• Als der Consular schließlich Notiz von ihm nahm und schließlich erkannte trat der Decimer näher.


    "Verzeih bitte meinen Überfall, aber ich hätte gerne ein paar persönliche Worte mit dir gewechselt. Unter vier Augen wenn das möglich ist."


    Entschuldigend aber zugleich bestimmt sah er sich in der Runde um. Vermutlich hatte der eine oder andere Klient auf die gleiche Möglichkeit gewartet und fühlte sich nun ziemlich frech vor den Kopf gestoßen.


    "Wenn es gerade ungünstig ist, dann kann ich mich gerne zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal an dich wenden. Ansonsten würde ich dich ein Stück deines Weges begleiten."


    Die letztliche Entscheidung darüber traf allerdings ohnehin Quarto selbst.

  • “Oh, natürlich, Senator Decimus Livianus, gehen wir ein Stück.“


    Quarto machte seinen wartenden Klienten ein Zeichen, dass er den Vorplatz der Curia Iulia zu verlassen gedachte. Seine zu Livianus gewandte Körperhaltung ließ dabei erkennen, dass er mit seinem Senatskollegen ungestört sprechen wollte.


    So gingen sie also und die Klienten folgten ihnen mit etwas Abstand.


    “Worum geht es?“, frage er mit gedämpfter Stimme.

  • Offene Kritik war selbstverständlich keine zu hören, jedoch konnte Livianus anhand der Blicke mancher Senatoren erkennen, dass ihnen diese Vorgehensweise mehr als missfiel. Unbekümmert über diese Tatsache wandte sich der Decimer ebenso wie Quarto von der Curia Iulia ab und folgte ihm. Das Quarto seine Stimme etwas senkte kam Livianus sehr entgegen und so tat er es ihm gleich. Sein Blick wanderte dabei zu Boden und verfolgte den Verlauf der Straße.


    "Einige Begebenheiten der letzten Zeit haben mich sehr nachdenklich gemacht. Sie haben mir aufgezeigt das ich mich seit meiner Rückkehr aus Parthia und dem Ende meiner Praetur auf sehr dünnem politischen und leider auch gesellschaftlichen Eis bewege. Eine sehr unangenehme Erkenntnis wie du dir vorstellen kannst, der ich nun möglichst rasch und effektiv entgegenwirken möchte. Ich…… Ich hatte dabei auf deinen Rat oder vielleicht sogar deine Unterstützung gehofft."


    Beim letzten Satz sah er wieder zu Quarto auf. Er hoffte darauf, dass Quarto, der als logischer und gewiefter Denker bekannt war, die Umstände von denen Livianus andeutungsweise sprach zu deuten wusste. Wenn nicht, so würde ihm nichts anderes übrig bleiben als deutlicher zu werden und klar auszusprechen was sein Problem war, auch wenn er dabei sein Gesicht verlieren konnte.

  • Einige durchaus einflussreiche Männer verübelten es Livianus, dass er sich damals, im Parthischen Krieg hatte gefangennehmen lassen. Sie waren der Ansicht, dass er rechtzeitig hätte Selbstmord begehen müssen um seine Ehre zu retten, die sie dadurch besudelt sahen. Aber diese Männer waren auch niemals in einer ähnlichen Situation gewesen.
    Außerdem gab es Neid, denn Livianus war triumphal aus der Gefangenschaft zurückgekehrt und hatte dann das seinige dazu getan, diesen Eindruck zu verstärken.
    Das alles wusste Quarto natürlich. Er selbst gehörte nicht zu den scharfen Kritikern des ehemaligen Praetors, vielleicht auch deshalb, weil er damals selbst in Parthia gewesen war und den Krieg gesehen hatte.


    “Manche verübeln dir die Vergangenheit, ich weiß es wohl.“, antwortete er schlicht und gab damit zu erkenne, dass er zu wissen glaubte, was Livianus hatte sagen wollen.
    “Ich rate dir gerne. Aber wie, glaubst du, kann ich dir helfen?“

  • Quarto hatte also, wie nicht anders zu erwarten, verstanden was den Decimer zu schaffen machte – zumindest teilweise. Livianus nickte bestätigend. Der Consular war ebenfalls bekannt dafür, dass er nicht gern lange um den heißen Brei redete und so verwunderte es Livianus auch nicht, dass er direkt zum Punkt kam.


