Requiescere necesse est, etiam laborare est*

  • Nach einem arbeitsreichen Tag hatte Sermo seinen Patron in die Thermen eingeladen, um gleichwohl die angespannten Muskeln zu lockern und über seinen weiteren politischen Weg sowie die Rolle des Purgitius darin zu reden. Sie begaben sich in die Umkleidekabinen, tauschten Toga und Mantel gegen das Handtuch, Winterschuhe gegen Holzschlappen und betraten dann nach alter Tradition zunächst das Tepidarium. Dort ließen sich die beiden Männer ächzend ins Wasser sinken und verharrten so einen Moment. Sermo hatte sogar die Augen geschlossen, atmete erleichtert aus und ließ den Tag kurz revue passieren. Nach einer stinklangweiligen Salutatio hatten die Liktoren ihren Patron wie so oft in die Basilica Ulpia begleitet. Dort war ein großer Haufen stinklangweiliger Anträge bearbeitet, einige stinklangweilige Dokumente verfasst und letztendlich noch etliche stinklangweilige Botengänge erledigt worden. Alles in allem ein total anödender Tag. Nicht viel schlimmer als den halben Tag vor der Curia Iulia herumzulungern, während der Patron sich mit seinen Mitsenatoren Paragraphen um die Ohren schlug oder sinnloses Geschwafel mit vernünftigen Argumenten zu entkräften versuchte. Aber auch nicht viel besser. In der Zeit der Langeweile hatte Sermo überdies keine Minute verschwendet, sondern vielmehr mit seinem Freund Mettius Serranus über die Zukunft spekuliert. Und das wollte er jetzt auch mit seinem Patron tun. Da sie beiden sich heute ja schon oft genug gesehen hatten war Geplänkel über beiderseitiger Wohlbefinden, das Wohlergehen der Familie oder ähnlicher Dinge mitnichten notwendig, weshalb Sermo das Gespräch lieber mit einem aktuellen Thema eröffnete. "Heute wurden die Kandidaturen für die nächsten Wahlen öffentlich bekannt gemacht." Die bisher geschlossenen Augen öffneten sich nun und sein Blick suchte den von Macer. "Dieser Lucius Iulius versucht erneut sein Glück. Bin gespannt, ob er diesmal mehr Erfolg hat. War er bei dir auch auf Stimmenfang?"


    *Thementitel = 'Arbeit ist notwendig, Ruhe auch'

  • Auch ohne die Einladung durch seinen Klient und Liktor hätte Macer den Nachmittag in der Therme verbracht, so dass er dies auch weniger als Einladung denn als Angebot einer Begleitung betrachtete. Langsam fiel die Last des Tages von ihm ab und die Gedanken lösten sich von den juristischen Geschäften, die den Tag geprägt hatten.


    "Du meinst Iulius Centho? Ja, der war bei mir", bestätigte Macer. "Er kennt mich ja schließlich noch vom letzten Jahr, wo ich noch Curator Aquarum war. Es wäre ihm durchaus zu gönnen, wenn er diesmal mehr Erfolg hat. Seine letzte Kandidatur ist zweifellos sehr ungeschickt verlaufen und das Scheitern nach der Rede im Senat absolut naheliegend, aber ich denke nicht, dass ihm die Mehrheit daraus langfristig einen Strick drehen wird", ließ er dann gleich seine Meinung über diesen Kandidaten anklingen.

  • "Ach, der Mann war Aquarius unter deiner Aufsicht? Naja zu gönnen wäre ihm der Erfolg wohl nur, wenn er sich diesmal nicht gleichermaßen ungeschickt anstellt." Er zwinkerte Macer zu und streckte seine Glieder unter Wasser. "Ich habe ihn bei den Ludi Romani vor wenigen Wochen kennen gelernt. Allerdings hatte ich nicht die Gelegenheit ein umfassenderes Gespräch mit ihm zu führen. Ich weiß also nicht recht wie ich den Iulius einschätzen soll." Tja. Aber das interessierte Sermo eigentlich auch gar nicht so sehr.


