »Sie ist grad im Bad. Glaub ich.« Caenis nickte nur, machte ein stummes Ah, und widmete sich dann wieder ihrer Tasse. Caius saß in der Sonne und wartete. Und dachte nach. Über das, was eben passiert war. Über Axillas Reaktion. Ob sie ihm nur ausweichen wollte damit? Nein, das glaubte er eigentlich nicht. Wieder verging eine ganze Weile, in der Caius einfach nur sein Brot drehte und Luftlöcher in den Garten starrte. Er würde einen schönen Tag mit ihr verbringen, jawoll.


    »Axilla und ich machen heute einen Ausflug«, verkündete Caius dann und zog sich Caenis' Blick damit zu.
    »Wir wissen noch nicht, ob wir zur cena wieder da sind. Ich will ihr ein bisschen die Umgebung zeigen. Wir nehmen was zu essen mit....sag mal, schläft Paps noch?« Caenis hatte die Augenbrauen hochgezogen und sah ihren Sohn an.
    »Ja«, klagte sie.
    »Dabei hatte ich ihn schon vor einer ganzen Weile wecken lassen... Meinst du, dass ihr das gefällt? Sie macht einen ziemlich schüchternen Eindruck auf mich.« Caius seufzte.
    »Mam, wenn ich dich nicht kennen würde und du mir so einen herzlichen Empfang bereitet hättest, wäre ich auch schüchtern. Außerdem ist sie das gar nicht.« Caius schüttelte den Kopf und Caenis wollte etwas sagen, entschied sich dann wohl aber doch dagegen und nickte nur einmal kurz. Sie war immer noch der Meinung, dass Caius ruhig einen Ton hätte sagen können. Naja, ein kleines Bisschen hatte sie sich schon gehen lassen. Aber sie war eben überrascht gewesen!


    Als Axilla dann kam (die Sklavinnen hatten sie zur Terrasse geführt), sah Caius auf und lächelte. Sogar Caenis lächelte.
    »Guten Morgen, Kind. Setz dich doch«, sagte sie sehr freundlich und deutete auf den freien Sessel neben Caius, der Caenis gerade ein wenig misstrauisch beäugte.
    »Hast du gut geschlafen?«

  • Das. War. Unheimlich.
    Axilla folgte der Sklavin bis hinaus auf die Terrasse und sah sich einem lächelnden Caius – soweit noch einigermaßen normal – und einer freundlich lächelnden Caenis gegenüber. Und letztere lud sie auch geradezu herzlich dazu ein, Platz zu nehmen, und fragte auch noch danach, wie sie geschlafen hatte. Das war unheimlich. Un-heim-lich!
    Sie versuchte, nicht gar zu verschreckt auszusehen und sich an all das zu erinnern, was Urgulania ihr beigebracht hatte. So brachte sie ein durchaus freundliches Lächeln zustande, als sie auf den Tisch zuschritt und sich schließlich setzte. Die Hände legte sie erst einmal damenhaft in den Schoß, und sie versuchte leicht zu klingen. Ganz so, als wäre nichts. Wenn das von Caenis ein Spiel war, würde Axilla eben üben, mitzuspielen. Den gestrigen Tag konnte man vielleicht unter Nervosität bei der Ankunft verbuchen? Ja, ganz vielleicht ging das. Sie durfte sich jetzt nur nichts anmerken lassen.
    “Ja, sehr gut und sehr tief. Ich denke, das kommt von der Landluft.“


    Axilla sah auf das Brot und den Honig. Die Milch irritierte sie ein bisschen, sie hätte nicht gedacht, dass Archis Eltern etwas trinken würden, das als barbarisch und unzivilisiert galt. Aber sie würde sich hüten, da auch nur einen Ton darüber zu verlieren. Abgesehen davon hatte sie sowieso mal wieder absolut keinen Hunger. Nur würde sie vermutlich irgendwas essen müssen, weil sonst sowohl Archias als auch seine Mutter denken würden, dass etwas nicht stimmte. Aber vielleicht funktionierte ja die übliche Taktik, dass sie einfach nur ein wenig Essen auf dem Teller hin und her schob und dann zwei Anstandsbissen nahm. Das ging meistens ganz gut. Im Palast machte sie das so andauernd, und bislang hatte nie irgendwer was gesagt. Was aber auch daran liegen mochte, dass Archias ihre Portion gerne mal mitaß.
    “Darf ich ein Gas Saft haben?“ fragte sie formvollendet höflich und leicht lächelnd und umging so hoffentlich das Thema mit der Milch.

  • Axilla setzte sich, und die etwas ältere Sklavin kam auch gleich an und fragte sie mit stummem Blick, was sie denn auf ihrem Teller haben wollte. Caius fand das alles nicht besonders ungewöhnlich, auch die Milch nicht. Er mochte Milch, und besonders mit Honig und etwas aufgewärmt war die einfach nur lecker. Caenis warf der Sklavin einen auffordernden Blick zu, und daraufhin griff die auch zuerst mal zum Saftkrug und schenkte Axilla einen Becher voll. Das war Apfelsaft, den sie ihr reichte. Und dann nahm sie den Teller wieder und wartete. Caius hätte sie genervt. Er hätte sie weggeschickt. Er mochte das morgens nicht, wenn man zu aufdringlich war, und Caius fand die Sklavin gerade aufdringlich. Aber er konnte ja auch schlecht einfach seine Frau bevormunden und die Alte wegschicken.


