Feriae Latinae | Das große Finale

  • Die Tage der Audienzen waren vorübergegangen, teilweise mit interessanten Informationen für die Consuln, im großen Teil jedoch einförmig und langweilig, sodass Tiberius Durus glücklich war, als er am letzten Tag zum großen Finale aufstehen konnte - ohne die Perspektive, den ganzen Vormittag mit Berichten aus den kleinsten Nestern rund um Rom gefüllt zu bekommen.


    Heute würde es endlich ein großes Fest werden, wie Durus sie mochte: Man würde eine Lustratio durchführen um die Gemeinschaft des Latinerbunds zu zeigen, würde Iuppiter Latiaris opfern und schließlich bei einem großen Mahl zusammensitzen. Dazu würden außerdem neben den unbedeutenden Duumviri der kleinen Latinerstädte die Magistrate Roms anreisen, sodass das gesamte Volk von Rom repräsentiert sein würde. Und da der Albanus Mons nur wenige Stadien außerhalb Roms lag, würden wohl auch ein paar Bürger hierher pilgern, sodass ein wenig Feierstimmung entstehen konnte.

  • Macer hatte die letzten Tage tief in seinen Arbeiten gesessen und bekam nur wenig frische Luft ab. Um so mehr freute er sich auf etwas Bewegung und auf das Wiedersehen mit den anderen Magistrati von Rom und natürlich dem neuen Duumvir von Ostia, seinem Nachfolger.
    Er kam mit einem kleinen Gefolge am Albanus Mons an und bemerkte, dass er einer der ersten war. Es war noch sehr früh und so wunderte er sich kaum, jediglich ein paar Bürger hatten sich schon hergeschleppt.


    Gespannt, wer als nächstes kommen würde, lies der junge Vigintvir sich einen Moment nieder...

  • Am letzten Tag des Latinerfestes hatte sich auch Macer auf den Weg zum Albanus Mons gemacht, um den abschließenden Feiern beizuwohnen. Mit den Audienzen der vergangenen Tage hatte er nichts zu tun gehabt und wenn er ehrlich war, hätten ihn die diversen Anliegen der italischen Städte auch nicht unbedingt im Detail interessiert. Er kannte solche Treffen noch gut genug aus seiner Zeit als Statthalter in Germania, was ja immerhin schon einige Zeit her war.


    Begleitet von einer Auswahl an Liktoren, da ihn außerhalb der Stadt nur weniger begleiten durften als innerhalb, erreichte er das Festgelände und schaute sich nach den bereits anwesenden Magistraten um. "Salve Octavius Macer", grüßte er den Vigintivir, den er nicht nur wegen dessen Cognomen kannte, sondern auch, weil er mit ihm wegen der Erbschaften zu tun hatte. "Auch hier, um eine feierliche Auszeit von der Arbeit zu genießen?"

  • Wie die anderen Magistrate kam auch Modestus am letzten Tag des Latinerfests zum Albanus Mons. Zwar hatte er sich erst nicht wirklich für die Feier erwärmen konnen, doch es war eine gute Gelegenheit seinen anderen Amtspflichten einen Tag zu entkommen. Unter den bereits anwesenden Männern war auch sein Patron und Octavius Macer. Mit letzterem hatte er noch etwas zu besprechen, weshalb er sich zu ihnen hinzugesellelte.


    "Salvete."

  • Nach und nach trafen nun auch andere Magistrati ein und schnell fand Macer den Praetor, der auch gleich zu ihm kam.
    Salve Praetor. Natürlich, die Arbeit beanspruchte mich in letzter Zeit doch recht fiel...da kommt mir diese kleine Pause doch recht gelegen. Wie läuft dein Amt? Schon die ersten Fälle bearbeitet? Macer war sehr neugierig, wie sich die anderen so eingelebt hatten. Allerdings war der Prugitier ja schon des öfteren im CH gwesen, weshalb er vermutlich nicht mehr so aufgeregt war.