    "Für mich wird es allerdings auch langsam Zeit über meinen weiteren Weg nachzudenken. Deine Amtszeit währt immerhin nicht ewig und ich möchte nicht auf alle Zeit Liktor sein. Auch wenn es mir eine Ehre ist, diese Aufgabe in deinen Diensten ausführen zu dürfen." Der Quintilier grinste leicht. "Mein Studium war zwar recht umfassend, doch bin ich mir nicht gewiss ob das den Senatoren Qualifikation genug sein wird, um das Vigintivirat anzutreten. Meinst du ich sollte zuvor meine administrativen Fähigkeiten durch einen Ausflug in die Verwaltung beweisen?" Mit Zeigefinger und Daumen kratzte sich der junge Mann am Kinnbart. "Sagen wir zu Beispiel in...Ostia?" Er hatte sich wie gesagt schon einige Gedanken gemacht. Nicht nur über Stadtverwaltungen, sondern auch über den Dienst bei den Urbanern und einem Einstieg in irgendwelche Ämter direkt in der ewigen Stadt.

  • Schon früher hatten die beiden über Sermos Absichten gesprochen, so dass Macer von diesen Gedankengängen nicht überrascht war. "Nein, ewig solltest du ganz sicher nicht Liktor bleiben. Das Amt ist gut, um die Stadt und die Amtsträger kennen zu lernen, aber mehr nicht, wenn man weiter will", stimmte er zu.


    "Ostia ist sicher nicht schlecht. Die Ostienser werden sich zwar bedanken, wenn immer wieder leute aus Rom kommen, um in ihrer Stadt ein bisschen politisches Praktikum zu machen und dann wieder zu verschwinden, aber falls es sie ernsthaft stört, brauchen sie dich dort ja nicht zu wählen", wog er Chancen und Risiken ab. "Meine Kontakte nach Ostia sind allerdings nicht allzu intensiv. Ich wüsste gerade niemanden, bei dem ich dich direkt empfehlen könnte."

  • "Freilich konnte ich schon einige Amtsträger kennen lernen. Zumindest flüchtig. Selbst die müssen ja von Zeit zu Zeit die Basilica Ulpia aufsuchen um ihre Anträge vorzubringen." Bei diesen Worten erinnerte er sich an den aurelischen Senator, der seine hochschwangere Sklavin freigelassen hatte. "Andere Würdenträger trifft man hingegen nach den Senatssitzungen, was derweil recht amüsant sein kann." Und hierbei dachte er an den Disput zwischen Annaeus Modestus und seinem Patron zurück, in den sich der Germanicus eingemischt hatte. Bona dea, Senatoren konnten manchmal wie kleine streitende Kinder sein. Wie gut, dass er da perfekt hereinzupassen schien. (:D)


    Macers Bedenken über die Nerven der Ostienser ließen Sermo breit grinsen. "Na, die sollen sich mal nicht so anstellen. Soweit ich weiß ist ihr geliebtes Städtchen noch nicht in Grund und Boden gepraktikert worden. Ich werde mich am besten in Kürze einmal dorthin begegeben um gerade diese fehlenden Kontakte zu knüpfen. Ein Freund von mir ist Scriba eines Decurios dort, wie hieß er noch..." - In seinem Kopf hörte man es förmlich arbeiten, als er sich an den Namen zu erinnern versuchte - "...na ist ja auch wurscht." Dann aber griff er den letzten Gedanken seines Patrons auf und fügte noch hinzu: "Aber vielleicht ergibt sich dann ja die Möglichkeit in Ostia Beziehungen aufzubauen und so ein festes Standbein für manchen deiner Klienten zu schaffen. Womöglich findet sich ja noch der ein oder andere, der ähnliche Pläne verfolgt wie ich."

