Der Tiberhafen

  • Mit einem scheinbar untrüglichen Talent hatte Axilla es – schon wieder – geschafft, Vala ärgerlich zu machen. Sie hatte – schon wieder – schneller geredet, als gut für sie war und er schaute sie – schon wieder – an, als wollte er sie gleich auffressen. Und dabei hatte sie es doch gar nicht so gemeint!
    Einen Moment lang wünschte sich Axilla ihren Sklaven wieder zurück, als ob sie sich hinter ihm verstecken hätte können. Aber vermutlich hätte das auch nichts genützt, wenn gefühlte 50 Hafenarbeiter um sie herum Vala auch nicht davon abhielten, sie so durchdringend anzuschauen. Axilla rieb etwas nervös mit ihrer rechten Hand über ihren linken Handrücken. “Ich meinte doch, dass ich dich nicht für barbarisch halte...“ Allerdings schien das nicht wirklich einen Unterschied zu machen. Sollte sie denn jetzt wirklich erklären, was Barbarei war?
    Axilla sah etwas ausweichend zu Boden. “Barbaren sind... grausam und ungehobelt, und ungebildet, und sie wollen all das zerstören, was edel und gut und kultiviert ist. Und sie wollen nicht lernen und... Aber du bist ja gar nicht so! Du bist freundlich und klug, und tapfer und ehrenvoll... auch wenn du das Wort nicht so gern magst... und...“ Axilla hasste es, wenn sie ins Stottern geriet, aber auch jetzt stockte ihre Stimme. Was wollte er denn von ihr hören? Sie kam sich gerade selbst so furchtbar ungebildet vor...
    “Wollen... wollen wir nicht einfach ein wenig spazieren gehen?“

  • "Na... na...", wischte Vala ihr Gestammel mit der Rückhand vom imaginären Tisch, und blickte sie weiterhin direkt an, "..so nicht. Wenn du nicht willst, dass ich dir dein Gerede um die Ohren haue, solltest du dir Gedanken machen, wieso du es als richtig betrachtest."


    Mit einer gewissen Verdrieslichkeit nahm Vala zur Kenntnis, dass er doch altklug und furchtbar lehrerhaft klang, ohne dass er etwas dafür konnte. Aber wenn Axilla das so sehr provozierte, würde er etwas daran ändern müssen... in dem er sie änderte.


    "Spazieren gehen?", murmelte er schließlich mit kritischem Blick, "... nein. Wir haben noch etwas vor... aber bis wir da sind, kannst du dir Gedanken machen, wie du mir Barbaren erklären willst, so dass es mir richtig erscheint."
    Im Endeffekt gab er gerade das wieder, was er Monate zuvor von Linos und Damio gelernt hatte. Nur anders. Letztendlich würde er Axilla auch nicht schlagen, wie Damio es tat, wenn er sich besonders begriffsstutzig gab. Aber wenn er das Gefühl hatte, dass es etwas änderte... dann wären sie schon einen Schritt weiter.


    "Also...", begann er von neuem, als sie ihren Trott fortsetzten, "...ein Barbaros ist was?"

  • Axilla fühlte sich ein wenig in der Zeit zurückversetzt. Gerade fühlte sie sich, als wäre sie wieder 7 Jahre alt und ihr Hauslehrer würde sie dafür tadeln, dass sie zusammenhanglos daherredete und einfach wild drauflos plapperte, anstatt ihren Kopf aus einem anderem Grund zu benutzen, als dem, damit die Palla nicht direkt auf den Schultern lag. Und dabei war Vala gerademal wie alt? Sie sah kurz zu ihm hoch, mühte sich, nicht an seinen grauen Augen hängen zu bleiben und überlegte. Vielleicht war er drei oder vier Jahre älter als sie. Höchstens 5. Er war sicher noch keine 25. Wobei Axilla sich schwer tat, das bei Nicht-Römern richtig einzuschätzen, noch dazu, wenn sie so groß waren wie Vala. Sie reichte ihm ja grademal bis zur Brust.