    "Nun ja Senator. Es ist leider nicht nur die Vergangenheit die mich einzuholen scheint. Es ist auch die Gegenwart. In früheren Zeiten erlaubten mir meine Position und auch meine Stellung am kaiserlichen Hof als Klient des göttlichen Iulianus Freiheiten und Einflussnahme, von denen die meisten nur Träumen können. Aber was erzähle ich dir da…….. Du weißt es ebenso gut wie ich."


    Livianus sah wieder zu Boden und beobachtete wie er langsam einen Fuß vor den anderen setzte.


    "Diese Zeiten haben sich nun geändert und von Einfluss kann kaum noch die Rede sein. Meine Klienten wenden sich zusehends von mir ab da ich sie nicht mehr wie gewohnt unterstützen kann. Und ich kann es ihnen nicht einmal nachtragen. Nicht einmal meiner Familie kann ich bei Lächerlichkeiten aushelfen.


    Vor einiger Zeit habe ich als letzten Ausweg sogar den neuen Praefectus Urbi aufgesucht und ihm um einige kleinere Gefälligkeiten gebeten im Bezug auf einen Klienten und meinem Bruder Mattiacus, der dem Kaiserhaus immer treue Dienste geleistet hat. Es waren wirklich keine großen Sachen, aber was soll ich dir sagen …..Er war bereit mir zu helfen ….."


    Hier stockte Livianus kurz und man konnte merken, dass immer noch Wut in ihm kochte, wenn er daran zurückdachte.


    "….. wenn ich ihn als meinen Patron akzeptiert hätte. Kannst du dir das vorstellen?! Ich Decimus Livianus der Klient dieses……"


    Das letzte Wort verbiss sich der Decimer, da seine Stimme nun auch vor lauter Rage wesentlich an Lautstärke zurückgewonnen hatte.

  • Durch diese kurze Unterbrechung konnte sich Livianus wieder fassen und sah erneut zu Quarto auf. Verneinend schüttelte er dabei den Kopf und senkte wieder seine Stimme.


    "Natürlich nicht. Alleine die Vorstellung daran widert mich an und entehrt mich."


    Es folgte ein resignierender Seufzer.


    "Doch eines habe ich dadurch mehr als verstanden…… Der Klient eines Kaisers zu sein, selbst wenn es sich um den göttlichen Iulianus handelt, ist nach dessen Tod und besonders in Zeiten wie diesen nicht mehr all zu viel wert. So schwer mich diese Erkenntnis trifft, dieser Vescularius Salinator hat mir dies Klar gemacht."


    Der Decimer senkte wieder zerknirscht den Kopf.


    "Ich habe jedenfalls abgelehnt und bin gegangen. Meinem Klienten wurde selbstverständlich nicht geholfen und mein Bruder Mattiacus wartet bis heute auf sein Tribunat. Du kannst sicher verstehen das es mir bis heute schwer fällt ihnen in die Augen zu sehen."

  • “Aber das ist nicht deine Schuld. Der Praefectus hätte sich deiner Bitte gegenüber nicht verschließen sollen. Vor allem aber ist es vollkommen abscheulich, für eine Gefälligkeit wie diese eine solche Forderung zu stellen und dann auch noch so unverblümt.
    Jedoch, es stimmt natürlich: ein verstorbener Patron, selbst wenn er sich zu den Göttern selbst gesellt hat, ist auf Erden keine große Hilfe.“


    Natürlich hätte Valerianus die Klienten seines Adoptivvaters übernehmen können. Das wäre durchaus üblich gewesen. Aber er hatte es nicht getan.

  • Nickend bestätigte der Decimer noch einmal die Aussage des Consulars und sah schließlich wieder zu ihm auf.


    "Und hier mein geschätzter Senator sind wir auch schon bei deiner Frage angelangt, wie du mir helfen könntest.


    Ich habe den Entschluss gefasst mich neuerlich einem Patron unterzuordnen. Hierbei kommen für mich jedoch, wenn überhaupt, nur eine handvoll Männer in Frage, von denen ich jedoch auch gleich die meisten wieder aus unterschiedlichen Gründen ausschließen kann. Da unser Kaiser allem Anschein nach nicht daran interessiert ist, die Klienten seines Vaters zu übernehmen, möchte ich meine Klientenschaft den aus meiner Sicht geeignetsten Kandidaten anbieten…. und das bist du."


