Es war früher Nachmittag an jenem Tage, an welchem die beiden Aureliae angekommen waren. Die Sonne hatte sich für kurze Zeit freigekämpft und die Wolken verdrängt, die dieser tage tief über der Stadt hingen. Nun glomm der trübrote Himmelsball schwach über den Wipfeln der wenigen Bäume hier im Garten. Bald würde es dunkel werden und die Sonne hinter dem Horizont versinken. Zwei Sklaven kauerten nahe bei mir in einem Beet und stellte fest, dass es wohl Wühlmäuse gewesen sein mussten. Ich selbst hatte tief die Stirn gerunzelt und ärgerte mich. Wie wurde man Wühlmäuse los? Ich hatte keine Ahnung. Aber scheinbar schienen ihnen die Wurzeln der teuersten Pflanzen am besten zu munden. "Wir könnten die Katze der domina an einem Pfahl anbinden", schlug der eine gerade dem anderen vor. "Eine Katze reicht da nicht", meinte der andere. "Außerdem würde sich das Biest wehren." "Das würde ich mir ohnehin nochmal genauer überlegen. Wenn Celerina zurück ist, ist es nicht ihre Katze, die ihr fürchten müsst", gab ich zu bedenken. "Seht zu, was man dagegen unternehmen kann. Falls nötig, konsultiert jemanden. Ich erwarte, dass nicht noch mehr diesem Ungeziefer zum Opfer fällt." "Jawohl, dominus." Der andere nickte nur. Beiden stand ein wenig Skepsis aufs Gesicht geschrieben. Ich wandte mich ab und ging ein paar Schritte. "Komm... Wir fragen Siv..." sagte der eine nun zum anderen, dann trollten sie sich. Ich inspizierte derweil die übrigen Beete, die weitestgehend unversehrt geblieben waren. Dabei dachte ich kurz an die Blümchen. Mir war zugetragen worden, dass sie inzwischen wohlbehalten hier angekommen waren und sich mit Orest im Gespräch befunden hatten. Ich ließ den beiden noch etwas Zeit mit einem Besuch meinerseits. Sicherlich waren sie erschöpft von der Reise. Das glaubte ich zumindest.
hortus | Unter Mäusen
- Marcus Aurelius Corvinus
- Geschlossen
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Seit ihrer Ankunft in Rom waren erst ein paar Stunden vergangen. Nachdem sie sich ihr neues Timmer angesehen hatte, trieb nun die Neugierde sie durchs Haus. Ihr Gepäck hatte sie noch nicht ausgepackt, noch türmten sich Kisten, Truhen und Taschen in einem herrlichen Durcheinander mitten in den großzügigen Räumen, welche ihr nun zur Verfügung standen. Doch ehe sie es sich gemütlich machen wollte, wollte sie erst einmal wissen, wohin genau sie es verschlagen hatte. Die Villa Aurelia war wesentlich größter als das Landhaus ihrer Mutter und sie würde wohl einige Tage brauchen, bis sie sich ohne Schwierigkeiten zu Recht fand. So tapste sie etwas ziellos durch die leeren Gänge. Es war kein Sklave zu sehen und auch kein anderer Bewohner des Haues. Wo sie wohl alle waren? Leicht zuckte sie mit den Schultern, für den Moment war es egal, über kurz oder lang würde sie sicher ihren Verwandten über den Weg laufen. Spätestens zur gemeinsamen Cena. Vorbei an einigen Mosaiken, um eine Ecke, wo sie beinahe eine Vase um rempelte, diese aber noch rechtzeitig auffangen konnte –manchmal war sie so was von ungeschickt-, stand sie mehr oder weniger ziemlich plötzlich im Garten. Viel zu sehen gab es nicht, der Winter schien die unzähligen Beete fest im Griff zu haben. Neugierig geworden streifte sie zwischen einigen Sträuchern umher und entdeckte dabei eine etwas merkwürdige Konstruktion. Einige der Pflanzen schienen abgedeckt worden zu sein. Wozu? Einen Moment dachte sie über dieses Rätsel nach, ehe es ihr wie Schuppen von den Augen fiel, um die zarten Gewächse vor der Kälte zu schützen. So war dies ja auch bei ihnen im Garten gehandhabt worden. Nur das es eben in Terentum doch etwas milder war. Was für Pflanzen es wohl waren. Ein Blick würde sie sicher riskieren können. Vorsichtig zog sie den Schutz über den Pflanzen an einer Stelle etwas beiseite. Nur soviel, dass sie sehen konnte was sich darunter befand. Im ersten Moment wirkten die Gewächse ziemlich langweilig. Grüne Blätter und keine Blüten –es war ja auch Winter. Eigentlich hatte sie irgendwie etwas Aufregendes erwartet. Doch zwischen einigen der fleischigen Blätter konnte sie eine zarte Knospe entdecken. Kurz überlegte sie, ob es klug war, eine der Pflanzen anzufassen, dann aber ließ sie diesen Gedanken fallen. Jemand hatte sich viel Mühe gegeben um diese vor Frost zu schützen, da sollte sie wohl nicht die ganze Mühe durch ihre Unachtsamkeit zunichte machen. Etwas gedankenverloren hockte sie also nun vor dem Beet starte auf die Pflanzen unter ihrem Schutz. Was das wohl für welche waren, gesehen hatte sie diese noch nicht. So in ihre Gedanken vertief bemerkte sie gar nicht, dass sie nicht allein war.