    “Haben wir? fragte sie noch verwirrt einmal nach, als Vala meinte, sie hätten etwas vor. Sie wusste von nichts, aber sie hatte ja nichtmal gewusst, dass sie heute Vala treffen würde. Und er hatte definitiv nichts davon gesagt, dass er sie da und da hinbringen wollte. Allerdings schien er auch nicht wirklich gewillt, sie aufzuklären, sondern er wollte jetzt eine logische Argumentation, während sie langsam losgingen.


    Es war ja nicht so, als wäre Axilla zu dumm, vernünftig zu argumentieren. Sie nahm sich nur meistens nicht die Zeit, über ihre Worte nachzudenken, bevor sie ihren Mund verließen. Und wenn sie dann in Schwierigkeiten steckte, fing sie an zu zaudern und zu stottern, weil sie sich ihrer eigenen Unzulänglichkeit dann nur zu sehr bewusst war.
    Anders war das, wenn sie wütend war. Da schien ihr Geist mit atemberaubender Geschwindigkeit zu funktionieren und jede noch so kleine Lücke in der Verteidigung des anderen zu finden. Nur war sie im Moment nicht sauer. Nein gerade fühlte sie sich etwas verwirrt und vielleicht ein klein wenig in ihrem Stolz gekränkt. Sie wollte doch nicht, dass Vala sie für bescheuert hielt! Oder dass er es nötig fand, sie zu erziehen, wie man das mit einem Kind machte. Sie war eine Frau! Eine mehr oder minder erfolgreiche Frau, aber auf jeden Fall eine erwachsene Frau. Und sie wollte von Vala auch als Frau wahrgenommen werden, und nicht als... Hundewelpe!
    So sammelte sie jetzt ihre Gedanken und atmete noch einmal durch. Gut, er wollte Argumente? Sollte er bekommen. “Für die Griechen ist schon jeder ein Barbar, der kein griechisch spricht.“ Kurz sah sie zu ihm auf und ihr lag bereits die frage auf der Zunge, wie es mit seinem Griechisch denn bestellt war. Und im gleichen Zuge, ob ihm das Buch, das sie ihm geschenkt hatte, gefallen hatte. Aber sie verkniff es sich jetzt, sonst waren alle ihre Bemühungen, vernunftbegabt zu wirken, gleich nach dem zweiten Satz dahin. “Ich seh das etwas differenzierter.“ Hah, gutes Wort! Klang nichtmehr ganz so stammelig. “Ein Barbaros ist jemand, der nicht nach Sitte und Gesetz handelt. Jemand, der keine Bildung hat und auch nicht gewillt ist, sie sich anzueignen. Jemand, der starr in seiner Vorstellung ist, alles Wissenswerte bereits gelernt zu haben.“ Wobei nach dieser Definition vermutlich die Hälfte aller Gelehrten im Grunde Barbaren wären. “Ein Barbar hat keinen Sinn für die Künste, wie Theater, oder Musik. Ein Barbar kennt nur zerstören, vornehmlich von den großen Errungenschaften der Zivilisation.“ Axilla überlegte, ob ihr noch etwas einfiel von dem, was ihr beigebracht wurde, wie die Barbaren denn so waren und weshalb Rom ihnen überlegen war. “Und ein Barbar kennt keine Disziplin. Er kann sich nicht zurückhalten zum Wohle des größeren Ganzen.“ Sie glaubte, nichts vergessen zu haben, aber irgendwie hatte sie jetzt schon das Gefühl, dass es Vala nicht genügen würde. Sie fühlte sich ein wenig an die Diskussion darüber, was Ehre war, erinnert. Da hatte ihm auch kein Argument gereicht.

  • "Haben wir.", meinte Vala mit dem Ton der vollen Überzeugung. Er hatte einen Plan gehabt, was er mit Axilla anfangen wollte, und so steuerte er ihre Schritte weiter Stadteinwärts.. sie würden eine Weile unterwegs sein, allerdings wusste Vala aus der Erfahrung der letzten Treffen, dass sie die Zeit auch so totschlagen würden.


