Requiescere necesse est, etiam laborare est*

  • Die Worte seines Patrons klangen scherzhaft, auch wenn sie wohl durchaus ernst gemeint gewesen waren. Zumindest was Senator Germanicus anging, brachte sein Patron Sermo zum schmunzeln. Schnell wurde er jedoch wieder ernst, denn Macer ging näher auf die Konstellation des Senats ein. Interessiert hörte Sermo weiter zu. Er nickte beipflichtend, als der Purgitier auf Flavius Furianus zu sprechen kam. "Diese Wortgefechte führen ja sogar bis in die Hallen der Basilica Ulpia, wie eben jene Senatoren erst letztes Jahr beschämenderweise demonstrierten."


    Sie stiegen gemächlich aus dem Becken, streiften die Holzsandalen zum Schutz gegen die beheizten Fußbodenplatten über die Füße und schlenderten dann in den nächsten Badesaal, dessen Becken noch um einiges heißer war. Ganz ungezwungen und mit einem wohligen Seufzen ließ Sermo sich auch in diesem Becken nieder und lehnte sich genießerisch am Beckenrand an. Wenig später kam er auf das angefangene Thema zurück. "Sag, wäre es nicht die Aufgabe der Consuln, eine Debatte zu moderieren? Sie in den richtigen Bahnen zu halten und nicht in sinnlose Gefilde abschweifen zu lassen? Ich meine, wären die Debatten im Senat unter strafferer Kontrolle, könnte man nicht eine enorme Zeitersparnis erzielen?" Mit unschuldiger Miene suchte er den Blick seines Patrons, bevor er beteuerte: "Wobei ich den amtierenden Consuln gewiss nicht Kritik an ihrer Tätigkeit äußern will, da ich selbst ja freilich nie persönlich an den Sitzungen teilnehmen kann."

  • Macer folgte seinem Klienten in den nächsten Raum und anschließend auch dessen Gedankengängen. Eine Weile schwieg er, bevor er antwortete. "Sicher, eine strengere Moderation könnte so manche Debatte verkürzen. Andererseits sind es meinstens ohnehin nur die kurzen, bissigen Einwürfe, die zu Streit und unnötiger Ablenkung führen. Die wird man nie wirklich unterbinden können, füchte ich. Manchmal wäre es mir sogar lieber, die Senatsdebatten würden mehr Zeit in Anspruch nehmen können. Ein effektiver Schlagabtausch mag nett sein, aber selbst diejenigen, die ein neues Thema auf die Tagesordnung setzen, halten selten selber lange Reden." Zwar gehörte Macer selber weder zu den Leuten, die ständig lange Reden hielten noch hatte er eine umfangreiche rhetorische Ausbildung gehalten, aber die Bereitschaft, auch mal mehr als drei längere Sätze am Stück von sich zu geben hielt er für einen Senator dennoch für unverzichtbar. "Und wenn man sich dann anschaut, wie Tiberius Durus einige der Debatten unter seinem Vorsitz geleitet hat, dann weiß ich auch nicht, ob die Consuln immer geeignet sind, eine Debatte in sinnvolle Bahnen zu lenken. Zumindest, wenn man das als sinnvolle bezeichnet, bei dem am Ende auch herauskommt, was die Mehrheit gesagt und gedacht hat." Damit spielte er natürlich auf die unnötigen Abstimmungen an, die im Senat abgehalten wurden, weil Tiberius Durus es schlicht versäumt hatte, kritische Nachfragen zu seinen Gesetzentwürfen zu konstruktiven Änderungen der Beschlussvorlagen zu verarbeiten.