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Inzwischen hatte ich genug gesehen - etwas Bemerkenswertes hatte es nicht gegeben, abgesehen von dieser Mäuseplage. Also war ich bereits wieder auf dem Rückweg ins Peristyl, als mir jemand auffiel. Ich blieb stehen und sah genauer hin - tatsächlich, es musste eines der Blümchen sein. Nur welches? Mit einem Lächeln auf den Lippen schritt ich über einen gekiesten Weg hin zu der hübschen - so hübsch hatte ich sie gar nicht in Erinnerung gehabt - Aurelia, die vor einem Beet kniete und unter den Winterschutz - den exotischeren Vertretern der Pflanzenwelt war selbst das italischen Klima im Winter zu kühl - lugte. "Na", grüßte ich und grinste nun. "Ich hatte angenommen, ihr wolltet euch erst erholen und auspacken, aber da lag ich wohl falsch." Ich schmunzelte und breitete dann die Arme aus. "Willkommen in Rom! Ich hoffe, ihr hattet eine gute Reise?" Ob sie mich wohl wiedererkannte? Immerhin war es eine ganze Weile her, dass wir uns zuletzt gesehen hatten. Und ich hatte Probleme, ihr einen Namen zuzuordnen, also ließ ich ihn geschickt erst einmal weg.
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Leise Schritte auf dem Kies vertrieben die rätselnden Gedanken. Sie hob den Kopf und sah einem ihrer verwandten entgegen. Ein Sklave konnte es nicht sein, dazu war die Kleidung deutlich zu gut. Sie ließ den Schutz wieder über die zarten Gewächse fallen und überlegte fieberhaft, welcher ihrer unzähligen Verwandten es war. Das Gesicht kam ihr so gar nicht bekannt vor, sie waren ja gerade erst zwei Jahre gewesen, als sie das letzte Mal in Roma gewesen waren. Das sie sich da noch an irgendwelche Gesichter erinnern konnte war so gut wie unmöglich.
„Die Reise war nur etwas holprig, ansonsten nicht wirklich anstrengend“, berichtete sie und grübelte um wen es sich handeln konnte. Ihre Mutter war auch nicht sonderlich hilfreich gewesen, als es um die Beschreibung der Familienmitglieder ging. Das es ihrem gegenüber ähnlich erging, konnte sie nur erahnen. Schließlich taten sich viele schwer sie und ihre Schwester auseinander zu halten. Äußerlich waren sich die Mädchen sehr ähnlich, doch Charakterlich waren sie wie Tag und Nacht. Zumindest empfanden die Zwillinge dies so. Das war eine der Gründe warum die beiden Mädchen davon ausgingen, dass man sie anhand dieser Tatsache doch unterscheiden musste. Doch dies war im Augenblick nur eine Nebensache. Ehe sie jemand auseinanderhalten konnte, würde wohl noch einige Zeit vergehen, schließlich waren sie gerade erst in Rom angekommen. Unbewusst strich sie ihr Kleid glatt.
Freundlich hieß er sie in Rom Willkommen und sie schenkte ihm ein scheues Lächeln. „Danke. Die Reise war ereignislos“, wieder vermied sie es langweilig zu sagen. -
Anmutig und grazil bewegte sich die junge Dame. Ich warf ihr einen anerkennenden Blick zu. Wenn sie sich so sanftmütig und gescheit gab, würde es leicht sein, sie einem entsprechend gut gestellten Ehemann an die Hand zu geben - aber solcherlei Gedanken hatten nocht Zeit, und außerdem wäre es Orestes' Aufgabe, sich darum zu kümmern.