    Sie überlegte lange, und Vala gab sich unbekümmert und interessiert zugleich in dem er den Blick über ihre Umgebung schweifen ließ und sie hin und wieder beim Denken beobachtete. Er steckte sich ein neues Stück Süßholz in den Mund, was er immer tat, wenn er selbst angestrengt nachdachte. Schließlich rückte sie mit der Sprache heraus, und das, was sie sagte ließ ihn schmunzeln. Das würde noch ein interessanter Tag werden...


    "So so... die Griechen.", murmelte Vala, und zwinkerte ihr vergnügt zu, "Du fängst schon im ersten Satz an zu relativieren." Und keine Sekunde später rückte sie auch schon mit der Verbalkeule raus, die in einer anderen Welt den Studenten Valas das Leben zur Hölle machen konnte, wenn sie sie zu freigiebig nutzten.
    Und doch kam sie dem Punkt immer näher.. und Vala griff den Faden irgendwann auf: "Ahja... ein Barbar handelt nicht nach Gesetz und Sitte? Die Parther waren für die Soldaten unserer Zeit nichts weiter als Barbaren, und doch handelten sie nach dem strengen Kodex ihres Volkes, der es ihnen sogar erlaubte den Krieg zu gewinnen. Und wer definiert Bildung? In den heiligen Mauern Roms ist es wohl angebracht, Cicero auswendig zu kennen und griechisch zu sprechen.. in den Wäldern Germaniens kommt man damit aber nicht weit. Wer ist demzufolge gebildeter? Derjenige, der gelernt in seiner Umwelt zu überleben, oder derjenige, der sich in der römischen Gesellschaft bewegen kann wie ein Fisch im Wasser?"
    Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, dass er sich gerade in sehr dünnes Fahrwasser begab. Aber wieso nicht? Sollte Axilla doch die Chance bekommen, ihn anzugreifen...
    "Die klassischen Barbaren der Römer haben sehr wohl Musik und Kultur, nur ihre eigene. Ich habe in Runden gesessen, in denen nicht ein Wort Latein gesprochen wurde, und trotzdem hat man miteinander geredet, gesungen, gelacht und Geschichten erzählt. Glaubst du, das alles wäre keine Kultur? Dass Barbaren nur zerstören... interessant. Ich habe an genau drei Überfällen auf römische Händler teilgenommen, und nicht des zerstörens wegen, sondern weil ich und die meinen verdammt noch einmal Hunger hatten. Wenn es darum geht, zu verhungern oder eine schöne Brosche einzuschmelzen, fällt die Entscheidung nicht schwer. Wenn es darum geht, zu verhungern und kunstvolles Schnitzwerk abzufackeln, dann fällt sie auch nicht schwer."
    Er merkte nicht einmal mehr, wie er auf einmal von Dingen erzählte die er ihr früher nicht im Traum erzählte. Was eine nette Gelegenheit für viele Schachtelsätze im HätteWäreWenn-Konjunktiv war, auf die der Schreiber in diesem sehr präzise definierten Moment allerdings keine Lust hatte.


    "Disziplin... gut, dieser Punkt geht an dich.", gab Vala schließlich verdrieslich dreinschauend zu. Die fehlende Disziplin und Ordnungsgewalt war eine der Gründe gewesen, auf die andere Seite des Limes zu wechseln.

  • Wie sie schon geahnt hatte, klärte Vala sie nicht auf. Sie gingen also langsam und gemütlich am Tiber entlang, weg vom Hafen und mehr zur Stadt hin. Axilla dachte sich nichts dabei. Wieso auch? Vala schien sie nicht mehr fressen zu wollen wie ein Wolf ein vorwitziges Kaninchen, das ihm unbedacht auf der Nase herumgehüpft war. Zwar war das doch sehr philosophische Gespräch schon recht merkwürdig für Axilla, aber wenn er nicht wütend war, was ihr das Thema gleich.