  • "So eine kleine politische Zweigstelle für meine Klientel hätte schon durchaus was für sich", schmunzelte Macer. "Aber nein, im Ernst, da müsste ich wohl schon wirklicher Stadtpatron werden, um einen entsprechenden Einfluss bei gleichzeitigem Wohlwollen der Stadt sicher zu haben. Kein uninteressantes Ziel, aber sicher auch kein kurzfristiges, welches dir noch helfen würde."


    Er dachte kurz nach. "Aber wo wir gerade bei dem Thema sind. War da nicht neulich was mit Stadtpatron und Ostia? Ist der Praefectus Urbi nicht dort zum Stadtpatron gemacht worden?"

  • "Je mehr deiner Klienten durch solche Beziehungen später in den Senat einsteigen, umso mehr können mich auch in höhere Ämter wählen," grinste Sermo zurück. Gleich darauf folgte die Antwort auf vorangegangene Fragen. "Richtig. Der Vescularier soll eine nicht unbeachtliche Spende für den Tempelbau beigesteuert haben und wurde promt zum Patron der Civitas ernannt. Besonders schwierig sollte es für dich ebenso wenig werden, selbiges zu erreichen. Falls du diese Option ernsthaft in Betracht ziehen tätest." Oh ja, Sermo meinte das durchaus ernst. Wenn man sich das Patronat so einfach erkaufen konnte, warum dann nicht einfach machen? Je schneller, desto besser...für ihn. "Soweit ich weiß war zu dem Zeitpunkt einer mit dem selben Cognomen wie du Duumvir. Mir will er gerade nicht recht einfallen, dabei bin ich mir sicher ihn zu kennen." Verärgert über sein schwächelndes Gedächtnis starrte der Quintilier auf das Wasser beim Versuch den Namen des Mannes hervorzukramen.

  • "Einer mit demselben Cognomen wie ich?" fragte Macer nach und ignorierte die weitere Debatte um das Stadtpatronat. "Jemand, der nun wieder in Rom im Cursus Honorum aktiv ist? Das dürfte dann wohl Octavius Macer sein", antwortete er und sein Gedächtnis war ihm dabei wohl nur deswegen hilfreich, weil er mit eben jedem Decemvir als Praetor recht häufig zu tun hatte. "Ansonsten dürfte es ja noch eine Menge Macers geben außer mir und ihm."

  • "Genau der!" bestätigte der Quintilier überrascht. Konnte sein Patron etwa Gedanken lesen? Oder tief ins Gedächtnis eines anderen schauen? Dann musste er sich demnächst wohl anstrengen, seine Gedanken besser zu verbergen. "Octavius Macer, der ist doch Decemvir und erledigt unter anderem für dich die Erbschaftsangelegenheiten. Darf ich fragen ob er seine Sache gut macht?" Nach der Festivität bei den Iuniern hatte er den Mann des öfteren in der Basilica Ulpia herumstromern und seinen Tätigkeiten nachgehen sehen. Er machte einen pflichtbewussten und fleißigen Eindruck. Unvermittelt drängte sich Sermo ein weiterer Gedanke auf. "Wer ist sein Patron?"

  • "Genau, der Decemvir, daher kenne ich ihn ja auch", bestätigte Macer. "Ansonsten ist mein Personengedächtnis nämlich nicht sonderlich gut. Daher kann ich dir auch nicht sagen, wer sein Patron ist." Gelegentlich ärgerte es Macer, dass sein Kopf ihn in solchen Situationen immer im Stich ließ, aber ärgern half nichts. Zum Glück hatte er seinen Hausverwalter, seinen Laufburschen und andere hilfreiche Geister, die die Lücken in seinem Kopf geschlossen hielten.