"Dann seid ihr auf dem Landweg gekommen?" fragte ich ein wenig verwundert, nickte aber nach kurzer Überlegung zustimmend. "Bei den Stürmen auf See vielleicht nicht die schlechteste Wahl. Ihr habt bereits mit Manius geredet, nicht? Wo ist denn deine Schwester?" fragte ich, als mir auffiel, dass ich sie stets wie zwei Mädchen ansprach statt nur als die eine, die sie war. Sagte man nicht von Zwillingen, dass sie stets beisammen waren? Umso verwunderter war ich, dass ich eine - welche auch immer - allein hier antraf.
Ich musterte sie von oben bis unten. "Ist dir kalt? Möchtest du vielleicht hinein gehen? Ich wollte einen Becher heißen Gewürzwein trinken, vielleicht hast du ja Lust, mir etwas Gesellschaft zu leisten", schlug ich vor.
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Wo die eine war, war die andere natürlich nicht weit entfernt...Nach dem Gespräch mit ihrem Bruder Manius hatte man die Mädchen auf ihre Zimmer geschickt, wo sie sich erst einmal einrichten sollten. Narcissa war entzückt von ihrem persönlichen Refugium gewesen und insbesondere über die kleine Aufmerksamkeit frischer Blumen in einer Vase neben ihrem Bett. Das Zimmer war groß und hell. Weiße, durchsichtige Stiffbahnen hingen vor den Fenstern und bewegten sich in einer leichten Brise. Es gab ein Bett, einen kleinen Tisch, sogar eine gemütliche Sitzecke. Ihre beiden Truhen standen an einer Wand. Die eine, welche ihre Kleidungsstücke beinhaltete, hatte bereits eine Sklavin ausgeräumt, die andere, die ihre persönlichen Gegenstände enthielt, war völlig unberührt. Ein Lächeln kräuselten ihre Lippen, als sie der Tür geahr wurde, die in Floars Zimmer nebenan führen musste. Für einen Moment lang setzte sie sich auf die Bett kannte. Die Matratze gab weich unter ihr nach. Wie sie sich so ihrer neuen Unterkunft besah, bemerkte sie gar nicht, wie ihr Bewusstsein allmählich wegdriftete und sie in einen kurzen Erholungsschlaf wegdriftete.
Traumlos erwachte sie jedoch bereits nach einer halben Stunde wieder und setzte sich verschlafen auf. Es dauerte einen kurzen Moment, bis sie mit ihren Gedanken so weit zurück war, dass sie sämtliche Spuren des Schlafes beseitigen und sich auf die Suche nach ihrer Schwester machen konnte. Sie sollten dringend einmal nach ihren Stuten sehen. Doch zu ihrer Überraschung war Floras Zimmer leer, als sie an die Verbindungstür anklopfte und nach keiner Antwort kurz hineingeschaut hatte. Wenn sie nicht dort war, gab es eigentlich nur einen Ort, wo sie sein konnte. Zielstrebig schlug sie die Richtung zum Garten ein und nutzte dabei sogleich die Gelegenhei sich ein wenig im Haus umzusehen. Das Haus der Aurelia war wirklich sehr großzügig eingerichtet, litt aber nicht unter einem übermäßigen Pomp. Man zeigte seinen Status, legte aber gleichzeitig eine tugendhafte Bescheidenheit an den Tag. Der Gang öffnete sich und sie trat hinaus ins Freie. Vielleicht hätte ich doch lieber einen Mantel mitnehmen sollen, dachte sie, als ihr die kühle Luft entgegen schlug - und nicht nur das. "Oh! Verzeihung!", entfuhr es ihr, als sie beinnahe mit einem großen, dunkelblonden Mann zusammen stieß und gerade noch im rechten Augenblick zur Seite treten konnte. Ihre Schwester Flora tauchte neben ihm auf. -
Flora nickte leicht, als er verwundert nachfragte, dass sie über den Landweg gekommen waren. Doch ehe sie zu einer Erklärung ansetzten konnte, gab er sich auch schon selbst eine Antwort. Zwar hatten sie sich aus anderen Gründen entschieden nicht den Seeweg zu nehmen, aber seine Argumentation klang auch viel besser als ein Uns stand einfach der Sinn danach.