    “Nun, hier sind wir in Rom, also hier ist der Barbar, der sich hier nicht auskennt. Ovid beklagte sich, er gelte als Barbar, als er in Tomis war. Barbarus hic ego sum, quia non intelligor ulli. Von daher, solange wir hier sind, ist der Barbar, der sich hier nicht einfinden kann.“ Axilla war richtig stolz auf sich. Bestimmt wäre sogar Nikolaos stolz auf sie gewesen, wenn er gehört hätte, wie sie die Logik einmal schlüssig anwendete und in ein sprachlich einigermaßen greifbares Argument formte. “Und ich würde sagen, dass der gebildeter ist, der einsieht, dass er in der anderen Welt viel zu lernen hat. Kennst du die Apologie des Sokrates zufällig?“ Axilla war sich gerade nicht sicher, ob die nicht auch Teil des Buches waren, das sie ihm geschenkt hatte. Sie hatte so viele Bücher gelesen, dass sie schon gar nicht mehr auch nur ansatzweise wusste, was denn wo drin stand. Und sie plauderte auch schon gleich weiter, weil sie so im Schwung war und den Gedanken nicht am Ende noch verlieren wollte. Ich scheine also um dieses wenige doch weiser zu sein als er, daß ich, was ich nicht weiß, auch nicht glaube zu wissen , rezitierte sie in perfektem Attisch, ehe sie ertappt zu Vala blickte. Vielleicht verstand er sie ja grade nicht, also wiederholte sie es hastig in ihrer Muttersprache. “Tut mir leid, ich wollte nicht angeben. Und ich denke, das kann hier auch gelten. Solange man nicht meint, es besser zu wissen als der andere, kann das eigene Verhalten gar nicht so ungebildet sein. Zumindest nicht nur...“
    Jetzt hatte sie doch den Faden verloren. Das passierte schonmal, wenn man vor lauter Bildung, die man wiederzugeben versuchte, vergaß, was man hatte sagen wollen und was die Frage war.


    Dann aber riss sie Valas Ehrlichkeit aus der Überlegung, was sie hatte sagen wollen. “Du... du warst ein Räuber?“ Diese beiden Worte flüsterte sie und kam dabei nahe an Vala heran, damit auch niemand anderes mithören konnte. Zwar hatte er eben nicht geflüstert, aber dennoch war das etwas, das Axilla nicht laut sagen mochte. Sie sah Vala nochmal an und hatte ein Chaos an Gefühlen einen Moment in sich. Sie konnte ihn nicht als Gesetzesbrecher sehen, als Schurke, als Schuft. Sie konnte nicht schlecht von ihm denken. Er war in ihrem Kopf ein Soldat, ein tapferer Streiter, ein Kämpfer... doch kein Dieb und Räuber! Das ging irgendwie nicht miteinander überein. Doch seine Erklärung von Hunger relativierte es auch wieder, zumindest für Axilla. Sie hatte noch nie Hunger gelitten. Ihr Leben war sicher nie leicht gewesen, aber wirklich Hunger hatte sie nie kennenlernen müssen. Aber sie konnte sich vorstellen, dass man dann viele Dinge tat, auf die man nicht stolz war, nur um am Leben zu bleiben. Der Überlebensinstinkt war etwas mächtiges und starkes. Und Axilla hatte einen unerschöpflichen Vorrat an Mitgefühl, wenn sie wollte. Bei Vala wollte sie.
    Ihr Blick verriet sie wohl auch, denn er beherbergte keinen Vorwurf, noch nicht einmal Abscheu. Allerdings konnte sie die Neugier wie auch das Mitgefühl wohl nicht ganz verbergen, und sie war sich sehr sicher, dass Vala beides nicht gebrauchen konnte. Daher wanderte ihr Blick sehr schnell und sehr starr zum Boden. “Aber... Gesetze geben allem Ordnung. Vielleicht geht es manchmal nicht anders, als sie zu brechen. Und Manchmal muss man vielleicht nur mit genug Nachdruck den Rechtsbruch durchsetzen. Wie Iulius Caesar, als er den Rubicon mit seinen Legionen überschritt.“ Und weswegen sich Marcus Iunius Brutus von ihm abgewandt hatte, weil das nicht rechtens war. Nunja, je nachdem, welcher Version der Geschichte man glauben schenken mochte. “Dennoch ist es kultivierter, wenn man sie befolgt. Denn ohne Gesetze wäre alles Barbarei.“ Axilla wusste, dass dieses Argument sehr schwammig und wohl auch schwach war. Aber sie war grade eher mit der ausgiebigen Betrachtung der Pflastersteine beschäftigt.