  • Seine Frage hatte Macer wohl überhört. Kam zu seinem schlechten Gedächtnis nun auch noch Schwerhörigkeit hinzu? Oder war es lediglich eine Mischung aus Badewasser und Ohrenschmalz, die sein Ohr verstopfte? Sermos Lippen beschrieben eine schmale Linie, während er einen Augenblick über jene Worte nachdachte. Dabei kam er auf eine interessante Idee. "Und wenn ich nun diesen Octavius einmal angehe, der Kandidatur in Ostia wegen? Er dürfte wohl noch Beziehungen zu den Männern des Stadtrates haben und könnte gewiss weiterhelfen. Da hättest du doch sicherlich nichts gegen?" Der letzte Satz war zwar mehr eine Feststellung, doch Sermo wollte es der Höflichkeit halber lieber wie eine Frage aussehen lassen. Egal was sein Patron antworten würde, den Kontakt zum Octavius würde er ohnehin etwas stärken. Selbst wenn der Mann ihm letztendlich die kalte Schulter zeigen täte, einen Versuch war es immerhin wert.


    Aber mit Ostia wollte Sermo seinen Patron nun nicht weiter nerven, weshalb er das Thema wechselte. "Wie geht es eigentlich deiner ehrbaren Gattin? Häufig hörte ich die anderen Klienten ihre Schönheit besingen, doch muss ich gestehen sie selbst noch nie zu Gesicht bekommen zu haben." Schmunzelnd fügte er dann außerdem noch hinzu: "Überdies höre ich die anderen Klienten über riesige Katzen fantasieren, die man dir bei deiner Vermählung zum Geschenk gemacht haben soll. Groß wie Wölfe sollen sie sein und ihr Fell so hell wie die Schale einer Zitrone. Darf man dem Gerede Glauben schenken, oder ist dies all frei erfunden?" Wie für den Quintilier typisch zog er erwartungsvoll die Augenbrauen hoch und ließ seinen vergnügten Blick so fragend auf dem Praetor ruhen.

  • "Ja, sicher, sprich ihn an wegen Ostia", stimmte Macer zu. "Wenn es dir hilft, sage ruhig, dass ich dir das empfohlen hätte. Er wird dir sicher einiges zu Ostia erzählen können und ein paar Tipps für dich haben." Hätte Macer bemerkt, dass er eine Frage überhört hatte, hätte er wohl die Antwort nicht nachgeschoben. Aber wie das bei überhörten Dingen nunmal so war, wusste man es ja nicht.


    Dann musste er aufpassen, nicht laut zu lachen, als sein Klient und Liktor das Thema wechselte. "Meine Klienten besingen die Schönheit Albinas? Na, das muss ich ihr nachher sofort erzählen!" Er fand diese Vorstellung schon köstlich, vor allem, wenn man sie sich wirklich bildlich ausmalte. "Und ja, mit den riesigen Katzen haben sie recht", stimmte er dann zu. "Terentius Cyprianus, einer meiner wichtigsten Klienten und seit neustem Praefectus Aegypti, hatte uns zwei Leoparden geschenkt. Eine wirklich verrückte Idee!" Macer musste jetzt noch den Kopf schütteln, als er daran dachte, wie völlig perplex er gewesen war, als er die Tiere in seinem Garten zum ersten mal betrachtete.

  • Sein Patron unterstützte Sermos Idee, was dieser mit einem breiten Lächeln dankte. "Gut, so werde ich es anstellen."
    Das Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen, als er feststellte wie belustigt Macer auf seine Erzählungen bezüglich seiner Gattin reagierte. "Leoparden heißen die Tiere, aha. Und wo hälst du sie? Sind sie handzahm? Oder musst du sie in einem Käfig einsperren, um deinen Haushalt vor ihren Fangzähnen zu bewahren?" So verrückt fand der Quintilier die Idee allerdings gar nicht. "Ich an deiner Stelle würde dieses Geschenk allerdings - mit Verlaub - weit mehr wertschätzen. Ich halte es für eine große Anstrengung, solche wilden Tiere zu fangen und dann noch wohlbehalten nach Rom zu bringen. Sie sind gewiss ein prachtvoller Anblick. Nicht mehr als ein Prestigeobjekt wie ich behaupten würde."
    Bei Nennung des Besagten Klienten horchte Sermo auf. Der war doch kürzlich des öfteren in der Acta gewesen? "Da gab es doch Artikel von gewisser Brisanz in der Acta Diurna über diesen Mann. In Alexandria geht es offenbar seit einiger Zeit nicht mehr auf gerader Linie voran." Er hoffte auf nähere Informationen, die Macer sich ja vielleicht ausnahmsweise nicht aus der Nase ziehen lassen würde.