„Narcissa ist in ihrem Zimmer und packt aus“, erklärte sie ihm und gab ihm auch gleich einmal ganz zufällig darüber Auskunft, welche der Schwestern sie nun war. Sie waren zwar Zwillinge und auch wirkliche meistens gemeinsam anzutreffen, aber es gab eben auch Momente in denen sie eben mal nicht zusammen hockten. „Ich wollte mich erst einmal umsehen“, fügte sie erklärend hinzu. Fragte sich, mit wem sie es eigentlich zu tun hatte. „Mit Manius haben wir gerade erst geredet“, fügte sie dann noch bestätigend hinzu. Aber wo sich ihr Bruder jetzt rum trieb, konnte sie beim besten Willen nicht sagen.
Da sie nicht damit gerechnet hatte bei ihrem Rundgang im Garten zu landen, hatte sie sich auch keine pala übergeworfen. Ein wenig frösteln tat sie schon und als er sie danach fragte. Außerdem konnte es nicht schaden, ihn näher kennen zu lernen. „Ein wenig kalt ist mir schon. Ich leiste dir gern Gesellschaft“, ging sie dann auf seine Einladung auch ein. Doch vorher wollte sie ihre Neugierde stillen. „Was sind das eigentlich für Pflanzen?“ fragte sie und deutete auf das Beet. Diesen Moment nutze Narcissa um wie aus heiterem Himmel aufzutauchen. Verwundert sah sie ihre ältere Schwester an, als diese traumtänzerisch beinahe in –seinen Namen wusste immer noch nicht- hinein lief. Ein breites Grinsen zeigte sich auf ihren Zügen. „Da bist du ja!“ -
"Ja...Die Reise war doch etwas anstrengender, als ich geglaubt hatte...Ich bin eingeschlafen...", gab sie zur Antwort. "Verzeiht, ich stehe wohl noch etwas neben mir", wandte sie sich dann verlegen an den Mann neben Flora. Da sie ihre Verwandten nur in sehr unregelmäßigen Abständen gesehen hatte konnte sie das Gesicht vor sich nicht recht zu ordnen. Die Situation war ihr unangenehm. Immerhin war es durchaus kein guter Einstand blindlinks in ihre Verwandten zu laufen und dann nicht einmal deren Namen zu kennen. Er hielt sie nun bestimmt für ein ungeschicktes Landei...Was du streng genommen, auch bist, dachte sie grimmig. Leicht den Kopf neigend sagte sie: "Mein Name ist Narcissa..."
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"Dann lass uns am besten gleich hineingehen, ehe du dich noch erkältest", sagte ich zu dem Zwilling, dessen Namen ich nicht erraten konnte. Ich machte eine entsprechende Geste zurück zum Peristyl hin und setzte mich dann selbst in Bewegung. Beim Gehen wandte ich mich halb zu ihr um. "Und hast du schon alles-"
Plötzlich spürte ich flüchtig etwas Weiches an der Brust und blieb augenblicklich stehen. Die Hände halb vor dem Körper erhoben, sah ich nach vorn. Dann ließ ich die Hände wieder sinken und gleichzeitig formte sich ein Grinsen auf meinen Zügen. "Mir scheint, ich habe ein Déjà-vu", kommentierte ich trocken und konnte mir ein Lachen dann nicht mehr verkneifen. "Dann guten Morgen, Narcissa", stichelte ich ein wenig und zwinkerte ihr zu. Aha! Dann musste das also Flora sein. "Flora und ich wollten eben hinein gehen und einen Becher heißen Wein trinken. Möchtest du mitkommen?" lud ich auch die Zwillingsschwester ein. Darauf, mich vorzustellen, kam ich nicht. Ich war automatisch davon ausgegangen, dass Narcissa ihren Namen nur genannt hatte, weil man sie so leicht mit ihrer Schwester verwechseln konnte. "Kommt, lasst uns hinein gehen. Ihr friert doch sicherlich." Selbst hatte ich schließlich einen Umhang übergeworfen, doch die beiden Mädchen würden sich so vermutlich verkühlen.
Ich deutete wieder den Säulengang entlang und ging dann voran. Die exedra war einer meiner liebsten Aufenthaltsräume in dieser Zeit, also war es nicht weiter verwunderlich, dass mich meine Schritte dorthin führten. Ich legte den roten Wollumhang ab und ließ ihn achtlos über einen Sessel fallen, dann setzte ich mich selbst in einen solchen, der dicht neben einer der Kohlenschalen stand, die den Raum beheizten. "Bring uns einen krug heißen Wein", trug ich Arsinoe auf, die sogleich verschwand.