  • Vala hatte Axilla unterschätzt, das fiel ihm nun schmerzhaft auf. Nicht nur irgendwie unterschätzt.. nein.. er hatte sie MASSIV unterschätzt. Und wieder einmal fiel ihm seine eigene Nachlässigkeit auf, mit der er sich in diese Situation begeben hatte. Eine Nachlässigkeit, die zuließ, dass Axilla ihren germanischen Begleiter an die nicht vorhandene Wand redete. Sie zitierte Ovid. Sie zitierte Sokrates. Sie sprach griechisch... und ließ Vala wortlos zurück.
    Zumindest für einen Moment, dann rettete der große Mann sich in eine nachdenkliche Miene und trottete langsam neben ihr her, während er sich tierisch dumm vor kam. Und dessen nicht genug: er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte.
    Schließlich suchte er sein Heil im Angriff, weil er keinen anderen Ausweg sah: "Letztendlich relativierst du damit WIEDER deine Aussage von vorhin. Jeder kann Barbar sein.. ich genauso gut wie du. Worin also liegt die unumstößliche Wahrheit des Begriffs, wenn man Barbaros genauso gut als Peregrinus oder Alienus zusammenfassen kann? So oft wie das Wort schon als Kriegsgrund benutzt wurde, scheint es mir äußerst dünn zu sein..."
    Schauspiel war alles, und auch wenn Vala im Moment den Eindruck hatte, von der Intelligenz der Iunia überrumpelt worden zu sein, so ließ er es sich nicht anmerken. Man wurde erst angreifbar, wenn man sich in eine angreifbare Position begab..


    "Ja. Ich war's.", sprach Vala mit unbekümmerter Selbstverständlichkeit, als würde er ihr gerade erklären, dass Wasser nass sei. Er schämte sich nicht dafür, was er getan hatte. Nicht im geringsten... er sah alles in seinem Leben als großen Fluss an, und so hatte auch der Tod eines römischen Kaufmanns dazu geführt, dass er heute hier sein konnte.
    "Gesetze geben Ordnung? Ich glaube, das Thema hatten wir schon einmal. Das römische Prinzip ist ohne Zweifel der Höhepunkt der Gemeinschaftsorganisation durch Gesetz und Gewalt. Aber wie du selbst schon gesagt hast... Gesetz ist auch das Recht des Stärkeren. Die Götter sind die letztendliche Instanz, denen der Mensch sich beugen muss, und selbst sie brechen ihre Gesetze ganz nach belieben... das ist keine unbedingt rosige Aussicht, oder?"

  • Einen Moment lang hatte sich Axilla noch gefreut, dass ihre Worte so flüssig und durchdacht gewesen waren, aber dennoch fand Vala rasch eine Schwachstelle. Wobei, im Grunde war es ja keine, sondern genau das, was Axilla gesagt hatte. Nur mit einer irgendwie anders gelagerten Betonung. Dass er das als Kriegsgrund anführte brachte Axilla wiederum kurz ins Straucheln. Sie gehörte nicht zu der sich scheinbar ausbreitenden 'Lasst uns alle Freunde sein'-Fraktion, sie wusste um die Notwendigkeit von Kriegen und würde da nie daran zweifeln, dass diese Kriege des Imperiums gerechtfertigt waren. Da brachte sie Valas Einwurf in einen kleinen Gewissenskonflikt.
    “Ja, aber das kommt ja auf den Standpunkt drauf an. Sicher, für andere Völker sind Römer Barbaren. Für die Griechen sind wir sogar mit die größten Barbaren überhaupt.“ Axilla wusste, wovon sie redete. In Alexandria kam man nicht umhin, zu bemerken, wie die Griechen von ihren römischen Beschützern mitunter dachten. “Aber hier sind wir in Rom. Und wenn die Stärke der römischen Kultur nur eine leere Worthülle wäre, wie könnte das Imperium dann so groß sein? Wie könnte Rom dann die, die im Krieg als Barbaren bezeichnet werden, besiegen?“
    Das war vielleicht kein Argument, aber zumindest ein guter Einwand. Und in Axilla regte sich doch ein klein wenig der Stolz, wenn Vala schon die Legionen, wenngleich indirekt, ins Spiel brachte.


