Kandidatur zum Cursus Honorum [01/10] - Aulus Flavius Piso

  • Auch an diesen Kandidaten erinnerte sich Durus noch gut - Flavius Piso hatte erst vor kurzem versucht dem Collegium der Septemviri beizutreten. Soweit er wusste, war ihm das auch gelungen! Auch er wurde aufgerufen:


    "Aulus Flavius Piso möge sich äußern. Er kandidiert für das Vigintivirat!"

  • So sah also die Curia Iulia von innen aus, dachte sich der Flavier, als er nun zum ersten Mal in den heiligen Hallen des Senates stand. Verwunderlicherweise, ohne dass er sagen könnte, wieso (vielleicht hatten ihn ja die Ahnen unterstützt) hatte er gut geschlafen in der Nacht zuvor. Und somit war er ausgeschlafen, entgegen seiner Vermutung, er würde hier aufgrund akuten Schlafmangels, dessen Grund Sorgen und Aufregung wären, in den Hallen des Senates eine eher unheimlich-gespenstische als eine in irgendeiner Weise wählbare Figur machen. Doch nun, nach einer ruhigen Nacht und einem guten Frühstück, fühlte er sich durchaus bereit, den Stier an den Hörnern zu packen und seine Rede hier im Senat zu schwingen.
    Durus rief ihn auf, und Piso erhob sich. Seine toga candidata war sorgsam um seinen Körper drapiert, weiß wie die Unschuld erstrahlte sie jedem, der sie anblickte. Sein linker Arm drohte, vor lauter Anspannung und unter der Last der Toga, anfangen zu zittern. Unter Aufbringung all seines Willens konnte er sich beherrschen. Gemessenen Schrittes – immer nur schön langsam, nichts überhasten - bewegte er sich zum Rednerpult hin und räusperte sich, als er dort angekommen war.
    „Patres conscripti.“, fing er an, mit der selben festen und deutlich vernehmbaren Stimme, die er auch bei Opfern anklingen ließ. Er hätte selber darauf gewettet, dass er sich schon bei der Anrede der Senatoren versprechen würde, oder mit einem Frosch im Hals zu kämpfen haben würde, oder ihm sonst etwas widerfahren würde. Doch bisher klang alles recht gut. Bisher.
    „Es erfüllt mich mit Freude, Stolz und auch enormer Demut, dass es mir erlaubt ist, vor dieser honorablen Institution, dem Senat, zu sprechen.“ Zum Zeichen seines Respektes vor dem Senat senkte er seinen Kopf (nur nicht zittern, Aulus, befahl er sich selber) und ließ seinen Blick zu jenem Senator wandern, der ganz links unten saß, als Ausgangspunkt. „Wie es schon der ehrenwerte Consul gesagt hat: mein Name ist Aulus Flavius Piso, Sohn des Gnaeus Flavius Aetius.“ Sein Blick begann langsam von links unten nach rechts oben zu schweifen, wobei er sich bemühte, mit seinem Blick so viele der Senatoren zu streifen wie möglich. Ein paar Gesichter kamen ihm vertraut vor, und ihr Anblick beruhigte seine innere Angespanntheit. „Und es ist mein Wunsch, dem Reich im cursus honorum zu dienen, so wie es schon meine Verwandten, die flavischen Kaiser getan haben, wie es die Senatoren Flavius Felix und Flavius Vespasianus taten, und wie meine Vetter, die Senatoren Flavius Gracchus und Flavius Furianus. Zu diesem Zwecke kandidiere ich heute, um Vigintivir zu werden. Dabei würde ich die Position eines tresvir capitalis anstreben.“
    Er atmete tief ein und aus, bevor er weitersprach. „Nun aber ist eure Frage gewiss: Wieso, abgesehen von seinem Gentilnamen, sollten wir Flavius Piso wählen? Was sind seine Meriten?“ Sein Blick wanderte wieder durch die Reihen der patres conscripti.
    „Patres conscripti, ich habe bis vor Kurzem für eine beträchtliche Zeit das Amt des Primicerius a libellis in der kaiserlichen Kanzlei bekleidet – somit wäre das Amt eines Vigintiviren nicht die erste Funktion, in dem ich dem Staat dienen würde. Die reichhaltigen organisatorischen und administrativen Erfahrungen, die ich in der Kanzlei im Zuge meiner Arbeit sammeln konnte, sind unschätzbar und würden mir ohne Zweifel auch als Vigintivir zugute kommen. Zudem kam mir auch die Ehre zuteil, in die Sodalität der Arvalbrüder aufgenommen zu werden.“ Er machte eine kurze Pause und schwenkte seinen Blick von der linken zur rechten Seite des Senates. „Schließlich wurde ich in das Collegium Septemvirorum kooptiert, eine weitere große Ehrung für mich. Das Vertrauen, das die Epulonen in mir bewiesen, bezeugt mein Engagement. Zu erwähnen wäre auch, dass ich, seitdem ich den Cursus Iuris bestanden habe, als Anwalt eingetragen bin und auch freiwillig die Bürde auf mich genommen habe, als Pflichtstrafverteidiger zur Verfügung zu stehen.“ Nur, dass das noch niemand in Anspruch genommen hatte. Er räusperte sich.
    „Zu meinen zusätzlichen Qualifikationen gehören, dass ich die Architektur und das Wirtschaftswesen an der Schola Atheniensis studiert habe. Momentan studiere ich auch die Feierlichkeitsorganisation, wobei die Ergebnisse der Prüfung noch nicht veröffentlicht sind. Außerdem habe ich an der Academia Militaris meines verehrten Patrons Spurius Purgitius Macer...“ Er ließ die Information, wer sein Patron war, ganz kurz einsickern. „...die ersten zwei Examina abgelegt.“
    Wieder wanderte sein Blick durch die Senatorenversammlung. „Die Erfahrung, die ich aus meinem vorherigen Berufsleben gewonnen habe und das Wissen und die Fähigkeiten, welche ich erworben habe aus meinen Studien, besonders aus den juristischen und militärischen, prädestinieren mich für den Posten eines tresvir capitalis. Ich betrachte es deshalb und auch ob meines Interesses am Strafrecht, an der Rechtspflege und der Aufrechterhaltung unserer Gesetze als meine Pflicht, mich für diese Position zur Verfügung zu stellen! Ich bitte euch darum: gebt mir die Gelegenheit, mich als Vigintivir zu bewähren. Bitte, schenkt mir euer Vertrauen und eure Stimme.“
    Ganz, ganz langsam atmete er aus. Eine lange Verschnaufpause würde er nicht haben. Denn jetzt würden wohl die Fragen aus dem Senat auf ihn einprasseln.