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Zustimmend nickte sie, als er vorschlug, dass sie gleich hinein gehen sollten, Erkälten würde sie sich nicht ganz so schnell, wie es den Anschein machte, aber sie würde sich gerne aufwärmen. Zwar mochten sie recht zierlich sein, blass und zerbrechlich wirken, aber sie waren robust. Entgegen aller Erwartungen die ihre Mutter nach ihrer Geburt gehabt hatte. Sie waren keine empfindlichen Pflänzchen, sondern doch ein wenig wie Unkraut das nicht vergehen wollte. Es war wirklich eine kluge Entscheidung ihrer Mutter gewesen, aufs Land zu ziehen. Auch wenn dies zu einigen Spannungen in der Familie geführt hatte.
Flora konnte nicht anders, sie musste bei dem Anblick ihrer Schwester grinsen. Wie so häufig tappte sie einfach in Situationen hinein. Aber nicht nur Narcissa besaß diese Eigenschaft, auch sie konnte sich oft nicht erklären, wie genau sie warum und ausgerechnet in diesem Moment irgendwo hinein geraten war. Sie waren Beide nicht wirklich tollpatschig. Traumtänzer, das beschrieb sie recht gut. „Schlafmützchen“, kicherte Flora liebevoll und ergriff die Hand ihrer Schwester, drückte diese aber aufmunternd. Ehe Narcissa sagen konnte, ob sie mitkommen wollte, wurde sie einfach mitgenommen. Mit einem kurzen Blickaustausch machte sie ihr klar, dass sie keine Ahnung hatte, mit welchem Familienmitglied sie es gerade zu tun hatten und sie noch nicht danach gefragt hatte. Es war schon von Vorteil, wenn man sich auch ohne Worte verstand.
Corvinus führte sie durchs Haus hinein in einen gemütlichen Raum. Immer wieder ließ sie ihren Blick herum gleiten und sah sich um. Das war also ihr neues zu Hause. Eine Sklavin huschte kurz in den Raum, nickte, als den Wunsch vernahm und eilte dann wieder davon. Sie ließ sich ihm gegenüber in einen Sessel sinken. Die Kohlenpfanne strahlte angenehme wärme aus und vertrieb schnell die Kälte aus ihren Gliedern.
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Sie erwiderte dich Stichelei ihres Verwandten mit einem etwas verlegenen Lächeln und war dankbar für die aufmunternde Geste ihrer Schwester. Gerade noch so konnte sie es sich verkneifen ihr ein: „Warum muss mir das eigentlich immer passieren?!“, zuzuraunen. Dazu hätte es eigentlich auch gar keine Möglichkeit gegeben, denn schon im nächsten Augenblick wurde Narcissa von ihrem Ebenbild ganz selbstverständlich hinterher gezogen. Dem kurzen Blick, denn sie ihr zugeworfen hatte, entnahm, dass sie bislang noch nicht in Erfahrung hatte bringen können, mit wem sie es hier eigentlich zu tun hatten.
Das Zwillingspaar folgte ihm den Säulengang entlang und betrat schließlich nach im die exedra. Warme Luft stieg Narcissa entgegen und ließ ihre Haut nach der Kälte prickeln. Mit dem Ergebnis, dass es ihr nach kurzer Zeit bereits wieder viel zu warm war. Dennoch hatte die exedra ihren Charme. Die glühenden Kohlen in ihren metallenen Becken waren einfach herrlich anzusehen. Sie nahm auf dem freien Sessel zwischen Flora und dem Unbekannten Platz und nahm es sich heraus, sein Profil rasch zu betrachten. Der Umstand, dass sie nicht wusste, wer da neben ihr saß, gefiel ihr nicht sonderlich. Die Aussicht einfach ins blaue hinein zu reden – gefiel ihr noch viel weniger. Sollte sie ihn einfach fragen? Wäre das zu plump? Schließlich nahm sie sich doch zusammen – was sollte denn dieses Kinderspiel?