    Dass er aber so unbekümmert war, was das Räuberdasein anging, das konnte Axilla dann doch nicht ganz begreifen. Er sagte das so, als wäre das nichts weiter als ein Spaß, den man sich in der Jugend mal erlaubt hatte. Als würde das jeder machen. Die Pflastersteine wurden also plötzlich wieder uninteressant, als Axilla leicht fragend zu ihm hochschaute. “Und du hast gar keine Angst, dass du dafür bestraft wirst?“ Gut, die Chance dafür war sehr gering, aber dennoch.
    Seine anderen Worte hingegen erinnerten in der Tat ein wenig an ihre Diskussion über die Ehre. Und es war nicht leicht, darauf eine passende Antwort zu finden. “Und dennoch unterliegen die Götter auch dem Spruch der Parzen und damit einem Gesetz. Im reinen Chaos kann nichts existieren. Es muss auch immer eine Ordnung geben.“ Und das aus Axillas Mund! Das war schon beinahe ein Paradoxon.

  • "Also ist der Grund nicht das Barbarentum an sich... sondern ein anderer...", zog Vala ein vorläufiges Resumee aus der Kriegsdebatte, "...was ich durchaus zufriedenstellender finde. Du wirst das anders sehen... aber wenn ich in den Krieg ziehe, will ich den anderen nicht einfach umbringen, weil er ein Barbar ist.. oder weil mir irgendjemand illustre Sachen wie Ehre oder Ruhm verspricht. Ich brauche etwas handfestes, mit dem ich arbeiten kann... stirbt der andere, was bekomme ich dafür? Ein Stück fruchtbares Land? Die Gewissheit, dass er und die seinen der Möglichkeit beraubt werden mein Land zu verwüsten und meinen Leuten zu schaden? Die Möglichkeit, mir und den meinen noch mehr Macht, Einfluss und Wohlstand zu verschaffen? Ja. Das wären Gründe für einen Krieg..."
    Er war ehrlich. Und das irritierte ihn... andererseits, er hatte das Gefühl mit einem Kind zu sprechen. Was paradox war, denn Axillas Körperbau strafte diese Vorstellung lügen. Und er machte sich angreifbar... nicht auszudenken, sie würde Archias das erzählen.


    Dieser Gedanke ließ ihn abrupt innehalten, und Axilla einen Moment kritisch ansehen. Er glaubte, sie durchschaut zu haben... und doch strafte sie seine Vorstellung gerade Lügen, in dem sie ihn mit einer Portion Intelligenz überraschte, die er ihr nicht zugetraut hatte. Das Dumme an der Sache war: diese Intelligenz würde es ihr auch ermöglichen, zu Sachen umstande zu sein die Vala eher zueigen waren. Ihn belügen. Ihn manipulieren... und ihn letztendlich zu zerstören.
    Es war ein riskantes Spiel, das er spielte, und seinem Verständnis nach spielte er gerade mit einem sehr hohen Einsatz.


    "Angst?", sah er sie verwundert an, mehr über sich selbst, als über die letztendliche Frage. Er musste eine Entscheidung treffen. Wie plante er, dieses Spiel zu spielen?
    "Ich habe keine Angst.", antwortete Vala, und ließ damit offen was genau er meinte. Letztendlich hatte er sich doch gefügt... was hatte er auch schon zu verlieren? Nichts. Und was hatte er zu gewinnen? Alles... und er würde gewinnen.


    "Ich kenne die Parzen nicht. Du meintest einmal, sie wären wie unsere Nornen... wenn das so ist, liegst du falsch. Die Götter sind die Macht. Wie auch deine Parzen... sie können das Chaos bekämpfen, aber der Sieg bleibt ihnen verwehrt. Ich denke, es kommt derjenige am weitesten der sich am ehesten damit arrangiert." Womit er de facto sich selbst meinte.