  • "Ich habe nie behauptet, dass ich diese Idee und das Geschenk nicht wertschätzen würde", wehrte Macer ab. Offenbar hatte sein Klient ihn da falsch verstanden. "Es ist eine verrückte Idee, aber eine positiv verrückte. Er hat sich wirklich alle Mühe gegeben. Aber in der Casa habe ich die Tiere nicht mehr. Sonst hätte ich sie schon hergezeigt. Aber die Casa ist dafür einfach zu klein. Ich habe mich entsprechend erkundigt, was man mit solchen Tieren machen muss. Das hätte ihnen nicht gut getan, sie in enge Käfige zu sperren. Und zahm waren sie auch nicht."


    Über Terentius Cyprianus konnte er auch abseits der verrückten Geschenkidee nichts schlechtes sagen. "Eine gewisse Brisanz mag sein. Er berichtete mir von der Lage dort in seinen Briefen. Germanicus Corvus, sein Vorgänger als Praefectus Aegypti, hatte wohl einige Probleme mit der Stadt. An Cyprianus liegt es sicher nicht, auch wenn es so dargestellt wird. Er ist unbestreitbar ein fähiger Offizier. Manchmal etwas ungestüm vielleicht, aber trotz aller Meldungen aus Aegyptus halte ich sehr viel von ihm. Oder vielleicht auch gerade wegen dieser Meldungen und der Art, wie er damit umgeht."

  • Entschuldigend hob der Quintilier die Hände in die Luft, wo sie tropfend einen Augenblick über dem Wasserspiegel verweilten. Die Wellen beschrieben seichte Kreise, die von den Stellen ausgingen, an denen er sie wieder ins warme Wasser eintauchte. "Verzeih, da habe ich dich wohl mißverstanden."
    'Oder vielleicht gerade wegen dieser Meldungen und der Art, wie er damit umgeht,' wiederholte Sermo in Gedanken die Worte seines Gegenübers. Ja, wie ging er denn damit um? Ziemlich radikal, wie man sich auf der Straße sagen lassen konnte. Ziemlich positiv-radikal, wie man von manchen hörte. Oder auch nicht so positiv. Mehr negativ, sagten andere. Nun, Sermo wusste nicht so recht was er zu der ganzen Sache sagen sollte und machte einfach unentschlossen "hm." Er blieb einen Moment lang stumm und betrachtete die Wasseroberfläche. Dann versuchte er die Brücke zu einem weniger brisanten Thema zu schlagen. "Nunja. Der Terentius ist allerdings nicht der einzige deiner bekannteren und herausragenderen Klienten. Ich habe da bereits einige Gesichter gesehen - und als Liktor weiß ich mittlerweile wovon ich spreche - die im Senat bereits eine nicht unerhebliche Rolle spielen und auch sonst sind da einige Männer unter deinen Klienten, die durchaus potential haben. Sogar Patrizier zählen dich mittlerweile zu ihrem Gönner." Mit dem Blick zur Decke grübelte er über den Namen des Mannes nach, den er im Kopf hatte. "Ein Flavius ist das, nicht wahr? In der Kanzlei tätig."