    Nun gesellte sich auch der Aedil Modestus hinzu, Macer freute sich über dessen Anwesendheit besonders. Nicht zuletzt, weil sie sich schon ewig nicht mehr gesehen hatten. Salve Annaeus Modestus. Lang nicht mehr gesehen, gut eingearbeitet?

  • Die Begrüßung des Octaviers überraschte Modestus doch etwas. Dafür dass dies eine offizielle Festivität war und er als Aedil im Rang über dem Vigintivir stand, war die Begrüßung doch ein wenig arg kameradschaftlich. Nichtsdestotrotz lächelte er den jungen Mann freundlich an, denn er kannte ihn ja schon länger.


    "Nun die Ludi Plebei sind vorbei. Das bedeutet, dass meine wichtigste Aufgabe hinter mir liegt. Aber wo wir gerade schon bei der Arbeit sind, würde ich es begrüßen, wenn du mich in den nächsten Tagen in meinem Haus aufsuchen würdest. Es gibt da noch eine Erbangelgenheit, die ich gerne mit dir besprechen würde."


    erklärte Modestus und lächelte erneut. Das Erbe seines Großvaters und seiner Schwester mussten noch abgewickelt werden und das sollte natürlich der Decemvir übernehmen, der ihm noch einen Gefallen schuldete.

  • "Danke der Nachfrage, ich komme mit meinem Amt gut zu Recht. Die Klagen halten sich in Grenzen", antwortete Macer bewusst doppeldeutig und lächelte dabei zufrieden. "Es hätte sicher schlimmer kommen können, aber ich bin nicht unglücklich darüber, dass es so ist, wie es ist."


    Dann gesellte sich auch der Aedil Annaeus Modestus zu der Runde und Macer begrüßte ihn ebenfalls. "Salve, Annaeus Modestus. Gratulation zu den Ludi Plebi. Eine sehr gelungene Veranstaltung muss ich sagen."

  • Der Aedil wollte also etwas von Macer? Um welche Erbangelegenheiten könnte es denn gehen? Er sollte später noch nachschauen, bevor er Modestus besuchen würde...


    Sehr wohl, du darfst mit mir rechnen. An dieser Stelle natürlich auch von mir herzlichen Glückwunsch zu den tollen Spielen. Das hatte Rom schon lange nicht mehr! Er erinnerte sich zu gern an die Seeschlacht, die den Vigintvir komplett in seinen Bann gezogen hatte.

  • Nachdem nach und nach alle Magistrate sich versammelt hatten, konnte die Zeremonie endlich beginnen. Die Magistrate jeder Gemeinde hatten sich zusammengestellt und zwar in einer uralten Reihenfolge, bei der natürlich den Römern der Ehrenvorrang gebürte. Auch Tiberius Durus trat endlich aus seinem Aufenthaltsgebäude, gehüllt in die Toga Praetexta, eingekreist von seinen Liktoren. Gemeinsam mit Vitorius Marcellus, der offenbar eher schlecht geschlafen hatte, hielt er zielstrebig auf seine Collegae zu und begrüßte sie, indem er den Digitus Salutaris hob.


    "Salvete. Ich denke, es geht gleich los."


    Er setzte sich mit seinem Mitconsul an die Spitze der Männer und nickte dann Vatinius Auruncus, dem Magister der Cabenses zu. Ihm oblag die ehrenvolle Aufgabe, die Lustratio durchzuführen. Für Gespräche mit den anderen würde später Zeit sein.

  • Quintus Vatinius Auruncus


    Dieser Tag war der größte und bedeutendste im eher unspektakulären Jahreskreis des Vatinius Auruncus. Als Sacerdos Cabensis oblag ihm zwar stets die Hut des Tempels, doch war dieser seit Jahrhunderten eher unbedeutend - nicht einmal Triumphzüge fanden hier statt, wie es zur Zeiten der Republik noch bisweilen gewesen war.