  • Axilla war verträumt, Axilla war naiv, Axilla war voller verklärter Vorstellungen von Ruhm und Ehre. Aber Axilla war nicht dumm. “Natürlich geht es bei einem Krieg auch um andere Dinge. Um die Sicherung der Grenzen, oder die Ausweitung. Die Veteranen wollen nach ihrem Dienst auch irgendwo ein Stück Land haben. Und während sie dienen auch Beute.“ Entschuldigend sah Axilla kurz nach oben. “Ähm... mein Vater war Soldat...“, meinte sie kurz als halblaute Erklärung. Eigentlich wollte sie gar nicht über Kriege philosophieren. Dennoch musste sie noch etwas zur Ehrenrettung der Männer sagen. Aber das darf doch nicht der Grund für einen Krieg sein. Er muss gerecht sein, und gerechtfertigt. Und von Mars gesegnet.“ So ganz wurde Axilla ihre Vorstellungen doch nicht los, auch wenn sie es eigentlich besser wissen sollte.


    Von seinen Gedanken merkte Axilla nichts an seinem Gesicht. Er schien nachzudenken, aber das tat er ja die ganze Zeit. Als sie ihn mit ihrer Frage dann anscheinend aus seinen Gedanken fast hochschreckte, war ihr da dann schon fast eher peinlich. Seine Antwort aber war so selbstsicher wie immer.
    “Aber sie wissen, wie das Schicksal eines jeden endet. Das ist doch auch Macht, oder?“ Axilla hatte sich nie damit beschäftigt, wer nun mächtiger war, die Parzen, die Götter, die Mächte. Im Grunde war es ihr auch gleich, denn letzten Endes waren Menschen nichts weiter als Ameisen für all jene Wesenheiten. Was machte das da schon für einen Unterschied, wer von ihnen den größten Stock hatte, um damit im Ameisenhaufen herumzustochern?
    “Glaubst du, dass man das kann?“ Axilla machte ein paar Schritte, ehe sie merkte, dass ihre Frage gar keinen Bezug hatte außer dem in ihrem Kopf. “Sich mit den Mächten arrangieren, mein ich?“ Irgendwie war ihre einfache Diskussion sehr weit vom eigentlichen Thema abgedriftet. Aber Axilla konnte und wollte keinen Bogen zu den Barbaren schlagen, abgesehen davon, dass sie die ohnehin schon fast vergessen hatte.

  • "Er ist es nie.", fasste Vala summa summarum einfach zusammen, ohne sich groß um ihre Argumente zu kümmern. Warum sollte er auch? Er gab nicht viel auf die Legitimationspraktiken der verschiedenen Völker. Eigentlich war es sowieso immer ein Spektakel für die Leute, die weniger als eine Unze Gehirnmasse hatten. Aber daraus waren halt die großen Kriege aufgebaut: man brauchte einen verdammten Grund, um möglichst viel Unterstützung in der Bevölkerung zu sichern.
    Für Vala führte das alles auf ein Ziel hinaus: Manipulation, Machterweiterung, Herrschaft.


    "Natürlich ist das Macht. Aber die größte Macht bringt einem nichts, wenn man sie nicht einsetzt. Und genau das tun die Nornen und Parzen, oder wie auch immer die bei euch heißen, nicht.", was Vala für Quatsch hielt. Es ging ihm nicht in den Kopf warum man Macht nicht einsetzen sollte.
    "Ja, das glaube ich.", meinte Vala, und damit mehr als nur die Götter: für Vala lag das Geheimnis des Erfolgs darin, sich mit allem zu arrangieren was einem in dem Weg geworfen wurde. Ob es jetzt ein Haufen Hundekot oder ein eifersüchtiger Ehemann war: am Ende kam es darauf an, ob man reintrat oder nicht. :D

  • Bei seinen Worten schaute Axilla kurz auf. Es lag ihr etwas auf der Zunge, etwas unglaublich naives wohl in seinen Augen, aber sie sagte es nicht. Er war ein Krieger, er hatte gekämpft. Gut, er war auch ein Räuber gewesen. Vielleicht daher auch seine etwas niederschmetternde Ansicht zum Thema Ehre. Warum sollte er also, wenn er schon fand, dass Ehre an sich kalt und hart und dreckig war, Krieg gerechter und edler finden? Immerhin ging es im Krieg um die Ehre. Axilla biss sich kurz auf der Unterlippe herum, wie sie es meistens tat, wenn sie überlegte, ging dann aber einfach schweigend neben Vala weiter.