  • Durus verfolgte die Rede des sichtlich nervösen Flaviers eigentlich recht wohlwollend. Doch andererseits verwunderte ihn etwas, auf das er in Zukunft etwas mehr Wert legen wollte: Warum war er Primicerius a libellis gewesen?


    "Flavius, deine Ahnenreihe und deine Bemühungen, dich in fast jedem Gebiet des Wissens zu bilden ehrt dich sehr. Auch habe ich deine Kandidatur als Septemvir unterstützt. Dennoch würde mich interessieren, warum du beschlossen hast, ausgerechnet am Kaiserhof Erfahrung zu sammeln und nicht bei einem befreundeten Senator, wie es üblich ist."


    Das Tirocinium fori war obligatorisch für jeden jungen Römer, der den Cursus Honorum beschreiten wollte - wenn er es nicht einfach seinem eigenen Vater absolvierte. Gerade, wenn so viele Senatoren in der Flavia zu finden waren, hätte dies sicherlich nahegelegen...


    Der Kaiserhof hingegen war typisch ritterliche Domäne...andererseits natürlich wesentlich komplexer als die Familia eines Senators...

  • Es dauerte tatsächlich nicht lange, und Piso bekam eine erste Frage. Es stellte sie Tiberius Durus, und sie war durchaus berechtigt, besonders vonseiten eines Mannes, dessen Konservativismus bekannt war.
    „Diese Frage ist sehr berechtigt, Consul.“ Er fühlte sich schon ein wenig entspannter als vorher, obwohl noch immer sehr konzentriert. „Der Entschluss reifte in mir, nachdem ich in Rom ankam. Das tirocinium fori ist eine angesehene und ehrwürdige Einrichtung, die jungen Vigintiviratskandidaten schon oft sehr gut geholfen hat.
    Ich fällte aber den Beschluss, einen anderen Weg auszuloten, der mir auch jene Erfahrungen verliehen hat, die ein tirocinium fori mit sich gebracht hätte – nicht zuletzt wegen der Fähigkeiten und dem Wissen, welches ich dank meiner Position als Untergebener des damaligen Procuratoren und jetzigen Praefectus Praetorio Prudentius Balbus erlangt habe. Mehr sogar als dies, denn die Arbeit in der Kanzlei ist wegen ihres hohen Anspruches, der Notwendigkeit, gewonnenes Wissen praktisch anzuwenden, und der Spanne an Arbeit unterschiedlichster Art und Weise ungemein lehrreich. Auch erlaubte dies mir, dem Staat zu dienen, noch bevor ich es unternahm, mich für den cursus honorum zu bewerben. Die anspruchsvolle Tätigkeit eines Primicerius bereitete, so denke ich, mich hervorragend auf meine jetzige Arbeit als Septemvir und auch auf meine angestrebte als Vigintivir vor. Es war eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte, auch wenn es vom Rahmen des Gewohnten leicht divergiert haben mochte.“

    Jetzt war abzuwarten, ob sich die Senatoren mit dieser Antwort zufrieden stellten. Und ob es andere Fragen gab.