    Doch heute durfte der Tempel in altem Glanz erstrahlen: Das Portal war reichlich geschmückt, rund um den Vorplatz, auf dem sich die Magistrate versammelt hatten, hatte man Säulen aufgestellt, die die Namen der verschiedenen Latinergemeinden trugen. Außerdem nahmen heute so viele Opferhelfer, Weihrauchträger und sonstiges Tempelpersonal an den Feierlichkeiten teil wie sonst nie.


    Auruncus erhielt das Zeichen des Consuls, weshalb er beschloss, die Feier zu beginnen.


    "Latini, Bundesgenossen seit langer Zeit,


    wie in jedem Jahr begrüße ich die Städte der Latiner auf dem Albanus Mons. Wir wollen unseres heiligen Bundes gedenken, den unsere Vorväter schlossen, aufdass Latium eine starke Macht sei, die von keinem Feind zu besiegen ist. Seit Jahren schon wird dieses Bündnis von der größten und mächtigsten Stadt unter uns angeführt, dem ewigen Rom, das euch alle hierher geladen hat um dem Iuppiter Latiaris, dem Schutzgott Latiums, zu opfern und den Bund zu erneuern. Dieser Stier, makellos und kräftig, mag unsere Gabe sein."


    Er deutete auf den Stier, der heute das Hauptopfer darstellen sollte. Er strahlte weiß in der Novembersonne, er war reichlich geschmückt mit Infulae und Vittae und trug eine Dorsula über dem Rücken, wie es der römischen Tradition entsprach.




    SACERDOS CABENSIS - ITALIA

  • "Sie waren auch kostspielig genug. Das kann ich euch sagen."


    entgegnete Modestus, als die beiden Macer auf seine Spiele zu den Ludi Plebei zu sprechen kamen. Und in der Tat das waren sie auch gewesen, denn Schiffe allein die Schiffe hatten ein großes Loch in sein Budget gerissen. Dennoch hatten sich die Investitionen gelohnt, denn mit den Spielen hatte er sich profilieren können.


    "Salve, Consul."


    grüßte Modestus den ankommenden Durus und wandte sich dann seinem Platz in der Zeremonie zu, denn nun begann der Sacerdos mit dem Opfer und es galt ihn nicht zu stören.

  • Quintus Vatinius Auruncus


    Nach der kurzen Vorrede war nun endlich die Literatio selbst an der Reihe. Mit ernstem Blick umschritt der Vatinier den Stier, der zu kontrollieren war, ehe er die Priesterschaft bei ihrem Weg um die Magistrate begleitete. Nachdem seine Reinheit festgestellt war, die sich von selbst verstand, da Aurelius Avianus, der Quaestor Consulum, ihn von jenem angesehenen Viehzüchter bezogen hatte, von dem das Heiligtum regelmäßig beliefert wurde, war die Weihe des Tieres an der Reihe. Die Herolde begannen für Ruhe zu sorgen:


    "Favete linguis!"


    Mit bedeutungsschwangerem Blick griff der Magister der Sacerdotes Cabenses, jener Priesterschaft, die einst zu einer längst erloschenen latinischen Gemeinde am Fuße des Mons Albanus gehört hatte und damit dem Collegium Pontificium in Rom an Würde gleich gekommen war, an den Rücken des Stieres, um ihm die Dorsulae zu entfernen und einem Opferhelfer zu reichen.


    "Iuppiter Latiaris, Schutzherr der Latiner, Garant unsres heiligen Bundes!"


    rief er die Gottheit dann laut an, woraufhin er die Hand in das Gefäß mit Mola Salsa - das Molucrum - legte, etwas von jenem Gemisch aus Getreideschrot und Salz aufnahm und zwischen die Augen des Rindes strich. Das Tier ließ die Prozedur brav über sich ergehen - wie bei derartigen Opfern üblich war es wohl halb betäubt, was wohl durch den Klang der Doppelflöten, die das Opfer untermalten, verstärkt wurde.