„Verzeih, wenn ich unhöflich erscheine“, begann sie just in dem Moment, als die Sklavin mit dem Getränk zurückkehrte und sie einen Moment gezwungen war, inne zu halten, bis das Mädchen mit dem Namen Arsinoe , die Becher verteilt hat. Dieses Mal machte sie nicht den Fehler und trank gleich davon. Der Becher in ihrer Hand war dafür eindeutig noch zu warm. „Verzeih, wenn ich unhöflich erscheine“, wiederholte sie, um den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen. „Es ist sehr lange her, dass wir Verwandte bei uns ins Terentum zu Besuch hatten. Einige Jahre sind seither verstrichen, sodass es manchmal etwas schwer fällt sich der Namen und Gesichter zu erinnern...“, Sie hoffte, dass er den Faden von sich aus aufnehmen würde. -
Nach wie vor kam ich nicht einmal auf den Gedanken, dass die zwei nicht wussten, wer ich war. Ich rieb ein wenig die Hände aneinander, weil sie kalt waren, und pustete warme Luft hinein. Als Narcissa das Wort ergriff, sah ich sie überrascht an. Warum entschuldigte sie sich? Ich griff nach dem heißen Getränk, ließ dann die Hände sinken und sah die zwei nach wie vor erstaunt an. Es fiel ihnen schwer, sich an Namen und Gesicher zu erinnern? "Das macht gar nichts", erwiderte ich und musste amüsiert schmunzeln. "Wir werden euch schon auf die Sprünge helfen, wenn es notwendig wird." Zuversichtlich lächelte ich Narcissa an, freilich ohne dass mir dabei auffiel, dass sie auch mich damit meinen könnte.
Und so war es wohl auch nicht weiter verwunderlich, dass ich den Faden wieder aufnahm und die beiden weiter ausfragte. "Ihr werdet sicherlich bald Prisca kennenlernen. Sie kann euch ein wenig in die Damengesellschaft einführen und euch sicher auch Roms interessanteste Ecken für junge Damen zeigen", plauderte ich und nippte an dem heißen Wein. "Celerina hilft euch auch sicherlich gern dabei. Habt ihr denn schon eine Vorstellung davon, wie ihr eure Zeit hier verbringen mögt?" fragte ich die beiden aus.
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Es hatte seine Vorteile, wenn man einander auch ohne Worte verstand und sich mittels kurzen Blicken verständigen konnte. Schließlich brachte Narcissa den Mut auf einen Ansatz zu starten um heraus zu finden, mit wem sie es jetzt zu tun hatten. Ganz dezent und zu ihrem Pech, interpretierte er ihre Frage völlig falsch. Irgendwie war es schon urkomisch, normaler Weise hatten immer die Leute Schwierigkeiten sie auseinander zu halten und rätselten immer Wer Wer war, aber das es ihnen einmal auch so gehen würde, hätten sie nicht gedacht. Nicht den kleinsten Hinweis bekamen sie. Das war ja zum Mäuse melken… Wie in einer Verwechslungskomödie, nur waren sie einmal nicht die Hauptdarsteller.
Er plauderte einfach weiter, bis ein weiterer Name fiel und ihr so langsam aufging, wer da vor ihnen saß. Hatte ihr Bruder nicht erwähnt, das Corvinus mit Flavia Celerina verheiratet war. Sie sah ihre Chance. „Celerina ist doch deine Frau?“ vermutete sie einfach mal. „Oder verwechsle ich da was?“ hackte sie freundlich nach. Das hätte ja peinlich werden können.
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"Hm?" machte ich, ohne damit ausdrücken zu wollen, dass ich die Frage nicht verstanden hatte. Ich sprach im Anschluss auch gleich weiter. "Ja, Celerina ist meine Frau. Ah, das zielte eben auf mich ab? Entschuldigt, das habe ich wohl falsch aufgefasst. Also, ich bin Marcus Corvinus. Ich habe gar nicht daran gedacht, dass es schon so lange her ist, dass ihr mich nicht erkennt", sagte ich und lachte kurz. "Naja. Jetzt, wo es heraus ist, kann ich euch auch verraten, dass ich euch noch nicht auseinanderhalten kann, aber das hört ihr sicherlich oft. Zum Glück für mich hat Narcissa mir verraten, wer wer ist." Ich schmunzelte und trank wieder einen Schluck Wein. "Also: Celerina ist meine Frau, Prisca meine Nichte. Wenn euch etwas unklar ist, fragt ruhig nach."
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Etwas zerknirscht nahm sie zur Kenntnis, dass es ihm überhaupt nicht in den Sinn zu kommen schien, dass sie nicht wussten, wer da nun genau vor ihnen saß. Das wiederrum musste bedeuten, dass er zu jenen Familienmitgliedern gehörte, die auch in der Öffentlichkeit weitgehend bekannt waren. Ein wenig ärgerte sie sich auch über sich selbst, dass sie es nicht wusste. Das ließ sie sich natürlich nicht anmerken.