  • "Flavius Piso", half Macer lächelnd nach. "Ich muss zugeben, dass ich auch etwas überrascht war, als er mich bat, sein Patron zu werden. Andererseits kam ich mit den Flaviern bisher durchaus gut zurecht. Als ich Aedil war, war ein gewisser Flavius Milo mein Scriba personalis. Auch ein sehr ambitionierter junger Mann. Leider ist er inzwischen verstorben, wie ich gehört habe." Den Verlust schien Macer ehrlich zu bedauern, auch wenn es schon lange her war. "Die Grenzen zwischen Plebeiern und Patriziern sind schon lange nicht mehr so deutlich wie in der Geschichte. Sonst hätte ich wohl auch meine jetzige Frau gar nicht haben können", erinnerte er.

  • Ahja. Piso. Hatte der nicht auch irgendwann mal einen unfreiwilligen Auftritt in der Acta gehabt? Nun, er schien jedenfalls den richtigen Riecher für seinen Patron zu haben. Denn dieser berichtete von Beziehungen zur Gens Flavia, die offenbar schon seit längerem bestanden. Gut so, Patrizier konnte man immer irgendwie auf seiner Seite brauchen. Oder nicht? Auf den Tod jenes Falvius Milo ging Sermo überhaupt nicht ein. Weder hatte er ihn gekannt, noch wollte er jetzt über Verstorbene sprechen. Vielmehr griff er den Aspekt der plebeisch-patrizischen Annäherung auf. "Es ist wahrlich zu beobachten, dass Adel und Bürger an manchen Stellen aufeinander zugehen. Deine Vermählung ist das beste Beispiel. Doch auch manche Freundschaft entsteht unter den hohen Herren. Zum Beispiel sah ich des öfteren Germanicus Sedulus mit dem jungen Aurelius Ursus beisammen stehen. Oder Aelius Quarto, der eben jenen Aurelius zum Klienten hat. Interessant, wie verworren mittlerweile die Beziehungen sind und wie die Fronten aufweichen." Er hatte immerhin genügend Zeit, beobachtungen anzustellen. Der Senat war schon lange nicht mehr in schwarz und weiss geteilt. Hier gab es eine gewisse halsstarrige Fraktion, die hauptsächlich von Impulsen aus dem Hause Germanica angetrieben wurde. Auf der anderen Seite war da eine große patrizische Kurve, die weiterhin um den Einfluss ihres Standes kämpften. Insbesondere seit der Praefectus Urbi angeblich so vehement gegen den Adel vorging. Und dann waren da ja noch eine ganze Reihe von Senatoren, die mehr oder weniger ohne klare Parteizugehörigkeit agierten. Beispielsweise Sermos Patron. "Allerdings munkelt man, dass besonders den jungen Patrizier der Weg nach oben kürzlich des öfteren sehr erschwert wird. Über meinen Vetter erreichen mich die Gerüchte meist mehr oder weniger unverfälscht direkt aus der Castra Praetoria oder aus dem Palatin. So wie es aussieht, hat der Praefectus Urbi etwas gegen den alten Adel. Flavius Piso hat angeblich ein Problem mit ihm bekommen, als er um eine Versetzung angefragt habe." Natürlich wusste er nichts genaueres. Valerian konnte ja auch nicht alles ausplaudern, was hinter den Mauern seiner Schutzbereiche alles geschah. Zumal die Schreiber oder Boten, mit denen er sich manchmal ausstauschte, auch nicht immer die ganze Wahrheit erzählten.

  • "Aelius Quarto ist mehrfacher Consular", erinnerte Macer. "Der war selber häufiger Consul als so mancher Patrizier Consuln unter seinen lebenden Vorfahren hat. Das ist eben die neue Nobilitas, die auf diesem Wege entsteht. Außerdem ist er der Bruder des Kaisers." Dass dadurch eine gewisse Nähe zu den Patriziern bestand, schien zumindest für Macer nichts bemerkenswertes zu sein. "Es wäre fast verwunderlich, wenn er keinen Umgang mit Patriziern pflegen würde. Bei den Germanicern sieht das anders aus. Zumal dort Germanicus Avarus ja der große Wortführer ist und unter Plebeiern durchaus sehr angesehen. Vielleicht sucht sich Germanicus Sedulus gerade deswegen seine politischen Freunde auch woanders." Wie sehr Konkurrenzkampf oder planmäßiges Stöbern in allen Ecken im Hause Germanica herrschte, konnte Macer natürlich nicht sagen. Aber hier in den Thermen ließ es sich ja trefflich spekulieren.