    "Dieser Stier für Deinen Schutz!"


    wurde der Weiheakt artikuliert, wobei Auruncus nun die Patera ergriff, in der Milch stand, um ihn nun ebenfalls auf das Haupt des Opfertiers zu gießen und dieses somit vollständig in den Besitz des Iuppiter zu überführen.


    "Iuppiter Latiaris, nimm hinweg die Zwietracht, eine Deinen Stamm zu einem Bunde."


    Immer wieder wiederholte der Priester diese Worte, während der Zug sich nun in Bewegung setzte: Vornweg ging der Vatinier, der von einem Jungen begleitet wurde. Dieser trug eine Schüssel mit Wasser, aus der Auruncus immer wieder einen Lorbeerzweig tränkte, um damit die anwesenden Vertreter jener sechzig latinischen Gemeinden zu besprengen, die vor Jahrhunderten den Latinerbund gegründet hatten. Ihm wiederum folgte das Opfertier, das sich weiterhin fromm von einem Helfer führen ließ. Diesem wiederum folgten die übrigen Cabenses, die schlussendlich von den Opferhelfern mit ihren Requisiten, darunter Weihrauchfässer, Opfermesser und Schüsseln, begleitet wurden. Rechts herum umrundete diese Gruppe nun den Platz mitsamt den Säulen, wobei alle Sacerdotes in den Reinigungshymnus einfielen, was ein gespenstisches Gemurmel bei den Magistraten ankommen ließ, der durch die schwer verfolgbaren Melodien der Tibiae teilweise überdeckt wurde:


    "Iuppiter Latiaris, nimm hinweg die Zwietracht, eine Deinen Stamm zu einem Bunde."
    "Iuppiter Latiaris, nimm hinweg die Zwietracht, eine Deinen Stamm zu einem Bunde."
    "Iuppiter Latiaris, nimm hinweg die Zwietracht, eine Deinen Stamm zu einem Bunde."
    "Iuppiter Latiaris, nimm hinweg die Zwietracht, eine Deinen Stamm zu einem Bunde."




    SACERDOS CABENSIS - ITALIA

  • Die Magistrate schienen sich gerade noch über ihre Spiele unterhalten zu haben, was Durus daran erinnerte, dass seine Spiele schon vor ein paar Tagen zu einem Ende gekommen waren. Aber sie hatten hervorragend funktioniert - dank der Sorge von Lepidus.


    Doch er konnte daran jetzt nicht denken, denn schon begann die Zeremonie, die von einem alten Priester durchgeführt wurde. Immerhin musste er erst zu ihrem Ende aktiv werden um als Opferherr stellvertretend für den gesamten Latinerbund zu opfern - auch wenn dieser längst nicht mehr existierte (zumindest faktisch). Davor hatte er jedoch keine Angst - er hatte schon unzählige Male Opfer durchgeführt. Dementgegen war er selbst noch nie lustriert worden, sodass sich in ihm ein kleines Gefühl des Unbehagens auftauchte, als er das seltsame Gemurmel hörte, das stets von einer anderen Seite zu hören war.

  • Die Tage, die Avianus am meisten an den Nerven gezerrt haben, waren endlich vorbei. Dass dieser Stier hier war, dass Trockenholz für das große Finale bereitstand, dass die Speisen vorbereitet wurden und heute alles seinen Lauf nehmen konnte, dies konnte man nicht nur Avianus verdanken. Nein, denn auch er hatte seine Diener um sich geschart, welche auf seinen Befehl hin hart gearbeitet haben, um den Anforderungen gerecht zu werden. Avianus wiederum trug die Verantwortung für alles. Für alles, was gut und schlecht an dieser Feier war. Und Schlechtes würde sich nicht finden lassen, hoffte der Aurelier doch sehr.