  • Wasserdampf stieg auf, während sie so dasaßen und redeten. Sermo nickte zustimmend. "Die rhetorische Ausbildung der Senatoren lässt zu wünschen übrig, meinst du?" Er meinte diese Behauptung nicht ganz ernst, was man an einem schiefen Grinsen auch erkennen konnte. "Wie man sie wohl zu ertragreicheren Beiträgen motivieren könnte?" Dabei stellte er sich außerdem die Frage, ob jeder Senator einen Gesetzesvorschlag oder ähnliches Vorbringen konnte, aber dem schien wohl so zu sein, wenn Macer so allgemein darüber sprach.
    "Vielleicht sollte man die Aufgabe der Moderation dem Princeps Senatus übergeben, der genau zu diesem Zweck gewählt würde," dachte er laut über Macers Worte nach. "Dann könnte man gewiss mehreren Abstimmungen vorbeugen, die sonst womöglich wiederholt werden müssten." Die Anspielung auf jene unnötigen Abstimmungen hatte er natürlich registriert. Das Verhalten des Consuls war unter Macers Klienten durchaus Gesprächsthema gewesen, weshalb Sermo nicht schlecht informiert war.

  • "Ach, ich denke, es kommt mehr auf die Person selbst an, als darauf, wie das Amt nun heißt oder wer formal die Sitzung führt", winkte Macer ab. "Ich denke, die Mischung macht's. Ein paar gute Redner, die mehr als zwei Sätze hintereinander sprechen können, ein paar gute Denker, die auch ein Gesetz mit mehr als drei Paragraphen noch im Kopf überblicken und ein paar Respektspersonen, die für Ruhe und zügiges Arbeiten sorgen, so einen Senat bräuchte man. Hat es aber wahrscheinlich noch nie gegeben", erläuterte Macer seine Idealvorstellung, von der er nur zu gut wusste, dass sie wohl nie Realität werden würde.

  • "Mit Verlaubt, das klingt ziemlich idealistisch," schmunzelte Sermo über Macers Worte. "Aber vielleicht ist Fortuna uns einst hold und nimmt sich deine Worte zu Herzen." Mehr wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu sagen und auch sein Patron hing eine Weile seinen Gedanken nach, so dass sie still vor sich hin grübelten. Sermo beobachtete andere Thermenbesucher beim wechseln der Becken. Dicke, dünne Leute. Kleine, große Personen. Augenscheinliche Römer und fremdländisch wirkende Männer. Irgendwann wurde es Zeit selbst das Becken zu wechseln und das taten sie dann auch. Jetzt ging es ins Tepidarium, ins Kaltbad. Als sie auch diesem wieder enstiegen waren und sich getrocknet hatten wandte Sermo sich wieder an seinen Patron. "So...gönnen wir uns noch eine Massage?"

  • Noch einmal winkte Macer ab und ließ dabei ein wenig Wasser spritzen. "Da gibt es sicher Leute mit besseren Visionen, auf die Fortuna dann hören sollte", antwortete er, bevor beide Männer eine Zeit lang schweigend ihre Gedanken kreisen ließen und die Menschen in den Baderäumen beobachteten.


    Nachdem sie schließlich nach einer Abkühlung dabei waren, sich abzutrocknen, ergriff Sermo wieder das Wort. Als Antwort schüttelte Macer diesmal den Kopf. "Lass' dich nicht abhalten, aber auf eine Massage habe ich gerade weniger Lust. Ich wollte mir gleich erstmal einen Imbiss holen." Immerhin gab es in der Eingangshalle der Thermen auch zahlreiche Händler, die kleine und größere Stärkungen anboten, um den flauen Magen nach einem ausgiebigen Badegang wieder zu füllen.

  • "Ach," machte der Quintilius recht gleichgültig. Macer hatte Hunger, dann sollte er ruhig essen gehen. "Gut, dann lass es dir schmecken. Man sieht sich spätestens morgen zur Salutatio." Er lächelte schmal und schob den Gedanken an das frühe Aufstehen beiseite. "Dann wünsche ich noch einen angenehmen Feierabend. Vale Patronus," verabschiedete er sich an der Tür zu den Umkleiden. Der Purgitius ging hinaus und Sermo machte sich frohgemuts auf zu den Entspannungsräumen, in denen verschiedenste Massagen, Heilbäder oder Salbenvarianten angeboten wurden. Er gönnte sich eine einfache Massage, die ihm lediglich die Anstrenung des Tages aus dem Körper kneten sollte. Und das gelang auch sehr gut, wodurch Sermo etwas später die Thermen gutgelaunt und ausgeglichen verließ. Mit Vorfreude auf die Cena strebte er die Casa Quintilia an, das Wasser lief ihm bereits im Mund zusammen.

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