    Vermutlich hatte Quarto ohnehin bereits geahnt, dass Livianus früher oder später auf dieses Angebot hinaus wollte. Daher hatte es auch keinen Sinn noch länger um den heißen Brei zu reden. Gespannt auf die Reaktion des Consulars, blieb Livianus stehen und sah ihn nun direkt an.

  • “Dein Angebot ehrt mich, es ehrt mich sogar sehr.“, antwortete Aelius Quarto und das er sich geehrt fühlte konnte man ihm unbesehen glauben.
    Denn Decimus Livianus hatte es im Römischen Militär weit gebracht, bis hin zum Legaten der einzigen Legion auf italischem Boden, der Legio I Traiana. Er war eine Zeit lang Praefectus Urbi gewesen, Senator war er sowieso und zuletzt hatte er als Praetor Urbanus amtiert, stand also vor einem möglichen Consulat in den kommenden Jahren.
    Trotz seiner aktuell möglicherweise nicht ganz einfachen Lage war er als Klient das, was man salopp einen 'dicken Fisch' nennen konnte.


    Und Quarto holte die Angel rasch ein, bevor es sich der Fisch anders überlegen konnte:
    “Wie könnte ich ablehnen? Nein, ich kann es nicht und ich will es auch nicht.
    Ich werde sehr gerne dein Pratron und will dich unterstützen wo ich kann.
    Umso mehr will ich es angesichts der familiären Bande, die uns bald zusamenführen werden, auch wenn es nur eine entfernte Schwägerschaft sein wird. Wie du sicherlich weißt werden deine Nichte und mein Vetter zweiten Grades bald heiraten.
    Stärken wir diesen Bund noch weiter, du als mein Klient, ich als dein Patron. Ja, ich bin einverstanden.“


    Er streckte Livianus die Hand hin.

  • Livianus und Quarto blieben stehen, was auch die ihnen folgenden Senatoren dazu veranlasste in einigen Abstand stehen zu bleiben. Mit einem erfreuten Schmunzeln auf den Lippen ergriff der Decimer die Hand seines neuen Patrons. Es war abzusehen das Quarto bei einem solchen Angebot nicht nein sagen würde und Livianus war sich gewiss, dass eine solche Bindung von beiderseitigem Vorteil war. Von der Angesprochenen Hochzeit hatte er gehört, jedoch noch nicht von seiner Nichte selbst, sondern von einem der Sklaven. Er sollte sie vielleicht bei nächster Gelegenheit direkt darauf ansprechen, sofern sie nicht ohnehin vor hatte zu ihm zu kommen. Doch dies tat in diesem Moment nichts zur Sache.


    "Ich danke dir Patron. So soll es sein. Vielleicht können wir diese Bindung bei passender Gelegenheit mit einem gemeinsamen Opfer besiegeln und so für die neue Verbindung unserer Häuser auch den Segen der Götter einholen."

  • “Eine sehr gute Idee. Der Göttin Concordia zu opfern würde vermutlich am besten passen, was meinst du?“


    Aelius Quarto sprach wieder in normaler Lautstärke, denn was er sagte konnten ruhig alle hören, fand er jetzt.

  • "Ja, die Göttin Concordia. Ein wunderbarer Vorschlag. Einen geeigneten Termin können wir später noch besprechen."


    Für Livianus war eine solche gemeinsame Opferung doppelt von Bedeutung. Vorrangig natürlich um die Götter positiv auf diesen Zusammenschluss zu stimmen, zum Anderen um mit Quarto in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Keine Frage dass sich diese Neuigkeit in gewissen Kreisen schnell herumsprechen würde. Dafür würden schon Quartos Klienten sorgen, denen Livianus bei dieser Gelegenheit einen kurzen Blick zuwarf, doch es war nie schlecht, wenn auch das einfache Volk eine kurze gemeinsame Zeremonie zu sehen bekam.


    Nun wo er Quarto schon einmal für sich alleine hatte, wollte er auch noch ein weiteres heikles Thema ansprechen. Livianus nahm daher den Schritt wieder auf und bat den Aelier mit einer einladenden Geste es ihm gleich zu tun. Dabei senkte er seine Stimme erneut und sah sich kurz um, ob auch wirklich niemand in der Nähe war.


    "Es gibt da vorher noch eine Kleinigkeit, die ich bei dieser Gelegenheit gerne mit dir Besprechen möchte."