Glücklicherweise gelang es dann aber ihrer Schwester, ihn auf die richtige Fährte zu locken. Schon als kleine Kinder hatte sich ihre Zusammenarbeit stets bewährt. Sei es beim gemeinschaftlichen Mehl im Haus verteilen, das Erforschen der Speiskammer, das Bitten um Ausgang oder Geld für einen Einkaufsbummel oder die Flucht vor der Ornatrix...Als er schließlich seinen Namen nannte, fielen ihr sprichwörtlich die Schuppen von den Augen - sein Name unter einer Kopie der Acta Diurna, die einer ihrer Verwandten bei einem Besuch mitgebracht hatte, und in einem Artikel als amtlicher Pontifex. Kein Wunder also, dass er die Frage nicht auf sich gemünzt hatte. Im ersten Moment wirkte sie etwas erschrocken, fing sich aber bereits wieder im nächsten.
"Mit der Zeit, wird es einfacher", meinte sie ermutigend und wagte sich nun auch an ihren Becher mit Wein, dieses Mal vorsichtig nippend. Prisca war ihnen beiden schon gut bekannt. Sie hatten sich das eine oder andere Mal gegenseitig besucht und ansonsten über Briefe kommuniziert. Sie freute sich schon darauf, sie wiederzusehen. Natürlich hatte sie jede Menge Fragen! Die Acta, Rom....aber all das erschien ihr im Moment allzu hoch trabend und sie wollte ihn nicht schon zu Beginn förmlich durchlöchern, weshalb sie sich erst einmal lieber unverbindlich nach den beiden erkundigte. Der letzte Brief von Prisca lag ja nun auch schon eine kleine Weile zurück...
"Wie geht es den beiden? Was macht Prisca im Moment?" -
Zumindest hatten sie am Ende über Umwege erfahren, mit wem sie sich unterhielten. Er war ihnen auch nicht Böse, dass sie ihn nicht erkannt hatten -wie denn auch, ihre Mutter hatte nur dürftig die Verwandten aus Rom beschrieben- er nahm es mit Humor. Erleichtert lächelte Flora und war sehr froh darüber, dass sie nicht allein war in dieser Stadt und dass sie alle Erfahrungen die sie machte, mit jemandem teilen konnte. Heute Abend würden sie wohl wieder nebeneinander im Bett liegen und sich alles erzählen, was ihnen durch den Kopf ging und was sie von Ihrem Bruder und Corvinus und allen anderen hielten.
„Wir waren zwei oder drei, bevor Mutter mit uns auf Land gezogen ist“, meinte sie mit einem entschuldigendem Lächeln. Seit dem waren vierzehn Jahre vergangen und sie hatten einige andere Menschen kennen gelernt und die Gesichter der Verwandten waren verblasst. Das brachte die Zeit nun einmal mit sich. Selbst an ihren Bruder hatte sie sich nicht wirklich erinnern können, er hatte sie eben sehr selten besucht.
„Die Köchin in Terentum konnte uns nie aus einander halten“, schränkte sie die Aussage ihrer Schwester ein und grinste dann schief. Sie wusste gar nicht wie das kommen konnte, sie waren doch grundverschieden, einmal von ihrem Aussehen abgesehen. Prisca kannten sie schon, von Briefen her und einigen Besuchen. -
Zwar lagen Tarentum und Rom nicht eben nah beieinander, doch hatte es in der Vergangenheit schon Besuche gegeben, so dass ich die beiden nicht seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Es gehörte sich schließlich so, und die Aurelier stellten keine Ausnahme dar, trotz des schlechten Verhältnisses von Orest zu seinem Vater. Ich merkte, sie Narcissa kurz befangen wirkte und runzelte fragend die Stirn. Doch dann war es so, als sei nichts gewesen, und ich vergaß schnell, dass Narcissa erschrocken gewirkt hatte. Vielleicht hatte sie mich einfach nur anders in Erinnerung. "Den beiden geht es gut. Celerina ist, soweit ich weiß, gerade in den Agrippathermen. Und Prisca... Da muss ich gestehen, dass ich es nicht weiß. Vielleicht ist sie zu Hause, ihr könntet es später bei ihr versuchen", schlug ich vor.