    “Ich glaube ja, die Götter scheren sich nicht besonders um das Schicksal der Menschen. Erst recht nicht von einzelnen...“ Axilla klang mit einem Mal recht schwermütig, und auch ihr Blick war leicht abwesend. Sie dachte an zuhause. An ihr wirkliches Zuhause in Tarraco. Daran, wie viel sie geopfert hatte, als ihre Mutter immer kränker geworden war. An Urgulania, deren Mörder immer noch unbestraft war und auch nie bestraft werden würde, außer Dis erschlug ihn mit einem Blitz.
    Kurz schüttelte sie leicht den Kopf, als müsse sie ihre eigenen Gedanken vor sich selbst verneinen, und sah dann kurz entschuldigend zu Vala hoch. Eigentlich wollte sie nicht so schwermütig sein. Bis eben war sie noch so fröhlich gewesen.
    “Wo gehen wir eigentlich hin?“ wechselte sie also spontan das Thema und lächelte gleich darauf wieder, als wäre nichts weiter gewesen.

  • An einem sonnigen Junitag schleppte sich ein kleines Schiffchen aus Alexandria kommend den Tiber aufwärts und ging am späten Nachmittag an der Uferseite des XIII Bezirkes Aventinus vor Anker.
    Dem Fahrzeug entstieg ein gutgekleideter junger Mann mit tiefgebräunten Gesicht, gefolgt von einem etwas älteren Herren und sieben hochgewachsenen Bediensteten in weißen Tuniken. Die geschäftigen Arbeiter an den Docks und Warenspeichern brauchten nicht lange zu raten woher die Fremdlinge kamen denn der attische Akzent ihres Lateins verriet deutlich die Herkunft. Wieder ein paar Griechen mehr in der Stadt!


    Die Gruppe blieb erstmal wie gebannt am Kai stehen und musterte ergriffen die gewaltigen Dimensionen der Warenspeicher sowie der anderen Gebäude.




    Aristoxenus: "WAHNSINN!" "Ist das riesig hier!" "Diese Stadt übertrifft in der Tat alles was ich bisher in meinem Leben gesehen habe." "Dagegen ist Athen ja ein kleines Dorf!"



    Thimoteus: (spöttisch) "Willkommen im Zentrum des größten Imperiums der Menschheitsgeschichte."



    Aristoxenus: "Ich kann es kaum erwarten den Circus Maximus und das große Amphitheater des Titus zu sehen." "Ist es war das die Römer dort auch Seeschlachten aufführen?"



    Thimoteus: "Nein, da normalerweise nicht, für Seeschlachten gibt es speziell angelegte künstliche Teiche und Seen." "Die Lateiner nennen das Naumachia". "Aber bevor du deinen Durst nach Unterhaltung und blutigen Gemetzeln stillst, wäre es vielleicht angebracht wenn wir vorher eine bequeme Unterkunft suchen und danach ein Bad nehmen." "Ich bin ein alter Mann und nach zwei anstrengenden Wochen auf schwankenden Schiffsplanken habe ich ganz einfach das elementare Bedürfniss nach ein bischen Ruhe und Entspannung." "Ich habe hier von einer noblen Taverne gehört welche einem berühmten Feinschmecker gehören soll." "Wir sollten uns nach dorthin begeben."



    Aristoxenus: "Gut, dann führe uns nach dorthin, aber verlaufe dich dabei nicht."


    http://www.imperium-romanum.in…thread.php?threadid=27451

    "Poseidon... Gott der Meere und Schutzherr meiner Familie...deinem Ruhme widme ich mein Leben!"

    Einmal editiert, zuletzt von Aristoxenus Leandros ()

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