    »Das ist schön«, bemerkte Caenis gerade auf Axillas Worte. Sie suchte sichtlich nach einem Gesprächsthema.
    »Ein hübsches Kleid.« Caius warf seiner Mutter einen kokelnden Blick zu. Er wollte ja, dass sie sich Mühe gab, aber so plump war sie da grad, dass sogar ihm das auffiel. Dabei war das sogar sehr ernst rübergekommen. Sie erwiderte seinen Blick und hob eine winzige Winzigkeit die Schultern an. Caius entschloss sich dazu, die Situation irgendwie zu retten. Nur wie...keine Ahnung.
    »Wir wollen recht bald los, dann«, sagte er in die Runde.
    »Ich hab eben schon erzählt, dass wir einen Ausflug machen«, erklärte er dann Axilla und lächelte sie kurz an.
    Schweigen. Caius tunkte sein Brot in den Honig und kaute darauf rum.


    »Und....warst du schon einmal so weit im Norden, Axilla?« fuhr Caenis dann fort. Caius wäre am liebsten mit samt dem Frühstück aufgestanden und mit seiner Frau sofort losgezogen.

  • Caenis blieb weiterhin unheimlich. Während Axilla ihren Saft bekam und die Sklavin auch gleich noch dablieb, um Axilla das Essen zu reichen, fragte sie in geradzu auffallend freundlichem Ton nach dem Kleid. Axilla versuchte, der Sklavin stumm klar zu machen, dass sie ihr einfach den Teller wieder geben sollte und sie sich schon nehmen würde, was sie wollte, als sie von Caenis angesprochen wurde und erstmal ihre Aufmerksamkeit hier vonnöten war. “Danke. Ich habe es vor fünf Wochen in Rom auf einem der Märkte gekauft. Ich fand den Stoff ganz hübsch.“ Eigentlich hatte sie es für den Herbst gekauft und der Händler hatte nichts Grünes in vergleichbarer Qualität gehabt, da hatte sie gedacht, sie machte Archias die Freude, etwas Blaues anzuziehen. Er mochte ja Pferderennen so gern und seine Factio Veneta. Ihr selber war das ja recht egal.
    Schließlich hatte sie ihren Teller wieder – unbeabsichtigterweise mit etwas Brot und moretum beladen – und begann damit, das Brot in Mundgerechte Stücke zu brechen und in den Kräuterquark einzutunken. Wirklich Essen tat sie aber im Moment nichts.
    Auf Archias Einwurf hin nickte Axilla mit einem leisen “Ah“ und versuchte doch, ein bisschen Brot zu essen. Sie wusste nicht, was sie dazu hier und jetzt sagen sollte, also entschied sie sich dazu, einfach gar nichts dazu zu sagen. Archias würde sie schon rechtzeitig auffordern, mit ihm zu kommen.
    Seine Mutter hingegen war etwas ganz anderes. Die schien entschieden zu haben, dass sie sich nun mit Axilla freundlich unterhalten sollte und blieb damit weiter unheimlich. Axilla schluckte den kleinen Bissen, den sie genommen hatte, herunter und spülte kurz mit etwas Apfelsaft nach. “Nein, ich glaube nicht. Tarraco liegt ja auch südlicher, nicht? Norditalia ist mir unbekannt. Ich bin noch nicht so viel gereist.“ Wenngleich sie weit mehr gereist war als 99% ihrer Zeitgenossen, die vielleicht von ihrem Dorf in die nächste Stadt mal reisten und sonst ihr ganzes Leben auf demselben Flecken Erde verbrachten. Da hatte sie mit Tarraco, Alexandria, der Reise durch Ägypten und dann Rom weit mehr von der Welt gesehen.

  • Caenis' Blick ruhte eine ganze Weile auf Axilla, auch wenn sie immer wegsah, bevor Axilla sich vergewissern konnte, dass Caius' Mutter sie wirklich anschaute. Nach noch einer Bemerkung, diesmal über Axillas Frisur, hatte sich Caenis' Vorrat an Gesprächsthemen wohl erschöpft, denn sie sagte nichts mehr und entschuldigte sich etwas später. Dann ging sie und ließ Caius und Axilla allein. Caius sah ihr mit gerunzelter Stirn hinterher, sagte aber auch nichts dazu.


    »Tja also...« begann er und sah Axilla ratlos an.
    »Was das eben war, kann ich dir nicht sagen. Ich glaub, sie hat versucht, nett zu sein.« Caius hob eine Schulter und griff dann nach seinem Glas Milch, um es zu leeren. Was er davon halten sollte, wusste er nicht. Ihm wär es fast lieber gewesen, Caenis hätte es nicht versucht.
    »Aber in einem Punkt hat sie recht, du schaust wirklich hübsch aus«, sagte er aufrichtig und lächelte seine Frau an.
    »Magst du noch was essen oder wollen wir dann los? Ich glaub, die haben uns in der Küche schon was zusammengepackt.« Caius hatte nicht so drauf geachtet, was Axilla gegessen hatte oder wie viel.

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