    "Wenn den Patriziern der Weg erschwert wird, kann das für dich ja nur gut sein", griff Macer dann die Gerüchte auf. "Wobei eigentlich immer irgendwo jemand jammert, dass es ihm besonders schwer gemacht wurde. Dass Piso erst andere Pläne hatte, die sich nicht umsetzen ließen, ist allerdings richtig. Aber nun hat er ja einen sehr vielversprechenden Weg eingeschlagen."

  • Macers so treffende Worte ließen Sermo verhalten lachen. "Der alte Adel ist eben auch nicht mehr das, was er einmal war," witzelte er. Beschwichtigend, aber dennoch breit grinsend fügte er allerdings noch hastig hinzu: "Deine werte Frau freilich ausgenommen." Da sein Patron die Sprache auf die Germanici und ihre Umtriebigkeiten brachte, nutzte er die Chance und ging auch näher darauf ein. "Du sprichst von Avarus als großen Wortführer. Was hälst du denn von ihm? Ich meine, du hast dich aus politischen Lagern und deren Streitigkeiten untereinander ja recht gut heraushalten können bisher." Er spielte eindeutig auf die ständigen Konflikte zwischen Tiberius Durus und Germanicus Avarus an, die ihre Wellen beizeiten auch bis in die Reihen ihrer Anhänger schlugen.


    Es konnte wahrlich nur gut für ihn sein, wenn andere auf der Strecke blieben, wo er weiter wollte. Weniger Konkurrenz bedeutete eben doch einfachereres Fortkommen. "Es spielt eben nicht nur objektive Betrachtung von jemandes Leistungen eine Rolle, sondern eben auch der bekannte 'Nasenfaktor'. Es ist einfach unglücklich, dass Vescularius Salinator eine solche Abneigung gegen Patrizier hat. Dennoch wünsche ich Piso auf seinem jetzigen Pfad viel Erfolg." So langsam könnten sie wohl das Becken wechseln, fand zumindest Sermo. Deshalb fragte er beiläufig: "So. Wollen wir langsam mal...?" Ohne den Satz zu Ende zu bringen machte er stattdessen eine Bewegung mit den Fingern in Richtung des Ausgangs, die mit genügend Fantasie eine laufende Person darstellen konnte.

  • Macer nickte mit einem leichten Lächeln, als sein Klient das pflichtbewusste Kompliment für seine Frau einschob, ging aber nicht weiter darauf ein. Immerhin hatte sein Klient gleich darauf auch eine interessante Frage gestellt. "An manchen Tagen ist es zweifellos einer der wichtigsten Männer im Senat", antwortete er daher. "An anderen Tagen habe ich das Gefühl, er hat vor dem Reden das Denken vergessen. Daher glaube ich auch nicht, dass es nur zwei politische Lager gibt - seine Seite und die andere. Da gibt es schon mehr und wenn ich ehrlich bin, ist so manche Debatte zwischen Germanicus Avarus und Tiberius Durus unnötig gewesen. Aber da gibt es ja noch weitere Streithähne. Flavius Furianus ist ja auch immer wieder für unnötig verbissene Wortgefechte gut. Die Sache bringt das leider nur allzu selten weiter."


    Weiter kommen war dabei wohl das Stichwort und Macer nickte, als Sermo vorschlug, das Becken zu verlassen. "In Ordnung, gehen wir", sagte er und machte sich langsam auf den Weg zum Beckenrand.

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