    Gerne hätte er mit all den Magistraten geredet, unter denen sich auch sein Patron befand. Doch dazu hatte er jetzt keine Zeit, denn er stand unauffällig abseits des eigentlichen Geschehens und wohnte der Opferzeremonie bei. Diese war schon in vollem Gange, die Priester sprachen den Göttern ihre Gebete aus und vollrichteten ihre Arbeit - und dies taten sie sehr gut. Erst, als die Diener des Kultes gespentsische Murmellaute von sich gaben, lief dem Aurelier ein kalter Schauer über den Rücken. Doch auch diese Worte waren alsbald gesprochen und einige Blicke der Diener lasteten auf Avianus. Sie warteten womöglich auf die Bestätigung, den nächsten Schritt durchführen zu können. Er nickte knapp und die Diener machten sich alsbald bereit, die Opferung des Stieres zu vollführen...

  • Quintus Vatinius Auruncus


    Dreimal umrundeten die Priester die versammelte Magistratenschaft, dann endlich kamen sie wieder vor allen zum Stehen. Der zweite Teil der Lustratio war nun die Opferung des Stiers. Dafür hatte man den Opferaltar vorbereitet, ein Feuer brannte darauf, sodass die Gaben für Iuppiter sofort gen Himmel gesandt werden konnten.


    Zur Durchführung des Opfers jedoch waren die Priester nicht befugt - sie assistierten lediglich, wenn Consuln, anschließend die Duumviri der verschiedenen Gemeinden vortraten und dem Iuppiter ihre Opfer darboten. Doch musste alles bereitet sein, wenn Manius Tiberius Durus, der dieses Opfer leitete, vortrat.


    Also begann man, den weißen Stier an einem Ring im Boden des Tempelvorplatzes zu besetzen, der Klang der Tibiae schwoll ein wenig an und einer der Cabenses trat mit einer Schriftrolle vor, auf der das Opfergebet zu lesen war.




    SACERDOS CABENSIS - ITALIA

  • Endlich war das Ritual vorbei und das Opfer begann. Die Weihe des Tieres war bereits erfolgt, sodass man direkt mit der Darbringung des Tieres beginnen konnte. Etwas stolz, für die Gesamtheit aller Latiner opfern zu dürfen, trat der Consul daher vor, geleitet von seinem Amtskollegen. Sofort eilten Diener herbei, die ihnen ihre Togae Praetextae über die Hinterkopf legten - eine Händewaschung war durch die vorhergehende Lustratio nicht erforderlich!


    Durus öffnete die Handflächen und begann das Gebet, das ihm ein Helfer einflüsterte, laut und mit getragener Stimme vorzutragen. Jedes Jahr sprach ein Consul diese Worte seit vielen hundert Jahren und Durus musste sich vorstellen, wie Männer wie Tullius Cicero, Iulius Caesar oder Cato Censorius genau an dieser Stelle gestanden hatten und die exakt gleichen Worte gesprochen hatten:


    "Iuppiter Latiaris, Schutzherr der Latiner,
    der Du seit Jahrhunderten die Staaten der Latiner einst in einem heiligen Bunde,
    der Du das Kriegsglück stets auf unsre Seite wendest und uns Ruhm und Wachstum schenkst unter Führung der Res Publica der Quiriten!


    In jedem Jahr opfern wir Dir im Namen des gesamten Bundes hier an Deiner Wohnstätte,
    die wir ehren und bewahren seit vielen Generationen, einen Stier, das Dir gefällige Opfer.
    Möge unser Volk daher in Deinem Schutze leben und blühen, mögen unsre Heere siegreich von den Schlachtfeldern ziehen und ihre Heime und Stätten wahren vor allen Feinden.
    Möge Frieden herrschen zwischen Rom und allen Latinern wie ein Leib und viele Glieder, vielgestaltig und doch eins,
    aufdass wir Dein Heiligtum auch fortan ehren und bewahren und Dir gute und gerechte Opfer darbringen zu Deinem Ruhme und unsrem Segen."


    Durus hatte die Worte fehlerlos gesprochen, nun war Vitorius Marcellus an der Reihe, der dieselben Worte sicherheitshalber etwas langsamer und leiser wiederholte. Doch auch er schaffte es zumindest, keinen Fehler zu machen. Nun waren die Opferhelfer wieder an der Reihe und zogen den Stier etwas herab, sodass es leichter war, ihn mit dem Opferhammer zu treffen.