  • "Es geht um den bereits angesprochenen Praefectus. Ich habe von Prudentius Balbus erfahren, dass nicht alle einflussreichen Männer mit diesem Mann und vor allem mit seinen Machenschaften einverstanden sind. Auch du sollst nicht gerade zu seinen Befürwortern zählen. Als Bruder des Kaisers müsstest du doch am ehesten intervenieren können? Dieser Mann ist eine Schande für unseren Stand und wird uns in eine Katastrophe stürzen sofern der Kaiser nicht bald gesundet."


    Livianus blickte sich wieder um. Ein Mann wie der Vescularier hatte bestimmt unzählige Agenten, die auf der Straße nach Aufrührern und Verschwörern Ausschau hielten. Welches Ziel konnte da lohnender sein als Senatoren, die ohnehin nicht gerade zu Salinators Freunden zählten.

  • Das war vermutlich auch der Grund, weshalb selbst der Consular Aelius Quarto die Hand hob und raunte: “Du solltest nicht so laut über diese Dinge reden und nicht hier.“


    Er sah sich um. Obwohl sie das schlimmste Gedränge vor der Curia hinter sich gelassen hatten war es ihm noch immer deutlich zu belebt.

  • "Natürlich. Verzeih bitte."


    Erst jetzt wurde Livianus bewusst, das er wohl nicht leise genug gesprochen hatte. Er sah sich wieder um, konnte jedoch nichts Auffälliges erkennen. Dann wandte er sich wieder an Quarto.


    "Vielleicht könnten wir uns ja bei einem gemütlichen kleinen Essen treffen und über dieses Thema den einen oder anderen Gedanken austauschen. Als dein neuer Klient werde ich dich selbstverständlich in die Casa Decima einladen. Vielleicht kann ja auch dein Klient Balbus diesem Treffen beiwohnen und andere Gäste deiner Wahl."

  • "Sehr gut. Dann werde ich euch in den nächsten Tagen eine Einladung zukommen lassen. Ich danke dir für diese besondere Ehre dich in meinem bescheidenen Heim als meinen Gast begrüßen zu dürfen. Dort können wir dann auch in Ruhe über dieses Thema sprechen."


    Dankend nickte Livianus seinem neuen Patron zu. Für ihn gab es nun nichts mehr, das man zu verheimlichen hatte und so sprach er in einer dem Straßenlärm angepassten Lautstärke weiter.


    "Eine Sache gebe es da noch, die ich gerne mit dir besprechen möchte.


    Ich denke, ich bin nun lange genug wieder zurück in Rom und konnte mich seitdem weitestgehend von meinen erlebten Strapazen erholen, um unserem Kaiser nun wieder etwas aktiver zu dienen. Das Leben als einfacher Senator ist nichts für mich. Das habe ich in den letzten Monaten deutlich gemerkt."


    Livianus lächelte beim letzten Satz einen kurzen Moment. Er wusste das man ihn weitestgehend nicht gerade als begabten geschweige denn herausragenden Politiker sah, so wie es bei Quarto der Fall war. Der Decimer hatte andere Eigenschaften, mit denen er überzeugen konnte. Er wurde jedoch gleich wieder ernst.


    "Daher hatte ich gehofft, du könntest dich umhören oder beim Kaiser ein gutes Wort für mich einlegen. Vielleicht gibt es ja einen Posten der meinen Erfahrungen und meinem Rang gerecht wird und wo der Kaiser und vielleicht auch du einen verlässlichen Mann benötigt. Ich selbst hätte so auch die Möglichkeit meine Ehre wieder herzustellen, die viele seit meiner Rückkehr aus Parthien als beschmutzt ansehen."


    Livianus dachte dabei natürlich vorrangig an ein militärisches Kommando oder gar eine Statthalterschaft, die bisher auf Grund der unterschiedlichsten Umstände immer wieder unter den Tisch gefallen war. Vielleicht hatte der Kaiser ja auch bereits daran gedacht einen Legatus Augusti als Sondergesandten nach Aegyptus zu schicken, um sich dort ein Bild von der Lage zu machen, die vor allem durch die Berichterstattung der Acta immer wieder in ein eher schlechtes Licht gerückt wurde. Wie dem auch war, so wusste bestimmt auch Quarto das Livianus als Bürokrat nicht viel taugte. Er war eher ein Mann der Tat.

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