Ein mildes Lächeln zeigte sich auf meinen Zügen. "Dann werdet ihr es mir sicherlich nachsehen, wenn ich euch verwechsle. Obschon ich mir natürlich größte Mühe geben werde, es nicht zu tun", versprach ich und trank dann einen Schluck. Die Kohlebecken wärmten das Zimmer schön auf. "Aber dann erzählt mal, was wollt ihr wissen? Als ich in eurem Alter war und nach Rom kam, war mein Kopf voller Fragen, die ich beantwortet wissen wollte."
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"Das klingt gut!", nickte Narcissa und nahm sich vor, später einmal nach Prisca zu sehen - gesetzen Falles, dass es dann noch nicht allzu spät war. Sie war immer noch etwas müde, obschon sie ja ein wenig geschlafen hatte.
Sogleich ergriff sie Marcus´ Faden. "Wir haben zwar das eine oder andere mitbekommen, aber um ehrlich zu sein, wissen wir nicht sehr viel darüber, was momentan in Rom vor sich geht. Ich meine was politisch und gesellschaftlich geschieht", sie lächelte etwas verlegen, aber nicht scheu..."Ich fürchte mich etwas davor in ein Gespräch zu geraten und über nichts Bescheid zu wissen...", Tatsächlich wollte sie sich fundiert an Unterhaltung beteiligen. Sie las zwar viel, aber Geschichtsbücher halfen ihr nicht unbedingt dabei, auf dem aktuellen Stand zu sein. "Meine Frage wäre also: Was ist der Stand der Dinge?" Hoffentlich war ihr Verwandter nicht der Meinung, politische Angelegenheiten seien nichts für junge Frauen.
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Es würde schön sein, Prisca einmal wieder zu sehen. Sie würden sich jede Menge zu erzählen haben. Außerdem war es gut ein vertrautes Gesicht um sich herum zu wissen. Alles andere war ihr dann doch noch reichlich Fremd. Aber früher oder später würden sie sich ebenso wohl hier fühlen wie bei ihrer Mutter. Zumal sie ja nun der mütterlichen Überwachung entkommen waren. Mit etwas Glück hatten sie nun einige Freiheiten mehr. Manius hatte nicht so gewirkt, als könne er sie den ganzen tag beaufsichtigen, oder als ob er das tun wollte. Schließlich hatte dieser seine eigenen Pflichten.
Flora war gespannt wie Celerina so war, aber es würde wohl noch dauern, bis sie diese kennen lernten. Erst einmal widmeten sie sich anderen Fragen. Sie nickte bestätigend zu Narcissas Worten. Ein Überblick über die aktuelle politische Lage Erwartungsvoll sah sie Corvinus an. -
Was politisch und gesellschaftlich geschieht? Ich hob eine Braue. Wozu interessierte die beiden die Politik? Doch dann sprach Narcissa weiter und ich schlussfolgerte aus ihren weiteren Erklärungen, dass sie eben nicht die Politik in dem Sinne meinte, sondern die grundlegendsten Dinge des Allgemeinwissens, und nickte. Dass ich damit eigentlich falsch lag, war mir natürlich nicht bewusst. "Tja, die wohl wichtigste Information für euch dürfte sein, dass der Kaiser sich seit einer ganzen Weile nicht in Rom aufhält, sondern in Misenum, und dass er ob dessen die Tagesgeschäfte seinem Vertreter überlassen hat", sagte ich und untermalte meine Worte mit Mimik und Gestik, die deutlich machten, dass ich selbst nicht so sehr zufrieden damit war. "Und Manius und ich kandidieren bei den kommenten Wahlen, aber das wisst ihr sicherlich schon." Damit war für mich erstmal das Essentielle die Politik betreffend abgegrast, zumindest was die Anwesenheit der beiden Mädchen betraf. Dass sie sich ganz offen und ungeniert für mehr politische Belange interessierten, davon ging ich nicht aus, galt das doch als unschicklich. Und die beiden hatten eine gute Erziehung genossen. Zudem erschien es mir unrealistisch, dass Narcissa und Flora tatsächliches Interesse daran hegen mochten, und so war es - zumindest aus meiner Sicht - nicht verwunderlich, dass ich das Thema alsdann auf die Gesellschaft lenkte. "Was die gesellschaftlichen Konstruktionen anbelangt, bin ich vermutlich ein weitaus schlechterer Ansprechpartner als Prisca oder Celerina", gestand ich ein. "Vielleicht solltet ihr euch mit den beiden in die Thermen begeben? Ich habe mir sagen lassen, dass die Agrippathermen sozusagen als Hauptumschlagplatz solcher Informationen gelten", riet ich den beiden Damen.
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