  • Macer lächelte, als sein Klient geschickt seinen Namen fallen ließ, ohne dafür einen besonderen Umweg in seiner Rede und der Darlegung seiner Qualifikatioenn zu machen. Mit der Rede und auch mit der Antwort auf die erste Rückfrage machte der Flavier in seinen Augen vieles richtig, so dass er noch keinen Grund hatte, ihm zur Seite zu springen. Nur an seinem deutlichen zustimmenden Nicken an mehreren Stellen konnte man erkennen, dass er der Kandidatur eindeutig zustimmte.

  • Aufmerksam verfolgte Ursus die Rede des jungen Flaviers, den er vor einiger Zeit näher kennengelernt hatte. Er machte seine Sache wirklich gut, auch wenn er ein klein wenig nervös wirkte. Aber wer war nicht fürchterlich nervös, wenn er zum ersten mal an diesem ehrwürdigen Ort vor all diesen Männern, die Rom schon auf so viele Weise gedient hatten und die mächtigsten und reichsten des römischen Reiches waren, sprechen sollte?


    Auch seinen Schwachpunkt, die Arbeit in der Kanzlei, hatte Piso geschickt umschifft. Ohne Zweifel hatte er sich ausgezeichnet vorbereitet, die Antwort war ausgefeilt formuliert, mit dieser Frage hatte Piso also fest gerechnet. Fragen hatte Ursus keine. Sein Gespräch mit Piso war ihm aufschlußreich genug gewesen. Der einzige Negativpunkt war die Wahl des Wunschamtes. Zu viele Kandidaten nannten als ersten Wunsch ein weniger arbeitsreiches Amt. Wahre Einsatzbereitschaft zeigte in Ursus' Augen nur, wer sich den Erbschaften zu widmen freiwillig bereit war.

  • “Ich habe keine weiteren Fragen, aber ich möchte noch etwas sagen, bevor der Kandidat entlassen wird.
    Ihr, meine verehrten Kollegen, werdet alle eure eigene Entscheidung treffen, aber ich habe mich entschieden; ich werde Aulus Flavius Piso meine Stimme geben.“


    Angesichts der langjährigen Feindschaft zwischen den Flaviern und den Aeliern war diese öffentliche Bekundung eine Geste und Quarto hoffte wohl, dass sie nicht nur vom Kandidaten selbst verstanden wurde, sondern auch von seinen Verwandten.

  • Da es augenscheinlich keine Fragen mehr gab, erhob auch Gracchus das Wort - seit seiner Rückkehr nach Rom zum ersten Male wieder in der Curia Iulia, abgesehen von den Abstimmungen -, und obgleich er wohl Senator Aelius' Vorstoß zu Würdigen wusste, würde ihn selbst nichts dazu bringen, bei einem der aelischen Klienten ein Wort zu verlieren, nicht etwa, da er sie nicht für geeignet hielt - seine diesbezügliche Entscheidung würde er erst nach Beratschlagung mit seiner Gemahlin treffen -, sondern schlichtweg deshalb, da keiner der Kandidaten ein Aelius war, derzeitig ohnehin Furianus das öffentliche familiäre Ruder in Händen hielt, und die Worte zu Pisos Kandidatur ihn bereits genügend Überwindung kosteten. Doch familiäre Pflichten wogen Gracchus stets am schwersten, wiewohl sein Vetter seine tatsächliche Ästimation genoss.
    "Auch ich kann dem Senat Aulus Flavius Piso nur empfehlen - und das nicht etwa Angesi'hts des Faktums, da er mein Vetter ist, denn gerade da er mein Vetter ist, sind meine Erwartungen an seine Person noch weitaus größer als an jeden anderen Submittenten, wel'her die Stufen des Cursus Honorum betritt -, sondern da ich ihn als überaus tü'htigen, integeren und antizipierend handelnden Menschen ästimiere, von welchem ich weiß, dass sein inwendiges Streben stets dem korrespektiven Wohle des Staates gilt, und von wel'hem ich überzeugt bin, dass er die ihm angetragenen Causae zu unsrer größten Satisfaktion wird absolvieren. Daher wird auch meine Stimme Aulus Flavius Piso gehören."
    Nach Gracchus' Ansicht waren dies genug der Worte für mindestens die gesamte nächste Amtszeit, so dass er wieder Platz nahm.

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