    "Agone?"


    fragte der Opferstecher die Consuln und beide antworteten - diesmal zeitgleich mit dem entschiedenen


    "Age!"


    So schoss der Opferhammer nieder und durchbrach die Schädeldecke des gewaltigen Tieres, drang in das Gehirn ein und sorgte so dafür, dass der Stier sofort zu Boden ging, als wäre er durch die Stich des Opferstechers niedergestreckt worden. Blut floss und wurde aufgefangen.


    Es dauerte eine ganze Weile, ehe das Blut versiegte und ein weiterer Opferhelfer herantrat und den Stier öffnete. Als Durus dabei so zusah, kam ihm komischerweise der Gedanke, wie viel Blut in so einem Stier wohl steckte. Doch rasch verwarf er die Überlegungen um diese Frage, als der Haruspex herantrat und die Innereien prüfte.

  • Nahtlos schraten sie hinüber zu der Opferung der Tiere, nach Avianus´ Meinung eines der wichtigsten Teile der Zeremonie. Der amtierende und zugleich noch frischgebackene Konsul als Hauptveranstalter der Feriae Latinae, Tiberius Durus, trat hervor und wurde tatkräftig von seinen Dienern unterstützt. Ein kalter Schauer lief Avianus den Rücken hinunter, dies geschah ihm bei diesen Feierlichkeiten immer.
    Die Worte erklungen, die vor dem Tiberier schon von unzähligen Personen aufgesagt wurden, jedoch Worte waren, die man immer wieder aufs Neue fühlte, die sich nie abgedroschen oder aufgebraucht anfühlten. Auch wenn der Tiberier dabei Hilfe in Anspruch nahm, als er die Worte aufsagte, so klangen sie spirituell belebend, inspirierend, fromm... je nachdem, wie es der Einzelne empfand.


    "Agone", fragte man ernst, als die Worte verklungen waren und während Avianus abseits der Menge, jedoch als Magistrat nah am Geschehen stand, stellte er fest, dass die Menschen so still geworden waren, dass Avianus das Flüstern des Windes wahrnehmen konnte. Ein kalter Hauch fuhr durch die Menge, bis die Consulen endlich "Age!" zur Antwort gaben. Das Schicksal des Stieres war besiegelt. Besiegelt, um die Vorzeichen zu deuten, welche ihnen die Götter gaben. Der blutige Teil des Werkes hielt Einzug und still betrachtete Avianus, wie das Tier innerhalb weniger Sekunden verstarb, dem Hammerschlag erliegend. Es war ein kräftiger Schlag gewesen, welcher selbst ein Tier dieser Größenordnung dahinstreckte. Wahrlich, dachte sich Avianus, eine blutige Aufgabe, den Stier jetzt auseinanderzunehmen.

  • Gewiss, die Liktoren des Praetors - und nicht nur dessen, sondern bestimmt auch die der anderen Magistrate - waren froh heute einmal aus dem Moloch Rom herauszukommen. Die Straßen zum Albanus Mons waren nicht völlig verstöpft, es stank nicht nach Exkrementen und anderen Ausdünstungen an jeder vermaledeiten Straßenecke und es war auch wesentlich stiller. Sermo hatte den Marsch zum Ort der Festivitäten genossen, hatte sogar ein fröhliches Lied angestimmt, in das die anderen Liktoren lauthals mit eingefallen waren. Ja, die Stimmung war gut, das Wetter ebenso, und der Anlass gab auch jeden Grund zur guten Laune. Heute würden sie die Opfer durchstehen und dann das folgende Festmahl genießen. Natürlich nicht so ausgiebig wie die geladenen Gäste. Aber die Liktoren der Gäste würden gewiss auch nicht leer ausgehen.
    Purgitius Macer schien diesen Ausflug auch sehr erholsam zu finden und fand auch bald einige Kollegen für einen gemächlichen Plausch. Dem Beispiel folgten die Liktoren bald ebenfalls, die sich untereinander unterhielten, die heranströmenden Gäste beobachteten und auch gelegentlich mal ein wachsames Auge auf ihren Schützling hatten. Zwar waren hier nicht so viele von ihnen anwesend, insgesamt sechs, doch das hieß beiweitem nicht, dass sie im Pulk zusammenstehen mussten und niemanden ansprechen durften.
    Ja, selbst die Consuln erschienen und grüßten die Anwesenden recht locker. Dann setzte man sich langsam, auch wenn der allgemeine Geräuschpegel nicht wirklich sinken wollte. Gleich würde wohl erst einmal ein Ausrufer das Opfer ankündigen. Währenddessen entdeckte Sermo den Octavier vom Abend bei den Iuniern unter den Magistraten. Der war...Vigintivir? Decemvir? Na, auf jeden Fall Magistrat. Und er war bei der Bärentötung auf dem Forum damals anwesend gewesen. Verhalten grüßte der Quintilier den jungen Mann, als sich ihre Blicke trafen. "Salve Octavius. Ein schöner Tag heute für dieses Ereignis, nicht wahr?" Er hatte sich derweil ein Stückchen nach vorn geschoben, so dass er zwischen Octavius Macers und Purgitius Macers Liktoren stand und mit halbwegs gedämpfter Stimme ein Gespräch führen konnte. Noch immer redete das Volk, das hergekommen war, wie beim Jahrmarkt und produzierte einen unglaublichen Geräuschpegel. Der Annaeus unterdessen war zum Glück abgelenkt und mit dem Consul Tiberius beschäftigt. Zum Glück weil Sermo den Mann schon öfter vor dem Senat getroffen hatte, sich jedoch weder an sein Amt, noch an seinen vollen Namen erinnern konnte. Das musste sich auch irgendwann mal ändern...

  • Erhaben strich der Göttervater und Schutzherr der Latiner über seinen Bart, während das Gebet gesprochen und das Opfer vollzogen wurde. Traditionen waren dazu da, die Dauerhaftigkeit eines Ideals zu beweisen und dieser Festtag war wahrlich dazu geeignet, einer großen Vision jedes Jahr neue Kraft zu spenden. Vergangenheit und Zukunft verbanden sich in diesem Festtag, im Gebet, im Ritus. Und die Innereien des Tieres, das das Vergangene und die eigene Vergänglichkeit erlebte, würden für die Zukunft keine Makel erkennen lassen.

  • Für Durus war es eigentlich schon im Vornherein klar, dass die Götter das Opfer annahmen. Und so kam es auch: Der Haruspex machte kein großes Aufhebens darum, dann verkündete er auch schon die Litatio, die Durus wiederholte.


    "Litatio!"


    Damit war das Fleischopfer vorüber und eifrige Helfer machten sich daran, den Stier sorgfältig zu zerteilen. Diesmal war es sogar besonders wichtig, denn es wurde traditionell als Ehre betrachtet, einen Teil des Opferfleisches zu erhalten und nicht allen latinischen Gemeinden konnte diese Ehre zuteil werden. In jedem Fall würde es gleich nach dem Opfer in einem großen Mahl verspeist werden.


    Zuvor waren nun jedoch alle sechzig Gemeinden verpflichtet, ebenfalls kleine Opfergaben darzubringen, wie es der Tradition entsprach - die Geschichte hatte jedoch dafür gesorgt, dass diese Tradition inzwischen lediglich vorsah, dass alle Latiner für das Heil Roms opferten und nur Rom für den ganzen Bund. Und so wartete nun auf Durus die langweilige Pflicht, sämtliche Duumviri und Magistrate der Region dabei zu beobachten, wie sie alle gleiche oder ähnliche Opfergebete sprachen und ihre Gaben darbrachten.


    Für diesen Anlass war es den Consuln jedoch erlaubt, auf ihren Sellae Curules Platz zu nehmen, während alle an ihnen vorbei und zum Tempelvorplatz hin prozessierten.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!